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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.04.2023, RV/7100941/2023

Studium - nicht ernsthaft und zielstrebig studiert

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab März 2022, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Am beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) Familienbeihilfe wie folgt:
Antrag wegen Weiterbezug nach einem anderen Familienbeihilfenbezieher
Art der Tätigkeit Student
Name der Einrichtung/Ausbildungsstätte Universität für ***St,bezeichn*** Wien
Studienkennzahl H915
Bezeichnung des Studiums/der Studienrichtung Lebensmittel- und Biotechnologie
Studienplan 101950
Art der Tätigkeit Student
Name der Einrichtung/Ausbildungsstätte ***Uni.***
Studienkennzahl K175
Bezeichnung des Studiums/der Studienrichtung Wirtschaftsinformatik (UniStG)
Studienplan 102002
Die Studienzeitbestätigung der Universität für ***St,bezeichn*** Wien weist Folgendes aus:
(Nach- und Vorname des Bf.) geboren am: … .07.1997
Der Studierende war in den angeführten Studienrichtungen in den genannten Semestern gemeldet.
Lebensmittel- und Biotechnologie UH 033 217
Bachelorstudium; Lebensmittel- und Biotechnologie
ordentliches Studium begonnen am:

Am richtete das Finanzamt ein Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen an den Bf.:
Fragen bzw. vorzulegende Unterlagen
Studienerfolgsnachweis
2021/22 von Ihnen

Am erließ das Finanzamt folgenden beschwerdegegenständlichen Bescheid:
Abweisungsbescheid
Ihr Antrag auf Familienbeihilfe vom wird abgewiesen für:
Name des Kindes VNR/Geb.dat. Zeitraum von - bis
[Nach- u. Vorname des Bf.) … 0797 ab März 2022
Begründung
Wir haben Sie aufgefordert, uns Unterlagen zu senden. Da Sie das nicht getan haben, kommen Sie Ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach (§ 119 Bundesabgabenordnung). Eine Familienleistung kann daher nicht ausgezahlt werden.

Der Bf. erhob (am über FinanzOnline) Beschwerde wie folgt:
Ich habe einen Abweisungsbescheid auf meinen Antrag auf Familienbeihilfe bekommen mit der Begründung, dass von mir verlangten Unterlagen nicht übermittelt wurden. Leider habe ich kein Schreiben per Post erhalten noch ein Schreiben im Finanzonline. Ich würde Sie vielmals bitten mir zu erlauben, die Unterlagen nachzureichen und Sie sehr bitten mir dieses Ergänzungsansuchen im Finanzonline abzulegen, damit es auf dem Postweg nicht verschwindet. Ich bitte vielmals um Ihr Verständnis und Entgegenkommen.

Am richtete das Finanzamt ein (weiteres) Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen an den Bf.:
Fragen bzw. vorzulegende Unterlagen
- Nachweis über abgelegte Prüfungen im Studienjahr 2021/22 (Falls keine Prüfungen abgelegt
wurden ist ein Nachweis über besuchte Lehrveranstaltungen vorzulegen.)
- Studienbestätigung für das Wintersemester 2022/23 - Ist das Studium weiterhin aufrecht?
- Einkommensnachweis (Monatslohnzettel) und Dienstvertrag (***DG.*** AG) von
Ihnen
- Werden Ihre Einkünfte im Kalenderjahr 2023 den Betrag von Euro 15.000,00 übersteigen?
- Leisten Ihnen Ihre Eltern Unterhalt? - Bitte entsprechende Nachweise vorlegen.
- Aufstellung Ihrer Lebenshaltungskosten und Nachweise womit diese bestritten werden.
- Mietvertrag, Nachweis über laufende Zahlungen (Miete, Betriebskosten, Strom,
Versicherungen, etc.)

Das Finanzamt erließ (am ) eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, dies mit folgender Begründung:
Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 119 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass im oben angeführten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht.
Das Ersuchen um Auskunft bzw. Vorlage von Unterlagen vom , Versand
am , mit einer Frist bis spätestens blieb bis dato unbeantwortet.

Das Finanzamt ersuchte den Bf. (mit Schreiben vom ) u.a. um Vorlage folgende Nachweise bzw. Fragenbeantwortung:
- Aktueller Studienerfolgsnachweis ab Studienbeginn bis laufend von Ihnen
- Nachweis über besuchte Lehrveranstaltungen und Mitschriften im Wintersemester 2021
und Sommersemester 2022 von Ihnen
- Warum wurden im Wintersemester 2021 keine Prüfungen abgelegt? Bitte schriftliche
Bekanntgabe.

In Beantwortung dieses Ersuchen des Finanzamtes legte der Bf.
- den Studienerfolgsnachweis (vgl. unten),
- ein drei Seiten umfassendes ,Übungsblatt 1, Formale Grundlagen der Wirtschaftsinformatik,
SS 2022, Abgabe bis Donnerstag, , 16:15', das handschriftliche Eintragungen (des
Bf.) beinhaltet und
- ein Skriptum
vor.

Der Vorlageantrag wurde erstattet wie folgt:
Da ich im Wintersemester 2021 Lebensmittel- und Bio- Technologie studiert habe und mit dem Studium nicht klar gekommen bin habe ich mich erstens dafür entschieden das Studium zu wechseln und konnte im gleichen Semester keine Prüfung ablegen, da das Studium für mich etwas zu schwer war und ich beschlossen habe das Studium zu wechseln.
Im Sommersemester 2022 habe ich mit dem Studium Wirtschaftsinformatik begonnen. Da ich davor als Koch tätig war und nicht viel mit IT zu tun hatte, habe ich Anfangsschwierigkeiten gehabt. Ich werde einige Lehrveranstaltungen ein zweites Mal machen müssen, da das Studium etwas kompliziert ist.
Darüber hinaus bin ich schon für das Sommersemester zugelassen, wo ich mehr Prüfungen ablegen möchte.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
(Der Bf.) stellte am einen FON-Eigenantrag auf Familienbeihilfe.
Er ist am ***Geb.dat.*** geboren - 25. LJ 7/2023
Von - legte er den PD ab.
Im WS 2021/22 und im SS 2022 war er an der Boku Wien Bakk. Lebensmittel und Biotechnologie inskribiert.
Ab dem SS 2022 ist er zusätzlich an der UNI Linz im Studium Wirtschaftsinformatik inskribiert.
An der Boku hat er keine positiven Prüfungen absolviert. Es wurden auch keine Mitschriften vorgelegt.
In Wirtschaftsinformatik hat er am (1,5 ECTS), am (4,5 ECTS) und am (3 ECTS) drei negative Prüfungen abgelegt.
Das sind im SS 2022 6 neg. ECTS-Punkte und im WS 2022/23 3 neg. ECTS-Punkte.
Es wurde ein Übungsblatt mit Abgabetermin vorgelegt.
Sonst wurde nur ein Skriptum durchkopiert.
Im 1. Studienjahr und bis dato wurden keine 16 positive ECTS-Punkte erreicht.
Die Familienbeihilfe wurde ab 3/2022 abgewiesen.
Seit arbeitet er bei der **DG** in Wien.
Seit lebt die Mutter wieder mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt.
Es wurde vorerst angenommen, dass sich (der Bf.) während der Studienzeit nicht in Österreich aufgehalten habe, da die 2x urgierten Unterlagen erst im Vorlageantrag vorgelegt wurden.
Lt. Pass war er von 8.7.- in der ***X.*** Republik.
Beweismittel:
Unterlagen im Akt
Stellungnahme:
Abweisung der Beschwerde
Es liegt kein ernsthaftes und zielstrebiges Studium vor.
In eventu: FB-Gewährung von 3 - 9/2022 für das 1. Studienjahr.
In weiterer Folge keine FB-Gewährung, da die geforderten 16 positiven ECTS-Punkte nicht vorliegen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Beginnend mit dem Wintersemester 2021/22 war der Bf. (an der Universität für ***St,bezeichn*** Wien) im Studium Lebensmittel- und Biotechnologie (Bachelor) inskribiert.

Laut den eigenen Angaben des Bf. ist er "mit dem Studium nicht klar gekommen" und "konnte im gleichen Semester keine Prüfung ablegen, da das Studium für mich etwas zu schwer war und ich beschlossen habe das Studium zu wechseln".

Beginnend mit dem (auf dieses Semester folgenden) Sommersemester 2022 war der Bf. (an der ***Uni.***) im Studium Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik inskribiert (Antrag des Bf. und Studienbestätigung).

An der ***Uni.*** erzielte der Bf. (im Studium Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik) folgenden Studienerfolg (Bestätigung 2023-02-12):
LVA - Prüfungen Typ ECTS-Pkte Datum Beurteilung
Formale Grundl. d. Wirtschaftsinformatik UE 1.50 nicht genügend
Formale Grundl. d. Wirtschaftsinformatik VL 4.50 nicht genügend
(Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre KS 3.00 nicht genügend

Im Zeitraum bis war der Bf. geringfügig beschäftigter Arbeiter einer Firma im ***Ortsang.*** Gemeindebezirk (Sozialversicherungsdatenauszug).

Am nahm der Bf. eine nichtselbständige Tätigkeit als Angestellter der ***DG.d.Bf.*** Aktiengesellschaft auf (Sozialversicherungsdatenauszug).

Auf das Ersuchen des Finanzamtes: ,Falls keine Prüfungen abgelegt wurden ist ein Nachweis über besuchte Lehrveranstaltungen vorzulegen' reagierte der Bf. mit der Vorlage
- eines drei Seiten umfassenden ,Übungsblatt 1, Formale Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, SS 2022, Abgabe bis Donnerstag, , 16:15', das handschriftliche Eintragungen (des Bf.) beinhaltet, und
- eines Skriptums.

2. Beweiswürdigung

Die im Einzelnen getroffenen Feststellungen beruhen auf den jeweils angeführten Grundlagen und sind unstrittig. Weiterer Ausführungen zur Beweiswürdigung bedarf es dementsprechend nicht.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 bestimmt:
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Eine Berufsausbildung liegt dann vor, wenn der Studierende sich nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig um den Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiert sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern und insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden () bzw. zu diesen zumindest angetreten wird (). Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, stellt einen essentiellen Bestandteil des Studiums und somit der Berufsausbildung selbst dar (, ).

Das Bundesfinanzgericht hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass zum Betrieb eines Studiums der (regelmäßige) Besuch von Lehrveranstaltungen gehört (z.B. ; ; ). Die jedem Studenten eingeräumte und auch vom Gesetzgeber in den Materialien zum Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 (Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG) erwähnte akademische Freiheit, ein Studium und den Studienfortgang völlig frei zu bestimmen, bedeutet zwar einerseits nicht, dass detaillierte Nachweise zu erbringen wären, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert wird. Andererseits kann diese akademische Freiheit aber nicht dahingehend aufgefasst werden, dass eine Berufsausbildung iSd FLAG durch Besuch einer in § 3 StudFG genannten Einrichtung auch dann vorliegt, wenn tatsächlich keine Aktivitäten in Richtung eines Studiums gesetzt werden, die die Annahme einer Berufsausbildung iSd FLAG rechtfertigen (vgl. , unter Verweis auf ).

Bereits der erste Satz der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (465 der Beilagen XVIII. GP), mit welcher die in Rede stehenden Bestimmungen durch das BGBl 311/1992 eingefügt wurden, bringt klar zum Ausdruck, dass für volljährige, nicht behinderte Kinder die Familienbeihilfe grundsätzlich nur gewährt wird, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden. In der Folge wird sodann auf die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Rechtslage und Judikatur Bezug genommen und festgehalten, dass es bei Studierenden notwendig ist, bestimmte Kriterien über den Studienfortgang als Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe in das Gesetz aufzunehmen. Letztlich ist den Erläuternden Bemerkungen noch zu entnehmen, dass mit der Novellierung beabsichtigt war, eine Verankerung des Studienfortganges als Anspruchsvoraussetzung vorzunehmen. Dies, weil bei einem zB Universitätsstudium die Studierenden im Rahmen der akademischen Freiheit ihr Studium und den Studienfortgang frei bestimmen und diese Freiheit in Bezug auf die Familienbeihilfe eine gewisse Einschränkung erfahren sollte. Zusammengefasst war es somit der Wille des Gesetzgebers, durch die neu aufgenommenen Passagen Mindesterfordernisse für zB Universitätsstudien ins Gesetz aufzunehmen, die nur bei einem gewissen Studienfortgang einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln.

Es kann dem Gesetzgeber vernünftiger Weise nicht - auch nicht im Interpretationswege - unterstellt werden, dass es mit der beabsichtigten Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung an zB einer Universität gewollt war, Familienbeihilfe auch für Kinder auszuzahlen, die mit Ausnahme des Formalaktes der Anmeldung an einer Universität keinerlei studentische Aktivitäten entfalten und somit überhaupt nicht (mehr) in Berufsausbildung stehen (vgl. ) und auch sonst keine berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen.

Bei ordentlichen Studien an einer Einrichtung iSd § 3 Studienförderungsgesetzes ist es seit der oben angesprochenen Gesetzesänderung nicht (mehr) ausreichend, dass lediglich die Absicht zur erfolgreichen Ablegung von Prüfungen besteht, sondern kommt es - durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen - entscheidend darauf an, dass diese Prüfungen in einem gesetzlich normierten Mindestausmaß auch tatsächlich erfolgreich abgelegt werden ().

Im Erkenntnis vom , RV/1100227/2019, erwog das Bundesfinanzgericht:
Maßstab für die Bemessung des Studienerfolges sind die ECTS-Punkte, die den durchschnittlichen Gesamtaufwand für Studierende pro Studienjahr angeben. Das Arbeitspensum für ein Studienjahr umfasst generell Studienleistungen von 60 ECTS-Punkten. Bei dem laut FLAG erforderlichen Leistungsnachweis von (nur) 16 ECTS-Punkten handelt es sich um lediglich etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt.
Da die Familienbeihilfe eine Familienleistung im klassischen Sinne und keine unmittelbare Form der Studienförderung darstellt, wird das niedrig angesetzte Anforderungsniveau als vertretbar erachtet (vgl. Romana Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 70).
Werden im Nachweiszeitraum keine Prüfungen oder Prüfungen in einem Umfang von weniger als 16 ECTS-Punkten abgelegt, so liegt keine Berufsausbildung vor, die zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.
Die bloße Meldung zur Fortsetzung des Studiums etwa, ist als reiner Formalakt nicht geeignet, eine Berufsausbildung nachzuweisen und damit den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen (Hermann Hebenstreit, aaO, § 26, Rz, 5 aa)).
Soweit also die Beschwerdeführerin im Zuge des Beschwerdeverfahrens die nicht näher substantiierte Auffassung vertreten hat, dass nach Erreichen des für das erste Studienjahr erforderlichen Studienerfolges in den Folgejahren bloß eine erfolgreich abgelegte Prüfung pro Semester nachzuweisen sei, kann ihr nicht gefolgt werden.
Indem vielmehr A jeweils das mit 16 ECTS pro Nachweiszeitraum (Studienjahre 2016/17 und 2017/18) ohnehin niedrig angesetzte Anforderungsniveau (siehe oben) unterschritten hat, kann von einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung nicht mehr ausgegangen werden, weshalb der Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages erloschen ist.

Im Erkenntnis vom , RV/7102330/2020, erwog das Bundesfinanzgericht
Er legte im WS 2017 Prüfungen mit 5,5 ECTS, im Sommersemester 18 Prüfungen mit 7 ECTS, im WS 2018 Prüfungen mit 2,1 ECTS und im SS 2019 Prüfungen mit 10 ECTS ab (Anm.: alle positiven und negativen Prüfungen zusammengezählt). …
Bei einem derartigen Sachverhalt kann nicht von einem ernsthaften und zielstrebig betriebenen Studium ausgegangen werden.

Der Bf. trat im beschwerdegegenständlichen Sommersemester 2022 zu Prüfungen im Ausmaß von insgesamt lediglich 9 ECTS- Punkten (betreffend die ECTS- Punkte vgl. oben) an und kommt hinzu, dass die Beurteilung bei allen drei Prüfungen "nicht genügend" war, mit anderen Worten: konnte trotz Antretens zu nur wenigen Prüfungen keine einzige Prüfung positiv abgelegt werden; im Übrigen war er im vorangegangenen nicht beschwerdegegenständlichen Zeitraum Wintersemester 2021/22 "mit dem Studium nicht klar gekommen" und "konnte im gleichen Semester keine Prüfung ablegen".
Hinzu tritt, dass der Bf. auf das Ersuchen des Finanzamtes:
,Falls keine Prüfungen abgelegt wurden ist ein Nachweis über besuchte Lehrveranstaltungen vorzulegen'
nur mit der Vorlage
a) eines drei Seiten umfassenden ,Übungsblatt 1, Formale Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, SS 2022, Abgabe bis Donnerstag, , 16:15', das handschriftliche Eintragungen (des Bf.) beinhaltet, und
b) eines Skriptums
reagierte.
Auf Grund dieser Umstände kann nicht mit Recht gesagt werden, der Bf. habe ernsthaft und zielstrebig studiert.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100941.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at