zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2023, RV/2100178/2023

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Fristverlängerungsantrag anstelle des Vorlageantrages

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/15/0019. Mit Erkenntnis v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/2100020/2024 erledigt.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/2100178/2023-RS1
Hat der Antragsteller im Fall der Versäumung einer Frist nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachgeholt, liegt ein (nicht verbesserungsfähiger) Mangel der Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse des § 308 BAO vor. Da der Vorlageantrag nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, waren nicht alle gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt (zum vergleichbaren Fall eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist unter gleichzeitigem Antrag auf Fristverlängerung vgl. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Michael Rauscher und die weiteren Senatsmitglieder Mag. Franz Glashüttner, Dr. Christian Haid und Mag. Bruno Sundl im Beisein der Schriftführerin Anita Eberhardt über die Beschwerden des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Heinrich Balas, Operngasse 18/12a-16, 1040 Wien, vom gegen den (Sammel-)Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung von Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden zurückgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, über die mit Beschluss des Gerichtes vom der Konkurs eröffnet und die infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst wurde. Am wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.

Mit (hier nicht beschwerdegegenständlichen) Bescheiden vom setzte die Abgabenbehörde beim Beschwerdeführer die Kapitalertragsteuer für die Zeiträume 12/2011, 12/2012, 12/2013, 12/2014, 12/2015, 12/2016 und 12/2017 fest.

Nach mehrfacher Verlängerung der Beschwerdefrist erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter am auf elektronischem Weg (FON) die (hier nicht entscheidungsgegenständlichen) Beschwerden gegen diese Bescheide (OZ 3).

Mit (Sammel-)Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 4) wies die Abgabenbehörde diese Beschwerden als unbegründet ab.

Am übermittelte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers im Wege von FinanzOnline ein Anbringenzur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand(OZ 5) mit folgendem Wortlaut:

Namens und auftrags meiner randvermerkten Mandantschaft stelle ich unter Berufung auf § 88 WTGB, als ausgewiesener Vertreter in steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten,

den Antrag auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand

zur Einbringung einer Fristerstreckung zur Abgabe eines Vorlageantrags gegen die oben bezeichneten Bescheide des Finanzamts Österreich Dienstelle 67.

Zur Begründung führe ich wie folgt aus:

Die BVE betreffen der eingebrachten Beschwerde gegen die bezeichnten Bescheid wurde am in meiner Kanzlei zugestellt. Die Frist zur Einreichung eines Vorlageantrags bzw. einer Fristverlängerung ist sohin am abgelaufen.

Ich konnte diese Frist nicht einhalten, da meine Mutter am ***tt***.01.2023 verstorben ist. Mein Vater ist aus diesem Grund (nach 60 Jahren Partnerschaft) seelisch am Boden zerstört und bedurfte an Unterstützung. Dieser Zmsatnd war für mich unvorhergesehen und daher habe ich auf die Frist vergessen.

Ich beantrage daher der Wiedereinsetzung statt zu geben. Gleichzeitig beantrage ich die Erstreckung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags bis zum

Mit (hier beschwerdegegenständlichem) (Sammel-)Bescheid vom (OZ 1), dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers am (OZ 17) zugestellt, wies die Abgabenbehörde die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und begründete dies im Ergebnis damit, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO nicht erfüllt seien.

Mit Beschwerdeschreiben vom (OZ 2) erhob der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter dagegen die (hier entscheidungsgegenständliche) Bescheidbeschwerden (und beantragte gleichzeitig die Vorlage der Bescheidbeschwerden gegen die Bescheide betreffend Festsetzung von Kapitalertragsteuer an das Verwaltungsgericht). In der Begründung wurde ausgeführt, warum entgegen der Ansicht der Abgabenbehörde die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand doch vorlägen (Seite 2-4).

Mit Vorlagebericht vom (OZ 7) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerden ohne Beschwerdevorentscheidungen (auf die der Beschwerdeführer verzichtet hatte) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom (OZ 12) wies die Abgabenbehörde auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100375/2017, hin, wonach (spätestens) gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen sei. Die versäumte Handlung sei die Einbringung des Vorlageantrags (nicht des Fristverlängerungsantrags).

Mit Schreiben vom (OZ 22) brachte der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter vor, es sei weder vom Wortlaut noch vom Sinn der Bestimmung des § 308 Abs. 3 BAO abzuleiten, dass die versäumte Handlung zwingend die Einbringung einer Beschwerde oder eines Vorlageantrags sein müsse.

Der Beschwerdeführer hat die mündliche Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:

Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (§ 308 Abs. 1 BAO).

Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen (§ 308 Abs. 3 letzter Satz BAO).

Der Beschwerdeführer hat die Frist für die Vorlageanträge versäumt. Der Beschwerdeführer hat gleichzeitig mit den Wiedereinsetzungsanträgen - anstelle von Vorlageanträgen - einen Fristverlängerungsantrag für die Vorlageanträge eingebracht.

Hat der Antragsteller im Fall der Versäumung einer Frist nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachgeholt, liegt ein (nicht verbesserungsfähiger) Mangel der Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse des § 308 BAO vor. Da der Vorlageantrag nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, waren nicht alle gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt (zum vergleichbaren Fall eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist unter gleichzeitigem Antrag auf Fristverlängerung vgl. ).

Der angefochtene (Sammel)-Bescheid vom war daher - auch wenn der Beschwerdeführer selbst nach dessen Zustellung mit Schreiben vom (OZ 14) erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, dem ein (Sammel-)Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerden durch das Verwaltungsgericht beigefügt war, beantragt hat - abzuändern und die Anträge vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da eine Rechtsprechung zu obiger Rechtsfrage fehlt, war auszusprechen, dass die Revision zulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100178.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at