TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe

Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2023, RV/5100462/2022

Keine Nachsicht bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0057.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/5100462/2022-RS1
Wurde von einem Leistungserbringer unrichtigerweise in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen und vom Leistungsempfänger an diesen bezahlt, kann dieser Fehler (bei mittlerweile eingetretener Insolvenz des Leistungserbringers) vom Leistungsempfänger nicht im Zuge eines Nachsichtsverfahrens nach § 236 BAO saniert werden, wenn die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt wurde (vgl. ).
RV/5100462/2022-RS2
Die Nachsicht ist nicht das einzige Instrument zur Durchsetzung des Grundsatzes von Treu und Glauben. In Betracht kommen etwa auch die Bescheidaufhebung nach § 299 BAO () und die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO (Ritz, BAO7, § 303 Tz 88 mwN), da auch diese im Ermessen der Behörde liegen und damit einen Vollzugsspielraum einräumen, in dem der Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigt werden kann.
RV/5100462/2022-RS3
Steht die Festsetzung der auskunftswidrigen, aber rechtmäßigen Abgabenschuld im Ermessen der Abgabenbehörde, so steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung entgegen. Das liegt daran, dass bei der Ermessensübung nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit abzuwägen ist, ob der rechtmäßige Zustand hergestellt werden soll. Der Grundsatz von Treu und Glauben macht die Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen sachlich unbillig, sodass von einer rechtmäßigen Besteuerung Abstand zu nehmen ist.
RV/5100462/2022-RS4
In den Fällen, in denen die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes über eine Ermessensentscheidung zu erfolgen hat, steht der Grundsatz von Treu und Glauben daher bereits der Festsetzung und nicht bloß der Einhebung der rechtmäßigen Abgabenschuld entgegen. Er ist daher nicht im Wege der Nachsicht durchzusetzen, sondern verhindert unmittelbar eine Ermessensentscheidung in Richtung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Tina Ehrke-Rabel, Zur Bindungswirkung von finanzbehördlichen Auskünfte in Steuersachen, Festschrift für Werner Doralt, 2007, 27).
RV/5100462/2022-RS5
Die Frage nach der Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben stellt sich nur dann, wenn der vom Auskunftsadressaten in seiner Anfrage dargelegte Sachverhalt dem in der Folge (oder bereits zuvor) tatsächlich verwirklichten Sachverhalt entspricht, der Inhalt der Auskunft von der Behörde nachträglich als unrichtig erkannt wird und daher zu Lasten des Auskunftswerbers keinen Niederschlag in dem betreffenden Bescheid findet. Dieser Grundsatz kann jedenfalls dann nicht zum Tragen kommen, wenn der der Auskunft zugrunde liegende Sachverhalt nicht verwirklicht wird (oder wurde), wenn er im Auskunftsersuchen falsch oder unvollständig dargestellt worden ist oder wenn die Auskunft durch Täuschung erschlichen wurde. Ein Vertrauensschutz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kommt außerdem nur dann in Betracht, wenn die Auskunft nicht offensichtlich unrichtig war (Tina Ehrke-Rabel, Zur Bindungswirkung von finanzbehördlichen Auskünfte in Steuersachen, Festschrift für Werner Doralt, 2007, 23 mwN).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerden

1) vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Abweisung eines Antrages vom um Bewilligung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 6.190.051,41 €, und

2) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom zu Steuernummer ***BF1StNr1***, mit dem der im Zuge der unter Punkt 1 angeführten Beschwerde vom gestellte Antrag auf Aussetzung der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben gemäß § 212a BAO zurückgewiesen wurde,

nach der am in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1) Die Beschwerde vom wird als unbegründet abgewiesen.

2) Der mit Beschwerde vom angefochtene Bescheid vom wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Aussetzung der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben abgewiesen wird.

3) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (***Bf***, im Folgenden KM) mit Sitz in ***1*** ist im Brennstoffgroßhandel tätig.

Gleiches galt für die damalige ***2*** GmbH (FN ***3***) mit Sitz in ***4*** (im Folgenden: BPM).

Am wurde im Companies House für England und Wales unter der Nummer ***5*** die ***6*** (im Folgenden: ***BI***) nach dem Companies Act 1985 als private Limited eingetragen. Als Sitz wird im Companies-Register "***7***", angegeben. Als Company Secretary wird die ***8*** LIMITED an derselben Anschrift, als Director ***Dir***, ***9***, ausgewiesen. Als weiterer Director wurde in der Folge ***10*** (Rumänien) eingetragen. Die ***BI*** war im Energie- und Rohstoffhandel tätig und unterhielt in Österreich an der Anschrift des ***Dir*** eine inländische Zweigniederlassung, die im Firmenbuch zu FN ***11*** protokolliert und vom damaligen Finanzamt ***Fa*** unter der StNr. ***12*** geführt worden war (die Firma der ***BI*** wurde später in ***13*** Limited geändert und die inländische Zweigniederlassung nach ***14*** verlegt; StNr. ***15***).

Im Jahr 2007 erwarb neben anderen Firmen auch KM von der ***BI*** Mineralölprodukte, die diese wiederum von der BPM einkaufte, die in diversen deutschen Raffinerien über Produktkontingente verfügte.

Dem Abschlussbericht der Steuerfahndung beim damaligen Finanzamt ***Fa*** ist zu entnehmen, dass am beim Finanzamt Salzburg Stadt eine schriftliche Anzeige eines "Brancheninsiders" eingebracht worden sei. Daraus gehe hervor, dass seit ca. 16 Wochen in der Mineralölbranche ***BI*** im Bereich von Diesel-Lieferungen tätig sei. Diese Geschäfte würden zu völlig marktunüblichen Preisen abgewickelt und dabei würden Riesenumsätze erzielt, sodass die Konkurrenz nicht mehr mithalten könne. Es sei sämtlichen "alteingesessenen" Mineralöllieferanten völlig unerklärbar wie es der neu am Markt tätigen Firma ***BI*** möglich sei, zu derart niedrigen Verkaufspreisen zu liefern, obwohl die Ware von denselben Lieferanten bezogen werde. Die Preise lägen bis zu € 3,- pro 100 Liter unter den marktüblichen Großhandelspreisen. Das entspreche bis zu $ 50,- pro Tonne unter dem offiziellen Platzbörsenpreis. Als Abnehmer würden renommierte Firmen (Zwischenhändler) im Raum Oberösterreich und Salzburg genannt. Bei den am in den Büroräumlichkeiten der ***BI*** und in den Wohnräumlichkeiten des ***Dir*** stattgefundenen Hausdurchsuchungen seien umfangreiche Beweismittel beschlagnahmt worden, aus denen ersichtlich sei, dass die ***BI*** im Zeitraum Jänner bis Juli 2007 Umsätze in Höhe von € 62.869.366,83 getätigt habe. Gegenüber dem Finanzamt wären im selben Zeitraum jedoch nur Umsätze in Höhe von € 5.850.434,24 erklärt worden. Daraus hätte sich unter Berücksichtigung zusätzlicher Vorsteuerbeträge eine Umsatzsteuernachforderung in Höhe von € 10.199.265,89 ergeben. Im Zuge der Ermittlungen sei durch den steuerlichen Vertreter der ***BI*** eingewendet worden, dass (in den Rechnungen von ***BI*** an ihre Kunden) die Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen worden sei, da der Diesel direkt vom Kunden selbst in Deutschland abgeholt worden wäre und somit zwischen ***BI*** und deren Kunden eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliege. Außerdem bestünde die Möglichkeit der Rechnungsberichtigung, sodass durch die ***BI*** in Österreich kein Steuerschaden entstanden sei.

Im Zusammenhang mit diesen von ***BI*** mit Sammelberichtigungen vom und auch tatsächlich vorgenommenen Rechnungskorrekturen, in denen die bisher mit 20 % ausgewiesene österreichische Umsatzsteuer auf 0 % korrigiert wurde, hatte ***BI*** bereits zuvor in einem undatierten (bei KM im September 2007 eingelangten) Schreiben KM um Erteilung einer "Abholbestätigung" mit folgendem Inhalt ersucht:

"Aus formalen Gründen ersuchen wir Sie noch um Ihre kurze Bestätigung, dass die Abholung bzw. der Transport der bei uns bestellten Produkte in Deutschland durch Ihre Tankwagen bzw. durch einen von Ihnen in Ihrem Namen beauftragten Spediteur/Frachtführer erfolgt ist.

Sollte eine Bestätigung Ihrerseits nicht möglich sein, wäre eine Rechnungsberichtigung ohne gesonderten Ausweis einer Umsatzsteuer nicht möglich, sondern es müsste seitens ***BI*** eine Rechnung mit 19 % deutscher Umsatzsteuer ausgestellt und nachverrechnet werden. Diese nachverrechnete Umsatzsteuer könnte von Ihnen im Rahmen eines Veranlagungs- oder Erstattungsverfahrens in Deutschland geltend gemacht werden."

Aufgrund der Erhebungen durch die Steuerfahndung ergingen an die ***BI*** gemäß § 232 BAO Sicherstellungsaufträge vom und zur Sicherstellung von Umsatzsteueransprüchen für den Zeitraum Jänner bis Juli 2007 in Höhe von insgesamt 5.996.675,00 €. Von ***BI*** wurde ein Betrag von 1,4 Mio. € zur Sicherstellung geleistet.

Das Finanzamt ***Fa*** führte bei der ***BI*** eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Im Zuge dieser Prüfung wurde vom Finanzamt eine Anfrage an den bundesweiten Fachbereich des Bundesministeriums für Finanzen gestellt. Die BPM verkaufe in Deutschland lagerndes Mineralöl an die ***BI***, diese verkaufe das Mineralöl an verschiedene Kunden in Österreich. Die Kunden der ***BI*** würden in der Regel mit ihren Tankwägen nach Deutschland fahren und das Mineralöl im Lager abholen. Dazu würden sie von ***BI*** die Abholnummer und einen Abholausweis bekommen, die ***BI*** ihrerseits von BPM erhalten habe. Nach (näher dargelegter) Ansicht des Finanzamtes sei die Lieferung BPM an ***BI*** eine sogenannte ruhende Lieferung (steuerbar in Deutschland), die Lieferung ***BI*** an ihre Kunden die bewegte Lieferung (ebenfalls steuerbar in Deutschland gemäß § 3 Abs. 8 UStG; bei Erfüllung der Voraussetzungen ig. Lieferung durch ***BI*** in Deutschland und ig. Erwerb durch die Kunden in Österreich). Als tatsächlicher Vorgang könne die Verschaffung der Verfügungsmacht nicht durch eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Bedingung (zwischen BPM und ***BI***) beeinflusst werden. Die Kunden der ***BI*** hätten das Mineralöl in Deutschland abgeholt, wobei die Kunden nicht als Erfüllungsgehilfen der ***BI*** tätig geworden seien. Dass zwischen BPM und ***BI*** etwas anderes vereinbart gewesen sei (Abholung durch ***BI***) und sich ***BI*** insoweit gegenüber BPM vertragswidrig verhalten habe, habe bei der Beurteilung des Leistungsortes keine Bedeutung. Eine Anknüpfung an das Verpflichtungsgeschäft (die dort getroffenen Vereinbarungen) widerspreche Gesetz, herrschender Ansicht und Judikatur. Aufgrund der Abholung der Mineralöle durch die Kunden sei dieses nicht in Erfüllung des Umsatzgeschäftes zwischen BPM und ***BI***, sondern erst im Rahmen des Umsatzgeschäftes zwischen ***BI*** und den Kunden nach Österreich gelangt.

Der bundesweite Fachbereich beim Bundesministerium für Finanzen schloss sich dieser Rechtsansicht des Finanzamtes an. In einem Reihengeschäft könne nur eine der ausgeführten Lieferungen die bewegte sein (EuGH C-245/04 EMAG Handel Eder OHG). Werde der Gegenstand vom letzten Abnehmer abgeholt, so gelange der Gegenstand bei der Lieferung an ihn ins Inland (Ruppe3, Art 1 Tz 29). Das Abholen durch den letzten Abnehmer sei eine faktische Handlung, die nicht durch zivilrechtliche Vereinbarung zwischen dem Erstlieferer und dem mittleren Unternehmer beeinflusst werde. Diese Zuordnung werde auch nicht dadurch geändert, dass der erste Unternehmer in der Reihe die Ware im Auftrag des zweiten (Abholnummer und Abholausweis der ***BI***) an den Abholenden übergibt (vgl. ***24***/Kolacny/Caganec, Kommentar zur Mehrwertsteuer Art 25, Anm. 6, Beispiel 2).

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung der Prüfung bei der ***BI*** wurde daher festgehalten, dass die Wareneinkäufe der ***BI*** in Deutschland und die Weiterlieferungen an die abholenden österreichischen Empfänger (unter anderem KM) im Inland nicht steuerbare Vorgänge darstellen. Die in den Rechnungen der ***BI*** an ihre Kunden ausgewiesene Umsatzsteuerbeträge seien gemäß § 11 Abs. 12 UStG abzuführen, jedoch sei eine Berichtigung dieser Rechnungen im Sinne des § 16 Abs. 1 UStG möglich. Eine solche habe ***BI*** auch bereits durchgeführt. Die Sammelrechnungsberichtigungen wären von ***BI*** in die Umsatzsteuervoranmeldung 11/2007 aufgenommen worden. Die Umsatzsteuer für den Zeitraum 1-9/2007 sei daher wie in der angeschlossenen Beilage dargestellt festzusetzen.

Das Finanzamt setzte bei der ***BI*** am die Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum 1-9/2007 mit 11.029.919,29 € fest, woraus sich eine Nachforderung in Höhe von 10.199.265,89 € ergab, die am Abgabenkonto der ***BI*** zu einem Rückstand in Höhe von 10.276.361,88 € führte. Ferner wurde am von der USt-Nachforderung ein Säumniszuschlag in Höhe von 203.985,32 € festgesetzt. Am wurde die Umsatzsteuervoranmeldung 11/2007 mit einer Gutschrift (aufgrund der durchgeführten Rechnungsberichtigungen) in Höhe von 10.463.124,38 € am Abgabenkonto der ***BI*** gebucht, sodass sich der Rückstand am Konto auf 19.778,87 € verminderte. Aus der Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für 11/2007 mit Bescheid vom ergab sich eine Gutschrift von 11.173,75 €, durch die sich der Abgabenrückstand auf 8.605,12 € reduzierte. Dieser Rückstand wurde mit einer per wirksamen Überweisung abgedeckt, sodass das Abgabenkonto ausgeglichen war. Andere Buchungen, die zu einer Herabsetzung der am festgesetzten Umsatzsteuernachforderungen geführt hätten, erfolgten nicht. Am wurde der auf Verwahrung gebucht gewesene Betrag von 1,4 Mio. € neben einem weiteren auf Verwahrung gebuchten Betrag von 10.000,00 € auf das Abgabenkonto der ***BI*** gebucht. Am wurde ein Betrag von 1.231,651,41 € und am ein Betrag von 123.159,81 € an ***BI*** zurückgezahlt, der Restbetrag wurde zur Abdeckung von Verfahrenskosten, die im Zuge der Sicherstellungsexekution angefallen waren, verwendet (Pfändungsgebühren, Barauslagenersatz).

Da die ***BI*** für ihre Lieferungen an ihre Kunden (unter anderem KM) zunächst Rechnungen mit Ausweis von 20 % Umsatzsteuer gelegt hatte, stellte sich aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Prüfung und der vorgenommenen Rechnungsberichtigung die Frage der Korrektur der von den Kunden in Anspruch genommenen Vorsteuern.

Bereits am sprachen deswegen der Geschäftsführer der KM und deren steuerlicher Vertreter beim Finanzamt ***Fa*** vor. KM habe bei ***BI***, ***16***, Diesel eingekauft und bisher (seit ungefähr April 2007) immer USt in Rechnung gestellt bekommen und diese als Vorsteuer abgezogen. Bei ***BI*** sei eine Hausdurchsuchung gewesen und ihr steuerlicher Vertreter (***17***) sage, dass die 20 % USt zu Unrecht verrechnet worden seien und habe eine Aufstellung geschickt mit 0 % USt, da der Ort der Lieferung in Deutschland sei. KM, BPM und andere Kunden würden diese Meinung nicht teilen, wollten aber den Sachverhalt offenlegen. Eigentlich müssten sie den bisherigen Vorsteuerabzug stornieren und die Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlen. Sie fürchteten aber, dass sie diese von ***BI*** nicht bekommen. Eine Überrechnung von ***BI*** "an Lief." sei geplant. Der Sachverhalt werde vom Steuerberater noch schriftlich mitgeteilt. Er wolle mit dieser Mitteilung eine eventuelle Strafe oder SZ (Säumniszuschläge) vermeiden.

Am wurde von der steuerlichen Vertreterin der KM unter Bezugnahme auf diese Vorsprache die (mit datierte) angekündigte schriftliche "Offenlegung und Sachverhaltsdarstellung" übermittelt. Darin wurde neuerlich betont, dass die Rechnungsberichtigungen der ***BI*** nicht akzeptiert würden, da sehr wohl in Österreich steuerpflichtige Lieferungen der ***BI*** vorlägen und daher der Vorsteuerabzug zustehe.

Der Eingabe war eine "Sachverhaltsschilderung" der BPM vom angeschlossen. Darin wird festgehalten, dass ***BI*** verpflichtet sei, entweder selbst oder durch einen seitens ***BI*** beauftragten Spediteur oder Frachtführer die Mineralölprodukte zu Lasten des Kontingents von BPM aus der Raffinerie ***43*** sowie näher bezeichneten deutschen Tanklagern abzuholen. Die jeweilige Liefervereinbarung zwischen BPM und ***BI*** werde unter der unabdingbaren Bedingung getroffen, dass ***BI*** für den Transport der Produkte ausschließlich nach Österreich zu sorgen habe, da BPM die Produkte ohne Ausnahme für ***BI*** mineralölsteuerlich für die Verwendung in Österreich abfertige. Es könne im Einzelfall sein, dass ***BI*** die von BPM erhaltene Abholnummer + Abholausweis ihren Abnehmern weitergebe, die unter Nennung dieser Abholnummer und unter Vorlage des vom Fahrer ausgefüllten Abholausweises Produkte in der Raffinerie ***43*** zu Lasten des BPM-Kontingentes beziehen können. Für BPM sei aber nicht ersichtlich, ob die unter der jeweiligen Abholnummer jeweils zur Abholung freigegebene Produktmenge durch ***BI***, einen Abnehmer von ***BI*** bzw. von einem beauftragten Spediteur physisch abgeholt wird. Vertragspartner von BPM sei ***BI***; trotz der eventuell möglichen Weiterveräußerung des Produktes durch ***BI*** an einen dritten Abnehmer könne daher nicht ohne weiteres von einem "Streckengeschäft" gesprochen werden, weil BPM den jeweiligen Abnehmer von ***BI*** zum Zeitpunkt der Abholung nicht kenne.

Ferner war der Eingabe eine "Stellungnahme" vom angeschlossen, die von der ***18*** Wirtschaftsprüfung GmbH unter wissenschaftlicher Begleitung des Univ. Ass. Mag. Dr. ***19*** von der JKU Linz als "Berater", erstellt worden war. Die Berater gingen dabei von folgendem Sachverhalt aus:

"BPM ist Eigentümer von Mineralöl in deutschen Legern und bietet dieses Mineralöl auch Händlern für den österreichischen Markt an. ***BI*** (oder andere Kunden aus Österreich) kaufen von BPM dieses Mineralöl, wobei es auf Grund dieses Kaufvertrages als vereinbart gilt, dass ***BI*** diese Ware in Erfüllung dieses Umsatzgeschäftes nach Österreich verbringt. ***BI*** kann dieser Verpflichtung entweder selbst nachkommen oder ihrerseits dazu einen Frachtführer oder einen Dritten beauftragen, den Transport der Ware nach Österreich durchzuführen. BPM verlangt in diesen Fällen die UID-Nummer von ***BI***, und ***BI*** erklärt damit, dass die Ware im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Österreich kommt und hier der Erwerbsteuer unterliegt. ***BI*** verkauft dieses Kontingent an dritte Personen weiter, dies mit der Verpflichtung, dass diese die Abholung vor Ort durchführen müssen. Diese Vereinbarungen (bzw. der jeweilige Kunde von ***BI***) sind jedoch BPM nicht bekannt."

In rechtlicher Hinsicht vertraten die Berater zusammengefasst die Ansicht, dass im Kauf- bzw. Umsatzgeschäft BPM an ***BI*** die Abholung der Mineralöle durch Kunden von ***BI*** nicht ausdrücklich vereinbart worden war. Nur in einem solchen Fall könne aber die Lieferung BPM an ***BI*** als ruhende Lieferung angesehen werden, da es im Rahmen der Erfüllung dieses Umsatzgeschäftes dann erforderlich wäre, dass der Kunde (und nicht ***BI***) für die Warenbewegung verantwortlich ist. Richtigerweise sei daher die Lieferung BPM an ***BI*** als bewegte Lieferung in Deutschland als ig. Lieferung behandelt worden und sei daher die nachfolgende Lieferung ***BI*** an Kunden in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. Die von der Vertreterin der ***BI*** (***17***) dargestellte Rechtslage sei deshalb nicht zutreffend, weil der zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig angenommen worden sei.

Am fand eine Vorsprache des steuerlichen Vertreters der KM beim Vorstand des Finanzamtes ***Fa*** (in Anwesenheit auch des Fachbereichsvorstandes) statt. Laut der vom steuerlichen Vertreter angelegten Aktennotiz sollte eine Lösung über das BMF herbeigeführt werden. Die Vorstände hätten die Empfehlung ausgesprochen, den Fall mit dem bundesweiten Fachbereich und mit dem Generalsekretär im BMF, Dr. ***Q***, zu besprechen.

Mit Schreiben vom übermittelte der steuerliche Vertreter der KM eine Besprechungsinfo über eine Besprechung beim damaligen Generalsekretär im Bundesministerium für Finanzen (Dr. Peter ***Q***) am um 12:00 Uhr. Teilnehmer dieser Besprechung waren neben dem Generalsekretär noch ***20*** (BMF), ***21*** (Abgeordnete zum Nationalrat, Finanzausschuss), der Geschäftsführer der KM, Mag. ***22*** (***23***), Dr. ***19*** (Uni Linz) und der steuerliche Vertreter der KM. Vertreter des Finanzamtes ***Fa*** nahmen an dieser Besprechung nicht teil.

Zum Inhalt dieser Besprechung findet sich in der Eingabe nur folgende Punktation:

  1. Einleitung Frau Nationalrat ***21*** (Bitte um Rechtsauskunft)

  2. Bitte an Dr. ***Q*** um Hilfe und Mitteilung, dass die Vorstände des Finanzamtes ***Fa*** ein Gespräch mit Dr. ***Q*** empfohlen haben

  3. Schilderung des Sachverhaltes und Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen, insbesondere die Bilanzierungsfrage (Existenzgefährung)

  4. Erläuterung von Lösungsvorschlägen

  5. Dr. ***Q*** sagte Hilfe zu und schlug einen weiteren gemeinsamen Termin vor

Auf einer Beilage wird die bisherige Behandlung der Umsätze und die im Zuge der Prüfung von ***BI*** vertretene, auf eine Expertise ihrer steuerlichen Vertreterin (***17*** GmbH & Co KEG Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) gestützte neue Rechtsansicht dargestellt. Da die Lieferung von ***BI*** an ihre Kunden (KM) in Österreich nicht steuerbar sei, würden die rund 10,5 Mio. in Rechnung gestellte USt von ***BI*** nicht geschuldet. Im Zuge der Rechnungskorrektur müsste das Finanzamt diese 10,5 Mio. gutschreiben, das soll an die Kunden überrechnet werden. Problem dabei sei ein "vermutlicher Abgabenrückstand bei ***BI***" von 4,57 Mio., der die Gutschrift von 10,5 Mio. auf 5,93 Mio. "Gutschrift am Abgabenkonto" (gemeint offenbar: überrechenbares Guthaben zur Abdeckung der korrigierten Vorsteuer bei den Kunden der ***BI***) vermindern würde. Es bestehe daher ein "Risiko der Kunden" von ca. 4,57 Mio., wobei die tatsächliche Höhe (des vermutlichen Abgabenrückstandes bei ***BI***) "vollkommen ungewiss" sei.

Schließlich wird eine "Aktennotiz" der steuerlichen Vertreterin der ***BI*** (***17***) angeschlossen, in der die Rechtsansicht derselben näher dargestellt wird. Zum Sachverhalt wird darin festgehalten:

"Die österreichische Zweigniederlassung der ***BI*** UK Ltd (in der Folge: ***BI***) erwirbt von mehreren österreichischen Unternehmen (in der Folge als Lieferanten bezeichnet) Dieseltreibstoff. ***BI*** veräußert den Treibstoff weiter an österreichische Abnehmer (Mineralölhändler). Die Warengeschäfte finden im Zeitraum zwischen April und Oktober 2007 statt. Die Abwicklung erfolgt in der Weise, dass zunächst die österreichischen Abnehmer bei ***BI*** Treibstoff unter Mitteilung der gewünschten Menge (zB 3 Tankwägen) bestellen und über die gewünschten Mengen eine Akontozahlung an ***BI*** mittels Lastschrifteinzug leisten. ***BI*** wiederum bestellt den Treibstoff bei den Lieferanten, erhält von diesen eine Auftragsbestätigung und muss eine Vorauszahlung leisten. Nach Zahlungseingang bei den Lieferanten erteilen diese ***BI*** eine Abholnummer (Code), welche zum Bezug des Treibstoffs in den entsprechenden Lagern ermächtigt. ***BI*** leitet diesen Code an seine Abnehmer weiter. In der Folge holen sich die österreichischen Abnehmer den Treibstoff bei den Lieferanten entweder selbst ab oder beauftragen hierfür einen Spediteur. Der Treibstoff wird unter Vorlage der Abholnummer im Lager der Lieferanten in Deutschland abgeholt und nach Österreich transportiert."

In rechtlicher Hinsicht vertrat die steuerliche Vertreterin der ***BI*** zusammengefasst die Ansicht, dass es sich bei der Lieferung BPM an ***BI*** um eine sogenannte ruhende Lieferung handle, da der Transport des Treibstoffs weder durch BPM noch durch ***BI*** selbst erfolge, sondern vielmehr durch die österreichischen Abnehmer (u.a. KM) bzw. in deren Auftrag durch einen Spediteur. Diese ruhende Lieferung werde gemäß § 3 Abs. 7 UStG am Ort der Verschaffung der Verfügungsmacht über den Gegenstand und somit im konkreten Fall in Deutschland am Beginn des Transports ausgeführt. Da der Warentransport durch die inländischen Abnehmer (u.a. KM) bzw. durch einen von diesen beauftragten Spediteur erfolge, sei die Lieferung ***BI*** an die inländischen Abnehmer als sog "bewegte Lieferung" anzusehen. Die Lieferung gelte aus Sicht des österreichischen UStG gemäß § 3 Abs. 8 UStG in Deutschland als ausgeführt, da hier der Beginn der Beförderung liege.

Mitte Mai 2008 fand eine weitere Besprechung des Falles beim Generalsekretär statt, an dem Vertreter des Finanzamtes ***Fa*** teilnahmen. Diese haben dabei die bisher vom Finanzamt vertretene und vom bundesweiten Fachbereich geteilte Rechtsansicht wiederholt. Diese wurde auch vom anwesenden Leiter der USt-Fachabteilung im BMF, Mag. ***24***, vertreten.

Mit E-Mail vom teilte die Assistentin des Generalsekretärs in dessen Auftrag dem Finanzamt mit: "Die Inlandslieferung stellt im gegenst. Fall die bewegte Lieferung dar, da die Abholung durch die Kunden (z.B. Fa. ***KM***) nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Mit dem Ersuchen um entsprechende weitere Veranlassungen und abschließender kurzer Rückmeldung verbleibe ich mit besten Grüßen …".

Das Finanzamt wertete dies als Weisung des Generalsekretärs des BMF und teilte dem Leiter der Großbetriebsprüfung Linz am mit, dass bei der Umsatzsteuersonderprüfung der KM "der dargestellte Sachverhalt (Inlandslieferung ist bewegte Lieferung) der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt werden möge."

Daraufhin wurde die Umsatzsteuersonderprüfung bei KM widerrufen ("hinfällig aufgrund Erledigung BMF").

In einem "Dankschreiben" vom bedankte sich der steuerliche Vertreter der KM beim damaligen Vorstand des Finanzamtes ***Fa*** für das geschenkte Gehör und die Unterstützung. Die Finanzverwaltung habe, "unterstützt durch das BMF", das Verfahren hinsichtlich der anstehenden Vorsteuerkorrekturen bei Kunden der ***BI*** (u.a. KM), ursprünglich ausgelöst durch beabsichtigte Rechnungskorrekturen der ***BI***, eingestellt. Inhaltlich folge die Finanzverwaltung der "Sachverhaltsdarstellung" Dr. ***19***, ***25***, ***23***. Die Finanzverwaltung habe die ursprüngliche Rechnungslegung durch ***BI*** als richtig erkannt und werde bei den Kunden der ***BI*** keine Vorsteuerkorrekturen durchführen.

Eine Korrektur der von KM aufgrund der (später berichtigten) Rechnungen der ***BI*** in Anspruch genommenen Vorsteuern erfolgte auch im Umsatzsteuerjahresbescheid 2008 vom , der das Wirtschaftsjahr April 2007 bis März 2008 umfasste, nicht. Es wurde lediglich die Bemessungsgrundlage um 25.885,66 € (Vorsteuerabzug für PKW-Auslandsleasing) erhöht.

Einer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gab das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom statt und verwies zur Stattgabe auf das Erkenntnis des .

Im Ergebnis wurde daher aus den Umsatzgeschäften der ***BI*** mit KM bei der ***BI*** keine Umsatzsteuer vorgeschrieben, gleichzeitig aber die von KM aus diesen Geschäften in Anspruch genommene Vorsteuer nicht korrigiert, sodass dem Abgabengläubiger ein beträchtlicher Schaden entstand.

Mittlerweile war über Antrag der BPM (zu diesem Zeitpunkt bereits ***26***) mit Beschluss des LG ***27*** vom über das Vermögen der ***BI*** (nunmehr ***28***) das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Masseverwalter hielt in seinem zweiten Bericht vom unter anderem fest, dass die ***BI*** vom bis lediglich Mieterin mehrerer Öltanks und Büroräumlichkeiten, gelegen im Firmengelände der Fa. ***29*** GmbH in ***16*** gewesen sei. Es bestehe noch eine offene Forderung der ***BI*** an rückzuvergütender Umsatzsteuer gegenüber den deutschen Finanzbehörden. Bei der Hereinbringung dieser Forderung werde der Masseverwalter von ***30*** in Wien unterstützt. Im Konkurs wären Forderungen in Höhe von rund 8,2 Mio. € angemeldet worden. Im Bericht vom teilte der Masseverwalter mit, dass die Hereinbringung der Forderung gegenüber dem deutschen Bundeszentralamt für Steuern in Höhe von 4.588.736,22 € erfolgreich abgeschlossen worden sei. Die Masse weise damit ein Guthaben in Höhe von 4.590.332,52 € auf. Mit Beschluss des LG ***27*** vom wurde das Konkursverfahren nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben.

Der Rechnungshof führte im Wirkungsbereich des BMF eine Prüfung zum Thema Bekämpfung des Abgabenbetrugs mit dem Schwerpunkt Steuerfahndung durch und thematisierte dabei insbesondere den im gegenständlichen Fall für den Fiskus eingetretenen Schaden. Dabei wollte die Prüferin insbesondere wissen, ob ***BI*** im Zuge der Rechnungsberichtigungen Nachweise für die Beförderung der Waren durch ihre Kunden - Abholbestätigungen ihrer Kunden als Voraussetzung der Steuerfreiheit der ig. Lieferungen nach Art. 7 UStG - vorgelegt hatte. Dazu verwies das Finanzamt auf das Schreiben der ***BI*** an KM, mit dem KM um Bestätigung der von KM durchgeführten Abholung ersucht wurde. Ob diese Bestätigung unterfertigt worden sei, wäre nicht bekannt. Zur Frage, welche Lieferung im E-Mail des Generalsekretärs eigentlich als Inlandslieferung gemeint sei, verwies das Finanzamt auf seine ursprünglich vertretene Rechtsansicht, nach der es im gegenständlichen Fall überhaupt keine Inlandslieferung gäbe. Wenn nach Ansicht des Generalsekretärs aber nicht nachgewiesen werden habe können, dass die Abholung durch die Kunden der ***BI*** erfolgt wäre, blieben als Transporteure nur BPM und ***BI***; konsequenterweise erfolge dann die ig. Lieferung zwischen BPM und ***BI***. Zur Frage, weshalb die Lieferung ***BI*** an KM in Auslegung der Rechtsansicht des BMF bei der ***BI*** nicht steuerpflichtig behandelt und damit der ***BI*** wiederum die Steuer vorgeschrieben wurde, führte das Finanzamt aus, der steuerliche Vertreter der ***BI*** habe damit argumentiert, dass die Lieferung ***BI*** an ihre Kunden eine steuerfreie ig Lieferung sei. Diese Rechtsansicht sei auf Grund des Sachverhaltes vom Finanzamt geteilt und auch vom bundesweiten Fachbereich bestätigt worden. Da ***BI*** nach Ansicht des Finanzamtes in Österreich keine Lieferung getätigt habe, sei die Nichtvorschreibung des USt nur konsequent gewesen. Die Ansicht des BMF (GS Dr. ***Q***), dass die Abholung durch die Kunden der ***BI*** nicht nachgewiesen werden konnte, habe nicht der Rechtsansicht des Finanzamtes entsprochen. Die Vorschreibung der Umsatzsteuer an ***BI*** stünde im Widerspruch zur unveränderten Rechtsansicht des Finanzamtes und hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Rechtsmittelverfahren geführt, das auf Grund des bekannten Sachverhaltes nicht zu gewinnen gewesen wäre. Eine diesbezügliche Weisung (USt-Vorschreibung gegenüber ***BI***) durch das BMF sei nicht ergangen.

In seinem umfangreichen Bericht wies der Rechnungshof bereits in der Einleitung darauf hin, dass dem Bund im Bereich der Umsatzsteuer ein Schaden von jedenfalls rd. 5,9 Mio. € entstanden sei, obwohl im Rahmen der Ermittlungen durch die Steuerfahndung ausgestellte Sicherstellungsaufträge im Ausmaß von rd. 6 Mio. € vorhanden gewesen wären. Dies, weil das zuständige Finanzamt und das BMF den Fall unterschiedlich beurteilt hätten und die Sicherstellungen nicht schlagend geworden wären.

Unter Punkt 28 seines Berichtes behandelte der Rechnungshof den gegenständlichen Fall und führte aus:

"28.1 Die aufgrund einer Anzeige durchgeführten Hausdurchsuchungen durch die Steuerfahndung und die Prüfung des Finanzamts ***Fa*** führten im Jahr 2007 bei einem Lieferanten zu einer Umsatzsteuervorschreibung von mehr als 10 Mill. EUR. Diese resultierte aus an Kunden in Rechnung gestellter, jedoch gegenüber dem Finanzamt nicht erklärter sowie nicht bezahlter Umsatzsteuer. Grundlage dafür waren unterpreisige Treibstofflieferungen aus Deutschland an österreichische Unternehmen durch einen Lieferanten.

Aufgrund der umfangreichen Ermittlungen der Steuerfahndung hatte der Lieferant im Rahmen der von der Finanzverwaltung zu ihren Gunsten ausgestellten Sicherstellungsaufträge von rd. 6 Mill. EUR bereits Zahlungen von rd. 1,4 Mill. EUR auf sein Abgabenkonto zum Zeitpunkt und in Zusammenhang mit den Ermittlungen durch die Steuerfahndung geleistet.

Der Steuerberater des Lieferanten vertrat im Laufe des Verfahrens die Rechtsansicht, dass die Lieferungen tatsächlich steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen dargestellt hätten und der Lieferant Umsatzsteuer fälschlich in Rechnung gestellt hätte. Die österreichischen Kunden hätten die Ware direkt aus Deutschland abgeholt. Das zuständige Finanzamt ***Fa*** folgte dieser Rechtsansicht und erachtete die Lieferung als steuerbefreit, obwohl keine Abholbestätigungen der Kunden vorlagen. Diese sind jedoch Voraussetzung für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (VO 1996/401 i.V.m. Art. 7 Abs. 3 UStG). Der Lieferant erstellte neue Rechnungen ohne Ausweis der Umsatzsteuer und gab daraufhin berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Das Finanzamt ***Fa*** verbuchte die daraus resultierende Umsatzsteuergutschrift im März 2008, was zur Folge hatte, dass die Sicherstellungen zugunsten der Finanzverwaltung nicht schlagend wurden und die bereits bezahlten 1,4 Mill. EUR auf dem Abgabenkonto des Lieferanten gutgeschrieben und rückgezahlt werden mussten.

Die Kunden des Lieferanten waren aufgrund der ursprünglich in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer zum Abzug dieser Beträge als Vorsteuer berechtigt. Durch die aufgrund der Steuerfreiheit berichtigten Rechnungen des Lieferanten blieb diesen Kunden der Vorsteuerabzug verwehrt bzw. waren sie zur Berichtigung ihrer Umsatzsteuererklärungen und somit zur Rückzahlung der Vorsteuerbeträge verpflichtet.

Das Finanzamt ***Fa*** beabsichtigte, bei einem der Kunden Vorsteuerbeträge aufgrund der Rechnungsberichtigungen des Lieferanten von 5,9 Mill. EUR rückzufordern.

Da ein Kunde des Unternehmens im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung diese Rechtsansicht nicht teilte und deshalb die Rückzahlung der Vorsteuer als nicht rechtens erachtete, befasste dieser das BMF mit dem Sachverhalt. Das BMF folgte in einem Schreiben an das Finanzamt der Rechtsansicht des Kunden, worauf das Finanzamt ***Fa*** die Rückforderung der Vorsteuer bei diesem Kunden unterließ. Eine Vorschreibung der Umsatzsteuer beim Lieferanten durch das Finanzamt ***Fa*** unterblieb jedoch in weiterer Folge.

Dem Finanzamt ***Fa*** waren auch jene Umsatzsteuerbeträge bekannt, die aus Umsätzen des Lieferanten mit anderen Kunden resultierten. Ob bei diesen Kunden Rückforderungen von geltend gemachter Vorsteuer aufgrund der Rechnungsberichtigungen erfolgten, verfolgte das Finanzamt ***Fa*** nicht. Dies, obwohl die Steuerfahndung explizit auf die daraus resultierende Vorsteuerproblematik hingewiesen hatte.

28.2 Der RH bemängelte, dass das Finanzamt ***Fa*** Rechnungsberichtigungen und damit die Steuerfreiheit der Lieferungen des Unternehmens ohne Vorliegen entsprechender Nachweise über die tatsächliche Abholung der Kunden berücksichtigte.

Nach Ansicht des RH war die Sachverhaltsermittlung durch das Finanzamt unzureichend. Die Gewährung der Steuerfreiheit war deshalb nicht sachgerecht. In konsequenter aufgrund der dem RH vorliegenden Unterlagen rechtskonformer Auslegung des Schreibens des BMF hätte das Finanzamt dem Lieferanten die Steuerfreiheit der Lieferungen aberkennen und die Umsatzsteuer wieder vorschreiben müssen. Da dies unterblieb, entstand dem Bund ein Schaden von jedenfalls 5,9 Mill. EUR. Sofern auch bei den anderen Kunden des Lieferanten keine Rückforderungen der geltend gemachten Vorsteuern durch die zuständigen Finanzämter erfolgt sein sollten, würde sich dieser Schaden auf 10 Mill. EUR erhöhen. Ungeachtet der ablauforganisatorischen Stellung der Steuerfahndung und der dazu abgegebenen Empfehlungen des RH (siehe TZ 9) bemängelte der RH, dass in diesem Fall die fundierten Informationen und Erhebungen der Steuerfahndung in das weitere Verfahren nicht einflossen. Dies auch deshalb, weil die Durchsuchungshandlungen auf Basis einer Anforderung durch die Betriebsprüfung des Finanzamtes ***Fa*** erfolgt waren und dadurch keine Prüfung der Steuerfahndung ausgelöst wurde.

Angesichts der für den Bund entstandenen Umsatzsteuerausfälle empfahl der RH dem BMF, legistische Maßnahmen in der EU voranzutreiben, die Zahlungsflüsse zwischen Unternehmen hinsichtlich der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette verhindern.

28.3 Laut Stellungnahme des Finanzamts sei die Vorschreibung der Umsatzsteuer an das Unternehmen des Lieferanten unrichtig gewesen, da sich die Rechtsansicht des BMF nur auf die Besteuerung des Kunden, nicht auf jene des Lieferanten bezogen hatte. Deshalb habe für das Finanzamt keine rechtmäßige Möglichkeit bestanden, dem Unternehmen die Steuerfreiheitseiner Lieferung abzuerkennen und die Umsatzsteuer vorzuschreiben.

28.4 Der RH entgegnete, dass eine hinsichtlich Lieferanten und Kunden getrennte umsatzsteuerliche Beurteilung ein und desselben Rechtsgeschäfts nicht schlüssig ist und der Umsatzsteuersystematik widerspricht. Mangels vorliegender Abholbestätigungen waren die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen an den Lieferanten jedenfalls nicht gegeben.

In Anbetracht der Tatsache, dass in einem ähnlich gelagerten Fall unterpreisiger Treibstofflieferungen eine strafrechtliche Verurteilung jener Personen, die für die Nichterklärung der Umsätze und die Nichtabfuhr der Umsatzsteuer verantwortlich waren, erwirkt werden konnte, erachtete der RH eine abgestimmte Vorgangsweise und Zusammenarbeit in Fällen unklarer Rechtsauslegung mit mehreren Beteiligten als zweckmäßig.

Jedenfalls sollte das BMF dafür sorgen, dass umsatzsteuerliche Sachverhalte bei allen Beteiligten zeitgleich einheitlich und nicht entgegen der Umsatzsteuersystematik widersprüchlich beurteilt werden."

Bei der KM wurde daraufhin von der Großbetriebsprüfung Linz eine Prüfung der Jahre 2007 bis 2010 durchgeführt. Im Zuge dieser Prüfung fand am eine Besprechung von Vertretern der KM mit der Prüferin und dem zuständigen Teamleiter statt. Dabei stand außer Streit, dass die Abholung der Mineralöle durch den Endkunden erfolgte. Ungeachtet dessen habe nach Ansicht des steuerlichen Vertreters der KM die steuerliche Vertreterin der ***BI*** einen "falschen Sachverhalt dargestellt", der vom Fachbereich richtig beurteilt worden sei. Ein Vertreter der KM stellte die Frage in den Raum, wo die Rechtssicherheit bleibe, wenn "von oberster Stelle (***Q***) eine Entscheidung fällt und im Zuge einer Prüfung diese in Frage gestellt wird". Von KM wurde angeregt, dass es ein Gespräch mit den Entscheidungsträgern im BMF gibt.

Dieses Gespräch fand am statt. Daran nahmen Vertreter des BMF, des Finanzamtes und der Großbetriebsprüfung Linz teil. Darin wird erwähnt, dass KM im Hinblick auf kolportierte Zahlungsschwierigkeiten der ***BI*** ca. 2,7 Mio. € einbehalten habe. Diese Forderung der ***BI*** gegen KM sei von BPM gepfändet worden. Im Zivilverfahren sei ein Vergleich abgeschlossen worden. KM und ein weiterer Kunde der ***BI*** hätten sich bereit erklärt, 900.000 € als Drittschuldner an BPM zu bezahlen. In der Sache wurde festgehalten, dass das vom steuerlichen Vertreter der KM vorgelegte Gutachten inhaltlich verfehlt und die "ursprüngliche" Rechtsansicht des Finanzamtes richtig sei. Da der Umsatz ***BI*** an KM in Österreich nicht steuerbar sei, stehe schon grundsätzlich kein Vorsteuerabzug zu, die Sammelrechnungsberichtigung durch ***BI*** habe keine weitere Bedeutung. Der entscheidende Punkt im vorliegenden Fall sei die Abholung des Mineralöls durch KM in Deutschland.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom wird unter Tz 2 betreffend die Vorsteuerkorrektur aus Lieferungen der ***BI*** an KM festgehalten:

"Sachverhalt:

Der Lieferant der KM, die österreichische Zweigniederlassung der ***BI*** wird ihrerseits von BPM auf Spotmarktbasis mit Mineralölprodukten u.a. aus der deutschen Raffinerie ***43*** sowie München und Augsburg beliefert. Die Mineralöllieferungen fanden It. Rechnungswesen der KM im Zeitraum April 2007 bis Oktober 2007 statt. Die Abwicklung der Geschäfte erfolgte folgendermaßen: KM bestellt bei ***BI*** die gewünschte Menge und leistet eine Akontozahlung mittels Abbuchungsauftrag. Da die tatsächlich bezogene Menge erst nach der Lieferung exakt festgestellt werden kann, wird die endgültige Abrechnung erst nach der Lieferung vorgenommen. ***BI*** bestellt den Treibstoff bei BPM und muss zunächst ebenfalls eine Akontozahlung über die gewünschte Menge leisten. Nach Eingang der Zahlung bei BPM erhält ***BI*** eine Abholnummer und einen von BPM bestätigten Abholausweis, welche zum Bezug der Mineralöle in den entsprechenden Lagern berechtigt. ***BI*** leitet diese Abholnummer an die KM weiter. Der steuerliche Vertreter der KM vertritt die Ansicht, dass es auf Grund des Kaufvertrages zwischen BPM und ***BI*** als vereinbart gilt, dass ***BI*** diese Ware in Erfüllung dieses Umsatzgeschäftes nach Österreich verbringt. ***BI*** könne diese Verpflichtung entweder selbst nachkommen oder ihrerseits einen Frachtführer oder auch einen Dritten (z.B.: KM) beauftragen, den Transport der Ware nach Österreich durchzuführen und verweist auf die Sachverhaltsdarstellung der Rechtsabteilung der BPM vom . Schriftliche Unterlagen bzgl. dieser (behaupteten) Vereinbarungen konnten nicht vorgelegt werden.

Im Zuge der Außenprüfung wurde anhand der Fakturen, auf denen das Kfz -Kennzeichen des abholenden Tankwagens ersichtlich ist, festgestellt, dass KM den Transport der Mineralölprodukte entweder
1. durch eigene Tankwägen durchgeführt hat oder
2. einen Frachtführer damit beauftragte.
Dies ergibt sich unter anderem auch aus dem Gerichtsakt des LG ***27*** über den Zivilprozess zwischen BPM (Klägerin) und KM (Beklagte - ***31***). Hier wurde in einem vorbereitenden Schriftsatz vom RA der KM klargestellt, dass alle vorliegenden steuerlichen Expertisen (***32*** vom , ***30*** vom ) es als rechtlich unbestritten ansehen, dass die Lieferung von ***BI*** an KM eine nicht steuerbare Ausfuhrlieferung darstelle und dass ***BI*** die Umsatzsteuer unrichtigerweise in Rechnung gestellt habe.

Die umsatzsteuerliche Behandlung erfolgte folgendermaßen: Die Lieferungen von BPM an ***BI*** wurden als bewegte Lieferungen und somit in Deutschland als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Die nachfolgenden Lieferungen von ***BI*** an KM wurden als in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Lieferung angesehen. Die Rechnungslegung erfolgte ebenso. Aus diesem Grund machte KM für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 aus den Rechnungen der ***BI*** Vorsteuern in der Höhe von € 5,857.360,95 geltend. Mit Schreiben vom November 2007 fordert ***BI*** KM mittels sogenannter "Sammelberichtigungen" zur Rechnungs- und Vorsteuerkorrektur auf. Begründet wird das Begehren damit, dass diese Lieferungen von ***BI*** an KM die bewegten Lieferungen sind, und daher als (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferungen zu qualifizieren sind. Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters der KM, der Kanzlei ***25***, würden die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Rechnungskorrektur nicht vorliegen. Von der KM wurden die Rechnungsberichtigungen nicht akzeptiert und keine Vorsteuerkorrektur vorgenommen. Mit Schreiben vom geht die Steuerberatungskanzlei ***30***-Wien (Steuerberater von BPM) davon aus, dass festgestellt worden sei, dass die Kunden von ***BI*** bzw. eventuell deren weitere Kunden den Transport organisiert haben, und daher von BPM eine Rechnung mit 19% deutscher Umsatzsteuer an ***BI*** auszustellen gewesen wäre. BPM hat dies dem zuständigen Finanzamt München II im Mai 2009 mitgeteilt. Das Finanzamt München hat den Sachverhalt geprüft und die Umsatzsteuer auf die Lieferungen aus 2007 festgesetzt.

Rechtliche Würdigung:

Aus umsatzsteuerlicher Sicht liegt auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ein Reihengeschäft vor, bei dem mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Geschäfte abschließen und diese Geschäfte mit einer einzigen Warenbewegung erfüllt werden. Nach herrschender Ansicht und Vorabentscheidung des EuGH C-245/04, EMAG Handel vom , kann nur für einen Umsatz in der Reihe der Lieferort nach § 3 Abs. 8 UStG bestimmt werden. § 3 Abs. 8 UStG besagt: Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert oder versendet, so gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Verendung an den Abnehmer beginnt. Dieser Umsatz wird als bewegte Lieferung bezeichnet. Diese Lieferung ist dort steuerbar, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Alle der bewegten Lieferung vorgelagerten Lieferungen werden ebenfalls an dem Ort erbracht, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Alle Lieferungen nach der bewegten Lieferung werden dort erbracht, wo die Beförderung oder Versendung endet. Holt der letzte Abnehmer in der Reihe den Liefergegenstand ab, ist die bewegte Lieferung seinem unmittelbaren Vorlieferanten zuzurechnen. Diese ist dort steuerbar, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Im Falle der Versendung ist für Zwecke der Bestimmung der bewegten Lieferung in einem Reihengeschäft relevant, wer den Transportauftrag erteilt hat. Der Argumentation des steuerlichen Vertreters der KM unter Hinweis auf die Sachverhaltsdarstellung der Rechtsabteilung von BPM, dass die bewegte Lieferung zwischen BPM und ***BI*** vorliege, kann aus folgendem Grund nicht geteilt werden: Als tatsächlicher Vorgang kann die Verschaffung der Verfügungsmacht nicht durch eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Bedingung oder Befristung beeinflusst werden. Die Argumentation geht insofern ins Leere, als ausschließlich an den Inhalt der zwischen BPM und ***BI*** getroffenen Vereinbarung angeknüpft wird. Anzuknüpfen ist jedoch an das Verfügungsgeschäft, weshalb es grundsätzlich irrelevant ist, was vereinbart wurde. Weichen die tatsächlichen Vorgänge von den Vereinbarungen ab, ist das Verfügungsgeschäft maßgeblich. Dass zwischen BPM und BDI etwas anderes vereinbart wurde (Abholung durch ***BI***) und sich ***BI*** insoweit gegenüber BP "vertragswidrig" verhalten hat, hat für die anzuwendende wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Beurteilung des Leistungsortes keine Bedeutung. Nach Ansicht der Außenprüfung ist die Lieferung von ***BI*** an KM die bewegte Lieferung. Die Warenbewegung hat von Deutschland nach Österreich stattgefunden und ist daher in Deutschland steuerbar und sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, steuerfrei (innergemeinschaftliche Lieferung).

Die geltend gemachte Vorsteuer ist daher nicht anzuerkennen, da
a) der Ort der Lieferung nicht in Österreich liegt (nicht steuerbarer Umsatz) und
b) ***BI*** richtigerweise im November 2007 ihre Rechnungen berichtigt hat."

Die Vorsteuerkorrektur wurde mit 5.857.360,95 € ermittelt.

Das Finanzamt folgte dieser Ansicht der Großbetriebsprüfung Linz und erließ am folgende Bescheide:

1) Mit Bescheid vom wurde die Berufungsvorentscheidung vom betreffend Umsatzsteuer 2008 gemäß § 299 BAO aufgehoben.

2) Mit weiterem Bescheid vom wurde eine neue Beschwerdevorentscheidung betreffend Umsatzsteuer 2008 erlassen.

In beiden Bescheiden wurde darauf hingewiesen, dass die (zusätzliche) Begründung gesondert zugehe. Diese zusätzliche Begründung vom erfolgte in einem Dokument (Verf 67). Darin wurde die vorzunehmende Vorsteuerkorrektur ausführlich begründet. Der zweite Punkt bezog sich auf eine geringfügige Vorsteuerkorrektur in Höhe von 804,65 € betreffend Werbung und Inserate. Schließlich wurde die Ermessensübung im Sinne des § 299 BAO näher begründet.

Gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO wurde mit einem 36 Seiten umfassenden Schriftsatz vom Berufung erhoben und in der Begründung näher ausgeführt, dass die Bescheidaufhebung nach Ansicht der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die von der zuständigen Behörde erteilten, vom Bundesministerium für Finanzen bestätigten Rechtsauskünfte eklatant dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspreche. Das Ermessen sei daher rechtswidrig in unbilliger Weise geübt worden.

Gegen die neue Beschwerdevorentscheidung vom wurde mit weiterem Schriftsatz vom "Berufung" erhoben und gleichzeitig ein Vorlageantrag im Sinne des damals in Geltung gestandenen § 276 BAO eingebracht.

Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) hat mit Berufungsentscheidung vom , RV/0281-L/12, miterledigt RV/1400-L/12, die Berufung gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) und aufgrund des Vorlageantrages in der Sache den Erstbescheid vom abgeändert (Spruchpunkt B). Diese Abänderung betraf 1. die private Verwendung von im Ausland mit Vorsteuerabzugsberechtigung geleasten Fahrzeugen, 2. Aufwendungen für Werbegeschenke und 3. den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der ***BI***. Dabei wurde hinsichtlich des von KM geltend gemachten Vorsteuerabzuges zwar die Rechtsansicht des Finanzamtes grundsätzlich geteilt. Allerdings sei zu bedenken, dass dem Dritten in der Reihe die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vorlieferanten mitunter nicht bekannt und daher eine Beurteilung der einzelnen Lieferungen im Reihengeschäft nach objektiven Kriterien schwierig sei. Wisse der Dritte in der Reihe nicht, wer der Erste in der Reihe sei und wie die Beziehungen zwischen dem Ersten und dem Zweiten in der Reihe gestaltet seien und könne er dies auch nicht ermitteln, weil ihm sein Lieferant (um sich nicht künftiger Geschäfte zu begeben) keine diesbezüglichen Informationen erteile, könne er nur beurteilen, ob eine Sachverhaltskonstellation möglich sei, bei der ihm sein Lieferant zu Recht Umsatzsteuer in Rechnung stelle. Sei dies zu bejahen, werde er wohl darauf vertrauen dürfen, dass der Umsatzsteuerausweis zu Recht erfolgt sei. Eine solche Konstellation sei im Streitfall unter den Prämissen denkbar, dass ***BI*** gegenüber BPM mit seiner österreichischen UID-Nummer aufgetreten sei und die Absicht bekundet habe, die in Rede stehenden Mineralölprodukte nach Österreich zu befördern, und wenn BPM zudem - mangels gegenteiliger Information von ***BI*** - nicht habe erkennen können, dass ein Reihengeschäft vorliege. Nach dem , Euro Tyre Holding BV, dürfe der Erste in der Reihe bei einer solchen Sachverhaltskonstellation davon ausgehen, dass seine Lieferung die innergemeinschaftliche sei. Wer abhole sei nicht objektiv, "sondern aus der (aus der Sicht des Dritten in der Reihe möglicherweise vorliegenden) Sicht des Ersten in der Reihe zu beurteilen". Dies ergebe sich auch aus dem in Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 normierten Vertrauensschutz. KM habe Mineralölprodukte in Deutschland abgeholt und von ***BI*** Rechnungen mit österreichischer Umsatzsteuer erhalten. KM habe zwar erkennen können, dass es sich um Reihengeschäfte handle, habe damals aber nicht wissen können, wer BPM sei, was ***BI*** der BPM mitgeteilt habe, unter welcher UID-Nummer ***BI*** gegenüber BPM aufgetreten sei und wie das für BPM zuständige Finanzamt die Lieferung der BPM beurteilen werde. "Aus der damaligen Sicht der KM konnte BPM auch nicht erkennen, dass KM den Transport veranlasst hat, weil die Produkte bloß unter Vorlage des von BPM ausgestellten Abholausweises und der Abholnummer abgeholt wurden." Aus der damaligen Sicht der KM sei demnach zumindest eine Sachverhaltskonstellation "möglich", bei der BPM die Lieferung an ***BI*** zutreffend als innergemeinschaftliche beurteilt haben könnte. Aus Sicht der KM könnte demnach die von ***BI*** zunächst vorgenommene Beurteilung der in Rede stehenden Lieferungen als im Inland ausgeführt zutreffend sein. Der KM stehe daher der Vertrauensschutz und als Folge dessen der volle Vorsteuerabzug zu.

Gegen diese Entscheidung wurde sowohl von KM als auch durch das Finanzamt Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. KM beantragte die Aufhebung des angefochtenen Bescheides "in seinem Spruchpunkt A und in Spruchpunkt B 1. (PKW-Auslandsleasing)". In sachverhaltsmäßiger Hinsicht wurde nicht bestritten, dass die Mineralöle von KM in Deutschland abgeholt wurden; diese Abholung durch KM hätte aber ***BI*** "organisiert und veranlasst". Die Beschwerde des Finanzamtes wendete sich dagegen, dass der UFS aus Vertrauensschutzerwägungen den Vorsteuerabzug durch die KM anerkannt habe. KM habe die Mineralöle in Deutschland abgeholt und habe daher nicht davon ausgehen können, dass ihr die Verfügungsmacht erst im Bestimmungsland (Österreich) verschafft werde. KM habe daher nicht darauf vertrauen können, dass der Ausweis der österreichischen Umsatzsteuer in den Rechnungen der ***BI*** zu Recht erfolgt sei und hätte diesbezüglich schon von sich aus an ***BI*** herantreten müssen. Indem sie dies unterlassen habe, habe sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt und stehe ihr ein Vertrauensschutz - sofern ein solcher überhaupt gegeben sein könne - auch deswegen nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , 2013/15/0014, die Beschwerde der KM als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der Beschwerde des Finanzamtes wurde der angefochtene Bescheid des UFS, soweit er die Umsatzsteuer 2008 betraf, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Zusammengefasst führte der VwGH aus, dass bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat nur die "bewegte Lieferung" eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein könne. Hole der letzte Abnehmer in der Reihe den Liefergegenstand ab, sei die "bewegte Lieferung" seinem unmittelbaren Vorlieferanten zuzurechnen. Diese Lieferung sei nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 dort steuerbar, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Die Lieferung an den Vorlieferanten bzw. etwaige weitere Vorlieferungen würden nach § 3 Abs. 7 UStG 1994 dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, das sei am Beginn der Beförderung oder Versendung. KM habe als letzter Abnehmer in der Reihe den Transport des Mineralöls von Deutschland nach Österreich veranlasst, indem sie das Mineralöl selbst befördert oder Transportunternehmer mit der Abholung des Mineralöls beauftragt hat. Die Lieferung von ***BI*** an KM stelle damit die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 dar. Für die Lieferung von BPM an ***BI*** komme nur mehr § 3 Abs. 7 UStG 1994 als die den Leistungsort bestimmende Norm in Betracht, wonach eine Lieferung dort ausgeführt wird, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Folglich wäre weder die Lieferung von BPM an ***BI*** noch die Lieferung von ***BI*** an KM in Österreich ausgeführt und die in den (ursprünglichen) Rechnungen von BID an KM ausgewiesene Umsatzsteuer nicht aufgrund einer inländischen Lieferung geschuldet und daher im Grunde des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 nicht als Vorsteuer abziehbar. Den vom UFS angestellten Erwägungen hinsichtlich des Vertrauensschutzes hielt der VwGH entgegen: die bloße Möglichkeit, dass der Vorlieferant BPM seine Lieferung an ***BI*** irrtümlich, aber gutgläubig als innergemeinschaftliche Lieferung eingestuft hat, bewirke jedenfalls nicht, dass KM einen Vorsteuerabzug aus einer Rechnung über die (aus objektiver Sicht) innergemeinschaftliche Lieferung von ***BI*** an sie geltend machen kann. Soweit der UFS den angefochtenen Bescheid alternativ auf Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 stütze, sei ihm zu entgegen, dass diese Bestimmung nicht den Vorsteuerabzug regelt.

Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens war somit nur mehr der Umsatzsteuerbescheid 2008, das Verfahren betreffend den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO ist mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (Abweisung der diesbezüglichen Beschwerde der KM) endgültig beendet.

Für dieses fortgesetzte Verfahren war das an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates getretene Bundesfinanzgericht zuständig. Dieses richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Im Urteil des EuGH vom , C-628/16, sprach dieser zur ersten Frage des BFG aus, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die innergemeinschaftliche Beförderung der Lieferung zuzuordnen ist, die zwischen dem Zwischenhändler und dem Enderwerber stattgefunden hat, und dass Art. 32 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie (der § 3 Abs. 8 erster Satz UStG enspricht) nur auf die zweite Lieferung anzuwenden ist (Rn 35). Der Ort der zweiten Lieferung einer Kette von Umsätzen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden kann nicht bestimmt werden, ohne die objektiven, maßgeblichen Gesichtspunkte, die dem Zwischenhändler und dem Enderwerber bekannt waren, zu berücksichtigen, und er kann nicht nur von der vom Erstlieferanten vorgenommenen Einstufung der ersten Lieferung abhängen, die allein auf der Grundlage der Informationen erfolgte, die ihm vom Zwischenhändler fälschlicherweise übermittelt worden waren (Rn 36). Diese Schlussfolgerung kann nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Erstlieferant wie im Ausgangsverfahren nicht darüber informiert worden war, dass die Ware vor einer innergemeinschaftlichen Beförderung vom Zwischenhändler an den Enderwerber weiterverkauft wurde, und dass der Zwischenhändler beim Erstlieferanten mit einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer aufgetreten ist, die vom Bestimmungsmitgliedstaat der innergemeinschaftlichen Beförderung ausgestellt worden war (Rn 37). Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist Art. 32 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er auf die zweite von zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen derselben Ware anzuwenden ist, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben (Rn 38).

Zur zweiten Frage des BFG erkannte der EuGH:

39 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in dem Fall, dass die zweite Lieferung einer Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen, die zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, eine innergemeinschaftliche Lieferung ist, der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass der Enderwerber, der zu Unrecht einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, gleichwohl die von ihm auf der Grundlage der vom Zwischenhändler, der seine Lieferung fälschlich als "interne Lieferung" eingestuft hat, übermittelten Rechnungen gezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen kann.

40 Es ist darauf hinzuweisen, dass die innergemeinschaftlichen Lieferungen von Waren unter den Voraussetzungen des Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreit sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Euro Tyre, C-21/16, EU:C:2017:106, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41 Ferner ist hervorzuheben, dass das in den Art. 167 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Durch diese Abzugsregelung soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Senatex, C-518/14, EU:C:2016:691, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42 Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Farkas, C-564/15, EU:C:2017:302, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43 Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nämlich nur für geschuldete Steuern und kann nicht auf zu Unrecht gezahlte Vorsteuer erstreckt werden (vgl. entsprechend Urteil vom , Compass Contract Services, C-38/16, EU:C:2017:454, Rn. 35 und 36). Folglich erstreckt sich dieses Recht nicht auf die Mehrwertsteuer, die nur deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Genius, C-342/87, EU:C:1989:635, Rn. 19, sowie vom , Karageorgou u. a., C-78/02 bis C-80/02, EU:C:2003:604, Rn. 51).

44 Ist also die zweite Lieferung einer Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen, die zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, eine innergemeinschaftliche Lieferung, kann der Enderwerber den Betrag der Mehrwertsteuer, die er rechtsgrundlos für Waren gezahlt hat, die ihm im Rahmen einer von der Mehrwertsteuer befreiten innergemeinschaftlichen Lieferung geliefert wurden, nicht nur aufgrund der vom Lieferanten irrtümlich übermittelten Rechnung von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer abziehen.

45 Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass das vorlegende Gericht auch wissen möchte, ob ein Wirtschaftsteilnehmer wie KM sich gleichwohl nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug allein auf die Angaben auf der von seinem Lieferanten ausgestellten Rechnung verlassen kann, wonach die Lieferung eine interne Lieferung ist.

46 Insoweit ist hervorzuheben, dass sich jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann, bei dem eine Verwaltungsbehörde aufgrund bestimmter Zusicherungen, die sie ihm gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil vom , Salomie und Oltean, C-183/14, EU:C:2015:454, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47 Daraus folgt, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Vorsteuerabzug nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes gegenüber seinem Lieferanten berufen kann.

48 Ein Wirtschaftsteilnehmer in der Situation von KM im Ausgangsverfahren kann hingegen die Rückzahlung der rechtsgrundlos an den Wirtschaftsteilnehmer, der eine fehlerhafte Rechnung ausgestellt hat, gezahlten Steuer nach nationalem Recht verlangen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Farkas, C-564/15, EU:C:2017:302, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass, wenn die zweite Lieferung einer Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen, die zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, eine innergemeinschaftliche Lieferung ist, der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass der Enderwerber, der zu Unrecht einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat, die von ihm nur auf der Grundlage der vom Zwischenhändler, der seine Lieferung falsch eingestuft hat, übermittelten Rechnungen an den Lieferanten gezahlte Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann.

Angesichts dieser Entscheidung des EuGH änderte das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren mit Erkenntnis vom , RV/5101201/2016, den angefochtenen Bescheid des Finanzamtes ***Fa*** vom betreffend Umsatzsteuer für 2008 ab, und erkannte die in den ursprünglichen Rechnungen der ***BI*** ausgewiesenen Umsatzsteuern nicht als abziehbare Vorsteuern für die KM an. VwGH und EuGH wären übereinstimmend zum Ergebnis gekommen, dass der Leistungsort der gegenständlichen Lieferungen gemäß § 3 Abs. 8 UStG (Art. 32 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie) dort liege, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Dies sei Deutschland, weshalb der Vorsteuerabzug nicht zustehe. Der vom Rechtsvertreter der KM eingewendete Vertrauensschaden "mag entstanden sein", eine diesbezügliche Berücksichtigung habe jedoch nicht im Abgabenverfahren, sondern allenfalls in einem Nachsichtsverfahren zu erfolgen.

Mit Beschluss vom korrigierte das Bundesfinanzgericht dieses Erkenntnis gemäß § 293 BAO hinsichtlich eines unterlaufenen Rechenfehlers.

Gegen dieses Erkenntnis wurde vom Rechtsvertreter der KM am eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht, in der eine "willkürliche Gesetzesausübung des § 299 BAO, Unterstellung eines verfassungswidrigen Inhalts des § 299 BAO und denkunmögliche Gesetzesanwendung des § 299 BAO" geltend gemacht wurde.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , E 2028/2019, die Behandlung dieser Beschwerde ab. Zur Beurteilung der Frage, ob die Ermessensausübung des § 299 BAO gesetzmäßig erfolgte, seien spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen nicht anzustellen. Diese Begründung ist insofern bemerkenswert, als schon aus dem Spruch des angefochtenen BFG-Erkenntnisses unschwer erkennbar ist, dass Gegenstand der Entscheidung allein der Bescheid des Finanzamtes ***Fa*** vom betreffend Umsatzsteuer für 2008 war. Über den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom wurde bereits mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom endgültig abgesprochen; dieser Aufhebungsbescheid war daher - wie bereits oben erläutert - nicht mehr Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens (vgl. Ritz, BAO7, § 299 Tz 44 und 45: Aufhebungsbescheid und neuer Ersatzbescheid sind rechtlich zwei Bescheide, die jeder für sich einem Rechtsmittel zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können; es wurden im gegenständlichen Verfahren die beiden Bescheide vom gesondert angefochten und es haben sowohl BFG als auch VwGH über die beiden Bescheide im Spruch gesondert entschieden).

II. Verfahrensgang

Anschließend stellte KM am einen Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO hinsichtlich der aus dem BFG-Erkenntnis vom resultierenden Nachforderung an Umsatzsteuer in Höhe von 5.858.699,93 € sowie der damit im Zusammenhang stehenden Nebenansprüche (Aussetzungszinsen in Höhe von 208.983,29 € für den Zeitraum bis , von 4.059,48 € für den Zeitraum bis und von 1.172,18 € für den Zeitraum bis ; Säumniszuschlag in Höhe von 117.136,53 €, festgesetzt am ), insgesamt somit 6.190.051,41 €.

Dieses Nachsichtsansuchen wurde zusammengefasst damit begründet, dass sich KM sowohl beim Finanzamt als auch beim BMF "erkundigt" habe, ob nach den Rechnungskorrekturen durch ***BI*** der KM weiterhin ein Vorsteuerabzug zustehe oder nicht. Von beiden habe KM die "ausdrückliche Auskunft" erhalten, dass der Vorsteuerabzug weiterhin zustehe. Auf diese Auskunft habe sich KM verlassen und den geltenden gemachten Vorsteuerabzug in der Jahresumsatzsteuererklärung belassen. ***BI*** habe trotz der Rechnungsberichtigungen die von KM erhaltene Umsatzsteuer nicht an KM zurückgezahlt. KM habe die von ***BI*** im September 2007 verlangte "Abholbestätigung" nicht unterfertigt, "da nicht dem Sachverhalt entsprechend". Im Vertrauen auf die vom Finanzamt erhaltene Auskunft habe KM einerseits entschieden, zu dem mit endenden Geschäftsjahr die Jahresumsatzsteuererklärung abzugeben und aufgrund des offengelegten Sachverhaltes und dessen Würdigung keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen. Andererseits habe KM auch festgelegt, gegen ***BI*** wegen der an ***BI*** bezahlten Umsatzsteuer keine Rechtsverfolgung einzuleiten. Eine solche Rechtsverfolgung gegen ***BI*** wäre zu diesem Zeitpunkt auch gescheitert, weil KM die in Anspruch genommene Vorsteuer wegen der von der Finanzverwaltung erhaltenen Zusicherung nicht zurückzubezahlen hatte. Es sei zu diesem Zeitpunkt weder ein Schaden bei KM entstanden, noch sei diese entreichert gewesen. Die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs gegen ***BI*** wäre daher nicht erfolgreich gewesen. Wäre die Zusicherung des Finanzamtes unterblieben, hätte KM anders entscheiden und anders handeln können. Durch das Vertrauen der KM auf die vom Finanzamt erhaltene Zusicherung sei ihr folgender Schaden entstanden: Wäre KM im März 2008 in Kenntnis gesetzt worden, dass sie die in Anspruch genommene Vorsteuer an das Finanzamt zurückzubezahlen hat, hätte KM in derselben Höhe, also in Höhe von (gerundet) € 5,8 Mio. eine dem Grunde und der Höhe nach völlig unstrittige Forderung gegen ***BI*** auf Rückerhalt der an ***BI*** bezahlten Umsatzsteuer gehabt. Unstrittig und gut beweisbar wäre diese Forderung deshalb gewesen, weil KM aufgrund der ursprünglich von ***BI*** erhaltenen Rechnung brutto (also inklusive USt.) an ***BI*** bezahlt hatte und im Nachhinein, nämlich im November 2007, ***BI*** eine Rechnungskorrektur auf "Mehrwertsteuer 0,00 Euro" gegenüber KM vorgenommen hat. Der Schaden von KM bestehe somit in der Höhe von (gerundet) 5,8 Mio., da dieser Betrag nunmehr vom Finanzamt ***Fa*** zurückgefordert werde und KM keine Möglichkeit mehr habe, diesen Betrag von ***BI*** (aufgrund deren Konkurses im September 2010) zurück zu fordern. Zuvor wäre die Forderung von KM gegen ***BI*** im Hinblick auf das finanzbehördliche Sicherstellungsverfahren im Zuge einer Sicherstellungsexekution gemäß § 379 Abs. 2 und 3 EO durchsetzbar gewesen. In rechtlicher Hinsicht liege eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vor, da KM auf nicht offensichtlich unrichtige Zusicherungen des für sie zuständigen Finanzamts vertraut habe, daraufhin Dispositionen getroffen habe und ein Vertrauensschaden eingetreten sei. Es liege somit ein Vertrauensschutz aufgrund von bestimmten Rechtsauslegungen und Auskünften der zuständigen Abgabenbehörden gegenüber KM vor. In einer näher bezeichneten Richtlinie des BMF zum Grundsatz von Treu und Glauben würden folgende Voraussetzungen genannt: a) die Auskunft muss von der zuständigen Abgabenbehörde erteilt worden sein; b) die Auskunft darf nicht offensichtlich unrichtig sein; c) die Unrichtigkeit der Auskunft darf für die Partei nicht leicht erkennbar gewesen sein; d) die Partei hat im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen, die sie bei Kenntnis der Unrichtigkeit der Auskunft nicht oder anders getroffen hätte; e) es ist ein Vertrauensschaden eingetreten. Sämtliche Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Sowohl das Finanzamt ***Fa*** als auch das Bundesministerium für Finanzen hätten KM ausdrücklich zugesichert, dass von KM keine Vorsteuerkorrektur durchzuführen sei. Diese Auskunft des Finanzamtes und des Bundesministeriums für Finanzen hätte auf einem vollständig, richtig und nicht irreführend offengelegten Sachverhalt durch KM beruht. Dieser Sachverhalt habe sich zwischenzeitlich auch nicht verändert. Diese Zusicherungen seien auch nicht offensichtlich unrichtig gewesen. Dies folge schon alleine daraus, dass die Rechtsauskunft nicht nur vom zuständigen Finanzamt, sondern auch vom Bundesministerium für Finanzen ausgesprochen wurde. Darüber hinaus sei KM von Anfang an durch namhafte Universitätsprofessoren mit einer Spezialisierung im Umsatzsteuerrecht sowie durch seinen erfahrenen Steuerberater unterstützt worden. Diese Tatsachen sprächen auch dafür, dass die Unrichtigkeit nicht leicht erkennbar gewesen sei, vielmehr hätte es sich um eine durchaus vertretbare Rechtsansicht gehandelt. Jahre nach der erhaltenen Rechtsauskunft und der rechtskräftigen Umsatzsteuerbescheide 2008 habe erst das Bundesfinanzgericht im Jahr 2016 einen Vorlageantrag an den EuGH formuliert. Im Vertrauen auf die erhaltene Rechtsauskunft habe KM Dispositionen getroffen, insbesondere habe KM die von ihm an ***BI*** bezahlte Umsatzsteuer nicht zurückgefordert. Hätten die zuständigen Behörden KM nicht zugesichert, dass ihr ein Vorsteuerabzug zustehe, hätte KM anders gehandelt, und die von ihr bezahlte Umsatzsteuer von ***BI*** auf dem Rechtsweg zurückverlangt. Aufgrund dieser unrichtigen Auskunft sei ein Vertrauensschaden bei KM entstanden. Dieser bestehe im vorliegenden Fall darin, dass KM bei Kenntnis über die jetzt von den Abgabenbehörden vertretene Rechtsansicht die geleistete Umsatzsteuer von ***BI*** zurückfordern hätte können. Zu jenem Zeitpunkt, als der ursprüngliche Abgabenbescheid gemäß § 299 BAO aufgehoben und die Umsatzsteuer neu festgesetzt worden sei, wäre ein derartiges Vorgehen für KM aufgrund der Insolvenz von ***BI*** jedoch nicht mehr möglich gewesen. Es liege daher eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vor.

Zur Ermessensausübung wurde darauf hingewiesen, dass durch die geänderte Rechtsansicht (im Festsetzungsverfahren) die Umsatzsteuer zwischen Unternehmern zum Kostenfaktor würde, was den Grundsätzen der Mehrwertsteuer-RL, und auch der Rechtsprechung des EuGH widerspräche. Zudem würde die geänderte Rechtsansicht auch dazu führen, dass KM die Umsatzsteuer im Ergebnis doppelt zu begleichen hätte. KM habe die Umsatzsteuer an den Geschäftspartner ***BI*** geleistet. Die abermalige Vorschreibung der Umsatzsteuer würde nun dazu führen, dass KM diese im Ergebnis doppelt begleichen müsste. Darüber hinaus sei im Zuge der umfassenden Ermessensausübung auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgabenschuldner zu beachten. Das BFG, Außenstelle Salzburg, sei in einem Fall mit identem Sachverhalt () zum Ergebnis gekommen, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens beim dortigen Kunden der ***BI*** aufgrund des Missverhältnisses zwischen dem Wiederaufnahmegrund und den Wiederaufnahmefolgen in fehlerhafter Ermessensübung zu Unrecht verfügt worden sei. Im Rahmen der Ermessensübung sei auch das bisherige steuerliche Verhalten der KM zu berücksichtigen. KM habe sich stets redlich gegenüber den Abgabenbehörden verhalten und sämtliche relevanten Sachverhalte offengelegt. Im Gegensatz dazu sei das Verhalten der Abgabenbehörden nicht durchwegs nachvollziehbar. Dies betreffe insbesondere das Vorgehen im Zusammenhang mit der durchgeführten Abgabensicherung und Sicherstellungsexekution. Im Zuge der Sicherstellungsexekution hätten die Steuerbehörden Verfügungsgewalt über liquides Vermögen der ***BI*** in Höhe von insgesamt ca. € 5,8 Mio. gehabt. Diese Sicherung sei jedoch aus nicht erkennbaren Gründen wieder aufgehoben worden. Der Finanzbehörde wäre es leicht möglich gewesen, KM von der beabsichtigten Exekutionseinstellung zu informieren. KM hätte dann im Wege einer zivilgerichtlichen Sicherstellungsexekution anfechtungsfest auf dieses liquide Vermögen von ***BI*** zugreifen können, das dann durch die vom Finanzamt beabsichtigte Exekutionseinstellung auch befriedigungstauglich gewesen wäre. Im Zuge eines Nachsichtsverfahrens dürften zwar keine bisher versäumten Einwendungen nachgeholt werden. Dieser Vorwurf könne KM aber keinesfalls gemacht werden, da sich KM während des gesamten Verfahrensganges durchwegs darauf berufen haben, dass bereits im Rahmen der Ermessensausübung nach § 299 BAO der Grundsatz von Treu und Glauben zu berücksichtigen sei. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass bereits im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts (Außenstelle Linz) vom eine Berücksichtigung des entstandenen Vertrauensschadens in einem Nachsichtsverfahren in Aussicht gestellt worden sei.

Zur sachlichen Unbilligkeit der Einhebung der Nebenansprüche wurde auf die obigen Argumente verwiesen. Ergänzend wurde auf die lange Verfahrensdauer hingewiesen, die insbesondere auch durch das Vorabentscheidungsersuchen des BFG an den EuGH verursacht worden sei. Eine Vorlage an den EuGH sei erforderlich, sofern Zweifel über die Auslegung von Unionsrecht bestehen. Die Beschwerdeführerin werde daher als einzelne Rechtsunterworfene mit außergewöhnlichen Aufwendungen belastet, während die Reichweite einer Entscheidung des EuGH viel umfassender sei, und schlussendlich alle Rechtsunterworfenen von der durch die Auslegung des EuGH geschaffenen Rechtssicherheit profitierten. Es wäre kein angemessenes Ergebnis, den einzelnen Rechtsunterworfenen mit weiteren Kosten in Form von abgabenrechtlichen Nebenansprüchen während eines beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens zu belasten. Hinsichtlich des Säumniszuschlages sei eine Nachsicht iSd § 236 BAO auch deshalb geboten, weil KM an der Säumnis keinesfalls ein grobes Verschulden treffe. Vielmehr habe KM keine Möglichkeit gehabt, ein etwaiges Stundungsansuchen rechtzeitig vor Verhängung des Säumniszuschlages zu stellen. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts über die Neufestsetzung der Umsatzsteuer sei KM erst am zugestellt worden, während der Säumniszuschlag bereits am verhängt worden sei.

Schließlich wurde in dieser Eingabe vom auch noch ein Antrag auf Hinausschiebung (Stundung) der Entrichtung der nachsichtsgegenständlichen Umsatzsteuer sowie der Nebenansprüche gemäß § 212 Abs. 1 BAO gestellt. Die erhebliche Härte ergäbe sich "selbsterklärend" aus dem Nachsichtsansuchen, die Einbringlichkeit der Abgaben sei nicht gefährdet.

In einem Vorhalt vom wies das Finanzamt die Beschwerdeführerin darauf hin, aus den dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen betreffend das Gerichtsverfahren zu ***33*** des Landesgerichts ***27***, gehe hervor, dass die Nachsichtswerberin die gegenständliche Forderung in Höhe von gerundet EUR 5,8 Mio (aufgrund "Überzahlung" infolge Rechnungsberichtigung) mit Gegenforderungen der ***BI*** in Höhe von gerundet EUR 2,7 Mio aufgerechnet habe. Verwiesen werde auf die Klagebeantwortung der Nachsichtswerberin vom . Es werde daher ersucht, den Umstand der Aufrechnung in Zusammenhang mit dem Vorbringen im Nachsichtsersuchen näher darzulegen; insbesondere werde ersucht, den vorgebrachten Schaden der Nachsichtswerberin - in wirtschaftlicher Betrachtungsweise - ziffernmäßig darzustellen.

Der vom Finanzamt zitierten Klagebeantwortung des Rechtsvertreters der KM ist zu entnehmen, dass die BPM eine Kapitalforderung gegen ***BI*** (damals bereits ***13*** Ltd.) über rund 1,7 Mio. € hatte. Im Zuge der Exekution dieser Forderung wurden Forderungen der ***BI*** gegen KM gepfändet. Da KM als Drittschuldnerin nicht an BPM leistete, brachte diese eine Drittschuldnerklage ein. Als Streitwert wurde dabei nur ein Betrag von 50.000,00 € angeführt, obwohl die Kapitalforderung rund 1,7 Mio. betrug. KM brachte vor, dass aus Lieferungen der ***BI*** an KM noch Forderungen von rund 2,7 Mio. offen gewesen wären, welche KM mit ihrer eigenen Forderung gegen ***BI*** über rund 5,8 Mio. € aufgerechnet hätte. Diese Gegenforderung der KM resultiere aus der angesichts der Sammelberichtigungen der ***BI*** vom und zu viel an diese bezahlten Umsatzsteuer. Die von BPM gepfändete Forderung der ***BI*** gegen KM bestehe angesichts dieser Aufrechnung nicht mehr.

Zum Vorhalt des Finanzamtes vom teilte der Rechtsvertreter der KM in einer Stellungnahme vom im Wesentlichen mit, dass das genannte Zivilverfahren mit keinem Leistungsurteil geendet habe, sondern sich die Verfahrensparteien zu einer Verfahrensbeendigung entschieden hätten. Unter Berücksichtigung der durch die Vielzahl an Verfahren aufgelaufenen Vertretungskosten belaufe sich der wirtschaftliche Schaden der Nachsichtswerberin jedenfalls auf 5.858.699,33 € (Abgabenrückstand vor Aussetzung). Der Masseverwalter habe im Insolvenzverfahren der ***BI*** keine Aktivforderung gegen KM geltend gemacht. Der Betrag über 2,7 Mio. € sei nicht Streitgegenstand gewesen, sondern lediglich der Teilbetrag über 50.000,00 €.

Am teilte der Rechtsvertreter der KM dem Finanzamt mit, dass im Anschluss an den keine außerordentliche Revision an den VwGH erhoben worden sei.

In einer ersten Ergänzung des Nachsichtsansuchens vom verwies der Rechtsvertreter der KM auf die Bestimmung des § 239a BAO, die durch das am verlautbarte AbgVRefG, BFBl I 20/2009 neu in die BAO eingefügt worden sei. Wäre diese Bestimmung bereits im April 2008 in Geltung gestanden, wäre die bei ***BI*** durch die Zahlung der Umsatzsteuer von KM an ***BI*** eingetretene Bereicherung unterblieben. Der sich daraus für KM ergebende Nachteil sei eine sachlich nicht gerechtfertigte Entwicklung, berücksichtige man, dass diese "Bereicherungsnormen" bereits im innerstaatlichen Recht verfügt wurden, als die Frage im Raum stand, ob die österreichischen Getränkesteuer-Regelungen dem Gemeinschaftsrecht der EU widersprechen oder nicht und zwar um Steuerrückzahlungen durch die Gemeinden zu vermeiden. Diese Rechtsproblematik sei seit März 2000 virulent, zum Schutz von Körperschaften öffentlichen Rechtes sei der Gesetzgeber tätig geworden. Es erscheine sachlich unbillig, dass "eine Gesetzeslücke im Bereich privater Wirtschaftsunternehmen unterblieben ist und erst im März 2009 gesetzlich verfügt wurde".

In einer zweitenErgänzung des Nachsichtsansuchens vom wurde neuerlich darauf hingewiesen, dass KM an ***BI*** die Umsatzsteuer bezahlt habe. Müsste KM diese Umsatzsteuer noch einmal (an das Finanzamt) bezahlen, käme es zu einer doppelten und daher anormalen Belastung der KM, die eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO begründe. Der steuerrechtlich relevante Sachverhalt sei nicht in der ursprünglichen Geltendmachung des Vorsteuerabzuges durch KM im Zeitraum Juni bis September 2007 zu sehen, vielmehr sei der steuerrechtlich relevante Sachverhalt die erst anschließend vorgenommene Rechnungsberichtigung durch ***BI*** im November 2007 und die im Vertrauen auf die Aussagen der zuständigen Finanzverwaltung getroffene Entscheidung von KM im Zeitraum Ende 2007 bis Mitte 2008, den Vorsteuerabzug (aufgrund Unzulässigkeit und Unrichtigkeit der Rechnungsberichtigung durch ***BI***) aufrecht zu erhalten. Daraus folge, dass KM gerade im Vertrauen auf die Aussagen der zuständigen Finanzverwaltung gehandelt habe und lediglich aufgrund der Zusicherung, dass es keiner Korrektur des Vorsteuerabzugs bedarf, den Vorsteuerabzug aufrechterhalten und zum (Ende des Geschäftsjahres) die entsprechende Jahres-Umsatzsteuererklärung abgegeben habe. Hätte die zuständige Finanzverwaltung gegenüber KM nicht zugesichert, dass der Vorsteuerabzug zu Recht vorgenommen wurde, wäre KM kein Schaden entstanden, da KM ansonsten gegen ***BI*** vor Eröffnung des Konkursverfahrens vorgehen hätte können.

In einem weiteren Vorhalt vom wurde der KM - einem Ersuchen ihres Rechtsvertreters entsprechend - Gelegenheit geboten, aufgrund der damaligen Situation im Zusammenhang mit dem Coronavirus ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen, um ein allfälliges weiteres Nachsichtsverfahren, welches auf das Vorliegen einer persönlich bedingten Unbilligkeit gestützt würde, in das gegenständliche Verfahren zu integrieren. Ferner wies das Finanzamt darauf hin, dass die EuGH Entscheidung Tibor Farkas für eine Rückerstattung der Umsatzsteuer durch die Finanzverwaltung an den Erwerber voraussetzen würde, dass der Verkäufer diese Steuer an das Finanzamt abgeführt hat.

Zur Beantwortung des Vorhaltes ersuchte der Rechtsvertreter um Akteneinsicht, die vom Finanzamt am auch gewährt wurde.

In der Stellungnahme vom wurde zusammengefasst vorgebracht, dass durch die Coronasituation (verfügte Lockdowns) der Verkauf von Kraftstoffen massiv zurückgegangen sei. Für den Zeitraum 2020 bis 2022 bestehe ein zusätzlicher Finanzbedarf von rund 27 Mio. €. Der starke Mittelabfluss gefährde den Fortbestand des Unternehmens mit seinen 120 Mitarbeitern. Müsste die Zahlung aus der Vorsteuerberichtigung geleistet werden, wäre dies ein zusätzlicher Finanzmittelbedarf. Ergänzend zu diesem Vorbringen wurde eine Planungsrechnung über die Auswirkungen der Corona-Krise vorgelegt. Zur EuGH-Entscheidung Tibor Farkas wurde ausgeführt, dass es nach Ansicht der KM nicht darauf ankommen, ob der Schuldner der Umsatzsteuer diese an das Finanzamt abgeführt, sondern ob das Finanzamt keinen Schaden erlitten habe. ***BI*** habe zwar die Steuer "nicht an das Finanzamt aktiv abgeführt", das Finanzamt hätte jedoch durch die Sicherstellungsexekutionen bereits "die volle Verfügungsgewalt" über diese Steuer gehabt. Durch die Einstellung der Sicherstellungsexekution habe sich die Steuerbehörde selbst geschädigt; dies müsse dem Ergebnis gleichstehen, dass kein Schaden der Behörde eingetreten sei. Abgesehen davon sei § 236 BAO nicht nur auf Fälle anwendbar, "die genau jenen der EuGH-Judikatur zu Tibor Farkas" entsprächen. § 236 BAO sei nicht etwa in Umsetzung einer EuGH-Judikatur geschaffen worden, sondern habe schon vorher bestanden. Es verbiete sich daher, die Anwendbarkeit der Entscheidungskriterien aus Tibor Farkas mit der Anwendbarkeit des Rechtsanspruches aus § 236 BAO in Verbindung zu bringen.

Mit Eingabe vom wurde schließlich eine dritte Ergänzung des Nachsichtsansuchens eingebracht. Darin wurden die aktuellen Auswirkungen der Coronakrise mit Stand November 2020 näher dargestellt. Die Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben würde die Existenz der KM gefährden bzw. wäre für diese mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden. Die Nachsicht hätte dagegen einen deutlichen Sanierungseffekt. Zu dem gemeinsam mit dem Nachsichtsansuchen eingebrachten Stundungsansuchen wurde "klargestellt", dass der Antrag nicht nur auf eine Stundung, sondern auch in eventu auf eine Entrichtung in Raten gerichtet sei. Durch die aufgezeigten Auswirkungen der Coronakrise lägen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 212 BAO vor. In einem solchen Fall habe die Abgabenbehörde die Zahlungserleichterung zu bewilligen.

Mit Bescheid vom wies das nunmehr zuständige Finanzamt für Großbetriebe das Nachsichtsansuchen vom ab. In der gesondert zugestellten Bescheidbegründung vom wird zusammengefasst zur sachlichen Unbilligkeit ausgeführt, dass eine solche nach § 3 der Verordnung BGBl II 435/2005 idgF dann gegeben sein könne, wenn nicht offensichtlich unrichtige Rechtsauslegungen gegenüber dem Abgabepflichtigen seitens der für ihn zuständigen Abgabenbehörde getätigt wurden oder in amtlichen Veröffentlichungen erfolgten, und im Vertrauen darauf seitens des Abgabepflichtigen für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete dazu in ständiger Rechtsprechung, dass mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung geschützt wird. Vielmehr müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung für die Vergangenheit unbillig erscheinen lassen, wie dies z.B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird, die sich später als unrichtig herausstellt. Derartige besondere Umstände seien im vorliegenden Nachsichtsverfahren nicht zu erkennen. Neben der fehlenden ausdrücklichen Anordnung sei im gegenständlichem Fall "die Auskunft" erst nach Geltendmachung der Vorsteuer thematisiert worden. Daher sei auch das Erfordernis der Setzung bedeutsamer Maßnahmen vor Entstehung des Abgabenanspruchs nicht erfüllt. Der Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes sei nicht ident mit dem Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches. Das BFG habe im Erkenntnis vom weder ausgesprochen, dass tatsächlich ein Vertrauensschaden vorliege, noch dass dieser im Nachsichtsverfahren zu berücksichtigen wäre. Zum Argument, der ursprüngliche Umsatzsteuerbescheid hätte die Rechtsansicht der Antragstellerin gestützt, sei zu bemerken, dass die Erlassung eines Bescheides im Festsetzungsverfahren sowie eine nach der BAO zulässige Bescheidaufhebung sowie Neuerlassung eines Umsatzsteuerbescheides jedenfalls keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung begründen könne. Vielmehr wären nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Unzulänglichkeiten des Festsetzungsverfahrens in einem Rechtsmittel gegen die Abgabenbescheide vorzubringen und könnten Einwände, die das Festsetzungsverfahren betreffen, nicht mit Erfolg im Nachsichtsverfahren geltend gemacht werden. Auch wären Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage - mitunter sogenannte "Ungerechtigkeiten" - keine Gründe für die Gewährung einer Abgabennachsicht. Die Versagung des Vorsteuerabzugs sei "durch die Instanzen gehalten" worden. Eine Unbilligkeit liege nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist. Dies treffe auf den vorliegenden Sachverhalt vollinhaltlich zu. Die Rückforderung zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuern entspreche der Gesetzeslage und sei eine Auswirkung der generellen Norm, die auf alle Normadressaten gleichermaßen anzuwenden sei. Eine Besserstellung der Antragstellerin wäre rechtswidrig. Dem Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs C-564/15, Tibor Farkas, sei entgegenzuhalten, dass dieser Fall zwar die rechtsgrundlose Zahlung von Umsatzsteuer an ein später insolvent gewordenes Unternehmen betreffe; der Europäische Gerichtshof habe allerdings explizit verlangt, dass der Erwerber eine Rückerstattung dieser Umsatzsteuer gegenüber der Steuerverwaltung nur geltend machen könne, "wenn der Verkäufer diese Steuer an das Finanzamt abgeführt hat", was gegenständlich nicht der Fall gewesen sei.

Zur Frage des Vorliegens einer persönlichen Unbilligkeit führte das Finanzamt nach Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass die Notwendigkeit, Vermögenswerte zur Abgabenentrichtung heranzuziehen oder "für die Entrichtung einen Finanzierungsbedarf zu verwirklichen", für sich die Abgabenentrichtung noch nicht unbillig erscheinen lasse. Ein Vermögensverlust für sich allein stelle daher keinen Grund für eine Abgabennachsicht dar. Dabei sei es unerheblich, ob der Verlust durch eine außergewöhnliche Situation herbeigeführt wurde, oder ob er völlig unerwartet eingetreten ist. Nur dann, wenn sich durch die Vermögenseinbuße oder durch andere Ereignisse die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Abgabepflichtigen derart verschlechtern würden, dass ihm die Entrichtung von Abgaben nicht mehr zugemutet werden kann, lägen Gründe vor, die die Abgabeneinhebung aus persönlichen Gründen als unbillig erscheinen lassen könnten. Dies wäre nach Ansicht des Finanzamtes nicht der Fall.

Zum Nachsichtsantrag betreffend den Säumniszuschlag sei zudem anzumerken, dass Einwendungen zum Fehlen eines groben Verschuldens an der Säumnis im Rahmen einer Antragstellung gemäß § 217 Abs. 7 BAO erhoben werden könnten. Für eine Berücksichtigung derartiger Gründe bleibe in einem der Abgabenfestsetzung nachgelagerten Nachsichtsverfahren nach der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum.

Da weder eine sachlich noch eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung vorlägen, sei der Antrag aus Rechtsgründen abzuweisen gewesen, da eine Ermessensentscheidung das Vorliegen einer Unbilligkeit voraussetze.

Nachdem mit Eingabe vom um Verlängerung der Beschwerdefrist bis ersucht worden war, wurde mit Eingabe vom , die am selben Tag zur Post gegeben wurde, Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom erhoben.

Nach eingehenden Ausführungen zum bisherigen Verfahrensgang und zur Rechtslage wurde zur Frage des Vorliegens einer sachlich bedingten Unbilligkeit der Einhebung zusammengefasst darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin durch die Vorgangsweise des Finanzamtes ***Fa*** dazu veranlasst worden sei, im Vertrauen auf diese Rechtsauskunft des Finanzamts keine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen. Die Beschwerdeführerin habe gerade aufgrund der Rechtsauskunft des Finanzamtes ***Fa*** und des Umsatzsteuerbescheides 2008 disponiert, keine Rückforderung von Umsatzsteuer von ***BI*** im Zivilrechtswege geltend zu machen. Im vorliegenden Sachverhalt liege für die Beschwerdeführerin ein nicht beabsichtigtes und systemwidriges Besteuerungsergebnis im Hinblick auf die Umsatzsteuer aus den Liefergeschäften mit ***BI*** vor. Es komme zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff, indem die Beschwerdeführerin aufgrund der fehlenden Rückforderungsmöglichkeit der Vorsteuerbeträge, deren Ursache letztlich kausal auf die nachträgliche Änderung der Rechtsansicht durch das Finanzamt ***Fa*** im Jahr 2012 zurückzuführen sei, wirtschaftlich die Umsatzsteuer aus den Lieferungen von ***BI*** trage, obwohl nach den einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie gerade die Neutralität der Mehrwertsteuer im Unternehmensbereich geboten sei. Die atypische Belastungswirkung werde für den vorliegenden Sachverhalt insbesondere auch durch das Tibor Farkas, C-564/15, in einem vergleichbaren Fall bestätigt. Die Wurzel für den im atypischen Vermögenseingriff gelegenen offenbaren Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen liege im vorliegenden Sachverhalt in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf, der auf eine von der Beschwerdeführerin nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt sei. Das Finanzamt habe durch die entsprechend Auskunft die Beschwerdeführerin dazu veranlasst keine Maßnahmen zur Rückforderung der tatsächlich an ***BI*** bezahlten Umsatzsteuerbeträge zu setzen. Aufgrund dieser Auskunft sei daher ein Vertrauensschaden bei der Beschwerdeführerin entstanden, welcher darin bestehe, dass die Beschwerdeführerin bei rechtzeitiger Kenntnis über die später von den Abgabenbehörden geänderte und vertretene Rechtsansicht die von ihr tatsächlich bezahlten Umsatzsteuerbeträge von ihrem Geschäftspartner ***BI*** noch mit Aussicht auf Erfolg zurückfordern hätte können. Da das Finanzamt ***Fa*** den Umsatzsteuerbescheid 2008 der Beschwerdeführerin aber erst im Jänner 2012 gemäß § 299 BAO aufgehoben habe, und einen Ersatzbescheid, in welchem unter anderem der Vorsteuerabzug hinsichtlich des Reihengeschäfts mit ***BI*** in Höhe von ca. € 5,8 Mio. nunmehr aberkannt wurde, erlassen habe und in der Zwischenzeit ***BI*** im September 2010 Konkurs angemeldet habe, wäre eine solche Disposition der Beschwerdeführerin tatsächlich nicht mehr mit vernünftigen Erfolgsaussichten möglich gewesen. Hätte das Finanzamt ***Fa*** die Rechtsansicht nicht erst nachträglich im Jahr 2012 geändert, sondern bereits ursprünglich, anlässlich der Auskunftserteilung die später geänderte Rechtsauffassung vertreten, wäre bei der Beschwerdeführerin eine Rückforderung im Zivilrechtsweg noch aussichtsreich gewesen, die dem Umsatzsteuerrecht systemfremde und gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstoßende wirtschaftliche Belastung mit Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen und damit die Neutralität der Umsatzsteuer gewahrt geblieben. Im vorliegenden Sachverhalt vermöge der gute Glaube daher die Unbilligkeit der Einhebung von Steuernachforderungen im Sinne der Rechtsprechung des VwGH zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführerin habe im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der Beurteilung durch das Finanzamt ***Fa*** dahingehend disponiert, keine Rückforderung von Umsatzsteuer von ***BI*** im Zivilrechtsweg geltend zu machen. Das Argument des Finanzamts für Großbetriebe in der Begründung des hier angefochtenen Bescheids, wonach die Beschwerdeführerin nicht im Vertrauen auf die erhaltene Auskunft gehandelt habe, sondern sich der relevante steuerliche Sachverhalt bereits vorher zugetragen habe, gehe somit ins Leere. Die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin sei eine solche, dass die vorgeschriebene Nachforderung der Umsatzsteuer samt der Nebenansprüche selbst bei Einräumung von Zahlungserleichterungen eine besondere Härte für die Beschwerdeführerin bedeuten würde.

Zur Frage des Vorliegens einer persönlich bedingten Unbilligkeit der Einhebung wurde die anormale Belastungswirkung und der atypische Vermögenseingriff mit den selben Argumenten begründet, die auch schon für das Vorliegen einer sachlichen bedingten Unbilligkeit der Einhebung ins Treffen geführt worden waren. Neuerlich wurde auch auf die bereits zitierte Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom verwiesen und ausgeführt, dass die Aufhebung der ursprünglichen Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 299 BAO innerhalb der Jahresfrist des § 302 BAO nur deswegen möglich gewesen wäre, weil das Finanzamt im Erstbescheid vom die Frage des Auslandsleasings eines PKW falsch gelöst habe. Nur deswegen sei es zu einer Berufung und zur Beschwerdevorentscheidung gekommen. Hätte das Finanzamt diesen Fehler im Erstbescheid nicht gemacht, wäre es zu keiner Berufung und keiner Berufungsvorentscheidung gekommen und hätte der gegenständliche Fall ebenso wie der Salzburger Fall nur über die Wiederaufnahme gelöst werden können, und wäre damit der vorliegenden Fall (ebenso wie der Salzburger Fall) zugunsten der Beschwerdeführerin ausgegangen. Es sei jedenfalls bei zutreffender rechtlicher Beurteilung eine persönliche Unbilligkeit, wegen eines Fehlers der Behörde eine Steuerschuld in Millionenhöhe zu haben gegenüber dem Fall, dass ein anderer Steuerpflichtiger deshalb, weil sein Finanzamt keinen Fehler im Jahressteuerbescheid hatte, keine Vorsteuerberichtigung in Millionenhöhe zu tragen habe. Im Ergebnis trage im vorliegenden Sachverhalt die Beschwerdeführerin wirtschaftlich völlig systemwidrig die Umsatzsteuer. Nach § 236 BAO soll die Abgabenbehörde die Möglichkeit haben, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern. Die Einhebung der verfahrensgegenständlichen Nachforderung an Umsatzsteuer würde die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers gefährden und wäre mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die Beschwerdeführerin verbunden, zumal die Beträge voraussichtlich nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten oder durch ein wirtschaftlich gleichwertiges Vorgehen entrichtet werden könnten, dies insbesondere unter Berücksichtigung der aktuellen Corona-Krise. Die angesichts der Sachlage zu gewährende Nachsicht gemäß § 236 BAO hätte dabei den erforderlichen deutlichen Sanierungseffekt und würde insbesondere die im Fall der Einhebung drohende Existenzgefährdung der Beschwerdeführerin zuverlässig abwenden. Festzuhalten sei dabei, dass unbeschadet der Sachlage eine Gefährdung der Eindringlichkeit nicht vorliege, da keine Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Beschwerdeführerin gegeben sei, sondern bei Einhebung der Nachforderung eine Liquiditätskrise ausgelöst würde, die nur durch Maßnahmen behoben werden könnte, die eine Verschleuderung von Vermögen oder ein wirtschaftlich gleichwertiges Vorgehen erfordern würden.

Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat begehrt. Ferner wurde eine Aussetzung der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben gemäß § 212a BAO beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom ab.

Dabei wurde eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der Rechnungsberichtigung in § 11 Abs. 12 UStG 1994 samt der damit einhergehenden Berichtigungspflicht (des Vorsteuerabzuges) beim Leistungsempfänger keine Besonderheit des Einzelfalles darstelle, sondern es sich dabei vielmehr um eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage handle. Auch der mehrmalige Hinweis auf die EuGH-Judikatur zu Tibor Farkas könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Dazu werde auf den verwiesen, wonach sich aus dem , Tibor Farkas, ergäbe, dass es zwar auch in Reverse-Charge-Fällen Konstellationen geben könne, in denen der Erwerber seinen Anspruch auf Rückzahlung der (vom Leistungserbringer) zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer unmittelbar gegen die Steuerverwaltung geltend machen kann. Der Steuerverwaltung dürfe allerdings dadurch kein Schaden entstehen. In Fällen, in denen der Rechnungsaussteller die Mehrwertsteuer nicht an die Abgabenbehörde abgeführt hat, sei ein solcher Rückzahlungsanspruch somit von vornherein ausgeschlossen (vgl BFH , VII R 30/14, RN 25, mwN). Sei von einem (ausländischen) Leistungserbringer unrichtigerweise in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen und vom Leistungsempfänger an diesen bezahlt worden, könne dieser Fehler (bei mittlerweile eingetretener Insolvenz des Leistungserbringers) vom Leistungsempfänger schon deshalb nicht im Zuge eines Nachsichtsverfahrens nach § 236 BAO saniert werden, wenn die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt wurde (s. dazu auch Josef Fuchs: ,Nachsicht, keine bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer', ÖStZ 8/2019, 215 ÖStZ 2019/297). Diese Rechtsprechung sei auch im gegenständlichen Fall anwendbar, habe doch die ***BI*** ebenfalls zu Unrecht Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, aber nicht abgeführt (nicht entrichtet). Die von der Beschwerdeführerin erwähnte Sicherstellungsexekution sei keinesfalls einer Entrichtung gleichzuhalten. Zum Hinweis auf § 239a BAO werde ausgeführt, dass diese Bestimmung dem § 323 Abs 23 letzter Satz BAO zufolge erstmals auf Abgaben iSd § 3 BAO idF vor dem AbgVRefG (somit auf Bundesabgaben) anzuwenden sei, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist. Aufgrund der Rückwirkung auf Sachverhalte ab dem hätte vorliegend der Leistungserbringerin zwar das Bereicherungsverbot gemäß § 239a BAO entgegengehalten werden können. Damit wäre für die Beschwerdeführerin aber nichts zu gewinnen gewesen, zumal es sich bei der Rechnungsausstellerin und der Beschwerdeführerin um zwei unterschiedliche Steuersubjekte handle. Eine gleichsam saldierende Betrachtungsweise komme nicht in Betracht. Bei der Beurteilung von Billigkeit oder Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe seien Vorgänge auf dem Abgabenkonto eines anderen Abgabepflichtigen ohne Einfluss. Der Leistungsempfänger könne seinen Anspruch auf Rückzahlung des (an den Leistungserbringer in Höhe der USt) zu viel bezahlten Betrages nur im Zivilrechtsweg (gegenüber dem Leistungserbringer) geltend machen (in diesem Sinn siehe auch -G/09, Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG4, § ll Tz. 137, § 16 Tz. 66). Eine andere Betrachtung würde bei der vorliegenden Fallkonstellation bedeuten, dass der Forderungsausfall der Beschwerdeführerin, der ihr infolge Uneinbringlichkeit ihres Rückforderungsanspruches gegenüber der ***BI*** entstanden ist, dem Fiskus überbunden würde.

Zum von der Beschwerdeführerin behaupteten Vertrauensschaden führte das Finanzamt aus:

"Eine unrichtige Auskunft im Einzelfall (§ 3 Z 2 lit. a der Verordnung des BMF, BGBl II 2005/435 idgF) könnte eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO und damit die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten zur Folge haben. Dies setzt aber voraus, dass der Abgabepflichtige von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wurde und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt. Das bedeutet, dass der Abgabepflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft, die nicht offensichtlich unrichtig gewesen sein darf, Dispositionen getroffen hat, die er ohne die unrichtige Auskunft nicht getroffen hätte (VwGH z.B. , 96/14/0166).

Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung kann daher nur dann erwogen werden, wenn zusätzlich zur Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes vom Nachsichtswerber auch bedeutsame Maßnahmen, also anspruchsrelevante Dispositionen gesetzt worden sind. Solche Dispositionen des Abgabepflichtigen in Bezug auf den die Steuerpflicht auslösenden Sachverhalt sind schon aus logischen Gründen schwer denkbar, wenn sie bereits vor Erteilung einer Rechtsauskunft durch die zuständige Abgabenbehörde getroffen worden sind.

Nach dem Vorbringen im Nachsichtsansuchen (Seite 3) bzw. in der Beschwerde (ebenfalls Seite 3) hat die Bf. zwischen Juni und September 2007 von ***BI*** Mineralöl-Produkte bezogen und im November 2007 sowohl beim Finanzamt ***Fa*** als auch beim Bundesministerium für Finanzen Erkundigen eingeholt und von beiden die ausdrückliche Auskunft erhalten, "dass der Vorsteuerabzug weiterhin zustehe". Im November 2007 hatte die Bf. aber die anspruchsrelevanten Dispositionen bereits gesetzt gehabt, d.h. zu diesem Zeitpunkt waren die den (vermeintlich zustehenden) Vorsteuerabzug auslösenden Sachverhalte bereits verwirklicht. Dies, indem die den Vorsteuerabzug auslösenden Lieferungen von ***BI*** an die Bf. ausgeführt worden waren. Davor (d.h. vor Ausführung dieser Lieferungen) lag von der für die Abgabenangelegenheit der Nachsichtswerberin zuständigen Abgabenbehörde jedenfalls keine ausdrückliche Aufforderung und auch keine Erteilung einer Rechtsauskunft vor. Somit kann auch kein Vertrauens- und Dispositionsschutz entstanden sein. Die Bf. behauptet auch gar nicht, sie habe jene ust-rechtlich relevanten Dispostionen, die nach dem Beschwerdevorbringen im November 2007 zu Rechnungsberichtigungen geführt haben, im Vertrauen auf die Richtigkeit einer (ihr seitens der zuständigen Abgabenbehörde erteilten) Auskunft getroffen. Daher ist das Erfordernis der Setzung bedeutsamer Maßnahmen vor Entstehung des Abgabenanspruchs nicht erfüllt. Ergänzend dazu ist auszuführen, dass das Risiko des Rechtsirrtums der trägt, der es verabsäumt, sich zu erkundigen. Solche Erkundigungen haben an geeigneter Stelle zu erfolgen, worunter im Zweifelsfall die zur Entscheidung der Rechtsfrage zuständige Behörde zu verstehen ist. In der Unterlassung einer entsprechenden, den Umständen und persönlichen Verhältnissen nach gebotenen oder zumindest zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden; dies gilt insbesondere bei Tätigkeiten, die typischerweise mit Abgabenpflichten und damit mit Erklärungspflichten verbunden sind. Die Bf. hat es verabsäumt, zeitgerecht (d.h. vor Verwirklichung der steuerauslösenden Sachverhalte, die - wie oben dargestellt - in der Ausführung der Lieferungen zu sehen sind) beim zuständigen Finanzamt Erkundigungen einzuholen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die von der Bf. beim Landesgericht ***27*** zu GZ ***33*** eingebrachte Berufungsbeantwortung vom zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass die Bf. selbst (und das jedenfalls bereits im September 2009) nicht (mehr) davon ausgegangen ist, dass ihr der Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen der ***BI*** zusteht. Der erwähnten Berufungsbeantwortung ist unter Punkt 1.5. Folgendes zu entnehmen:

1.5. Entsprechend der Rechtsprechung des EuGH ist der Empfänger einer Rechnung jedoch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn in dieser Rechnung Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen wurde. Der Empfänger der Rechnung ist insofern mit der Umsatzsteuer belastet und ihm verbleibt nur ein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Unternehmer, welcher die Rechnung ausgestellt hat; er hat aber keinen Anspruch gegen die Steuerbehörden (vgl. ; Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH).

Diese Ansicht wird von der Bf. in Punkt 1.6. weiter erläutert und endet mit dem Schlusssatz und Punkt 1.7.: "Zusammenfassend ist festzuhalten, das weder eine zu Unrecht noch eine nicht verzeichnete Umsatzsteuer den Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigen."

Zur behaupteten Höhe des Vertrauensschadens ist der Bf. ihr beim Landesgericht ***27*** zu GZ ***33*** eingebrachte Schriftsatz vom (Klagebeantwortung) in Erinnerung zu rufen, wonach sie von der ***13*** Limited (vormals ***BI***) den Betrag von 2.766.424,44 Euro im Wege der Aufrechnung erlangt hat, und zwar zur teilweisen Berichtigung des ihr gegen die ***13*** Limited zustehenden Rückforderungsanspruches in Höhe von 5.857.360,95 Euro. Dies ergibt sich auch aus der Übertragung des Tonbandprotokolles, aufgenommen vor dem Landesgericht ***27*** am . Demnach hat die Bf. im erwähnten Zivilprozess u.a. folgendes Vorbringen erstattet:

"Derzeit ist ein Forderungsbetrag der beklagten Partei gegenüber ***34*** im Ausmaß von ca. € 5,8 Mio. offen. Infolge Nicht-Bezahlung von weiteren Lieferungen von ***34*** ist diesbezüglich ein Betrag von €2,7 Mio. offen, allerdings aufgrund der Aufrechnung verbleibt auf unserer Seite ein Forderungsrest von ca. 3,1 Mio."

Wenn nun die Bf. eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung darin erblickt, dass das Finanzamt ***Fa*** "im Jänner 2010 auch einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008" erlassen hat, "worin der Vorsteuerabzug für das Reihengeschäft anerkannt wurde", so ist dem die ständige hg. Rsp. (vgl. beispielsweise ; , 98/15/0118) entgegen zu halten, wonach ein Vertrauen auf eine rechtsunrichtige Beurteilung der Behörde im Allgemeinen nicht geschützt ist. Eine allfällige Unterlassung von Handlungen kann keine Grundlage für Treu und Glauben bilden (). Die Abgabenbehörde ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an eine unrichtige Rechtsauffassung, von der sie bei früheren Veranlagungen ausgegangen ist, bei späteren Veranlagungen nicht gebunden. Vielmehr ist die Behörde verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (siehe dazu auch ; Ritz/Koran, BAO7, § 114 Tz 9, mit zahlreichen Hinweisen auf die hg. Rsp.), zumal das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben (zu Letzterem s. ; zur abweichenden Beurteilung eines Sachverhaltes im Rahmen einer Wiederholungsprüfung s. auch ). Der Umstand, dass im USt-Bescheid 2008 vom und in der dazu ergangenen BVE vom der Vorsteuerabzug nicht beanstandet wurde, vermochte daher keinen Vertrauens- und Dispositionsschutz auszulösen. Dies deshalb, weil - wie oben dargestellt - durch den Grundsatz von Treu und Glauben nicht das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit geschützt wird.

Einwände gegen die Festsetzung der USt 2008 wurden im Beschwerdeverfahren gegen den USt-Bescheid 2008 erörtert (s. ; ; ; VfGH, , E2028/2019-5). Das Nachsichtsverfahren darf nicht dazu dienen, Feststellungen, welche in einer Entscheidung im Abgabenverfahren getroffen wurden (hier: dass hinsichtlich der Treibstofflieferungen im Zeitraum April bis Oktober 2007 von der ***BI*** an die Bf. Letzterer ein Vorsteuerabzug nicht zu gewähren ist), zu umgehen, zumal es nicht Aufgabe des § 236 BAO sein kann, die aus einer bestimmten Gestaltung folgende Abgabenvorschreibung im Hinblick auf eine für die Nachsichtswerberin vorteilhaftere Alternative (sohin materielles Abgabenrecht durch Abgabenverzichte) zu korrigieren. Vorliegend kann daher keine zur Nachsicht der USt 2008 führende, sachlich bedingte Unbilligkeit erkannt werden."

Zur begehrten Nachsicht von Aussetzungszinsen habe der VwGH schon wiederholt ausgesprochen, dass deren Einhebung nicht sachlich unbillig erscheine (vgl. etwa , mwH), zumal es der Abgabepflichtige in der Hand habe, die Entstehung der Aussetzungszinsen jederzeit durch Entrichtung der ausgesetzten Abgaben zu verhindern (zB , mwH). Tue er das nicht und konsumiere er den Zahlungsaufschub, lukriert er dadurch auch einen entsprechenden Zinsengewinn. Bestehe die Abgabenvorschreibung zu Unrecht, fielen ohnehin keine Aussetzungszinsen an. Allein die lange Dauer eines Beschwerdeverfahrens könne somit keine Nachsicht von Aussetzungszinsen rechtfertigen.

Die Festsetzung der Säumniszuschläge sei eine die Unbilligkeit nicht begründende Auswirkung der allgemeinen Rechtslage. Nach der durch das BudgetbegleitG 2001 (BGBl. I Nr. 142/2000) im Säumniszuschlagsbereich neu gestalteten Rechtslage könne die Frage des Verschuldens des Abgabenpflichtigen am Zahlungsverzug im Rahmen einer Antragstellung nach § 217 Abs. 7 BAO - und damit auf Ebene der Abgabenfestsetzung - vorgebracht werden. Nach Einführung dieser Bestimmung (für nach dem entstandene Abgabenansprüche) bleibe kein Raum mehr dafür, derartige Gründe in dem der Abgabenfestsetzung nachgelagerten Verfahren nach § 236 BAO zu berücksichtigen (vgl. ; , 2006/15/0337).

Zur persönlichen Unbilligkeit der Einhebung wies das Finanzamt darauf hin, dass es dazu einer detaillierten Kenntnis der gesamten Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Nachsichtswerbers bedürfe. Es sei Sache des Antragstellers, im Nachsichtsverfahren von sich aus initiativ, konkret, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die begehrte Nachsicht gestützt werden kann. Die Abgabenbehörde habe daher im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Nachsichtswerber geltend gemachten Gründe zu prüfen. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin seien der Beschwerde bloß allgemeine Angaben zu entnehmen. Daraus lasse sich nicht erschließen, ob die Existenz des Unternehmens durch die Einhebung der nachsichtsichtgegenständlichen Abgaben gefährdet werde. Weder aus dem Vorbringen im Nachsichtsantrag noch aus der Beschwerde erhelle, ob bei der Beschwerdeführerin tatsächlich ein Sanierungsbedarf gegeben sei bzw. ob die Beschwerdeführerin über kurzfristig verwertbares oder belastbares Vermögen verfüge, die ihr die Entrichtung der Abgaben ermögliche. Dem bisherigen Vorbringen im Nachsichtsverfahren seien weder die aktuell im Betriebsvermögen befindlichen Aktiva einschließlich der stillen Reserven, noch ziffernmäßige Angaben zur weiterer Einkunftserzielung zu entnehmen. Ein aktueller Vermögensstatus, eine Aufgliederung der besicherten und unbesicherten Verbindlichkeiten sowie eine Aufstellung der Kundenforderungen unter Angabe etwaiger Zahlungsziele und der voraussichtlichen Einbringlichkeit, sei nicht vorgelegt worden. Insbesondere sei nicht dargetan worden, ob die Beschwerdeführerin über Geldmittel verfüge, der Beschwerdeführerin Forderungen gegen Dritte zustünden, bewegliche Sachen oder Vermögensrechte im Eigentum der Beschwerdeführerin stünden, die Beschwerdeführerin Eigentümerin von unbeweglichem Vermögen sei, die Beschwerdeführerin Verbindlichkeiten habe und bejahendenfalls in welchem Ausmaß andere Gläubiger der Beschwerdeführerin einen Schuldennachlass gewährt hätten. Der für die Gewährung einer Abgabennachsicht erforderliche Sanierungseffekt sei somit nicht erkennbar und es sei damit eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht gegeben. Die im Nachsichtsansuchen vorgebrachten Behauptungen wären bloß als Hinweis darauf zu werten, dass die Entrichtung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben für die Antragstellerin mit erheblichen Härten verbunden wäre. Könnten aber Zahlungserleichterungen wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedürfe es keiner Abgabennachsicht. Es fehle damit im vorliegenden Fall schon an den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Abgabennachsicht, sodass für eine Ermessensentscheidung kein Raum bleiben. Selbst bei Vorliegen einer Unbilligkeit müsste die zu treffende Ermessensentscheidung zu Ungunsten der Antragstellerin ausfallen, zumal es nicht zweckmäßig wäre, eine Nachsicht, die ausschließlich zu Lasten des Abgabengläubigers geht, zu gewähren. Da sich die Beschwerdeführerin zur Frage, ob und - bejahendenfalls - in welchem Ausmaß ihr von anderen Gläubigern ein Schuldennachlass in Aussicht gestellt bzw. ein solcher gewährt wurde, nicht geäußert habe, sei davon auszugehen, dass die anderen Gläubiger auf die ihnen gegenüber der Bf. zustehenden Forderungen nicht (auch nicht zum Teil) verzichten würden. Ein Vorbringen, das in eine andere Richtung deute, sei nicht erstattet worden. Eine allfällige Nachsicht würde sich ausschließlich zu Lasten der Finanzverwaltung auswirken und sohin auch gegen das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung verstoßen. Die Begünstigung anderer Gläubiger stünde daher auch unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit und Zweckmäßigkeit einer Abgabennachsicht entgegen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den im Zuge der Beschwerde gestellten Antrag im Sinne des § 212a BAO auf Aussetzung der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben zurück, da aus dem mit Beschwerde angefochtene Bescheid (Nachsichtsabweisung) keine Nachforderung im Sinne des § 212a resultiere.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben. Nach dem Wortlaut des § 212a BAO sei "die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen" sei. Nach dem Erkenntnis des soll der Beschwerdeführer nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels belastet werden. Diesem Ziel diene § 212a BAO über die Aussetzung der Einhebung. Auch im Rahmen des gegenständlichen Nachsichtsverfahrens nach § 236 BAO hänge die Einhebung einer Abgabe - hier der Umsatzsteuer aus der im Ersatzbescheid zu dem im Jänner 2012 vom Finanzamt ***Fa*** gem. § 299 BAO aufgehobenen Umsatzsteuerbescheid 2008 aberkannten Vorsteuerbeträge - zumindest mittelbar von der Erledigung der gegenständlichen Bescheidbeschwerde ab, auch wenn im Falle einer Nachsichtsgewährung der Abgabenbescheid selbst nicht geändert, sondern lediglich auf die Einhebung der Abgaben verzichtet werde. Das gegenständliche Nachsichtsverfahren diene der Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom (C-628/16) zum Ausgangsverfahren, wo in Rz 48 mit Verweis auf die bisherige Rechtsprechung ausgeführt werde, dass ein Wirtschaftsteilnehmer in der Situation von KM im Ausgangsverfahren die Rückzahlung der rechtsgrundlos an den Wirtschaftsteilnehmer, der eine fehlerhafte Rechnung ausgestellt hat, gezahlten Steuer nach nationalem Recht verlangen könne. Das verfahrensgegenständliche Nachsichtsverfahren stelle im Ausgangsverfahren die einzige verfahrensrechtliche Möglichkeit der Umsetzung des zum Ausgangsverfahren in der Rechtssache KM dar. Eine Versagung der streitgegenständlichen Abgabennachsicht und die Zurückweisung des gestellten Antrags auf Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO verstoße somit gegen die vom EuGH relevierten unionsrechtlichen Grundsätze der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit, wenn nun im nationalen Nachsichtsverfahren der nach der Rechtsprechung des EuGH zustehende direkte Leistungsanspruch gegen die Abgabenbehörde nicht bewirkt werden könne.

Mit weiterer Eingabe vom wurde im Nachsichtsverfahren der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt. Darin wurde nach allgemeinen Ausführungen zur Frage des Vorliegens einer sachlichen Unbilligkeit ergänzt:

"Im vorliegenden Sachverhalt liegt die sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung in den Folgen der Rechnungsberichtigung durch ***BI***, die gemäß § 16 Abs 1 UStG auf Seiten des Leistungsempfängers zum Verlust des Vorsteuerabzuges führte, begründet (zur Problematik grundlegend auch ). Der Leistungsempfänger (hier die Beschwerdeführerin) hat den vollen Rechnungsbetrag inkl. Umsatzsteuer an den liefernden Unternehmer vollständig bezahlt, der liefernde Unternehmer (hier ***BI***) hat seine Umsatzsteuerschuld im November 2007 allerdings einseitig (also ohne konkreten Vertrag = vereinbarungswidrig) durch eine "Rechnungskorrektur'' vermindert. Das Finanzamt ***Fa*** verbuchte die daraus resultierende Umsatzsteuergutschrift im März 2008, was zur Folge hatte, dass die Sicherstellungen des Lieferanten ***BI*** iHv rd € 6 Mio zugunsten der Finanzverwaltung nicht schlagend wurden und die von ***BI*** an das Finanzamt abgeführten Umsatzsteuerbeträge auf dem Abgabenkonto von ***BI*** gutgeschrieben und an ***BI*** zurückgezahlt wurden, ***BI*** hat jedoch die von den Kunden vereinnahmte Umsatzsteuer nach der Sammelberichtigung und der Gutschrift durch das Finanzamt nicht an seine Kunden und somit auch nicht an die Berufungswerberin zurückerstattet (dazu RH Bericht 9/2011 Seite 80 bis 82). In diesem Dreiecksverhältnis Finanzamt - leistender Unternehmer - Leistungsempfänger, muss der Leistungsempfänger seine Ansprüche auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Umsatzsteuer grundsätzlich im Zivilrechtsweg geltend machen. Aufgrund der Insolvenz des liefernden Unternehmers (***BI***) im September 2010 war es für die Beschwerdeführerin schlicht unmöglich die im Ersatzbescheid zu dem im Jänner 2012 vom Finanzamt ***Fa*** gem. § 299 BAO aufgehobenen Umsatzsteuerbescheid 2008 aberkannten Vorsteuerbeträge hinsichtlich der Reihengeschäfte mit ***BI*** in Höhe von ca. € 5,8 Mio. von ***BI*** im Zivilrechtsweg zurückzufordern. Für die Beschwerdeführerin hat sich somit eine anormale Belastungswirkung dadurch ergeben, dass mit den Rechnungsbeträgen die Umsatzsteuer zunächst an den leistenden Unternehmer ***BI*** überwiesen wurde, nach der Rechnungsberichtigung ***BI*** diese Umsatzsteuer trotz Gutschrift durch das Finanzamt ***Fa*** aber nicht wie vorgesehen an die Beschwerdeführerin zurückerstattet hat und das Finanzamt schließlich zu einem Zeitpunkt als der Beschwerdeführerin aufgrund der im Jahr 2010 eingetretenen Insolvenz der ***BI*** der Zivilrechtsweg nicht mehr offen stand, den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen durch ***BI*** an die Beschwerdeführerin im wiederaufgenommenen Verfahren für die Umsatzsteuer des Jahres 2008 im Jahr 2012 versagt hat. Statt dessen wurde ***BI*** letztlich ungerechtfertigt bereichert indem die Umsatzsteuer aus den Lieferungen vom Finanzamt ***Fa*** in Folge der Rechnungsberichtigungen gutgeschrieben wurde, obwohl keine Erstattung der vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge durch ***BI*** an die Kunden erfolgte.

Zum Bereicherungsverbot:

Es handelt sich dabei keinesfalls um "eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage", sondern es ist im vorliegenden Sachverhalt durch die Berichtigung des Vorsteuerabzuges und die erfolgte Gutschrift der belangten Behörde aufgrund der erfolgten Rechnungsberichtigung ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten. Vielmehr hätte das Finanzamt ***Fa*** bereits im Jahr 2008 sicherstellen müssen, dass es im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu keiner ungerechtfertigten Bereicherung des leistenden Unternehmers (***BI***) kommt (dazu , Marks & Spencer plc; , C-560/07, Stadeco BV). In diesem Sinn wird im deutschen Schrifttum zur vergleichbaren Regelung zur Rechnungsberichtigung die Auffassung vertreten, dass die Berichtigung beim Leistenden erst dann zusteht, wenn (soweit) die Gegenleistung tatsächlich zurückgewährt wurde (so Stadie, in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG § 14 Anm. 556). Auch wenn sich im nationalen UStG diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung findet, so sieht § 239a BAO im Verfahrensrecht ein Bereicherungsverbot vor. Im Schrifttum wird daraus abgeleitet, dass bei Berichtigung einer Rechnung durch den Rechnungsaussteller die durch den damit verbundenen Wegfall der Steuerschuld kraft Rechnungslegung entstehende Gutschrift auf dem Abgabenkonto gemäß § 239a BAO zu unterbleiben hat, sofern der Rechnungsaussteller die korrigierte Umsatzsteuer dem Kunden nicht rückerstattet (dazu Kollmann/Schuchter in: Melhardt/Tumpel, UStG2 § 11 Tz 234b und Ruppe/Achatz, UStG6 § 11 Rz 137/1). Im Schrifttum wird weiters ausgeführt, dass zumindest ein Anspruch des Abnehmers (z.B. aus einer Rückzahlungsvereinbarung mit dem Leistenden) erforderlich ist, um das Vorliegen einer ungerechtfertigten Bereicherung zu verneinen und die umsatzsteuerliche Berichtigung zuzulassen (dazu Ruppe/Achatz, UStG5 § 11 Rz 137/1 mwN); im Umkehrschluss darf bei bestehender Unmöglichkeit der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs in Folge der bereits eingetretenen Insolvenz des leistenden Unternehmers jedenfalls keine Gutschrift erfolgen (in diesem Sinn wohl auch ).

Zur Verfügungsmacht der Steuerbehörde:

Dazu kommt, dass im Zuge dieses Verfahrens zwischen Herbst 2007 und Frühsommer 2008 sowohl das Finanzamt ***Fa*** als auch das Zollamt ***27*** eine Abgabensicherung bzw. Sicherstellungsexekution bei ***BI*** durchführte, wodurch die Steuerbehörden Verfügungsgewalt über Vermögen von ***BI*** in Höhe von insgesamt ca. € 5,8 Mio. hatten, was in etwa dem Betrag entsprochen hat, den KM an ***BI*** als Umsatzsteuer gemäß den ursprünglichen Rechnungen bezahlt hatte! Diese Abgabensicherung wurde jedoch im Zeitraum etwa Juni 2008 durch die österreichischen Abgabenbehörden wieder aufgehoben und rückgängig gemacht, obwohl zum selben Zeitpunkt dieselben österreichischen Abgabenbehörden wussten, dass KM die Umsatzsteuer an ***BI*** bezahlt hatte, zufolge dessen diese Beträge auch als Vorsteuern in Anspruch genommen hat und sich konsequent gegen die vereinbarungswidrige (weil nicht einer vertraglichen Vereinbarung entsprechende) Rechnungskorrektur durch ***BI*** ausgesprochen hat.

Grundsatz der Effektivität:

Auch wenn im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich kein direkter Berichtigungsanspruch des Leistungsempfängers gegenüber der Steuerbehörde besteht, muss nach der Rechtsprechung des EuGH ein solcher Anspruch aber nach dem Grundsatz der Effektivität für den Fall gewährt werden, in denen die Erstattung durch den Leistenden unmöglich oder übermäßig erschwert ist (wie zB bei Insolvenz des Leistenden; vgl Reemtsma, Rn 41; , C-564/15 Tibor Farkas, Rn 53). Den Ausführungen des EuGH liegt der Gedanke zugrunde, dass der leistende Unternehmer "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" ist, so dass der Staat sich die Zahlungsunfähigkeit seines Gehilfen zurechnen lassen müsse. Auch wenn der EuGH nicht deutlich macht, in welcher Reihenfolge er in dem Dreiecksverhältnis Finanzamt - Leistender Unternehmer - Leistungsempfänger die beiden Erstattungsvorgänge zu vollziehen sind, so ist es doch zwingend, dass die Erstattung an den leistenden Unternehmer erst erfolgen darf, wenn dieser dem Finanzamt nachgewiesen habe, dass er den Betrag zuvor an seinen Vertragspartner zurückgezahlt hat. Andernfalls kann die Situation eintreten, dass der leistende Unternehmer nach Erlangung der Steuerrückzahlung insolvent wird und damit auf Kosten seines Vertragspartners bereichert wäre. Der Erstattungsanspruch steht grundsätzlich demjenigen zu, der die Steuer als formaler Schuldner (leistender Unternehmer) an das Finanzamt entrichtet hat. Da dieser den Erstattungsanspruch nicht verwirklichen könne, solange er den Betrag nicht zuvor seinem Vertragspartner (Leistungsempfänger) erstattet hat, bliebe der Betrag beim Finanzamt. Zur Vermeidung dieser ungerechtfertigten Bereicherung des Steuergläubiger muss bei der Umsatzsteuer als indirekter Steuer der Erstattungsanspruch dem Steuerträger zustehen, wenn der formale Steuerschuldner als Gehilfe des Steuergläubigers zur Rückabwicklung nicht in der Lage sei (dazu Stadie, UR 2007, 431). Auch Achatz/Ruppe (dazu Ruppe/Achatz, UStG6 § 11 Rz 137/1 mwN) verweisen darauf, dass sich der Leistende am erstatteten Umsatzsteuerbetrag nicht bereichern darf (dazu auch ). Aus der Rechtsprechung des EuGH ist weiters abzuleiten, dass das Finanzamt im eigenen Interesse die Voraussetzungen für die Gutschrift bzw Rückzahlung einer unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger zu prüfen hat, da sonst das Risiko besteht, dass der Leistungsempfänger seinen Direktanspruch geltend macht, wenn die Rückforderung vom Leistenden unmöglich oder übermäßig erschwert wird. Nur durch den Direktanspruch kann in diesen Fällen das Risiko für den Leistungsempfänger, der grundsätzlich verpflichtet ist, die Umsatzsteuer an den Leistenden zu zahlen, interessengerecht verteilt und der Grundsatzder Effektivität gewahrt werden (dazu Burgmaier, UR 2007, 348 f). Die Übertragung des Ausfallsrisikos an der Vorsteuerberichtigung an die Beschwerdeführerin ist nicht sachgerecht, zumal sich die belangte Behörde um die Sicherstellung bzw. Arrestierung der gutgeschriebenen Umsatzsteuer aus der Umsatzsteuerberichtigung beim Leistenden nicht ausreichend gekümmert hat, sondern nunmehr lediglich auf den möglicherweise resultierenden Steuerschaden verweist (in diesem Sinn auch die Rsp des ).

Ungewöhnliche Belastungswirkung:

Wenn die belangte Behörde somit vorbringt, dass eine ungewöhnliche Belastungswirkung, verglichen mit ähnlichen Fällen, nicht vorliegt, so ist dies schlicht unrichtig. Hätte das Finanzamt ***Fa*** bereits im Jahr 2008 sichergestellt, dass es im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu keiner ungerechtfertigten Bereicherung des leistenden Unternehmers (***BI***) kommt (dazu EuGH 10. 4, 2008, C-309/06, Marks & Spencer plc; , C-566/07, Stadeco BV), dann wäre es für die Beschwerdeführerin möglich gewesen, ihre Ansprüche gegen ***BI*** auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Umsatzsteuer grundsätzlich im Zivilrechtsweg geltend machen. Aufgrund der Insolvenz des liefernden Unternehmers (***BI***) im September 2010 war es für die Beschwerdeführerin schlicht unmöglich, die im Ersatzbescheid zu dem im Jänner 2012 vom Finanzamt ***Fa*** gem. § 299 BAO aufgehobenen Umsatzsteuerbescheid 2000 aberkannten Vorsteuerbeträge hinsichtlich der Reihengeschäfte mit ***BI*** in Höhe von ca. € 5,8 Mio. von ***BI*** im Zivilrechtsweg zurückzufordern. Die ungewöhnliche Belastungswirkung verglichen mit ähnlichen Fällen ergibt sich somit aus der durch das Finanzamt ***Fa*** verursachten bzw verschuldeten Unmöglichkeit der Geltendmachung der Rückforderung der im Ersatzbescheid zu dem im Jänner 2012 - sohin 2 Jahre nach der Insolvenz des leistenden Unternehmers ***BI*** - vom Finanzamt ***Fa*** gem. § 299 BAO aufgehobenen Umsatzsteuerbescheid 2008 aberkannten Vorsteuerbeträge.

Vergleich mit anderen Fällen:

Dazu kommt, dass auch vom Bundesfinanzgericht tatsächlich ähnliche Fälle so beurteilt wurden; so kam das Bundesfinanzgericht (Außenstelle Salzburg) in einer Entscheidung vom , GZ RV/6100019/2013, welche einen identen Sachverhalt - mit dem gleichen Lieferanten ***BI*** - betraf, zu einem grundlegend anderen Ergebnis als das Bundesfinanzgericht (Außenstelle Linz). Auch in diesem Fall erfolgte ein Vorsteuerabzug, auch hier wurde der Sachverhalt vollumfassend den Steuerbehörden offengelegt, und auch hier ist zunächst ein Bescheid ergangen, in dem der Vorsteuerabzug zuerkannt wurde. Einziger Unterschied ist der, dass im "Salzburger Fall' die Ein-Jahres-Frist des § 299 BAO bereits abgelaufen war und deshalb eine Wiederaufnahme nach § 307 Abs. 3 BAO aufgrund "hervorgekommener neuer Tatsachen" erfolgte. Das BFG Salzburg nahm - im Gegensatz zum BFG (Außenstelle Linz) in unserem Fall - eine Überprüfung der Ermessensausübung durch die Finanzbehörde vor und kam zum Ergebnis, dass das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde. Gestützt wurde diese Begründung u.a. auf das Missverhältnis zwischen dem Wiederaufnahmegrund und den Wiederaufnahmefolgen. Auch in diesem Fall ging es um Vorsteuerabzüge in Millionenhöhe. Im Gegensatz zum BFG Linz nahm das BFG Salzburg auf diese Unbilligkeit ausdrücklich Bezug.

Zur Anwendbarkeit der Grundsätze EuGH Tibor Farkas:

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass der mehrmalige Hinweis in der Beschwerde auf die EuGH-Judikatur zu Tibor Farkas zu keiner anderen Beurteilung führen könne und diese Judikatur auf den Ausgangssachverhalt nicht anwendbar sei, da der Abgabenbehörde kein Schaden entstehen dürfe und in jenen Fällen, in denen die Mehrwertsteuer nicht an die Abgabenbehörde abgeführt wurde, ein Rückzahlungsanspruch von vornherein ausgeschlossen sei. Tatsächlich hat der EuGH mit der Entscheidung vom , C- 564/15, Tibor Farkas, die im Urteil genannten Vorgängerentscheidungen untermauert und ausgeführt, dass die Vorschriften der Richtlinie 2006/112 in ihrer durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung sowie die Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren beim EuGH in der der Erwerber eines Gegenstands Mehrwertsteuer rechtsgrundlos an den Verkäufer gezahlt hat, obwohl der betreffende Umsatz dem Reverse- Charge-Verfahren unterlag, das Recht auf Vorsteuerabzug versagt werden kann, dem Erwerber in dieser Situation allerdings ein Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer unmittelbar gegen die Steuerverwaltung geltend machen kann, soweit die Rückzahlung durch den Verkäufer an den Erwerber unmöglich oder übermäßig schwierig wird, insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers. Der EuGH hat gestützt auf die Grundsätze der Steuerneutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit ausgesprochen, dass der Erwerber einen direkten Rückerstattungsanspruch gegen die Steuerbehörde geltend machen kann, wenn im Fall eines nicht angewendeten Reverse-Charge-Verfahrens folgende Voraussetzungen vorliegen:

Der Leistungsempfänger muss die Steuer an den Leistungserbringer tatsächlich bezahlt haben.

Der Leistungserbringer muss diese Steuer tatsächlich an die Steuerbehörde entrichtet haben.

Es dürfen keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorliegen.

Die Rückzahlung durch den Verkäufer an den Erwerber ist unmöglich oder übermäßig schwierig; insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Verkäufers.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die Umsatzsteuer an den Leistungserbringer ***BI*** tatsächlich bezahlt hat und aus der Sicht der Beschwerdeführerin keine Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung vorlagen. Im Hinblick auf die Entrichtung der Steuer an die Steuerbehörde ist anzumerken, dass es für die Beschwerdeführerin schlicht unmöglich ist, festzustellen, ob der Leistungserbringer diese Steuerbeträge auch (vollständig) an die belangte Behörde abgeführt hat. Aus dem bisherigen Verfahren ist allerdings bekannt, dass ***BI*** im Zuge von Umsatzsteuervoranmeldungen Umsatzsteuerbeträge an das Finanzamt abgeführt hat, da es ansonsten nach der Gutschrift der Umsatzsteuer in Folge der Rechnungsberichtigung zu keiner Rückzahlung von auf dem Abgabenkonto befindlichen Guthaben an ***BI*** kommen hätte können. Konkret verbuchte das Finanzamt ***Fa*** die aus den Sammelberichtigungen resultierende Umsatzsteuergutschrift im März 2008, was zur Folge hatte, dass die Sicherstellungen des Lieferanten ***BI*** iHv rd. € 6 Mio. zugunsten der Finanzverwaltung nicht schlagend wurden und bereits bezahlte € 1,4 Mio. auf dem Abgabenkonto von ***BI*** gutgeschrieben und an ***BI*** zurückgezahlt wurden. ***BI*** hat jedoch die von den Kunden vereinnahmte Umsatzsteuer nach der Sammelberichtigung und der Gutschrift durch das Finanzamt nicht an seine Kunden und somit auch an die Beschwerdeführerin nicht zurückerstattet (dazu RH Bericht 9/2011 Seite 80 bis 82). Der Leistungserbringer ***BI*** hat somit einerseits durch Abfuhr von Umsatzsteuer an das Finanzamt Steuerbeträge, die auch die Beschwerdeführerin betreffen, zumindest teilweise an die Steuerbehörde entrichtet.

Zudem verfügte die Abgabenbehörde im Zuge dieses Verfahrens durch eine Abgabensicherung bzw. Sicherstellungsexekution bei ***BI*** durch das Finanzamt ***Fa*** als auch durch das Zollamt ***27*** über Vermögen von ***BI*** in Höhe von insgesamt ca. € 5,8 Mio.; dadurch war sichergestellt, dass für die Abgabenbehörde kein Schaden entstehen konnte bzw. es zumindest faktisch zur Abfuhr der Steuerbeträge kam. Vielmehr hat die Abgabenbehörde selbst einen Schaden verursacht, indem das Finanzamt ***Fa*** bereits im Jahr 2008 nicht sichergestellt hat, dass es im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (dazu , Marks & Spencer plc; , C-566/07, Stadeco BV) zu keiner ungerechtfertigten Bereicherung des leistenden Unternehmers (***BI***) kommt und in der Folge das Finanzamt ***Fa*** die aus der Sammelkorrektur der Rechnungen resultierende Umsatzsteuergutschrift im März 2008 zu Gunsten ***BI*** verbuchte, was zur Folge hatte, dass die Sicherstellungen des Lieferanten ***BI*** iHv rd. € 6 Mio. zugunsten der Finanzverwaltung nicht schlagend wurden und die bereits bezahlten € 1,4 Mio. auf dem Abgabenkonto von ***BI*** gutgeschrieben und an ***BI*** zurückgezahlt wurden. Insofern war auch die vom EuGH in der Rs Tibor Farkas geforderte Voraussetzung, dass der Leistungserbringer diese Steuer tatsächlich an die Steuerbehörde entrichtet haben muss, im vorliegenden Sachverhalt erfüllt. Schließlich war im vorliegenden Sachverhalt die Geltendmachung der Rückforderung der im Ersatzbescheid zu dem im Jänner 2012 - sohin 2 Jahre nach der Insolvenz des leistenden Unternehmers ***BI*** vom Finanzamt ***Fa*** gem. § 299 BAO aufgehobenen Umsatzsteuerbescheid 2008 aufgrund der Insolvenz des Leistungserbringers von vornherein unmöglich.

Es liegen somit im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH sämtliche Anwendungsvoraussetzungen für einen direkten Rückerstattungsanspruch gegen die Steuerbehörde vor. Zu alldem kommt, dass der EuGH in seinem Urteil vom (C-628/16) zum Ausgangsverfahren in Rz 48 mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung bereits ausgesprochen hat, dass ein Wirtschaftsteilnehmer in der Situation von KM im Ausgangsverfahren die Rückzahlung der rechtsgrundlos an den Wirtschaftsteilnehmer, der eine fehlerhafte Rechnung ausgestellt hat, gezahlten Steuer nach nationalem Recht verlangen kann (in diesem Sinne Urteil vom , Farkas, C-564/15, EU:C:2017:302, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das nun verfahrensgegenständliche Nachsichtsverfahren dient genau der Umsetzung des ) zum Ausgangsverfahren in der Rs KM. Eine Versagung der streitgegenständlichen Abgabennachsicht verstößt somit gegen die vom EuGH insbesondere in der Rs Tibor Farkas in Rz 53 relevierten unionsrechtlichen Grundsätze der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit, wenn nun im nationalen Nachsichtsverfahren der nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rs KM Rz 48 und in der Rs Tibor Farkas zustehende direkte Leistungsanspruch gegen die Abgabenbehörde nicht bewirkt werden kann.

Beweis: wie bisher; zudem:

Einvernahme des Univ.-Prof. Dr. ***19***, ***35***, als Auskunftsperson;

Einvernahme des Mag. ***22***, ***36***, als Auskunftsperson;

Beischaffung des Steueraktes der ***BI*** Ltd, insbesondere auch umfassend Zollamt Linz Wels zur Zahl ***37***, und Finanzamt ***Fa*** zur Steuernummer ***38***.

Zum Vertrauensschaden:

Wenn die belangte Behörde behauptet, dass KM keine Dispositionen im Vertrauen auf ein Verhalten der Behörde getroffen habe, so ist dies schlicht tatsachenwidrig. Unter einer Disposition kann sowohl ein aktives Tun als auch ein Unterlassen zu verstehen sein. Im Ausgangssachverhalt hat die Beschwerdeführerin im Vertrauen auf die Behörde dahingehend disponiert, nicht gegen ***BI*** vorzugehen, da sich aufgrund der verbindlichen Aussagen der Behörde ja kein Handlungsbedarf für KM ergeben hat. Die Wurzel für den im atypischen Vermögenseingriff gelegenen offenbaren Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen liegt im vorliegenden Sachverhalt in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf, der auf eine von der Beschwerdeführerin nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl dazu z.B. ; , 2008/17/0130; Ritz, BAO6, § 236 Rz 11):

Das Finanzamt ***Fa*** hat durch die entsprechende Auskunft die Beschwerdeführerin dazu veranlasst, keine Maßnahmen zur Rückforderung der tatsächlich an ***BI*** bezahlten Umsatzsteuerbeträge zu setzen. Aufgrund dieser Auskunft ist daher ein Vertrauensschaden bei der Beschwerdeführerin entstanden, welcher darin besteht, dass die Beschwerdeführerin bei rechtzeitiger Kenntnis über die später von den Abgabenbehörden geänderte und vertretene Rechtsansicht die von ihr tatsächlich bezahlten Umsatzsteuerbeträge von ihrem Geschäftspartner ***BI*** noch mit Aussicht auf Erfolg zurückfordern hätte können.

Da das Finanzamt ***Fa*** den Umsatzsteuerbescheid 2008 der Beschwerdeführerin aber erst im Jänner 2012 gemäß § 299 BAO aufgehoben hat und einen Ersatzbescheid, in welchem unter anderem der Vorsteuerabzug hinsichtlich des Reihengeschäfts mit ***BI*** in Höhe von ca. € 5,8 Mio. nunmehr aberkannt wurde, erlassen hat und in der Zwischenzeit ***BI*** im September 2010 Konkurs angemeldet hat, war eine solche Disposition der Beschwerdeführerin tatsächlich nicht mehr mit vernünftigen Erfolgsaussichten möglich.

Hätte das Finanzamt ***Fa*** die Rechtsansicht nicht erst nachträglich im Jahr 2012 geändert, sondern bereits ursprünglich anlässlich der Auskunftserteilung die später geänderte Rechtsauffassung vertreten, wäre bei der Beschwerdeführerin eine Rückforderung Im Zivilrechtsweg noch aussichtsreich gewesen, die dem Umsatzsteuerrecht systemfremde und gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstoßende wirtschaftliche Belastung mit Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen und damit die Neutralität der Umsatzsteuer gewahrt geblieben."

Zur persönlich bedingten Unbilligkeit wurde nochmals darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin wirtschaftlich völlig systemwidrig die Umsatzsteuer trage. Dies hätte die Abgabenbehörde mehrfach verhindern können. Ferner wurde auf das bisherige Vorbringen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise verwiesen. Es liege zwar keine Gefährdung der Einbringlichkeit vor, die Einhebung der Nachforderungen würde aber eine Liquiditätskrise auslösen, die nur durch Maßnahmen behoben werden könnte, die eine Verschleuderung von Vermögen oder ein wirtschaftlich gleichwertiges Vorgehen erfordern würde. Die persönliche Unbilligkeit ergäbe sich auch daraus, dass über eine näher bezeichnete Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin in Deutschland am das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Weiters habe sich die persönliche Unbilligkeit aufgrund der aktuellen Ukrainekrise und der damit verbundenen Versorgungsunsicherheit und Preisknappheit deutlich verstärkt. Es sei völlig unzutreffend, dass das Finanzamt der einzige Gläubiger wäre.

Ferner wurde noch bemängelt, dass im gegenständlichen Fall der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Entscheidungsfindung verletzt sei. Das überwiegende Verfahren wäre durch das Finanzamt ***Fa*** geführt worden, während die inhaltliche Entscheidung vom Finanzamt für Großbetriebe getroffen worden sei.

Schließlich erging durch die Beschwerdeführerin die Anregung, einen Antrag auf Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zu nachfolgenden Auslegungsfragen zu stellen:

1. Werden die Grundsätze der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen des nationalen Rechts keine geeigneten Ansprüche und Verfahren zur Verfügung stellen, um einem Wirtschaftsteilnehmer in der Situation von KM die Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Steuer zu ermöglichen.

2. Ist nach den Grundsätzen des Mehrwertsteuersystems davon auszugehen, dass eine vom Finanzamt durchgeführte Sicherstellung der Mehrwertsteuer einer Abfuhr der Mehrwertsteuer durch den leistenden Unternehmer an das Finanzamt gleichzuhalten ist, diesfalls jedenfalls aber nicht von einem Schaden für die Abgabenverwaltung auszugehen ist.

3. Werden die Grundsätze der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn einem Steuerpflichtigen in der Situation von KM die Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Steuer mit dem Argument eines Schadens für die Abgabenbehörde verweigert wird, obwohl das Finanzamt durch die Freigabe der Sicherheiten erst diesen Schaden herbeigeführt hat.

4. Werden die Grundsätze der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn das Verhalten des leistenden Unternehmers als Begründung für die Versagung der Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Steuer an einen Steuerpflichtigen in der Situation von KM herangezogen wird, obwohl KM alle zumutbaren Handlungen gesetzt hat um, um einen Schaden für die Abgabenbehörde abzuwenden.

Über die Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung des Aussetzungsantrages sprach das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom dahingehend ab, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides von einer Zurückweisung des Antrages in eine Abweisung des Antrages abgeändert wurde. Nach näher dargestellter Lehre und Rechtsprechung stelle eine Beschwerde im Nachsichtsverfahren keine taugliche Grundlage für die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung dar.

Im Vorlageantrag vom wurde auf das Vorbringen in der Beschwerde vom verwiesen und angeregt, gemeinsam mit den Vorlagefragen aus dem Vorlageantrag vom den Gerichtshof der Europäischen Union auch insofern anzurufen und eine Vorlagefrage dahingehend zu stellen, ob die Grundsätze der Effektivität und Verhältnismäßigkeit sowie der Grundsatz der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer gebieten, dass für den Fall, dass ein Nachsichtsverfahren die einzige verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Umsetzung eines Urteils des europäischen Gerichtshofs darstellt, eine Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO zuzuerkennen ist.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die im Spruch angeführten Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Verfahrensgang vor dem Bundesfinanzgericht:

Die oben getroffenen Sachverhaltsfeststellungen wurden den Verfahrensparteien zur Wahrung des Parteiengehörs mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom zur Kenntnis gebracht.

Das Finanzamt teilte dem Bundesfinanzgericht am mit, dass zu diesen Sachverhaltsfeststellungen keine Ergänzungen beantragt werden.

Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nahm zu den Sachverhaltsfeststellungen nach gewährter Fristverlängerung in seiner Eingabe vom nicht konkret Stellung, sondern verwies nur allgemein auf die Wechselwirkung von Sachverhalt und maßgeblicher Rechtsnorm bei Feststellung des maßgebenden Sachverhalts. Die Beschwerdeführerin habe in allen verfahrensgegenständlichen Eingaben ein entsprechendes Sachvorbringen erstattet, "dessen Feststellung im Ermittlungsverfahren zur Folge hat, dass in der rechtlichen Beurteilung die Anwendung des § 236 BAO zwingend erforderlich wird". Inwiefern die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen unzutreffend oder ergänzungsbedürftig wären, wurde nicht näher erläutert.

Die mündliche Senatsverhandlung wurde mit Beschluss vom für den anberaumt.

Über Ersuchen des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin wurde die Senatsverhandlung mit Beschluss vom auf den verschoben.

Die fachkundige erste Laienrichterin ist zur Verhandlung trotz ausgewiesener Ladung unentschuldigt nicht erschienen, sodass eine Verhandlung vor dem Senat nicht möglich war.

Die erschienenen Rechtsvertreter erklärten nach Rücksprache mit dem gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin, den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückzuziehen. Die mündliche Verhandlung konnte daher durch den damit zuständig gewordenen Einzelrichter durchgeführt werden.

In dieser Verhandlung vom wurde neben teilweiser Wiederholung des bisherigen Vorbringens von den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin im Wesentlichen bestritten, dass KM die Treibstoffe in Deutschland selbst oder durch von ihr beauftragte Frachtführer abgeholt habe. Den entsprechenden Prüferfeststellungen in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom lägen keine Beweise zugrunde, die Feststellung sei von KM stets bestritten worden. Tatsächlich wäre eine Beförderung durch BPM oder ***BI*** vorgelegen, die das beauftragt hätten. Zum Beweis dafür werde die im Vorlageantrag beantragte Einvernahme des Univ.-Prof. Dr. ***19*** und des Mag. ***22*** aufrecht erhalten. Zur Frage eines unmittelbaren Ersatzanspruches der KM gegen die Steuerverwaltung wurde neuerlich auf die im Vorlageantrag bereits zitierte Entscheidung , und das dazu mittlerweile ergangene Erkenntnis des , verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit dieser Entscheidung die Ansicht des BFG bestätigt, dass das Inkassorisiko in Fällen wie dem gegenständlichen die Republik trage. Die Steuergutschrift (aus den berichtigten Rechnungen) hätte ***BI*** erst nach erbrachtem Nachweis, dass die Umsatzsteuer von ***BI*** an KM zurückgezahlt worden ist, erteilt werden dürfen.

III. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. festgestellte und beiden Verfahrensparteien vor Durchführung der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebrachte Sachverhalt ergibt sich aus den zitierten Aktenteilen, dem Parteienvorbringen und den Eintragungen im Abgabeninformationssystem.

Die Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes wurde von den Vertretern der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch zugestanden, dies allerdings mit der Maßgabe, dass die Treibstoffe in Deutschland tatsächlich nicht von KM selbst oder durch von ihr beauftragte Frachtführer abgeholt worden wären. Tatsächlich wäre eine Beförderung durch BPM oder ***BI*** vorgelegen, die das beauftragt hätten. Den entsprechenden Feststellungen des Prüfers in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom lägen keine Beweise zugrunde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Nachsicht nicht dazu, inhaltliche Unrichtigkeiten eines Abgabenbescheides, die mit Hilfe der zustehenden Rechtsmittel nicht bekämpft wurden, zu beseitigen, da dies im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen würde (z.B. ; , jeweils mit Hinweis auf Stoll, BAO, 2436 f; ; ). Im Nachsichtsverfahren kann daher das Festsetzungsverfahren nicht neu aufgerollt werden, weshalb auch Beweisaufnahmen zu Sachverhaltsumständen, die das Festsetzungsverfahren betreffen, nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt werden können.

Abgesehen davon trifft es auch nicht zu, dass den Prüferfeststellungen in der Niederschrift vom keine Beweise zugrunde lägen. Anhand von auf den Rechnungen der ***BI*** an KM ausgewiesenen TKW-Kennzeichen der Tankwägen wurden durch Abfragen im Kfz-Zentralregister die Zulassungsbesitzer der Fahrzeuge ermittelt und diese niederschriftlich zu allfälligen Geschäftsbeziehungen mit der ***BI*** in den Jahren 2007 und 2008 einvernommen. Beispielhaft sei auf die Einvernahmen von Vertretern der Fa. ***39*** KG, der Lagerhausgenossenschaft ***40*** und der Fa. ***41*** verwiesen. Diese gaben übereinstimmend an, dass ihnen die ***BI*** unbekannt sei, sie mit dieser keine Geschäftsbeziehungen hätten, und sie den Dieselkraftstoff aus ***42*** bzw. ***43*** im Auftrag der KM abgeholt hätten. Von der Fa. ***39*** KG wurden dazu für den Zeitraum März 2007 bis Dezember 2007 die Originalbelege in Form von 10 Aktenordnern für sämtlichen Treibstoffbezug übergeben. Auch von der Lagerhausgenossenschaft wurden die entsprechenden Rechnungen und Frachtpapiere sowie der Kontoauszug 2007 und 2008 betreffend KM vorgelegt. Der Geschäftsführer der Fa. ***41*** gab an, dass es zwei Arten von Aufträgen gegeben habe: Transportauftrag durch KM und Zustellung direkt an den Kunden von KM oder Transportauftrag von KM mit Zustellung an KM.

Darüber hinaus hatte die Beschwerdeführerin im Festsetzungsverfahren in der Berufung vom angegeben, dass sie selbst die Treibstoffe - allerding im Auftrag der ***BI*** - abgeholt hätte (Berufung Seite 6 f). Dazu stellte bereits der Unabhängige Finanzsenat in seiner Entscheidung vom (Seite 15, letzter Absatz) fest, dass die Beschwerdeführerin keine Nachweise für diese Sachverhaltsdarstellung erbracht habe und davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin den Transport veranlasst habe.

Auch der Verwaltungsgerichtshof ging in seiner Entscheidung vom , 2013/15/0114, davon aus, dass die Beschwerdeführerin als letzter Abnehmer in der Reihe den Transport des Mineralöls von Deutschland nach Österreich veranlasst hat, indem sie das Mineralöl selbst befördert oder Transportunternehmer mit der Abholung des Mineralöls beauftragt hat (Rz 20).

Vom selben Sachverhalt ging auch der EuGH in seinem Urteil vom , C-628/16, aus: "KM veranlasste tatsächlich den Transport der in Rede stehenden Produkte durch ihre Mitarbeiter oder durch damit beauftragte Frachtführer" (Rz 11).

Von diesem mehrfach und höchstgerichtlich festgehaltenen, und durch ausreichende Beweismittel im Festsetzungsverfahren festgestellten Sachverhalt ist auch im Nachsichtsverfahren auszugehen.

IV. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Rechtslage

§ 236 BAO idF BGBl I Nr. 161/2005 lautet:

(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 gelten auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.

§ 235 Abs. 2 und 3 normieren idF BGBl. I Nr. 142/2000:

(2) Durch die verfügte Abschreibung erlischt der Abgabenanspruch.

(3) Wird die Abschreibung einer Abgabe widerrufen (§ 294), so lebt der Abgabenanspruch wieder auf. Für die Zahlung, die auf Grund des Widerrufes zu leisten ist, ist eine Frist von einem Monat zu setzen.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO (StF: BGBl. II Nr. 435/2005, geändert durch BGBl. II Nr. 449/2013 und BGBl. II Nr. 236/2019) normiert auszugsweise:

§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.

§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die

a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder

b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden,

wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.

Erwägungen

1. Unmittelbarer Ersatzanspruch gegen die Steuerverwaltung

Die Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO muss sich, soll sie nachsichtsbedeutsam sein, auf die Einhebung einer Abgabe beziehen. Die Voraussetzungen für die im Unbilligkeitstatbestand gelegenen Nachsichtsmaßnahmen sind grundsätzlich nicht gegeben, wenn eine Unbilligkeit in der Abgabenfestsetzung gelegen ist (vgl. bereits ). Die Unbilligkeit kann nicht dadurch begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist (vgl. jüngst ). Die Nachsicht dient daher nicht dazu, inhaltliche Unrichtigkeiten eines Abgabenbescheides, die mithilfe der zustehenden Rechtsmittel nicht bekämpft wurden, zu beseitigen. Derartige Versäumnisse können also grundsätzlich nicht im Nachsichtsverfahren nachgeholt und geheilt werden, da dies - wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt - im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen würde (vgl. die dazu oben bereits zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Es stellt sich zunächst die Frage, ob der von der Beschwerdeführerin unter Berufung auf Rechtsprechung des EuGH (, Reemtsma) eingewendete Erstattungsanspruch gegen die österreichische Steuerverwaltung bereits im Umsatzsteuer-Festsetzungsverfahren oder erst in einem Nachsichtsverfahren geltend zu machen wäre (im , Rn 19, wurde diese Frage ausdrücklich offen gelassen).

Diese Frage kann aber auch im gegenständlichen Fall offen bleiben. Das Finanzamt wies bereits in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend auf die vom geäußerte Rechtsansicht hin. Dieser führte unter ausdrücklicher Erwähnung der Entscheidung des (betreffend die Beschwerdeführerin) in Rn 20 wörtlich aus:

Ein unmittelbarer Anspruch des Leistungsempfängers gegenüber den Abgabenbehörden auf Erstattung der Mehrwertsteuer wird vom EuGH jedenfalls nicht in Fällen angenommen, in denen die Mehrwertsteuer an die Abgabenbehörde nicht abgeführt worden ist (vgl. C-35/05, Reemtsma, Rn. 13; insbesondere C-564/15, Tibor Farkas, Rn. 15 und 55; C-660/16 und C-661/16, Kollroß und Wirtl, Rn. 62, mit Betonung des Umstandes, dass dem Fiskus unter den dort gegebenen Umständen kein Steuerausfallrisiko entsteht). Der Steuerverwaltung darf kein Schaden entstehen (vgl. EuGH Tibor Farkas, Rn. 55). In Fällen, in denen die Mehrwertsteuer nicht an die Abgabenbehörde abgeführt wurde (vgl. C-424/12, SC Fatorie, Rn. 16; vgl. auch C-628/16, ***KM***, Rn. 14), ist ein Rückzahlungsanspruch somit von vornherein ausgeschlossen (vgl. auch deutscher Bundesfinanzhof , VII R 30/14, Rn. 25, mwN).

Die Lieferungen der ***BI*** an die Beschwerdeführerin waren in Österreich nicht steuerbar, die ***BI*** hat die mit Bescheid vom festgesetzten Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für den Zeitraum 1-9/2007 allein aufgrund der Rechnungslegung geschuldet. Diese Umsatzsteuer wurde jedoch - wie eingangs eingehend dargelegt - nie (auch nicht teilweise) an den Abgabengläubiger abgeführt, sondern aufgrund der durchgeführten Rechnungsberichtigungen mit der Gutschrift aus der Umsatzsteuervoranmeldung 11/2007 verrechnet. Da somit im vorliegenden Fall die Mehrwertsteuer von ***BI*** nicht an das Finanzamt abgeführt wurde, scheidet ein unmittelbarerer Erstattungsanspruch der Beschwerdeführerin gegen die Steuerverwaltung von vornherein aus.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag wird bemerkt, dass der Finanzverwaltung durch ***BI*** kein Steuerschaden entstanden ist: die in den Rechnungen zu Unrecht ausgewiesene und aufgrund der Rechnungslegung zunächst geschuldete Umsatzsteuer wurde durch die Rechnungsberichtigung ausgeglichen. Der Steuerschaden entstand im vorliegenden Fall allein durch den zu Unrecht von der Beschwerdeführerin geltend gemachten, ihr tatsächlich aber nie zugestandenen Vorsteuerabzug. Bereits der , darauf hingewiesen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für geschuldete Steuern besteht und nicht auf zu Unrecht gezahlte Vorsteuer erstreckt werden kann, weshalb sich dieses Recht nicht auf jene Mehrwertsteuer erstreckt, die nur deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (Rn 43; im Übrigen ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit ). Die Beschwerdeführerin hat in den eingereichten Voranmeldungen diese Vorsteuern zu Unrecht geltend gemacht, die Rückforderung derselben gleicht diesen unberechtigten Vermögenszuwachs bei der Beschwerdeführerin lediglich aus. Von einer "doppelten Bezahlung" der Umsatzsteuer kann bei dieser Sachlage keine Rede sein; bezahlt hat die Beschwerdeführerin diese Umsatzsteuer nur einmal, und zwar an ***BI***.

Aufgrund der durchgeführten Rechnungsberichtigung fiel der Rechtsgrund für die Zahlung der Umsatzsteuer durch die Beschwerdeführerin an ***BI*** weg. Damit hätte die Beschwerdeführerin die insoweit geleistete Zahlung im Zivilrechtsweg von ***BI*** - lange vor Konkurseröffung - allein schon deswegen verlangen können, weil rechtsgrundlos geleistet worden war (vgl. dazu das bereits zitierte Rn 48). Maßgeblich ist dabei allein das Vorliegen einer ungerechtfertigten Vermögensverschiebung. Es ist weder ein Schaden des Entreicherten erforderlich, noch ein Verschulden des Bereicherten (Meissel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1041, Rz 1; vgl. auch , veröffentlicht in SZ 58/104 mwN). Aufgrund dieses zivilrechtlichen Anspruches der Beschwerdeführerin gegen ***BI*** war selbst nach der im Vorlageantrag zum Bereicherungsverbot ausgeführten Rechtsansicht die umsatzsteuerliche Berichtigung zulässig, die aber wie bereits oben aufgezeigt für die von vornherein bestehende Unzulässigkeit des Vorsteuerabzuges ohnehin bedeutungslos ist.

Zu der in diesem Zusammenhang angesprochenen Bestimmung des § 239a BAO wird bemerkt, dass diese mit dem Abgabenverwaltungsreformgesetz BGBl I 20/2009 in die BAO eingefügt wurde. Dieses Bundesgesetz wurde am kundgemacht, und konnte daher im Zeitpunkt der Buchung der Umsatzsteuervoranmeldung 11/2007 am Abgabenkonto der ***BI*** am naturgemäß noch keine Anwendung finden.

Tatsächlich wurde der gebotene zivilrechtliche Weg aber vor allem deswegen nicht beschritten, weil die Beschwerdeführerin von Anfang an befürchtete, die geleistete Umsatzsteuer von ***BI*** nicht mehr zurückzubekommen (vgl. die Vorsprache vom beim Finanzamt und die Beilage zur Vorsprache beim Generalsekretär am , in der das "Risiko der Kunden" mit ca. 4,57 Mio. € beziffert wurde). Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung vom zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser (befürchtete bzw. erwartbare) Forderungsausfall im Zivilverfahren nicht auf den Fiskus überbunden werden kann. Zu diesem Ergebnis würde das Anerkennen eines unmittelbaren Ersatzanspruches der Beschwerdeführerin gegen die Steuerverwaltung aber führen: der Abgabengläubiger müsste in einem solchen Fall versuchen, die vom Leistenden nicht entrichtete Umsatzsteuer von diesem einzutreiben. Das Ausfallsrisiko ginge daher vom Leistungsempfänger (Beschwerdeführerin) auf den Abgabengläubiger über. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher - wie bereits oben ausgeführt - aus gutem Grund und völlig zu Recht im Beschluss vom betont, dass ein unmittelbarer Anspruch des Leistungsempfängers gegenüber den Abgabenbehörden auf Erstattung der Mehrwertsteuer vom EuGH jedenfalls nicht in Fällen angenommen wird, in denen die Mehrwertsteuer an die Abgabenbehörde nicht abgeführt worden ist, und in diesen Fällen einen unmittelbaren Rückzahlungsanspruch von vornherein ausgeschlossen. Diese Rechtsansicht soll den Staat insbesondere auch vor Umsatzsteuerbetrug schützen.

Dr. Josef Fuchs, Senatspräsident des VwGH, hat zu diesem Beschluss in ÖStZ 2019, 215 (Nachsicht, keine bei zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer) festgestellt: Wurde von einem Leistungserbringer unrichtigerweise in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen und vom Leistungsempfänger an diesen bezahlt, kann dieser Fehler (bei mittlerweile eingetretener Insolvenz des Leistungserbringers) vom Leistungsempfänger nicht im Zuge eines Nachsichtsverfahrens nach § 236 BAO saniert werden, wenn die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher mit dem genannten Beschluss vom , Ra 2017/15/0102, die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100008/2009, betreffend Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten zurückgewiesen.

Von seiner Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof auch im Erkenntnis , nicht abgegangen. Es trifft zwar zu, dass das Bundesfinanzgericht (Außenstelle Graz) in der angefochtenen Entscheidung , in einem Verfahren betreffend Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO die von der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag dargestellte Rechtsansicht hinsichtlich eines unmittelbaren Erstattungsanspruches gegen die Steuerverwaltung vertreten hat, und der Verwaltungsgerichtshof die Amtsrevision gegen diese Entscheidung als unbegründet abgewiesen hat; dies erfolgte aber allein deswegen, weil eine unrichtige rechtliche Beurteilung in Bezug auf die Vorsteuerabzugsberechtigung ex tunc richtig zu stellen ist (Rz 23). Die vom Finanzamt ec nunc vorgenommene Richtigstellung im Veranlagungszeitraum 2010 war daher verfehlt und die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2010 durch das BFG erwies sich daher - und nur aus diesem Grund - "im Ergebnis als rechtskonform" (Rz 25). Dass der Verwaltungsgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält und die Rechtsansicht des BFG zur Frage eines unmittelbaren Ersatzanspruches des Leistungsempfängers gegen die Steuerverwaltung für verfehlt erachtet, ist dem unmissverständlichen Hinweis in Rz 26 des Erkenntnisses klar zu entnehmen: "Zur Bedeutung der Urteile des EuGH Reemtsma sowie Tibor Farkas im Umsatzsteuerverfahren wird im Übrigen auf das Erkenntnis [richtig: den Beschluss] des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/15/0102, verwiesen."

Zur wiederholt angesprochenen "Verfügungsmacht der Steuerbehörde" über Vermögen der ***BI*** aufgrund der Sicherstellungsaufträge vom und ist darauf hinzuweisen, dass eine Sicherstellung gemäß § 232 BAO die Verwirklichung eines abgabenrechtlichen Tatbestandes voraussetzt. Da die Lieferungen der ***BI*** an die Beschwerdeführerin in Österreich nicht steuerbar waren, ist aus den Lieferungen kein Abgabenanspruch entstanden. Dieser Abgabenanspruch entstand allein aufgrund der Rechnungslegung und erlosch durch die vorgenommenen Rechnungsberichtigungen (vgl. ). Damit fielen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für das Sicherstellungsverfahren weg und war dasselbe zwingend einzustellen und die sicherungsweise erworbenen Pfandrechte ebenso aufzulassen wie die Rückzahlung des zur Sicherstellung geleisteten Betrages von 1,4 Mio. zu verfügen.

Da im vorliegenden Fall das Sicherungsverfahren nie durch Eintritt der Vollstreckbarkeit in das Verfahren zur Einbringung übergegangen ist (vgl. dazu Ritz, BAO7, § 233 Tz 2 und Liebeg, AbgEO2, § 78 Tz 21, jeweils mwN), kann keine Rede davon sein, dass aufgrund des Sicherungsverfahrens der Leistungserbringer (***BI***) die Steuer tatsächlich an die Steuerbehörde entrichtet gehabt hätte, wie dies im Vorlageantrag darzustellen versucht wird. Durch die bloße Sicherstellung wird eine Abgabe nicht an den Steuergläubiger "abgeführt" im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung des EuGH und des VwGH.

Insgesamt gesehen besteht daher kein unmittelbarer Ersatzanspruch der Beschwerdeführerin gegen die Steuerverwaltung. Die für ein allfälliges Vorabentscheidungsverfahren aufgeworfenen Fragen stellen sich damit im vorliegenden Fall nicht. Abgesehen davon wäre die rechtsgrundlos an ***BI*** gezahlte Steuer von dieser im Zivilrechtsweg zurückzufordern gewesen (Frage 1). Eine Sicherstellungsexekution unterscheidet sich grundlegend vom Einbringungsverfahren. Der EuGH ist auch nicht berufen, die Gleichwertigkeit oder Unterschiedlichkeit des innerstaatlichen Exekutionsverfahrens zu beurteilen (Frage 2). Der Schaden für die Finanzverwaltung wurde im gegenständlichen Fall nicht durch die aus den aufgezeigten Rechtsgründen gebotene Einstellung des Sicherungsverfahrens verursacht, sondern durch den unberechtigten Vorsteuerabzug durch die Beschwerdeführerin (Frage 3). Welche "zumutbaren Handlungen" die Beschwerdeführerin gesetzt hätte, um einen Schaden für die Abgabenbehörde abzuwenden (Frage 4) wird weder näher erläutert, noch ist dies für das Bundesfinanzgericht ersichtlich. Wie bereits ausgeführt, wurde der Schaden für den Abgabengläubiger von der Beschwerdeführerin verursacht.

2) Sachliche Unbilligkeit der Einhebung (Vertrauensschaden)

Durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung nach § 236 BAO wurde erstmals normativ festgehalten, was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff "Unbilligkeit", der verordnungsmäßig in "persönliche" und "sachliche" Unbilligkeit unterteilt ist, zu verstehen ist. Bereits vor Inkrafttreten dieser Verordnung wurde im Einklang mit der zu § 236 BAO ergangenen ständigen Rechtsprechung zwischen persönlicher und sachlicher Unbilligkeit unterschieden. Der Verordnungstext zur persönlichen und sachlichen Unbilligkeit bildet im Wesentlichen die dazu ergangene Rechtsprechung ab. Bei den in der Verordnung angeführten Kriterien handelt es sich aber lediglich um eine demonstrative Aufzählung. Die Abgabenbehörde kann daher auch Kriterien außerhalb der Verordnung bei der Beurteilung, ob eine Unbilligkeit im konkreten Fall vorliegt, berücksichtigen. Nach den Erläuterungen zur Verordnung verallgemeinert § 3 Z 1 und 2 die zu Rechtsauskünften der zuständigen Abgabenbehörde bestehende, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhende herrschende Ansicht, weil ein Vertrauen auf Rechtsprechung der Höchstgerichte und auf veröffentlichte Rechtsauslegungen des BMF gleichermaßen schutzwürdig erscheint (Capek/Gleixner/Rzeszut in Unger/Tanzer/Rzeszut (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.03 (2022) zu § 236 BAO [im Folgenden: Stoll], Tz 27 f).

Neben den in § 3 der VO zu § 236 BAO getroffenen Auslegungen zur sachlichen Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann anzunehmen, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt und es dadurch zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Dies ist grundsätzlich in jenen Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (Stoll, Tz 42 mit Judikaturnachweisen).

Nach § 3 Z 2 der VO zu § 236 BAO kann eine sachliche Unbilligkeit gegeben sein, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die von der zuständigen Abgabenbehörde geäußert wurden (Stoll, Tz 50). Zur Auslegung des Begriffes "offensichtliche Unrichtigkeit" kann die zu § 293b BAO ergangene Judikatur herangezogen werden (Stoll, Tz 51). Nach § 3 Z 2 lit a der VO zu § 236 BAO sind lediglich Rechtsauskünfte des für die Einhebung der Abgabe zuständigen Finanzamtes maßgeblich. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die Rechtsauskunft aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung (z.B. aufgrund eines Auskunftsersuchens nach § 90 EStG) erfolgt ist oder nicht. Von einem im Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft zuständigen Finanzamt erteilte Auskünfte verlieren auch durch Übergang der Zuständigkeit nicht an Bedeutung (Stoll, Tz 52).

Die in § 3 VO zu § 236 BAO normierten Ausprägungen der sachlichen Unbilligkeit stellen eine nähere Umschreibung des Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar. Der Grundsatz von Treu und Glauben ist ein allgemeines Rechtsprinzip, das nach der Rechtsprechung des VwGH nicht im Verfassungsrang steht und daher nur unterhalb des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes Bedeutung haben und zur Wirkung kommen kann. Nur soweit das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt, kann daher der Grundsatz von Treu und Glauben Anwendung finden. Voraussetzung ist somit ein Auslegungsspielraum (Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs) oder Rechtsanwendungsspielraum (Ermessensübung). Ein unbestimmter Rechtsbegriff ist insbesondere der Begriff der Unbilligkeit der Einhebung iSd § 236 BAO (Stoll, Tz 55). Nach der Richtlinie zum Grundsatz von Treu und Glauben, Abschn 6., ist die Nachsicht ein Instrument zur Durchsetzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, wobei das BMF als nachsichtsrelevanten Betrag lediglich den Vertrauensschaden sieht (Stoll, Tz 56).

Die Nachsicht ist aber nicht das einzige Instrument zur Durchsetzung des Grundsatzes von Treu und Glauben. In Betracht kommen etwa auch die Bescheidaufhebung nach § 299 BAO () und die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO (Ritz, BAO7, § 303 Tz 88 mwN), da auch diese im Ermessen der Behörde liegen und damit einen Vollzugsspielraum einräumen, in dem der Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigt werden kann. Steht die Festsetzung der auskunftswidrigen, aber rechtmäßigen Abgabenschuld im Ermessen der Abgabenbehörde, so steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Festsetzung entgegen. Das liegt daran, dass bei der Ermessensübung nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit abzuwägen ist, ob der rechtmäßige Zustand hergestellt werden soll. Der Grundsatz von Treu und Glauben macht die Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen sachlich unbillig, sodass von einer rechtmäßigen Besteuerung Abstand zu nehmen ist. In den Fällen, in denen die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes über eine Ermessensentscheidung zu erfolgen hat, steht der Grundsatz von Treu und Glauben daher bereits der Festsetzung und nicht bloß der Einhebung der rechtmäßigen Abgabenschuld entgegen. Er ist daher nicht im Wege der Nachsicht durchzusetzen, sondern verhindert unmittelbar eine Ermessensentscheidung in Richtung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Tina Ehrke-Rabel, Zur Bindungswirkung von finanzbehördlichen Auskünfte in Steuersachen, Festschrift für Werner Doralt, 2007 [im Folgenden: FS Doralt], 27).

So gesehen war die allfällige Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch die "unrichtige Behördenauskunft" des Finanzamtes ***Fa*** betreffend die Frage, ob der Beschwerdeführerin der aus den Rechnungen der ***BI*** geltend gemachte Vorsteuerabzug zustand, allein im Verfahren gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom zu prüfen. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Verfahren dazu auch umfangreiches Vorbringen erstattet, das sich im Wesentlichen mit dem diesbezüglichen Vorbringen im Nachsichtsverfahren deckt. Der Umstand, dass sie mit diesem Vorbringen weder beim damals zuständigen Unabhängigen Finanzsenat, noch beim Verwaltungsgerichtshof durchgedrungen ist (, RS 1), rechtfertigt nicht einen diesbezüglich "zweiten Versuch" im Wege eines Nachsichtsansuchens, da auch dies im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen würde. Im Nachsichtsansuchen hat die Beschwerdeführerin selbst darauf hingewiesen, dass sie sich bereits im Rahmen der Ermessensübung nach § 299 BAO auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen habe.

Eine allfällige Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist damit im gegenständlichen Fall nicht nochmals im Nachsichtsverfahren unter dem Gesichtspunkt einer sachlichen Unbilligkeit der Einhebung zu prüfen.

Unabhängig davon hängt die Frage, ob der Grundsatz von Treu und Glauben - sei es bereits bei Verfügung einer Bescheidaufhebung nach § 299 BAO oder in einem Nachsichtsverfahren gemäß § 236 BAO - zur Anwendung gelangt, in beiden Fällen von bestimmten Voraussetzungen ab, die gegenständlich jedenfalls nicht erfüllt sind:

Die Auskünfte von Finanzbehörden können nach diversen Kriterien kategorisiert werden. So ist nach dem Rechtsgrund zwischen Auskünften zu unterscheiden, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung ergehen und zwischen solchen, die ohne das Bestehen einer entsprechenden Verpflichtung erteilt werden. Nach dem Zeitpunkt ihrer Erteilung unterscheidet man zwischen Auskünften über bereits verwirklichte Sachverhalte und zwischen solchen über erst zu verwirklichende Sachverhalte. Nach ihrem Inhalt kann zwischen verfahrensleitenden Auskünften, Tatsachenauskünften und Rechtsauskünften unterschieden werden (FS Doralt, 20). Es kommt daher im vorliegenden Fall nicht entscheidend darauf an, dass die Beschwerdeführerin die Auskunft erst nach bereits verwirklichtem "Sachverhalt" (Lieferung von Mineralöl durch ***BI*** mit Ausweis österreichischer USt und bereits in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug durch die Beschwerdeführerin) eingeholt hat.

Die Frage nach der Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben stellt sich aber nur dann, wenn der vom Auskunftsadressaten in seiner Anfrage dargelegte Sachverhalt dem in der Folge (oder bereits zuvor) tatsächlich verwirklichten Sachverhalt entspricht, der Inhalt der Auskunft von der Behörde nachträglich als unrichtig erkannt wird und daher zu Lasten des Auskunftswerbers keinen Niederschlag in dem betreffenden Bescheid findet. Dieser Grundsatz kann jedenfalls dann nicht zum Tragen kommen, wenn der der Auskunft zugrunde liegende Sachverhalt nicht verwirklicht wird (oder wurde), wenn er im Auskunftsersuchen falsch oder unvollständig dargestellt worden ist oder wenn die Auskunft durch Täuschung erschlichen wurde. Ein Vertrauensschutz nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kommt außerdem nur dann in Betracht, wenn die Auskunft nicht offensichtlich unrichtig war (FS Doralt, 23 mwN).

In der mit datierten, am vorgelegten "Offenlegung und Sachverhaltsdarstellung" wurde auf die "Sachverhaltsschilderung" der BPM vom verwiesen. Darin wurde die Pflicht der ***BI*** hervorgehoben, entweder selbst oder durch einen ihrerseits beauftragten Spediteur oder Frachtführer die Mineralölprodukte in Deutschland abzuholen. Die Liefervereinbarungen zwischen BPM und ***BI*** seien unter der unabdingbaren Bedingung getroffen worden, dass ***BI*** für den Transport der Mineralölprodukte zu sorgen habe. In der weiters vorgelegten wissenschaftlichen Stellungnahme vom wurde ebenfalls betont, es gelte auf Grund des zwischen BPM und ***BI*** abgeschlossenen Kaufvertrages als vereinbart, dass ***BI*** diese Ware in Erfüllung dieses Umsatzgeschäftes nach Österreich verbringe. ***BI*** könne dieser Verpflichtung entweder selbst nachkommen oder ihrerseits dazu einen Frachtführer oder einen Dritten beauftragen, den Transport der Ware nach Österreich durchzuführen. Im Kauf- bzw. Umsatzgeschäft BPM an ***BI*** sei die Abholung der Mineralöle durch die Kunden der ***BI*** nicht ausdrücklich vereinbart worden; nur in einem solchen Fall hätte aber die Lieferung BPM an ***BI*** als ruhende Lieferung angesehen werden können. Die steuerliche Vertreterin der ***BI*** habe den zugrunde liegenden Sachverhalt unrichtig angenommen.

Aufgrund des von der Beschwerdeführerin geschilderten Sachverhaltes ging der damalige Generalsekretär im Bundesministerium für Finanzen (aus seiner Weisung an das Finanzamt unschwer erkennbar) insofern von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, als er annahm, die Abholung der Mineralöle durch die Beschwerdeführerin sei strittig und könne nicht eindeutig nachgewiesen werden (Anmerkung: Selbst in der im gegenständlichen Verfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde noch versucht, entgegen den Ergebnissen des Festsetzungsverfahrens eine Abholung der Mineralöle durch die Beschwerdeführerin bzw. von ihr beauftragte Frachtführer in Abrede zu stellen).

Tatsächlich wusste aber die Beschwerdeführerin selbstverständlich zu diesem Zeitpunkt ganz genau, dass nicht ***BI*** oder ein von dieser beauftragter Spediteur oder Frachtführer die Mineralöle in Deutschland abgeholt hatte, sondern sie selbst bzw. von ihr beauftragte Frachtführer, was in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ausreichend dokumentiert und durch die im Zuge der Prüfung aufgenommenen Beweise auch hinreichend erwiesen wurde.

Aufgrund des von der Beschwerdeführerin unrichtig dargestellten Sachverhaltes war auch die rechtliche Schlussfolgerung des Generalsekretärs offensichtlich falsch. Das war für die Beschwerdeführerin nicht nur leicht erkennbar, sondern wurde von ihr auch tatsächlich erkannt. Das Finanzamt hat dazu in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend und im Vorlageantrag unwidersprochen auf die im angesprochenen Zivilprozess beim Landesgericht ***27*** von der Beschwerdeführerin erstattete Berufungsbeantwortung vom verwiesen, wonach die Beschwerdeführerin zu viel an ***BI*** bezahlt habe, weil die Umsatzsteuer zu Unrecht in den Rechnungen der ***BI*** ausgewiesen worden sei. Diese Umsatzsteuer habe ***BI*** zwar aufgrund der Rechnungslegung geschuldet; entsprechend der Rechtsprechung des EuGH sei der Empfänger einer Rechnung (die Beschwerdeführerin) "jedoch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn in dieser Rechnung Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen wurde".

Die Beschwerdeführerin wusste daher jedenfalls bereits damals (und damit vor der Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO und vor der Insolvenz der ***BI***), dass sie den Vorsteuerabzug zu Unrecht in Anspruch genommen hatte.

Aus all diesen Gründen kann der Grundsatz von Treu und Glauben - selbst wenn er im vorliegenden Fall im Rahmen des Nachsichtsverfahrens nochmals zu prüfen wäre - nicht zur Anwendung gelangen, womit auch die geltend gemachte sachliche Unbilligkeit der Einhebung nicht gegeben ist.

Angemerkt wird noch, dass die Beschwerdeführerin bereits im Zeitpunkt der Geltendmachung des Vorsteuerabzuges bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt unschwer erkennen hätte können, dass ihr dieser nicht zusteht. Das Finanzamt hatte in der VwGH-Beschwerde gegen die Entscheidung des zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin (bzw. von ihr beauftragte Transporteure) die Mineralöle in Deutschland abgeholt hat (damit die Verfügungsmacht über die Mineralöle erlangte) und daher nicht davon ausgehen konnte, dass ihr die Verfügungsmacht erst in Österreich verschafft werde. Die Verschaffung der Verfügungsmacht liegt vor, wenn der Abnehmer über die Ware wie ein Eigentümer verfügen kann. Die Befähigung zur Verfügung wird nicht mit dem Verpflichtungsgeschäft eingeräumt, sondern (erst) dann, wenn die Ware etwa durch körperliche Übergabe zur Disposition des Abnehmers steht und er real über den Nutzen der Ware verfügen kann (Ruppe/Achatz, UStG, Kommentar zu § 3 Rz 36 ff). Wie man bei einer in Deutschland erfolgten Verschaffung der Verfügungsmacht, die zu einem Lieferort in Deutschland führt, zur Auffassung gelangen kann, die Lieferung wäre in Österreich steuerpflichtig und es stehe daher ein Vorsteuerabzug zu, ist nicht nachvollziehbar. Der wahre Grund für die unzutreffende Sachverhaltsschilderung, die einen Vorsteuerabzug rechtfertigen sollte, war wohl die bereits bei der Vorsprache am geäußerte Befürchtung, die an ***BI*** zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer von dieser nicht zurückzubekommen.

Insgesamt gesehen kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, dass ein außergewöhnlicher Geschehensablauf vorläge, der auf eine von der Beschwerdeführerin nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hätte, die ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt wäre (; Ritz, BAO7, § 236 Rz 11). Vielmehr hat die Beschwerdeführerin versucht, die nach dem gewöhnlichen Lauf zu erwartende Abgabenschuld (Rückforderung der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuer) durch eine unzutreffende Darstellung des Sachverhaltes zu verhindern.

3) Persönliche Unbilligkeit der Einhebung

Eine persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn diese in der Person des Abgabepflichtigen gelegen ist. Im Besonderen dann, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz (Existenzgrundlage) des Abgabepflichtigen gefährden, besondere finanzielle Schwierigkeiten und eine wirtschaftliche Notlage mit sich bringen, diese erhöhen und verstärken würde, bzw. sonstige wirtschaftlich außergewöhnliche (abnormale, atypische) belastende Wirkungen zur Folge hätte. Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich daher aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers und besteht in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen. Persönliche Unbilligkeiten sind daher anzunehmen, wenn die Einhebung der Abgabe die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, insbesondere das Vermögen und das Einkommen des Abgabenschuldners in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung; diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (Stoll, Tz 33 mit zahlreichen Judikaturnachweisen).

Persönliche Unbilligkeit hat also atypische und schwerwiegende wirtschaftliche Folgen oder beeinträchtigt die Leistungskraft in unverhältnismäßiger Weise, sodass die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Abgabepflichtigen gefährdet ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die Abgabenschulden nur durch Veräußerung von Vermögenswerten entrichtet werden könnten und diese Entrichtung einer Verschleuderung von Vermögen gleichkommen würde. Die Notwendigkeit Vermögenswerte - und sei es auch das Grundvermögen - zur Entrichtung der Abgabenschulden heranzuziehen, lässt für sich allein die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig erscheinen. Eine Unbilligkeit ist in diesen Fällen nur dann zu erblicken, wenn die Abstattung der Abgabenschulden trotz zumutbarer Sorgfalt (Vorsorge für die Abgabenentrichtung) nur unter Vermögensverschleuderung möglich wäre (Stoll, Tz 36 mwN).

Nachteile, Verluste oder Vermögenseinbußen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und mit denen jeder rechnen muss, der sich wirtschaftlich betätigt, machen die Einhebung nicht unbedingt unbillig, auch wenn die einzuhebende Abgabe mit Sachverhalten verbunden ist, die später zu Vermögensminderungen oder Verlusten führen. Darunter sind insbesondere solche Einbußen, die im Rahmen des gewöhnlichen Unternehmerwagnisses liegen oder aufgrund von Konjunkturschwankungen entstehen, zu verstehen. Gleiches gilt, wenn sich in weiterer Folge herausstellt, dass Abgaben (entgegen der Erwartung des Abgabepflichtigen) nicht überwälzt werden können (Stoll, Tz 37 mwN).

Überschuldung oder Liquiditätskrisen (vgl. bereits ), "finanzielle Engpässe" bzw. wirtschaftliche Bedrängnisse () allein werden den strengen (Unbilligkeits-) Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht (vgl. ).

Die Frage, ob die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet ist, ist nach der Einkommens- und Vermögenslage (und nach der voraussehbaren Entwicklung) ohne Abzug der zu entrichtenden (nachsichtsverfangenen) Abgaben zu beurteilen (Stoll, Tz 35).

Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung, der nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Vorhaltecharakter zukommt, darauf hingewiesen, dass bloß allgemeine Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin nicht ausreichend seien, sondern diese umfassend in der vom Finanzamt ausführlich und konkret beschriebenen Art und Weise darzustellen wären.

Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag aber nicht nach. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde zur Frage des Vorliegens einer persönlichen Unbilligkeit der Einhebung kein Vorbringen mehr erstattet. Im Vorlageantrag wurde ohne die vom Finanzamt verlangte konkrete und ziffernmäßige Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich behauptet, dass die Einhebung der Nachforderungen eine Liquiditätskrise auslösen würde, die nur durch Maßnahmen behoben werden könnte, die eine Verschleuderung von Vermögen oder ein wirtschaftlich gleichwertiges Vorgehen erfordern würde. Weiters habe sich die persönliche Unbilligkeit aufgrund der aktuellen Ukrainekrise und der damit verbundenen Versorgungsunsicherheit und Preisknappheit deutlich verstärkt. Dieses Vorbringen reicht zur Annahme einer persönlichen Unbilligkeit nicht aus.

Inwiefern aus dem Hinweis auf eine Insolvenz einer näher bezeichneten Tochterfirma der Beschwerdeführerin auf deren eigene konkrete wirtschaftliche Situation zu schließen wäre, ist nicht ersichtlich.

In der Stellungnahme vom und in der dritten Ergänzung des Nachsichtsansuchens vom waren zwar die damaligen Auswirkungen der Coronakrise näher erläutert worden (massiver Rückgang des Verkaufs von Kraftstoffen aufgrund der verfügten Lockdowns). Zum einen hat aber bereits der Gesetzgeber diesem coronabedingten Wirtschaftseinbruch durch die in § 323c BAO normierten Sonderregelungen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 Rechnung getragen. Zum anderen liegen diese wirtschaftlichen Einschränkungen gegenwärtig nicht mehr vor, und sind für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen stets die im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend. Bei der Beschwerdeerledigung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeerledigung maßgebend (Ritz, BAO7, § 236 Tz 19 mit Judikaturnachweisen).

Schließlich hat das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass es keiner Abgabennachsicht bedarf, wenn Zahlungserleichterungen wirtschaftlich begründeten Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen können (vgl. mit Hinweis auf , ; und ; ). Die Beschwerdeführerin hat gemeinsam mit dem Nachsichtsansuchen ein Stundungsansuchen gestellt und dazu in der Eingabe vom "klargestellt", dass der Antrag nicht nur auf eine Stundung, sondern in eventu auf eine Entrichtung in Raten gerichtet sei. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 212 BAO lägen vor, weshalb eine Zahlungserleichterung zu bewilligen sei.

Insgesamt gesehen konnte daher auch vom Vorliegen einer persönlich bedingten Unbilligkeit der Einhebung nicht ausgegangen werden, sodass für eine Ermessensentscheidung kein Raum blieb (z.B. ).

4) Unbilligkeit der Einhebung der Nebenansprüche

Zur Frage der Unbilligkeit der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Nebenansprüche (Aussetzungszinsen, Säumniszuschlag) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

5) Grundsatz der Unmittelbarkeit der Entscheidungsfindung

Im Vorlageantrag wurde bemängelt, dass im gegenständlichen Fall der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Entscheidungsfindung verletzt sei. Das überwiegende Verfahren wäre durch das Finanzamt ***Fa*** geführt worden, während die inhaltliche Entscheidung vom Finanzamt für Großbetriebe getroffen worden sei.

Bis war für die Erhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgaben der Beschwerdeführerin und damit auch für die Erledigung ihres Nachsichtsansuchens das Finanzamt ***Fa*** zuständig. Gemäß § 323b Abs. 1 BAO sind das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes getreten. Die am bei einem Finanzamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt (§ 323b Abs. 2 BAO). Die Übergangsbestimmungen des § 323b BAO enthalten keine Sonderregelung für die zum anhängigen Nachsichtsverfahren. Ist daher das Finanzamt für Großbetriebe aufgrund des § 61 BAO am für die Erhebung einer Abgabe eines bestimmten Abgabepflichtigen zuständig, ist auch ein diesbezüglich am beim zuvor zuständig gewesenen Finanzamt (Finanzamt ***Fa***) unerledigt gebliebenes Nachsichtsansuchen von der Bestimmung des § 323b Abs. 1 Satz 1 BAO umfasst.

Ab oblag daher die Erledigung des von der Beschwerdeführerin eingebrachten Nachsichtsansuchens dem Finanzamt für Großbetriebe. Das Finanzamt ***Fa*** existiert seit als eigenständige Abgabenbehörde nicht mehr.

Im Übrigen gilt der für das Beweisverfahren relevante Unmittelbarkeitsgrundsatz im Abgabenverfahren weder für das Verfahren vor der Abgabenbehörde (§ 183 Abs. 2 BAO; Ritz, BAO7, § 183 Tz 1), noch im Bescheidbeschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht ().

6) Aussetzung der Einhebung

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Die Beschwerdeführerin räumt selbst ein, dass die Höhe der nachsichtsgegenständlichen Abgaben von der Erledigung der vorliegenden Beschwerde nicht abhängig ist; damit fehlt es aber bereits an den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 212a BAO. In einem Beschwerdeverfahren betreffend Nachsicht ist daher eine Aussetzung der Einhebung nicht möglich (Ritz, BAO7, § 212a Tz 13; ).

Ferner wird über die Beschwerde betreffend Abgabennachsicht mit der gegenständlichen Entscheidung abgesprochen (Spruchpunkt 1). Nach Erledigung der einem Aussetzungsantrag zugrunde liegenden Beschwerde kommt eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung jedenfalls nicht mehr in Betracht (). Schon aus diesem Grund erübrigt sich das im Vorlageantrag angeregte Vorabentscheidungsersuchen; im Übrigen wird dazu auf die oben unter Punkt 1 angeführten Gründe verwiesen.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl. II Nr. 435/2005
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






















ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100462.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at