Keine Anpassung der COVID-19-Rücklage durch eine Abänderung gemäß § 295a BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch at reutte Steuerberatungs GmbH, Unterdorf 1, 6600 Lechaschau, gegen den von der belangten Behörde Finanzamt Österreich am zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ausgefertigten Einkommensteuerbescheid 2019 zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid den am ausgefertigten Einkommensteuerbescheid 2019 gemäß § 295a BAO abgeändert und die Einkommensteuer mit € 67.099,00 festgesetzt. In der Bescheidbegründung führt sie aus (kursive Schreibweise im Original):
Die Covid Rücklage wurde auf die Höhe des Verlustes des Jahres 2020 berichtigt.
2. Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde eingebracht. In der Erklärung für das Jahr 2019 sei die Covid-19-Rücklage auf Basis des vorläufigen Ergebnisses mit € 150.000,62 angesetzt worden. Nach Einreichung der Erklärungen sei für das Jahr 2020 vom Finanzamt die Covid-Rücklage nach § 295a BAO auf den Verlust von € 97.741,05 angepasst worden. Die Rückwirkung von Ereignissen nach § 295a BAO müsse sich aus den Abgabenvorschriften ergeben. Die Covid-19-Verlustberücksichtigungsverordnung sehe hierfür keine Grundlage für ein rückwirkendes Ereignis vor. Es liege auch kein Ereignis nach der Bescheiderteilung vor, das Auswirkungen auf den Bescheid 2019 habe. Der Verlust sei ordnungsgemäß aus der laufenden Buchhaltung entnommen und in Abstimmung mit dem Finanzamt festgesetzt worden.
3. Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Am habe der Beschwerdeführer der Finanzbehörde Informationen übermittelt, aufgrund derer am ein Einkommensteuerbescheid erlassen worden sei. Am habe der Beschwerdeführer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2020 die ursprünglichen Angaben betreffend Höhe des Verlustes selber widerlegt. Aufgrund der nachträglich bekanntgegebenen Informationen über die korrekte Höhe des Verlustes, sei ein Ereignis eingetreten welches eine abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit (Umfang eines Abgabenanspruches) habe. Da diese Änderungsmöglichkeit eines Bescheides in der BAO eindeutig geregelt sei, sei das Fehlen eines Hinweises auf § 295a BAO in der Covid-19-Verlustberücksichtigungsverordnung kein Hinderungsgrund.
4. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom beantragt, die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Weiters wurde der Antrag gestellt, gemäß § 274 Abs. 1 BAO eine mündliche Verhandlung abzuhalten.
5. Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
6. Die steuerliche Vertretung hat mit Schreiben vom den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
II. Rechtliche Beurteilung
1. Ein Bescheid kann gemäß § 295a BAO von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 295a BAO eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung, die in keiner Weise Einfluss auf den Tatbestand materieller Abgabengesetze nimmt. Einem Ereignis kann daher nur dann Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruchs) zukommen, wenn sich dies aus einer materiellrechtlichen Abgabenvorschrift ergibt (; ; ; ; ). Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde, tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (; ; ; ; ; ).
3. Damit positive Liquidationseffekte vor Durchführung der Veranlagung 2020 möglichst zeitnah wirken, wurde mit der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl II Nr. 405/2020, ein besonderer Abzugsposten für die Veranlagung 2019 geschaffen, die sogenannte Covid-19-Rücklage. Die COVID-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019 (§ 1 Z 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung). Sie beträgt bis zu 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird (§ 1 Z 3 lit b COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung). Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen (§ 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung).
4. Der Beschwerdeführer erzielte im Jahr 2019 positive betriebliche Einkünfte in Höhe von € 250.001,03. Gemäß § 1 Z 3 lit b COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung wurde die COVID-19 Rücklage mit € 150.000,62 (60% der betrieblichen Einkünfte) ermittelt. Für das Jahr 2020 wurde der belangen Behörde auf Verlangen (Ergänzungsersuchen vom ) ein voraussichtlich negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte in Höhe von € 166.193 bekanntgegeben ("Ersuchen um Ergänzung - Beantwortung- Datenkorb" undatiert). Die belangte Behörde hat auf Basis dieser Daten am den Einkommensteuerbescheid 2019 ausgefertigt. Dieser Bescheid wurde mit dem nunmehr angefochtenen, am ausgefertigten Einkommensteuerbescheid 2019 dahingehend abgeändert, dass die COVID-19-Rücklage mit € 97.741,05 angesetzt wurde. Der Betrag entspricht den vom Beschwerdeführer im Jahr 2020 erzielten negativen betrieblichen Einkünften.
5. Die von der belangten Behörde mit der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 erlangte Kenntnis darüber, dass die negativen betrieblichen Einkünfte für dieses Jahr nicht wie prognostiziert € 166.193, sondern € 97.741,05 betragen, rechtfertigt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts gemäß § 295a BAO keine Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2019. Weder aus der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung noch aus einer anderen materiellrechtlichen Vorschrift ergibt sich ein Ereignis, das den rückwirkenden Eingriff in bereits entstandene Abgabenansprüche gemäß § 295a BAO zulässt. Somit war spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben.
III. Zulässigkeit einer Revision
Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im Beschwerdefall relevanten Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage und der zitierten Judikatur ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Z 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020 § 1 Z 3 lit. b COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020 § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100193.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at