Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.05.2023, RV/3100190/2023

Schätzung mangels Erklärungsabgabe und substantiierten Vorbringens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 und 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die festgesetzten Abgaben und deren Bemessungsgrundlagen sind am Ende der Entscheidungsgründe dargestellt und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom auf, Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2019 und 2020 bis spätestens abzugeben, und wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer dazu verpflichtet war, weil sein Arbeitgeber einen Freibetragsbescheid berücksichtigt bzw. den Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag, den erhöhten Pensionisten- oder den erhöhten Verkehrsabsetzbetrag steuermindernd berücksichtigt hat.

Da keine Abgabenerklärungen beim Finanzamt einlangten, erließ es am den Einkommensteuerbescheid 2019 und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 106.250,87 mit EUR 9.072,- fest. Ebenfalls am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2020 und setzte die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 136.615,60 mit 9.277,- fest. Dabei berücksichtigte es jeweils die vom Arbeitgeber übermittelten Lohnzetteldaten. Nicht berücksichtigt wurde jeweils der Alleinverdienerabsetzbetrag.

In seinen Beschwerden vom gegen die Einkommensteuerbescheide für 2019 und 2020 brachte der Beschwerdeführer jeweils vor, es seien ihm Kosten für doppelte Haushaltsführung, Reisekosten und außergewöhnliche Belastungen entstanden. Mit Mängelbehebungsauftrag vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, eine Erklärung abzugeben, welche Änderungen der angefochtenen Bescheide er beantrage.

Mit Finanz-Online-Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer vor: "…es fehlen aussergewoehnliche Belastungen von ca 12.000 Euro sowie Werbungskosten. Da ich eine doppelte Haushaltsfuehrung hatte sind diese Kosten von ca 18.000 Euro noch zu beruecksichtigen. ich werde fuer diese Aufstellung noch ca 6 Wochen Zeit benoetigen und bitte daher um aussetzung der Vollziehung und eine Fristverlaengerung…".

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidungen vom die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide für 2019 und 2020 ab und begründete dies damit, dass keinerlei Unterlagen vorgelegt worden waren.

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer "Beschwerde … [gegen den] Einkommensteuerbescheid 2019 vom " bzw. "Beschwerde … [gegen den] Einkommensteuerbescheid 2020 vom ". Mit den Eingaben legte er eine "Übersicht Fahrten und Hotel 2019" bzw. "Übersicht Fahrten und Hotel 2020" vor, die jeweils aus einer Aufstellung von 186 Übernachtungen à EUR 55,- (2019) bzw. 182 Übernachtungen à EUR 55,- (2020) in einem Hotel in Ort_1 sowie einer Auflistung von Kilometergeld (für 98 Fahrten à 270 km - gesamt EUR 11.113,20 im Jahr 2019 bzw. für 94 Fahrten à 270 km - gesamt EUR 10.659,60 im Jahr 2020) bestehen.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer zur Stellungnahme zu folgenden Punkten auf: "… Der persönliche Stand It. Grunddaten Finanz-Online wird vom Steuerpflichtigen als dauernd getrennt lebend angegeben. Der Arbeitgeber hat seinen Sitz unter Adresse_Ort_1. Der Steuerpflichtige war von 12/2018 bis 09/2020 unter Adresse_Ort_2 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Ab 09/2020 ist der Steuerpflichtige unter Adresse_Ort_3 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Entfernung von Ort_2 zum Arbeitgeber unter Ort_1 beträgt It. Routenplaner ca. 7 Autominuten. Für das Finanzamt ist auch nicht nachvollziehbar, dass man ab 09/2020 den Wohnsitz ca. 270 km (ca. 3h …) vom Arbeitgeber wegverlegt. Der Übernachtungsaufwand von € 55,00 ist ebenso unklar (warum dieser Aufwand, wo doch ein Wohnsitz zur Verfügung steht. Haben Sie diesen Aufwand überhaupt selbst getragen, bitte Einzahlungsbelege vorlegen…"

Der Beschwerdeführer ersuchte mit Telefax vom "noch einmal um Aufschub von 4 Wochen…", erstattete aber keine weitere Stellungnahme.

Das Finanzamt wertete die Eingabe vom als Vorlageantrag und legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war ausweislich des Zentralen Melderegisters von bis an der Adresse Adresse_Ort_2 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit ist er an der Adresse Adresse_Ort_3 mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der Beschwerdeführer war ausweislich der von der A GmbH mit Sitz in Adresse_Ort_1, übermittelten Lohnzettel jeweils von 1.1.-31.12. der Jahre 2019 und 2020 nichtselbständig beschäftigt. Im Rahmen der Lohnverrechnung wurden jeweils der Alleinverdienerabsetzbetrag, ein Pendlerpauschale von EUR 3.672,- und ein Pendlereuro von EUR 540,- berücksichtigt. Bezogen auf den Alleinverdienerabsetzbetrag wird die Sozialversicherungsnummer des Partners/der Partnerin mit "0000 ddmmyy" geführt.

Mangels konkreten Vorbringens und mangels Vorlage von Beweismitteln kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, Nächtigungen oder doppelte Haushaltsführung getragen hätte. Aus den mit den Vorlageanträgen übermittelten Aufstellungen geht weder hervor, für welche Fahrtstrecke der Beschwerdeführer Reisekosten geltend machen will, noch aus welchem (beruflichen) Grund er Aufwendungen für Hotelnächtigungen getragen haben will. Unschlüssig ist das Vorbringen zu Hotelnächtigungen auch unter dem Aspekt, dass das in den Streitjahren genutzte Hotel sich im selben Ort wie der Sitz des Arbeitgebers befindet. Auch wurde nicht belegt, dass der Beschwerdeführer diese Aufwendungen tatsächlich (selbst) getragen hat.

Aus den Verwaltungsakten des Finanzamtes ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer Familienbeihilfe für ein 2009 geborenes Kind bezieht. Nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer verheiratet wäre oder in eingetragener Partnerschaft leben würde bzw. mehr als 6 Monate pro Jahr im gemeinsamen Haushalt gelebt hätte, vielmehr wird sein Personenstand als "dauernd getrennt lebend" geführt. Aus den vom Arbeitgeber übermittelten Lohnzetteln lässt sich aufgrund der ungültigen Sozialversicherungsnummer nicht ableiten, wer der Partner/die Partnerin des Beschwerdeführers wäre.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 42 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger unter anderem dann eine Steuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr abzugeben, wenn der Alleinverdienerabsetzbetrag trotz nicht erfüllter Voraussetzungen berücksichtigt wurde (§ 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988), oder wenn ein Pendlerpauschale trotz nicht erfüllter Voraussetzungen berücksichtigt wurde (§ 41 Abs. 1 Z 6 EStG 1988). Der Beschwerdeführer ist seiner Pflicht zur Abgabe von Abgabenerklärungen trotz Aufforderung seitens des Finanzamtes nicht nachgekommen.

Da die Grundlagen für die Abgabenerhebung mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers trotz mehrfacher Ermittlungshandlungen des Finanzamtes (Aufforderung zur Abgabe der Abgabenerklärungen für die Jahre 2019 und 2020 vom , Mängelbehebungsauftrag zu den Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 vom , Beschwerdevorentscheidungen vom - welche Vorhaltscharakter entfalten, Ersuchen um Ergänzung vom ) nicht ermittelt werden konnten, war deren Schätzung geboten (§ 184 Abs. 1 und 2 BAO). Bei der Schätzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für Umfang und Höhe der Abgabenpflicht von Bedeutung sind.

Bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen war von den für die Streitjahre übermittelten Lohnzetteln auszugehen. Aus diesen geht hervor, dass das Pendlerpauschale, der Pendlereuro und der Alleinverdienerabsetzbetrag im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigt wurden.

Werbungskosten sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind unter anderem Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG). Steht ein Pendlerpauschale zu, ist ein Absetzbetrag von jährlich EUR 2,- pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu berücksichtigen (§ 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988). Auf Sachverhaltsebene konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in den Streitjahren Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unternommen hätte. Daher kommt die Berücksichtigung des Pendlerpauschales laut Lohnverrechnung (jeweils EUR 3.672,- pro Jahr) und des Pendlereuro (jeweils EUR 540,- pro Jahr) nicht in Betracht.

Als Werbungskosten in Betracht kommen auch Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten. Auf Sachverhaltsebene konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in den Streitjahren zwei Wohnsitze unterhalten hätte. Der Beschwerdeführer hat sein Vorbringen zur doppelten Haushaltsführung weder konkret ausgeführt noch durch Belege untermauert. Daher können aus diesem Titel keine Werbungskosten berücksichtigt werden.

Dasselbe gilt für die im Vorlageantrag angesprochenen Reisekosten. Dem gesamten Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beruflich bedingte Reisen unternommen hätte.

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 steht Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Da nicht ermittelt werden konnte, ob der Beschwerdeführer jeweils mehr als sechs Monate in den Streitjahren verheiratet oder eingetragener Partner war, ob er von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partner nicht dauernd getrennt gelebt hat, oder ob er mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in Lebensgemeinschaft gelebt hat, sind die Anspruchsvoraussetzungen für den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht erfüllt.

Der Beschwerdeführer hat nicht ausgeführt, aus welchem Grund er außergewöhnliche Belastungen von "ca 12.000 Euro" (Vorbringen in der Finanz-Online-Eingabe vom ) zu tragen gehabt hätte. Er hat auch keinerlei Belege zu diesem Vorbringen vorgelegt. Eine Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen kommt daher nicht in Betracht.

[...]

[...]

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen, zumal sich die Würdigung der im Wesentlichen aus Nichtfeststellungen bestehenden Sachverhaltselemente unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 Abs. 1 und 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 42 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100190.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at