Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2023, RV/7101426/2018

Verständigungsverfahren zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Aigner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage
angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches
dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist ein Pensionist mit je einem Wohnsitz in Österreich und Deutschland.
Mit der beim österreichischen Finanzamt am abgegebenen Abgabenerklärung für das Jahr 2016 zeigte der Bf. der Finanzverwaltung u.a. an, Bezieher einer ausländischen Pension gewesen zu sein, erklärte mit der Ankreuzung des Pkt. 2.1.1.1 des Pkt. 2.1.1. Einkünfte ohne Sonderzahlungen unter Pkt. "2. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, für die Österreich das Besteuerungsrecht zusteht" des Formulars, dass die Kennzahl 359 ausschließlich Pensionsbezüge enthalte, und schloss mit der Markierung des Pkt. 3.1. unter Pkt. "3.Entlastung von der Auslandssteuer durch die ausländische Steuerverwaltung" im Steuerformular eine Entlastung von der Auslandssteuer mit der unter Pkt. 3.1. vorgegebenen Begründung "Ist gesetzlich nicht möglich" aus. Mit der Fußnote 3 zu "Einkünften mit Sonderzahlungen" im Einkommensteuerformular L 1i - 2016 wurde der Bf. darüber, dass die einem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nur in Kennzahl 453 einzutragen wären, informiert.
Mit dem nachfolgenden Schaubild werden die handschriftlichen Daten des Bf. unter Pkt. 4 des Steuerformulars L1i-2016 dargestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"








"

Mit dem deutschen Einkommensteuerbescheid des Bf. für das Jahr 2016 wurde die Abgabe für das Jahr 2016 gemäß der Abgabenerklärung mit den darin eingetragenen Daten zu den Firmenrenten festgesetzt.

Außer Streit steht der Bezug von ausländischen Einkünften in Höhe von 20.708,76 € (A-Klasse), 3.962,58 € (B-Kasse) & 2.862,66 € (C-Kasse) jeweils im Jahr 2016. Gegenstand des Streitverfahrens ist die Klärung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der deutschen Rentenzahlungen der B-Kasse und C-Kasse.

Mit dem Ersteinkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom wurde die Einkommensteuer aufgrund von lohnsteuerpflichtigen Bezügen bei der PVA - 3.248,04 € - mit
- 102,00 € festgesetzt.

Im Gefolge einer internationalen Kontrollmitteilung vom zu den Einkünften des Bf. aus Pensionen in Deutschland mit den Daten "B-Kasse Bruttobezüge 3.962,58 €", "C-Kasse 2.862,66 €" und "A-Kasse 20.708,76 €" erließ das Finanzamt Bescheide, mit denen der mit datierte Einkommensteuerbescheid 2016 gemäß § 299 BAO aufgehoben und die Einkommensteuer mit 1.140,00 € festgesetzt worden waren.

Dem Aufhebungsbescheid ging der abgabenbehördliche Vorhalt vom mit dem Ersuchen, die Differenz des Abweichens der ausländischen Einkünfte des Bf. (z.B. Pension) in Höhe von 27.534.00 € von den erklärten Einkünften aufzuklären sowie eine Berechnung und allenfalls erforderliche Unterlagen zum Antwortschreiben beizulegen, voraus. Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom wurde die Einkommensteuer mit 1.140,00 € auf der Grundlage des Gesamtbetrags der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7.210,62 €, bestehend aus den lohnsteuerpflichtigen Bezügen von der Pensionsversicherungsanstalt (3.248,04 €) und Einkünften ohne inländischen Steuerabzug (3.962,58 €) mit der dem nachfolgenden Schaubild ersichtlichen Begründung festgesetzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"

"

Mit der als "Einspruch" bezeichneten Beschwerde gegen den Steuerbescheid 2016 vom wurde der Verzicht auf die Beschwerdevorentscheidung damit, dass die Deutsche Firmenrente (3.962,00 €) für das Jahr 2016 schon in Deutschland versteuert worden wäre, folglich dessen die Versteuerung in Österreich nicht gerechtfertigt sei, begründet. In der Anlage zur Beschwerde wurde der Steuerbescheid FA BRD1 samt Lohnsteuerkarte des deutschen FA H-Stadt an die belangte Behörde übermittelt.

Nach Einreichung der Beschwerde wurde das Ergänzungsersuchen der belangten Behörde vom zur Beschwerde vom , gegliedert in die Punkte "Ansässigkeit" und "Höhe und Zusammensetzung der Einkünfte", an den Bf. versandt.
Unter dem Punkt "Ansässigkeit" richtete die Amtsvertretung in Hinblick auf die Daten a) in den Arbeitnehmerveranlagungen der letzten Jahre, b) im Zentralen Melderegister zum Hauptwohnsitz in N-Stadt, und c) im Einkommensteuerbescheid des FA BRD2 für das Jahr 2016 vom mit der Adresse BRD-W, als Zustelladresse des Bf. die Frage an den Bf. nach dem Bestand einer Wohnung in Deutschland.
Nach Zitat des Art. 4 Abs. 2 DBA Deutschland teilte die Amtsvertretung dem Bf. ihre Meinung, dass der Bf., sofern er über eine Wohnung (ständige Wohnstätte) in Österreich und in Deutschland verfüge, aufgrund der derzeitigen Aktenlage in Österreich ansässig im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens sei, mit, verwies in diesem Zusammenhang auf a) die Angabe der Lohnsteuerbescheinigung der "B-Kasse" mit dem Aufdruck der Wohnanschrift des Bf. in Österreich, b) die nach Österreich übermittelten Mitteilungen der deutschen Finanzverwaltung über deutsche (Pensions-)Einkünfte, und c) die von Bf. gemäß § 73 Abs. 1 ASVG entrichteten Krankenversicherungsbeiträge von der Sozialversicherungspension Deutschlands in Österreich (Pension der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd laut deutschen Abgabenbescheid 20.708 €; davon 5,1 % gem. § 73 Abs. 1 ASVG ergibt 1.056,11 €; Eintragung in Kennzahl 493 im Formular L1: 1.056 €) und lud den Bf. zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Punkt ein.
Unter dem Pkt. "Höhe und Zusammensetzung der Einkünfte" wurde der Bf. unter Bezugnahme auf die nachfolgende Darstellung der aus dem deutschen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 ersichtlichen (Pensions)Einkünfte aus deutschen Quellen gebeten, die Frage hinsichtlich der Korrektheit dieser Aufstellung zu beantworten und die Quellen, falls der Bf. noch andere Einkünfte aus ausländischen Quellen beziehen würde (z.B. Kapitaleinkünfte wie Sparzinsen), bekanntzugeben:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
  • Auszahler
  • Betrag
  • Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd
  • 20.708,76
  • B-Kassein der Rechtsform einer GmbH
  • 3.962,58
  • Anstalt C-Kasse
  • 2.862,66
  • Gesamt
  • 27.534,00

Zur "Anstalt C-Kasse" stellte die Amtsvertretung fest, dass nach ihrem Kenntnisstand der L - Konzern lange Zeit Mitglied der "Anstalt C-Kasse" gewesen sei. Der Beitritt der L - AG zur "Anstalt C-Kasse" sei offenbar möglich gewesen, da sich auch privatrechtliche Unternehmen, wie AGs oder GmbHs, neben Bund, Ländern und Gemeinden, Gebietskörperschaften und ihrer Verbände sowie sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts, beteiligen hätten können, sofern ein mehrheitlicher Einfluss juristischer Personen des öffentlichen Rechts auf das Unternehmen bestanden hätte. Später wäre dieses System auf ein FIRMENPENSIONSSYSTEM umgestellt worden. Vor diesem Hintergrund ersuchte die Amtsvertretung den Bf. um Bekanntgabe, ob die von der "Anstalt C-Kasse" erhaltene Rente des Bf. mit der (ehemaligen) Tätigkeit für den L - Konzern in Verbindung stehe. Im Falle der Zurückführung der Rente der "Anstalt C-Kasse" auf eine andere berufliche Tätigkeit werde der Bf. um Angabe diesbezüglicher Details gebeten.
Des Weiteren wurde der Bf. um Bekanntgabe, a) ob die an die "Anstalt C-Kasse" zu entrichten gewesenen Beiträge vollständig vom Arbeitgeber einbezahlt worden wären oder ob der Bf. auch selbst Beiträge einbezahlt habe, bzw. b) - im Falle von selbst einbezahlten Beiträgen - , ob der Bf. diese Eigenbeiträge im Jahr der Bezahlung steuermindernd (im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung) geltend machen konnte, gebeten.

Anlässlich der mit dem Bf. aufgenommenen abgabenbehördlichen Niederschrift vom gab der Befragte zwecks Beantwortung des Vorhalts vom zu Protokoll,
a) auch in Deutschland eine Wohnung zu haben, (belegte diese Angabe in Form der Vorlage
einer Meldebestätigung der [...]Stadtverwaltung),
b) bemängelte in Bezug auf die Rentenaufstellung aus dem deutschen Abgabenbescheid 2016
lediglich, dass von den 27.534,00 € 1.056,12 € für die Krankenversicherung, vorgeschrieben
von der PVA NÖ, abzuziehen wären und die Krankenversicherung in den 27.534,00 € noch
enthalten sei,
c) dokumentierte den Bezug noch anderer Einkünfte des Bf. aus ausländischen Quellen mit der
Vorlage eines Bankkontoauszugs mit der Gutschrift von Zinsen in Höhe von 0,11 € brutto,
d) bejahte den Bestand eines Zusammenhanges zwischen der von der "AnstaltC-Kasse"
erhaltenen Rente mit der Tätigkeit des Bf. für den L - Konzern,
e) bestätigte die Einbezahlung der an die "Anstalt C-Kasse" zu entrichten gewesenen Beiträge
zur Gänze vom Arbeitgeber,
f) und gab abschließend zur Wohnung in Österreich zu Protokoll, in Österreich seit 2010
aufhältig zu sein, mehr als 6 Monate im Jahr in Österreich zu verbringen, und habe die
Meinung, in Deutschland steuerpflichtig zu sein.

Mit dem Vorlagebericht der Amtsvertretung vom wurde die Beschwerde des Bf. zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt. Mit der abgabenbehördlichen Stellungnahme zur Beschwerde vertrat das Finanzamt die Rechtsmeinung, dass die deutschen Firmenrenten in Österreich zu besteuern seien, und regte ein Verständigungsverfahren als Lösung für die sich durch die österreichische Besteuerung ergebende Doppelbesteuerung an.

Mit wurde der Bf. beauftragt, die Einleitung und Durchführung eines Verständigungsverfahrens beim Finanzamt zu beantragen. Die Amtsvertretung wurde angewiesen, nach Einlangen des Antrags des Bf. zum Verständigungsverfahren das Bundesministerium für Finanzen, Abteilung IV/8, Internationales Steuerrecht (mit dem Antrag des Bf. zum Verständigungsverfahren als Beilage) um Einleitung und Durchführung eines Verständigungsverfahrens zur Klärung der strittigen Frage, ob Österreich das Besteuerungsrecht an den deutschen Firmenrenten des Bf. habe, zu ersuchen, und das BFG über den Ausgang des Verständigungsverfahrens zu unterrichten.

Dem entsprechend stellte der Bf. seinen im BMF am eingelangten Antrag vom . Anlässlich der Konsultationsgespräche zwischen bis in Wien wurde der Fall des Bf. mit dem Ergebnis der Bestätigung der Rechtsposition der Amtsvertretung - Rentenzahlungen aus der Tätigkeit für den L - Konzern (3.962,58 €, € 2.862,66 €) sind Firmenrenten mit dem Besteuerungsrecht Österreichs gemäß Artikel 18 Abs. 1 DBA Deutschland - finalisiert.

Mit dem an die Verfahrensparteien übermittelten Schreiben des wurden das "Schreiben des Bundeszentralamts für Steuern vom " und das "Schreiben betreffend Verständigungsgespräche Deutschland - in Wien, Dr. R. B.," übermittelt und der Bf. nunmehr ersucht, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Erhalt des BFG-Schreibens vom eine Stellungnahme zu den Beilagen des
BFG-Schreibens vom abzugeben.
Mit dem Schreiben des "Bundeszentralamts für Steuern" vom wurde dem Bundesministerium für Finanzen, Steuer-und Zollkoordination, zum Besteuerungsfall des Bf. bestätigt, dass Österreich gemäß Art. 18 Abs. 1 DBA Deutschland das Besteuerungsrecht an den Firmenrenten - B-Kasse GmbH und Anstalt C-Kasse - zustehe. Der zweite und dritte Absatz des Schreibens lautete wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"




"

In weiterer Folge wurde mit dem Schreiben des Bf. vom eine Stellungnahme zum Ergebnis des Verständigungsverfahrens abgegeben. Nach Rechtsmeinung des Bf. sei bei den Zahlungen in den Fällen "B-Kasse" GmbH und "Anstalt C-Kasse" vom Vorliegen einer Rente durch eine gesetzliche Sozialversicherung auszugehen, folglich dessen das Besteuerungsrecht dieser Leistungen nach Art. 18 Abs. 2 DBA Deutschland zustehe.
Gemäß Art 18 DBA Deutschland würden die Ruhegehälter, die eine in einem Vertragsstaat (Österreich) ansässige Person aus dem anderen Vertragsstaat (Deutschland) beziehe, im erstgenannten Vertragsstaat, dh in Österreich, besteuert werden dürfen. Hingegen stehe das Besteuerungsrecht für Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Österreich) aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaates (Deutschland) beziehe, dem letztgenannten Staat (Deutschland), d.h. dem Quellenstaat zu. Grundsätzlich unterscheide somit das DBA bei Ruhegehältern, Renten und ähnlichen Zahlungen zwischen Bezügen, die auf Grund einer gesetzlichen Sozialversicherung eines Vertragsstaates gezahlt werden (Abs. 2) und anderen- nicht aus einer gesetzlichen Sozialversicherung stammenden - Ruhegehältern und ähnlichen Vergütungen oder Renten (Abs. 1). Im konkreten Fall würde eine Zahlung aus einer Sozialversicherung bedeuten, dass das Besteuerungsrecht für eine Leistung aus einer deutschen Sozialversicherung in Deutschland zu besteuern wäre. Bei einer Leistung als sonstiges Ruhegehalt (Abs. 1) wäre das Besteuerungsrecht in dem Fall im Ansässigkeitsstaat, daher Österreich zu besteuern. Komme es zu Zahlungen eines Ruhegehaltes, so sei die rechtliche Qualifikation, die der auszahlenden Stelle zukomme, konkret zu untersuchen. Keinesfalls lasse sich jedoch daraus, dass nur, weil der Ruhebezug aus einer früheren Tätigkeit resultiere, dieser automatisch als eine "Firmenrente" zu qualifizieren sei und dem Anwendungsfall des Art. 18 Abs. 1 DBA Deutschland unterliege, schließen.
Die von der Versicherung "A-Kasse" bezogene Rente iHv 20.708,76 € sei unstrittig als gesetzliche Rente im Sinn des Art. 18 Abs. 2 DBA Deutschland zu qualifizieren, sohin stehe das Besteuerungsrecht Deutschland zu. Österreich lege diese Rente bloß im Rahmen des Progressionsvorbehaltes der Steuerbemessung in Österreich zugrunde.
Im vorliegenden Fall werde die Rente der "Anstalt C-Kasse" nicht direkt von einem ehemaligen Arbeitgeber des Bf. geleistet. Die "Anstalt C-Kasse" - eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts (siehe Anhang 1) - sei laut Angaben der VBL 1929 als Zusatzversorgungsanstalt des Reichs und der Länder (=ZRL) gegründet worden. Die Aufgabe der ZRL sei schon damals gewesen, den Arbeitern der Reichsverwaltung und der Verwaltungen der beteiligten Länder sowie deren Hinterbliebenen Zuschüsse zu der gesetzlichen Rente zwecks Ausgleichs der Ungleichbehandlung zwischen Beamten und nichtbeamteten Bediensteten im öffentlichen Dienst zu leisten. Anfang der 50er Jahre sei die ZRL in "Anstalt C-Kasse" umbenannt und in den späten 90er Jahren auf die Länder der ehemaligen DDR ausgedehnt worden. Versicherte seien rund 4,7 Mio Arbeitnehmer, Leistungsbezieher rund 1,4 Mio. Pensionisten. Die "Anstalt
C-Kasse
" sei die größte von 30 bestehenden Zusatzversorgungseinrichtungen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in Deutschland. Die Leistungen der "Anstalt C-Kasse" seien Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Rahmen der tarifrechtlich vorgesehenen Pflichtversicherung sowie Versicherungsprodukte auf freiwilliger Basis für die zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge. Die "Anstalt C-Kasse" stehe unter Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen, die freiwillige Versicherung der "Anstalt C-Kasse" unter Aufsicht der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht).
Letztendlich leiste die "Anstalt C-Kasse" laufende Ruhebezüge für den Bf. und sei somit keine rein freiwillige Zusatzversicherung, vergleichbar mit einer privaten Lebensversicherung, sondern erfülle einen öffentlichen Auftrag.
Auch wenn sich im gegenständlichen DBA keine Definition finde, was unter einer gesetzlichen Sozialversicherung zu verstehen sei, sei die Antwort auf die Frage, ob die rentenauszahlende Einrichtung selbst staatlich sei, für die Frage des Art 18 DBA unerheblich (Schmidjell-Dommes in Aigner/Kofler/Tumpel (Hrsg), DBA-Kommentar2, Art. 18, Rz45).Der Frage, ob der leistende Rechtsträger ein Sozialversicherungsträger sei, sei eher ein weites Verständnis zu Grunde zu legen. Die Deutsche L AG, auf deren Dienstverhältnis die Rentenzahlungen der "Anstalt C-Kasse" zurückzuführen seien, sei bis Ende 1994 Beteiligte der "Anstalt C-Kasse" gewesen. Die bis zu diesem Zeitpunkt bei der "Anstalt C-Kasse" versicherten Arbeitnehmer hätten eine tarifvertraglich geregelte so genannte "Anstalt C-Kasse" -gleiche Versorgung enthalten. Für danach eingestellte Arbeitnehmer sehe der TV Betriebsrente eine auf Rentenbausteinen basierende Versorgung vor (L - Betriebsrente).
Am sei die TV-Vereinheitlichung in Kraft getreten. Nach § 2 TV-Vereinheitlichung würden die "Anstalt C-Kasse"-gleich Versicherten nach Maßgabe der weiteren Tarifbestimmungen so gestellt werden, als hätten sie seit Beginn der "Anstalt C-Kasse"-gleichen Versicherungspflicht auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses eine Zusage auf Leistungen nach dem TV Betriebsrente erhalten (so genannte rückwirkende Einführung der L -Betriebsrente). Außerdem werde nach § 3 TV Vereinheitlichung die bis zum erworbene unverfallbare Anwartschaft aus der "Anstalt C-Kasse"-gleichen Versorgung, die auch Dienstzeiten aus früheren Arbeitsverhältnissen umfasse, festgestellt (so genannter Startbaustein). Für die Zeit danach würden Rentenbausteine erworben. Dies ergebe die sogenannte Garantierente. Im Versorgungsfall sehe der TV Vereinheitlichung eine Vergleichsberechnung der Leistungen nach dem TV Betriebsrente einerseits und der Garantierente andererseits vor. Die an die "Anstalt C-Kasse" geleisteten Beiträge würden auch grundsätzlich keinen "Bonus" von Seiten des Arbeitgebers darstellen und seien vielmehr eine verpflichtende Leistung, womit von Pflichtbeiträgen auszugehen sei.
Zusammengefasst entspreche diese Leistung der generellen Definition einer Leistung aus einer gesetzlichen Sozialversicherung: Der Rechtsträger sei staatlich, die Beiträge hätten durch den Arbeitgeber als Pflichtbeiträge laufend geleistet zu werden, die Veranlagung sei nicht auf Gewinn gerichtet (weder auf Seite der "Anstalt C-Kasse", noch auf Seite des Rentenempfängers), sondern diene einzig und alleine der sozialen Absicherung des Rentenempfängers.
Betreffend den Ruhebezug der "B-Kasse" GmbH sei wiederholt auszuführen, dass generell von einem weiten Verständnis des Begriffs "Sozialversicherung" auszugehen sei. Wie oben festgestellt, habe es sich um keinen staatlichen Rechtsträger zu handeln, welcher die Pension auszahle. Entscheidend sei hierbei der generelle Versorgungscharakter der Rente. Auch im Fall der Rente durch die "B-Kasse" GmbH stehe der Versorgungscharakter im Alter im Vordergrund. Die Leistung stelle ebenso keinen Bonus, sondern einen rechtlichen Anspruch für den Bf. dar, der seiner sozialen Absicherung in Alter diene.
Es sei daher in beiden Fällen vom Vorliegen einer Rente durch eine gesetzliche Sozialversicherung und damit vom Besteuerungsrecht Deutschlands bezüglich dieser Leistungen auszugehen.
In der Anlage zu dem Schreiben des Bf. vom wurden (Anlage 1:) die Wikipedia zur VBL und (Anlage 2:) das Informationsblatt der VBL an das BFG übermittelt.

Mit Schreiben des wurde die Stellungnahme des Bf. an die Verfahrensparteien und das BMF Steuer- und Zollkoordination weitergeleitet.

Mit Mail des Finanzamts für Großbetriebe vom wurde dem BFG die Verständigungslösung - Das Besteuerungsrecht Österreichs für die Renten "B-Kasse GmbH" sowie "Anstalt C-Kasse" angezeigt und zum Verlauf des Verständigungsverfahrens ergänzend vorgebracht, dass Deutschland den Bf. wiederholt zur Zustimmung der Verständigungslösung aufgefordert hätte. Eine solche Zustimmung sei bis heute ausständig. Deutschland werde nach heutiger Absprache nun letztmalig eine Frist setzen, innerhalb derer die Zustimmung zu erfolgen habe. Andernfalls komme es zu keiner Umsetzung der Verständigungslösung in Deutschland. Die potenzielle nicht-Umsetzung in Deutschland stehe einer Besteuerung in Österreich im Rahmen des BFG Verfahrens nicht entgegen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist ein Pensionist mit österreichischer Staatsbürgerschaft und je einem Wohnsitz in Österreich und in Deutschland. Die Rentenbezüge für das Jahr 2016 haben aus der gesetzlichen Pension (20.708,76 €) und den zwei Firmenrenten ("B-Kasse" GmbH (3.962,58 €), Anstalt
"C-Kasse" (2.862,66 €) bestanden. Die Gesamtsumme der Renten hat 27.534,00 € betragen.
Das Einkommen des Bf. für das Jahr 2016 ist vom Abgabepflichtigen sowohl der deutschen, als auch der österreichischen Finanzverwaltung mit dem vom jeweiligen Staat aufgelegten Abgabenformular für das Jahr 2016 angezeigt worden. Mit dem deutschen Einkommensteuerbescheid 2016 ist die Abgabe für das Jahr 2016 gemäß den in der deutschen Einkommensteuererklärung des Bf. für das Jahr 2016 eingetragenen Daten festgesetzt worden. Mit der österreichischen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 hat der Bf. seine ausländischen Einkünfte inkl. seinen Firmenrenten zur Gänze als Progressionseinkünfte deklariert.
Das Verständigungsgespräch zwischen Österreich und Deutschland im Jahr 2019 hat den Renten der "B-Kasse" GmbH und der Anstalt "C-Kasse" für das Jahr 2016 den Charakter von Firmenrenten bescheinigt und damit das Besteuerungsrecht für diese Renten gemäß Art 18 DBA Deutschland dem Ansässigkeitsstaat des Bf. und somit Österreich bestätigt. In Anbetracht des Rechts Österreich auf Besteuerung der Firmenpensionen für das Jahr 2016 gemäß Art 18 DBA Deutschland war somit eine Doppelbesteuerung der deutschen Firmenpensionen des Bf. für das Jahr 2016 in Österreich und in Deutschland festzustellen.

2. Rechtliche Beurteilung

Nach § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Ein Besteuerungsrecht an den ausländischen Einkünften besteht jedoch nur insoweit, als dieses nicht durch die Regelungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002 (DBA-Deutschland), eingeschränkt wird.
Art. 18 DBA Deutschland und Art. 4 DBA Deutschland (Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen) lauten wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"

"
"


"

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 war abzuändern, weil die aus der Tätigkeit für den L - Konzern resultierenden Rentenzahlungen (3.962,58 € und 2.862,66 €) ihrem Rechtscharakter nach Firmenrenten gewesen waren, bezüglich dieser das Besteuerungsrecht für das Streitjahr aufgrund der Bestimmungen des Art. 18 DBA Deutschland Österreich gehabt hatte.
Zu den Zahlungen aus der "B-Kasse" GmbH war festzustellen, dass die Fa. LT-AG ein Anbieter für Wartung, Reparatur und Überholung) von Flugzeugen mit mehreren Standorten weltweit war. Die Group war zu 100 % im Besitz des Mutterkonzerns L -AG und umfasste technische Instandhaltungsbetriebe und Beteiligungen in Europa, Asien und Amerika mit mehreren tausenden Mitarbeitern. Das direkt und indirekt an Gesellschaften beteiligte Unternehmen hielt 100% der Anteile an der Fa. LTMI GmbH (=LTMI-GmbH) mit dem Geschäftsfeld "Externes Kundengeschäft in der Flugzeugwartung". Die GmbH war das Ergebnis der Verschmelzung der Fa. C-Technik GmbH mit einem Teil des externen Kundengeschäfts aus dem Bereich der Flugzeugwartung der L Technik am . Die am an S. Aerospace verkaufte LTMI GmbH firmiert unter dem Namen S. M. International GmbH. Der Betriebsgegenstand der letztgenannten GmbH ist die Erbringung und Vermarktung von luftfahrttechnischen Leistungen und alle damit zusammenhängende Geschäfte, insbesondere die Wartung und Instandhaltung von Luftfahrtgerät sowie Logistik-, Ingenieurs- und Entwicklungsleistungen und damit verbundene Service- und Nebenleistungen für Luftverkehrsgesellschaften und andere Luftfahrzeughalter.
Der Dienstgeber des Bf. - die L - AG - wies den deutschen Staat als Mehrheitsaktionär aus und war daher aufgrund der Mehrheitsbeteiligung dazu verpflichtet, zur "Anstalt C-Kasse" beizutreten. Die Renten aus der "Anstalt C-Kassa" sprachen ihren Charakter nach für Zahlungen aus einer Pensionskassa.
Die Tatsache, dass der Dienstgeber eine Aktiengesellschaft und der Staat Deutschland die Mehrheit der Aktien gehalten hatte, machte den (ehemaligen) Arbeitgeber des Bf. und die in Rede stehenden Firmenkassen nicht zu einer Gebietskörperschaft oder juristischen Person des öffentlichen Rechts. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes kommt dementsprechend die Regelung des Art. 18 Abs. 1 DBA-Deutschland, wodurch das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat, also Österreich, zusteht, zur Anwendung.

Insoweit der Bf. die Anrechnung der in Deutschland für die Firmenrenten bezahlten Steuer in Form des Progressionsvorbehalts begehrt, war darauf hinzuweisen, dass Deutschland - wie oben dargelegt - für diese Renten kein Besteuerungsrecht im Jahr 2016 zugestanden war. Die Berücksichtigung einer im Ausland ohne rechtliche Grundlage erhobenen Steuer war daher nicht zulässig.

Mit dem dem Bf. zur Kenntnis gebrachten Ergebnis des Verständigungsverfahrens zwischen Österreich und Deutschland wurde der Charakter der dem österreichischen Finanzamt mit den AEOI-Mitteilungen Deutschland angezeigten deutschen Renten als Firmenrenten bestätigt.
Der Gesamtbetrag der österreichischen Einkünfte des Bf. für das Jahr 2016 setzte sich somit aus den steuerpflichtigen Bezügen von der Pensionsversicherungsanstalt - 3.248,04 € - und den Einkünften ohne inländischen Steuerabzug aus den Firmenrenten - (3.962,58 € (B-Kasse) + 2.862,66 € (C-Kasse) =) 6.825,24 € - zusammen und ergab somit einen Gesamtbetrag der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 10.073,28 €. Die Ausländischen Einkünfte waren das Ergebnis der Subtraktion des "deutschen "Arbeitgeber" Zuschusses zur KV in Höhe von 528,07 € von den Rentenbezügen aus der deutschen Sozialversicherung in Höhe von 20.708,76 € und betrugen daher 20.180,69 €.

Der angefochtene Bescheid 2016 war abzuändern, weil die Einkommensteuer anstatt in der bisher vorgeschriebenen Höhe von 1.140 € nunmehr aufgrund der Neuberechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2016 in Höhe von 1.830,00 € festzusetzen war.

Mit der nachfolgenden Übersicht werden die Kennzahlen für die Berechnung der Einkommensteuer den Kennzahlen in der Steuererklärung des Bf. gegenübergestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kennzahl
Steuerformular
Erkenntnis
453
26.476,00 €
20.180,69 €
493
1.056,00 €
1.056,15 €
791
26.476,00 €
20.180,69 €
359
6.825,24 €

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das vorliegende Erkenntnis in erster Linie Fragestellungen des Sachverhaltes betrifft und die Rechtsfragen anhand der Bestimmungen des DBA-Deutschland zu lösen waren, war eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 18 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Schlagworte
Firmenpension
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101426.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at