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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 30.12.2022, RV/3100566/2022

Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde (§ 278 BAO)

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Ungericht in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021, beschlossen:

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2021 vom und die Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) bezieht eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt (BVAEB Pensionsservice). In der beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung 2021 (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ) machte der Bf. "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" in Höhe von 6.955,06 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend. Im Einkommensteuerbescheid 2021 (Ausfertigungsdatum ) hat das Finanzamt diese geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen erklärungsgemäß (ohne Selbstbehalt) als abzugsfähig anerkannt.

2. In der elektronisch eingelangten Beschwerde vom machte der Bf. Begräbniskosten unter Anschluss der bezüglichen Belege bzw. Nachweise für seine am tt.mm.2021 verstorbene Ehegattin in Höhe von 4.250,00 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend. Angeführt wurden diese Kosten von 4.250,00 Euro unter der Rubrik "Außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung" als "Tatsächliche Kosten auf Grund einer Behinderung". In einer ergänzenden Eingabe an das Finanzamt per FinanzOnline vom gab der Bf. dem Finanzamt bekannt, dass ihm bei der am eingebrachten Beschwerde ein Fehler unterlaufen sei, indem er die Begräbniskosten seiner "am tt.mm.2021 verstorbenen Frau im falschen Formular eingetragen" habe. Der Bf. ersuche daher um Berichtigung und Erledigung der Geltendmachung.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die vom Bf. beantragten und ursprünglich im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2021 vom zuerkannten außergewöhnlichen Belastungen betreffend "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" von 6.955,06 Euro nicht (mehr) berücksichtigt und Begräbniskosten in Höhe von 3.625,91 Euro als außergewöhnliche Belastungen zuerkannt, die sich allerdings auf Grund des vom Finanzamt berücksichtigten Selbstbehalts nicht einkommensmindernd auswirken. Hinsichtlich der näheren Begründung zu den Begräbniskosten wird auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen. Hinsichtlich der vom Finanzamt aberkannten außergewöhnlichen Belastungen aus dem Titel "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" von 6.955,06 Euro sind in der Beschwerdevorentscheidung vom keinerlei Angaben enthalten.

4. Dagegen brachte der Bf. einen Vorlageantrag ein (elektronisch eingelangt beim Finanzamt am ). Begründend brachte der Bf. vor, den Betrag von 3.625,91 Euro habe das Finanzamt "ausdrücklich als anzurechnende Begräbniskosten errechnet und darf daher nicht mit dem Selbstbehalt gegengerechnet werden. Die im Erstbescheid geltendgemachten Pflegekosten von 6.955,06 fallen ebenfalls nicht in den Bereich Selbstbehalt. …"

5. Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde vom Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (Vorlagebericht des Finanzamtes vom ). Im Vorlagebericht wurde vom Finanzamt unter "Sachverhalt und Anträge" angeführt:
"Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) hat in der elektronisch eingebrachten Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2021 als außergewöhnliche Belastungen tatsächliche Kosten auf Grund der Behinderung des (Ehe-)Partners in Höhe von EUR 6.955,06 geltend gemacht. Die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung ist erklärungsgemäß erfolgt.
In der Beschwerde (einschließlich der Ergänzung 1 zur Beschwerde) hat der Bf. nur mehr die Begräbniskosten in Höhe von EUR 4.250.- als a. g. Belastung geltend gemacht. In der Beschwerdevorentscheidung erfolgte die Neuberechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2021 ohne die tatsächlichen Kosten auf Grund der Behinderung der Ehepartnerin. Die um die Gerichtsgebühren erhöhten, jedoch um die Aktiva des Nachlasses sowie die Kosten für die Gedenkbilder verminderten Begräbniskosten, das sind saldiert EUR 3.625,91 haben zu keiner außergewöhnlichen Belastung geführt, da der einkommensteuerliche Selbstbehalt EUR 4.629,75 beträgt.
Im Vorlageantrag widerspricht der Bf. der Gegenverrechnung der Begräbniskosten mit dem einkommensteuerlichen Selbstbehalt.

Beweismittel:
siehe eingescannte Aktenteile

Stellungnahme:
Die aktenführende Dienststelle des Finanzamtes Österreich beantragt die Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides im Umfang der Beschwerdevorentscheidung, da die Aufwendungen für die Begräbniskosten auf den einkommensteuerlichen Selbstbehalt anzurechnen sind, weil die Aufwendungen für Begräbniskosten nicht zu jenen Aufwendungen gem. §§ 34 f EStG gehören, die ohne Berücksichtigung des einkommensteuerlichen Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind."

II. Sachverhalt, Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Auf Grundlage der dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Aktenlage und der ergänzenden Einsichtnahme in die elektronische Datenbank der Finanzverwaltung liegt der gegenständlichen Entscheidung der eingangs dargestellte Verfahrensgang als erwiesener Sachverhalt zugrunde.

Strittig zwischen dem Finanzamt und dem Bf. ist die Berücksichtigung der vom Bf. geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen (laut Vorlageantrag vom Pflegekosten von 6.955,06 Euro und Begräbniskosten in Höhe von 4.250,00 Euro).

Was die vom Bf. geltend gemachten Pflegekosten von 6.955,06 Euro angeht, ist festzustellen, dass diesbezüglich vom Finanzamt keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden.

Gemäß § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Die aufhebende (die Sache an die Abgabenbehörde zurückverweisende) Beschwerdeerledigung setzt voraus, dass Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 9).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. zB , unter Hinweis auf ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 278 Anm 2a (Stand , rdb.at)).

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2021 vom wurden die vom Bf. beantragten außergewöhnlichen Belastungen als "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" in Höhe von 6.955,06 Euro anerkannt. In Abkehr davon wurden diese Kosten in der Beschwerdevorentscheidung vom vom Finanzamt nicht mehr berücksichtigt. Eine Begründung dafür wurde vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom nicht angeführt.

Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom wird dazu unter dem Sachverhalt angemerkt, in der Beschwerde (einschließlich der Ergänzung 1 zur Beschwerde) habe "der Bf. nur mehr die Begräbniskosten in Höhe von EUR 4.250.- als a. g. Belastung geltend gemacht." Zu dieser Sichtweise ist nun seitens des Bundesfinanzgerichts darauf hinzuweisen, dass der Bf. in seiner ergänzenden Eingabe vom dem Finanzamt mitgeteilt hat, dass ihm bei der am vorgelegten Beschwerde ein Fehler unterlaufen sei, indem er die Begräbniskosten seiner "am tt.mm.2021 verstorbenen Frau im falschen Formular eingetragen hatte." Konkrete Umstände, dass der Bf. die von ihm geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen betreffend "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" in Höhe von 6.955,06 Euro bei seiner Beschwerde vom nicht mehr geltend machen wolle, sind vom Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Vielmehr ist durchaus die Annahme berechtigt, dass der Bf. bei seiner Beschwerde vom zusätzlich die Begräbniskosten für seine verstorbene Ehegattin berücksichtigt haben wollte (vgl. auch Vorlageantrag vom ).

Feststellungen und konkrete Ermittlungen dahingehend, ob bzw. in welcher Höhe die vom Bf. beanspruchten Pflegekosten für seine Ehegattin zu berücksichtigen sind, wurden vom Finanzamt nicht getroffen. Hiezu ist seitens des Bundesfinanzgerichts festzustellen, dass das Finanzamt gegen die in § 115 Abs. 1 BAO normierte Ermittlungspflicht verstoßen hat. Dies deshalb, da (zumindest) nach Einlangen der vom Bf. vorgenommenen Eingabe an das Finanzamt vom zu seiner Beschwerde vom und vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom jedenfalls sachverhaltsmäßige Feststellungen zu den ursprünglich zuerkannten Pflegekosten zu treffen gewesen wären. Jedenfalls wären seitens des Finanzamtes Erkundigungen beim Bf. einzuholen gewesen, um klarzustellen, welche konkreten Aufwendungen bzw. Kosten der Bf. als außergewöhnlichen Belastungen nach § 34 EStG 1988 geltend machte. Dies wurde seitens des Finanzamtes unterlassen. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" bereits im Rahmen der Veranlagungen der Vorjahre dem Bf. seitens des Finanzamtes zuerkannt wurden.

Eine Entscheidung anhand der vorliegenden vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht übermittelten Akten ist vor diesbezüglich vorzunehmenden Ermittlungsschritten bzw. Feststellungen nicht möglich. Zudem ist es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes auch zweifelsfrei nicht ausgeschlossen, dass bei Vornahme der gebotenen Sachverhaltsermittlungen seitens des Finanzamtes ein anders lautender Bescheid erlassen werden hätte können.

Die Aufhebung und Zurückverweisung gem. § 278 Abs 1 BAO steht im Ermessen (§ 20) des Gerichts (vgl. ).

Hingewiesen sei auch darauf, dass es angesichts des Grundsatzes, dass das Bundesfinanzgericht nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden hat, welche im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt (vgl. etwa ), es nicht darauf ankommt, ob eine Rechtsansicht oder Rechtsauslegung der Abgabenbehörde schon im Zeitpunkt deren Entscheidung bekannt gewesen ist (vgl. -8, Rn 15).

Zur Ermessensübung (zu § 66 Abs 2 AVG) weist der VwGH (, 2002/20/0315, ZfV B 2004/234) darauf hin, es würde die Anordnungen des Gesetzgebers (über ein zweitinstanzliches Verfahren) unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es sei nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 5; vgl. zB auch , uHa Ritz, BAO6, Tz 5 zu § 278 BAO und die dort zitierte Judikatur des VwGH und des UFS; vgl. auch Achatz, SWK 2015, S 1248ff [1252f]; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 278 Anm 2a (Stand , rdb.at)).

Das Bundesfinanzgericht müsste im vorliegenden Fall bei Fällung einer Sachentscheidung erstmalig vollumfänglich Sachverhaltsermittlungen durchführen, erstmals daran anschließend den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen und in der Folge auf dieser Grundlage erstmals eine einkommensteuerliche Beurteilung vornehmen. Im Übrigen hat das Finanzamt, wie bereits ausgeführt, dem Bf. im Rahmen der Veranlagungen der Vorjahre "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" zuerkannt und ist somit davon auszugehen, dass dem Finanzamt in diesem Zusammenhang wesentliche entscheidungserhebliche Sachverhaltsmomente auch bekannt sind.

Für die Ermessensübung (§ 20 BAO) zu Gunsten einer Bescheidaufhebung spricht für den vorliegenden Fall weiters, dass dem Bf. der volle Instanzenzug erhalten bleiben soll (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 5; Fellner, BFGjournal 2015, 441 f, mwN). Im vorliegenden Fall müsste das Bundesfinanzgericht allerdings erstmals über die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen betreffend "Tatsächliche Kosten aus der Behinderung des (Ehe)Partners" entscheiden.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100566.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at