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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.05.2023, RV/7100924/2023

Nachmeldung von hohen Zahllasten nach der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens und Auflösung einer GmbH

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0060. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7103606/2023 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R über die Beschwerde des A, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer S, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am auf Antrag und in Anwesenheit des Abgabepflichtigen, in Anwesenheit des Vertreters des Finanzamtes, VF, sowie der Schriftführerin SF abgehaltenen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum1, GZ, wurde ein Insolvenzverfahren über die im Jahr 2017 unter Inanspruchnahme des Gründungsprivilegs errichtete A.GmbH mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet. Die Gesellschaft wurde aufgelöst.
Am Datum2 wurde die Gesellschaft infolge Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.

Der Beschwerdeführer (Bf.) fungierte von der Gründung der GmbH bis Datum3 als deren alleiniger Geschäftsführer.

Im Oktober 2019 verkaufte er die Gesellschaftsanteile an B, der vom Datum4 bis zur Auflösung der Gesellschaft als deren handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen war (Auszug aus dem Firmenbuch F).

Während der Geschäftsführertätigkeit des Bf. wurde die Gesellschaft steuerlich von der S.GmbH vertreten. Die Gesellschaft reichte monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen mit geringen Zahllasten bzw. Vorsteuerüberschüssen ein (U 01/2019 527,35 €, U 02/2019 3.959,04 €, U 03/2019 -171,89 €, U 04/2019 830,71 €, U 05/2019 -936,73 €, U 06/2019 -197,36 €, U 07/2019 -1.602,57 €).
Im Zeitpunkt des Verkaufs der Gesellschaftsanteile Anfang Oktober 2019 bestand am Abgabenkonto der Gesellschaft kein Rückstand (Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr. S)

Nach der Auflösung der Gesellschaft langten beim Finanzamt für die Zeiträume 01 bis 07/2019 (zweite) Umsatzsteuervoranmeldungen ein; vom Finanzamt wurde die jeweilige Umsatzsteuer mit folgenden Festsetzungsbescheiden festgesetzt:
am U 04/2019 12.085,29 €,
am U 05/2019 18.780 € und U 06/2019 8.000 €,
am U 07/2019 19.376,77 €,
am U 03/2019 17.562,89 €,
am U 01/2019 30.492,88 € und U 02/2019 22.655,96 €.
Die aus den Voranmeldungen resultierende Abgabenschuld in der Gesamthöhe von 128.953,79 € wurde nicht entrichtet.

Mit dem Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Bf. auf, bekanntzugeben, ob Mittel zur Verfügung standen, die die Entrichtung des Abgabenrückstandes der Gesellschaft in der Höhe von 128.953,79 ermöglicht hätten. Sofern die Gesellschaft nicht über ausreichende Mittel zur vollständigen Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf. ersucht, den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen, und zwar durch Darstellung der tatsächlich vorhandenen Mittel sowie der aliquoten Mittelverwendung.

In Beantwortung dieses Vorhalts teilte der Bf. dem Finanzamt am mit:
"Es ist korrekt, dass ich, A, bis zum Datum4 als Geschäftsführer der A.GmbH tätig war.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ich auch für die Buchhaltung und Erstellung der UVAs verantwortlich. Diese wurden, basierend auf unseren Unterlagen von der S.GmbH erstellt und eingereicht. Über den Zeitraum danach habe ich keinerlei Kenntnisse!

Sämtliche vorhandenen Belege der A.GmbH wurden von der S.GmbH am an den neuen Eigentümer übergeben - siehe Belegübergabeprotokoll in der Beilage.

Ich konnte nun seitens des Finanzamtes in Erfahrung bringen, dass im November 2021 neuerlich UVAs für den Zeitraum 01-07/2019 der A.GmbH eingereicht wurden. Dies wurde definitiv weder von mir noch in meinem Auftrag durchgeführt. Auch verfüge ich über keinerlei neue Unterlagen betreffend dieses Zeitraums.

Aufgrund oben angeführter Tatsachen liegt hier meinerseits keinerlei Verantwortung vor, da mir nicht bekannt ist wer diese UVAs eingereicht hat und meinerseits auch keine Rechnungen für diesen Zeitraum mehr gestellt wurden. In der beiliegenden Umsatzsteuerverprobung ist ersichtlich, welche Umsätze in den Zeitraum meiner Verantwortung fallen.

Aus diesem Grund kann ich nicht zur Haftung herbeigezogen werden und ersuche daher davonAbstand zu nehmen."

Mit dem Haftungsbescheid vom zog das Finanzamt Österreich den Bf. gemäß § 9 BAO als ehemaligen Geschäftsführer der A.GmbH zur Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft im Ausmaß von 128.953,79 € heran.
Die Schuldhaftigkeit sei damit zu begründen, dass die Uneinbringlichkeit der Abgaben durch das pflichtwidrige Verhalten des Bf. als Vertreter der Gesellschaft eingetreten sei. Der Bf. sei seiner Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu seiner Entlastung darzutun, nicht ausreichend nachgekommen.
Die Bescheide über die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 01 bis 07/2019 wurden dem Haftungsbescheid angeschlossen.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde führte der Bf. in der Begründung aus:
"Beim Haftungsbescheid wird angegeben dass infolge der Nichtmeldung und Nichtbezahlung der Umsatzsteuer der Haftungsbescheid erlassen wurde. Daraus resultiertender Rückstand wurde aber im Schätzungswege ermittelt. Ich hab meine Anteile samt Rückstände und Haftungen der GmbH lt. Abtretungsvertrag an die neuen Gesellschafter abgetreten. Die betreffenden Monate wurden seitens der Steuerberatung gebucht und übermittelt. Diese Thematik hab ich auch am mit einer Stellungnahme an das Finanzamt gemeldet. ANREGUNG: Aufhebung des Haftungsbescheides infolge der Nichthaftung. …"

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Die im Haftungsbescheid angeführten Beträge der Umsatzsteuern Jänner bis Juli 2019 seien nicht im Schätzungsweg ermittelt worden. Vielmehr seien für diese Zeiträume im Jahr 2019 elektronisch Umsatzsteuervoranmeldungen eingebracht worden. Die Festsetzungsbescheide für diese Zeiträume seien ergangen, weil im Jahr 2021 neuerlich Umsatzsteuervoranmeldungen mit korrigierten steuerbaren Umsätzen eingebracht worden seien. Gehe einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voraus, sei die Behörde grundsätzlich daran gebunden; die Verschuldensprüfung habe dabei von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen.
Die Heranziehung zur Haftung erfolge für aushaftende und nicht entrichtete Abgaben, die während der Geschäftsführertätigkeit des Bf. fällig wurden. Die Nichtentrichtung stelle daher eine Pflichtverletzung dar, hinsichtlich derer kein Nachweis des fehlenden Verschuldens geführt worden sei.

Im Schriftsatz vom stellte der Bf. einen "Antrag zur Vorlage zur Entscheidung der Beschwerdevorentscheidung an das " und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht sowie die Vorladung der damaligen neuen Gesellschafter und der Steuerberatung. Begründend wurde ausgeführt:
"Die UVAs für die Zeiträume wurden in meiner Zeit als GF der GmbH fristgerecht eingereicht, die Buchhaltung wurde von der Steuerberatung erstellt und gebucht, die daraus resultierenden Steuern wurden gemeldet. Wie ich beim Ersten Beschwerde ihnen Bescheid gegeben habe, hab ich nach der Abtretung der Gesellschaftsanteile an der GmbH die Ordner für den Zeitraum
01-09/2019 samt der Belege an die neuen Gesellschafter ausgehändigt. Am hab ich ein Schriftliche Stellungnahme beim FA abgegeben, wo nochmals das Thema angesprochen habe. Wer hat die Elektronischen UVA nach 2 Jahren abgeben und wieso wurden sie nochmals abgegeben obwohl keine UVA Prüfung stattgefunden hat."

Im Zuge eines Telefonats der Richterin mit der Geschäftsführerin der S.GmbH, G, erklärte diese, sie habe die A.GmbH bis zum Voranmeldungszeitraum 07/2019 betreut, habe aber ab diesem Zeitpunkt mit der Gesellschaft nichts mehr zu tun gehabt. Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr 2021 seien von ihr nicht eingebracht worden.

Im Zuge der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung gab der Bf. zu Protokoll, er habe nach verschiedenen Tätigkeiten in Deutschland und Österreich im Gastro- und Baugewerbe im Jahr 2017 in Wien die A.GmbH gegründet. Unternehmensgegenstand sei der Einbau von Sanitäreinrichtungen und Klimatechnik gewesen.
Die Firma habe zwischen 3 und 5 Angestellte gehabt. Er habe keine Schulden bei der Krankenkasse oder der Finanz gehabt. Im Jahr 2019 wollte der Bf. wieder im Gastrobereich tätig sein und habe daher die Gesellschaftsanteile um 5.000 € an seinen Arbeitnehmer B verkauft. Den Kaufpreis sei ihm dieser bis heute schuldig.

Über Befragen der Richterin zum Aufenthaltsort des B führte der Vertreter des Finanzamtes aus, dieser sei nicht in Österreich gemeldet und derzeit nicht auffindbar.

Der Bf. ergänzte, ihm sei bekannt, dass B das Geschäft weiter betrieben habe. Er habe beim Verkauf der Gesellschaftsanteile seinem Nachfolger auch den Computer mit allen Daten der Gesellschaft überlassen. Er habe gesehen, dass B und sein Kompagnon K (Anmerkung der Richterin: laut Firmenbuchabfrage waren beide Gesellschafter der A.GmbH, B aber alleiniger Geschäftsführer) Rechnungen ausgestellt haben, die einen anderen Rechnungskopf als die gespeicherten Rechnungsformulare aufwiesen. Sie hätten überall, beim Finanzamt, der Krankenkasse, der BUAK, etc., offene Schulden gehabt. Es hätten laufend Exekutionen stattgefunden.

VF führte aus, den nachgemeldeten Umsatzsteuerzahllasten könnten nur nicht erklärte Umsätze zu Grunde liegen. Im Haftungsverfahren müsse von der Richtigkeit der Abgabenbescheide ausgegangen werden. Das Nichtvorhandensein von Unterlagen sei dem Bf. zuzurechnen, der nach der Rechtsprechung des VwGH Vorsorge für eine eventuelle Haftungsinanspruchnahme treffen hätte müssen.

Der Bf. beantragte, die steuerliche Vertreterin G als Zeugin darüber einzuvernehmen, dass die in den im Jahr 2021 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen gemeldeten Umsätze für die Zeiträume 01-07/2019 nicht stattgefunden hätten.

Während der Vertreter des Finanzamtes die Abweisung der Beschwerde beantragte, beantragte der Bf. die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den §§ 9 und 80 BAO ist eine Abgabenforderung gegen die vom Haftungspflichtigen vertretene Gesellschaft, seine Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen (Abgabenzahlungspflicht). Zu den Aufgaben eines Vertreters gehört auch die Erfüllung der den Vertretenen treffenden gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungs-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (); Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden ().

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Bf. im haftungsgegenständlichen Zeitraum alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der A.GmbH war.

Ebenfalls unbestritten ist, dass über die Primärschuldnerin am Datum1 ein Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet und die Gesellschaft wegen Zahlungsunfähigkeit aufgelöst wurde. Die Einbringung der in voller Höhe aushaftenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten ist, da die GmbH in der Zwischenzeit von Amts wegen gelöscht wurde, nicht möglich.

Die Haftung nach § 9 BAO kann nur bei einer schuldhaften Pflichtverletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten geltend gemacht werden. Es ist daher zu prüfen, ob dem Bf. die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen subjektiv vorgeworfen werden kann.
Der Bf. bestreitet, eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen zu haben. Von ihm wurde von vornherein vorgebracht, ihm seien die im Jahr 2021 gemeldeten Umsätze nicht zuzurechnen, er wisse nicht, wie diese zustande gekommen sind.

Nach der Aktenlage ist festzuhalten:

Laut Buchungsabfrage des Steuerkontos der Gesellschaft, Steuernummer S, wurden im Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des B von Oktober 2019 bis April 2021 weder Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht noch Umsatzsteuervorauszahlungen geleistet. Die Abgabenverbindlichkeiten beliefen sich im Zeitpunkt der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens auf 18.018,90 € (dagegen: Stand zum Zeitpunkt des Verkaufs der Gesellschaftsanteile durch den Bf.: -884,47 €). In den eineinhalb Jahren der Geschäftsführertätigkeit des B wurde ein einziges Mal ein Betrag in der Höhe von 136,06 € auf das Abgabenkonto der GmbH überwiesen.
Die Umsatzsteuervoranmeldungen mit den dem Bf. angelasteten Zahllasten für die Zeiträume 01-07/2019 wurden erst nach der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und daher zu einem Zeitpunkt eingebracht, in dem die GmbH bereits aufgelöst war.

Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Umsatzsteuervoranmeldungen von der steuerlichen Vertreterin G eingebracht wurden, da diese nach eigenen Angaben nur bis Juli 2019 für die A.GmbH tätig war.
Eine Einvernahme der G, wie vom Bf. beantragt, erübrigt sich daher, weil diese die Entstehung der im Jahr 2021 nachgemeldeten Umsätze nicht aufklären kann.

Ob die Umsatzsteuervoranmeldungen vom ehemaligen Geschäftsführer B eingebracht wurden, kann nicht festgestellt werden, da dieser nach Auskunft des Finanzamtes nicht auffindbar ist und daher als Auskunftsperson nicht befragt werden kann. Ebenfalls ungeklärt bleibt, um welche Umsätze es sich gehandelt hat, zumal der Bf. vorbringt, Umsätze in dieser Höhe nicht getätigt zu haben. Seine Umsätze wurden monatlich von der steuerlichen Vertreterin gebucht und dem Finanzamt gemeldet. Nach seinem Vorbringen wurde die Einreichung dieser Umsatzsteuervoranmeldungen nicht von ihm in Auftrag gegeben.

Das Finanzamt bringt dazu vor, es könne sich nur um zunächst nicht gemeldete Umsätze der Gesellschaft gehandelt haben, anders seien die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht zu erklären.

Richtig ist, dass das Finanzamt im Haftungsverfahren nach der Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich an die in Abgabenbescheiden festgesetzten Abgaben hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Abgabe gebunden ist (). Richtig ist auch, dass grundsätzlich der Haftungspflichtige die Gründe darzulegen hat, die ihn ohne sein Verschulden gehindert haben die ihm obliegenden abgabenbehördlichen Verpflichtungen zu erfüllen ().

Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO angenommen werden darf (zB ). Er hat das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen.

Allerdings kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, um welche Umsätze es sich gehandelt hat und von wem die (möglicherweise unrichtigen) Umsatzsteuervoranmeldungen eingebracht wurden.
Auffallend ist, dass die Bemessungsgrundlagen der Umsatzsteuervoranmeldungen runde Beträge aufweisen (01/2019 Bemessungsgrundlage 192.040 €, 02/2019 Bemessungsgrundlage 203.400 €, 03/2019 Bemessungsgrundlage 155.780 €, 04/2019 Bemessungsgrundlage 96.100 €, 05/2019 Bemessungsgrundlage 138.900 €, 06/2019 Bemessungsgrundlage 155.560 €, 07/2019 Bemessungsgrundlage 98.400 €), sodass der Bf. zunächst vermeinte, das Finanzamt habe die Umsätze der einzelnen Monate in den Festsetzungsbescheiden geschätzt (siehe Vorbringen in der Beschwerde vom ). Tatsächlich wurden die (zweiten) Umsatzsteuervoranmeldungen elektronisch eingebracht, weshalb das Finanzamt die Festsetzungsbescheide (ohne weitere Begründung) erließ.
Bereits aufgrund der runden Beträge der Bemessungsgrundlagen in jeder der sieben Umsatzsteuervoranmeldungen ist eine Nachmeldung von Umsätzen, die im Zuge der Tätigkeit des Unternehmens angefallen sind, nicht wahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass der bis zur Auflösung der GmbH in steuerlichen Belangen untätige Geschäftsführer die Unterlagen des früheren Geschäftsführers durchforstet und für die Voranmeldungszeiträume Jänner bis Juli 2019 Umsätze in der Höhe von über einer Million € nachgemeldet hat. Im Übrigen ist auch nicht davon auszugehen, dass der Bf. beim Verkauf der Gesellschaftsanteile Unterlagen weitergegeben hat, aus denen nicht erklärte Umsätze in Millionenhöhe ersichtlich sind. Die vom Finanzamt ins Spiel gebrachte mangelnde Beweisvorsorge durch die Weitergabe sämtlicher Unterlagen an den neuen Gesellschafter-Geschäftsführer vermag den Bf. nicht zu belasten, weil nicht erwiesen werden kann, dass es sich um Umsätze handelt, die während der Geschäftsführertätigkeit des Bf. angefallen sind.

Angesichts der vorliegenden Fakten (keine Entrichtung des Kaufpreises der Gesellschaftsanteile, keine Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen durch den Geschäftsführer B während aufrechten Geschäftsbetriebes, keine Abfuhr von Steuern und sonstigen Vorschreibungen (Krankenkasse, BUAK) laut Bf., kein oder verschwiegener Wohnsitz des B in Österreich, Einbringung von Umsatzsteuervoranmeldungen erst nach Auflösung der Gesellschaft), ist wohl eher davon auszugehen, dass die Gesellschaft nach ihrer Auflösung als Scheinfirma Verwendung gefunden hat und Umsätze - aus hier nicht eruierbaren Gründen für die Zeiträume 01-07/2019 - erklärt wurden, um dem (ungerechtfertigten) Vorsteuerabzug bei einem anderen Unternehmen einen seriösen Anstrich zu geben.

Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt nicht nur eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers, sondern auch voraus, dass die schuldhafte Pflichtverletzung kausal für die Uneinbringlichkeit ist.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenverbindlichkeiten der vertretenen Gesellschaft, sondern nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht ().
Während bei der Verletzung der Abgabenentrichtungspflicht auch davon ausgegangen werden kann, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben ursächlich war (), bedarf es bei der Verletzung sonstiger abgabenrechtlicher Pflichten - wie im vorliegenden Fall - einer näheren Begründung der Kausalität der Pflichtverletzung für die eingetretenen Uneinbringlichkeit der Abgaben (vgl. ).
Eine solche Kausalität kann im vorliegenden Fall nicht argumentiert werden, weil nicht festgestellt werden kann, worin die schuldhafte Pflichtverletzung des Bf. für die (angebliche) Nichtmeldung von Umsatzsteuer in der Höhe von 128.953,79 € gelegen ist.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. für die gegenständlichen Umsatzsteuern 01-07/2019 nicht vorliegen, war der Haftungsbescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung stützt sich auf die zitierte ständige Rechtsprechung des VwGH, weshalb kein Grund für eine Revisionszulassung vorliegt.

Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100924.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at