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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.05.2023, RV/2100066/2023

Nichtzustellung eines Bescheides in der BRD; schuldhafte Pflichtverletzung bei von der Hausbank eingesetzter Beratungsgesellschaft; Verjährung; Ermessen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache ***Bf1***, Adresse, vertreten durch V, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer x, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Der Beschwerdeführer wird gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung der folgenden Abgabenschulden in der Höhe von insgesamt 7.720,48 € herangezogen:

Umsatzsteuer Oktober 2006 in der Höhe von 4.005,92 € und
Umsatzsteuer November 2006 in Höhe von 3.714,56 €.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Primärschuldnerin D.GmbH war eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft mit dem Sitz in Karlsruhe.
Über das Vermögen der D.GmbH wurde mit dem Beschluss des Amtsgerichtes Karlsruhe vom Datum1, x, ein Insolvenzverfahren eröffnet, welches nach dem Vollzug der Schlussverteilung (Quote 5,5543 %) aufgehoben wurde (Beschluss des Gerichtes vom Datum2). Die Gesellschaft wurde am Datum3 amtswegig gelöscht (Handelsregisterauszug der D.GmbH vom ).

Im Vorhalt des Finanzamtes Österreich vom wurde dem Beschwerdeführer (Bf.) als laut Handelsregisterauszug zur Vertretung der D.GmbH nach außen berufenes Organ mitgeteilt, am Abgabenkonto der Primärschuldnerin hafteten unter Berücksichtigung der ausbezahlten Insolvenzquote uneinbringliche Abgabenbeträge in der Gesamthöhe von 11.029,26 € (Umsatzsteuer 10/2006 in der Höhe von 5.723,42 € und Umsatzsteuer 11/2006 in der Höhe von 5.305,84 €) aus.
Das Finanzamt führte weiter aus:
Vertreter juristischer Personen haben alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen, insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet werden.
Vertreter haften mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden trifft. Leichte Fahrlässigkeit gilt bereits als Verschulden.
Da die Abgabenbeträge während der Vertretungsperiode des Bf. fällig bzw. nicht entrichtet wurden, müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass der Bf. der ihm gesetzlich aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Vertretenen nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sei.
Sofern die GmbH bereits ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, sei dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger der GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.
Für den Nachweis der quotenmäßigen Erfüllung der Gläubigergleichbehandlung sei eine rechnerische Darstellung vorzulegen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege dem Bf. als Vertreter, Nachweise dafür zu erbringen, wieviel Zahlungsmittel zur Verfügung standen und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der GmbH noch Befriedigung erlangten.
Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bf. die ihm obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt habe, und diese Pflichtverletzung für den Abgabenausfall bei der GmbH ursächlich sei. Unter diesen Umständen hafte der Bf. für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB ).
Dem Vorhalt wurde eine Ablichtung des Umsatzsteuerbescheides 2006 vom beigelegt.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte der Vertreter des Bf. aus:
"1. ……
Soweit
D nach Österreich Ware geliefert hat (hauptsächlich an A.GmbH), handelt es sich um innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4, § 6a UStG, somit um steuerfreie Umsätze. Deshalb hat auch D GmbH ständig nur Waren an A.GmbH fakturiert. D GmbH hat an Unternehmen in fast allen europäischen Ländern Ware geliefert und aus dem genannten Grund keine Zahlungen für Umsatzsteuer an ein ausländisches Finanzamt veranlasst.

2. Nach Ihren Mitteilungen wäre die geforderte Umsatzsteuer 10/2006 am und die geforderte Umsatzsteuer 11/2006 am fällig gewesen. Der Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom ist an den Insolvenzverwalter RA gegangen und ist von dort aus sicherlich auch bearbeitet worden. Ungeachtet dessen wären Zahlungsansprüche des Finanzamts und damit selbstverständlich auch ein darauf basierender Haftungsanspruch längst verjährt. Eine Verjährungsunterbrechung hat ersichtlich nicht stattgefunden.

3. Ungeachtet dessen nehme ich der Vollständigkeit halber zu den weiteren Fragen des Finanzamts im Schreiben vom nur kurz Stellung: Herrn NN ist es leider nicht -mehr- möglich, zur maßgeblichen finanziellen Situation der Gesellschaft ab Eintritt der Abgabenfälligkeit Stellung zu nehmen, da er keinerlei diesbezüglichen Unterlagen mehr besitzt. Sie sind sämtliche beim Insolvenzverwalter.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass, als die finanzielle Situation der D GmbH angespannt war (also schon längere Zeit vor dem Insolvenzantrag) die Beratungsgesellschaft B, Adresse, auf Verlangen der B-Bank (der Hausbank der Gemeinschuldnerin) eingesetzt wurde und diese sämtliche Zahlungen, die erfolgen sollten, frei gab. Ohne die ausdrückliche Freigabe von B konnte deshalb keine Zahlung, auch keine Steuerzahlung, wenn sie hier angefallen wäre, getätigt werden. Ein Auswahlverschulden des früheren Geschäftsführers Herrn ***Bf1*** kann also keinesfalls vorliegen. Es gibt keinen Haftungsanspruch gegen Herrn NN."

Mit dem Bescheid vom zog das Finanzamt Österreich den Bf. gemäß § 9 BAO zur Haftung für Umsatzsteuer 10/2006 und 11/2006 in der Höhe von insgesamt 11.029,26 € heran.
Die Umsatzsteuern 10/2006 und 11/2006 seien mittels Umsatzsteuervoranmeldung gemeldet worden. Die offenen Forderungen seien auch im Insolvenzverfahren der D.GmbH anerkannt worden. Es bestehe daher eine Abgabenforderung gegen die GmbH.
Hinsichtlich der Abgaben sei weder die Festsetzungs- noch die (hier relevante) Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO eingetreten. Die Verjährungsfrist gemäß § 238 BAO sei durch das Insolvenzverfahren bis Datum2 gehemmt gewesen.
Für das Verschulden gemäß § 9 BAO käme es nur auf die gesellschaftsrechtliche Stellung des Bf. als Geschäftsführer an; es exkulpiere ihn nicht, wenn er ohne Freigabe der Beratungsgesellschaft keine Zahlungen tätigen konnte. Da er sich mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt habe, welche ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich machte, liege ein schuldhaftes Verhalten vor.
Im haftungsrelevanten Zeitraum seien allein in Österreich Umsätze von 34.630,61 € getätigt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass der GmbH Mittel zur Verfügung standen, um Verbindlichkeiten zu bezahlen, und dass die vorhandenen liquiden Mittel nicht im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes anteilsmäßig an alle Gläubiger verteilt wurden.
Da der Bf. trotz Aufforderung keine rechnerische Darstellung der quotenmässigen Gleichbehandlung aller Gläubiger übermittelt habe, werde im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () die Haftung für den gesamten Abgabenrückstand ausgesprochen.Zum Ermessen führte das Finanzamt aus, aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffenden Abgaben beim Primärschuldner uneinbringlich sind.
Dem Bescheid wurden Ausdrucke über die von der Gesellschaft elektronisch übermittelten Umsatzsteuervoranmeldungen beigelegt.

Der Haftungsbescheid vom wurde mittels internationalem Rückscheinbrief abgefertigt und von der deutschen Post am mit dem Vermerk "nicht behoben" retourniert.

Das Finanzamt veranlasste am die erneute Zustellung des Haftungsbescheides (datiert mit ) mit wortgleichem Inhalt und Anfügung sämtlicher Beilagen im Rahmen eines Zustellersuchens gemäß Art. 8 der RL 2010/24/EU; das Bundesministerium für Finanzen bestätigte dem Finanzamt die rechtmäßige Zustellung des Bescheides am .

In der gegen den Haftungsbescheid vom eingebrachten Beschwerde vom wurde vom Vertreter des Bf. vorgebracht:
" I.
Gegen den Haftungsbescheid wurde bereits mit Schreiben/E-Mail vom Widerspruch eingelegt. Herr
NN erhielt jetzt unerklärlicherweise über das Finanzamt Karlsruhe-Durlach (Deutschland) zum selben Gegenstand erneut einen Haftungsbescheid mit Datum vom , wobei völlig unklar ist. in welcher Funktion das deutsche Finanzamt Karlsruhe-Durlach hier gehandelt hat. Meines Erachtens ist schon alleine aus diesem Grund der Haftungsbescheid rechtswidrig, damit unwirksam, so dass die nachfolgenden Ausführungen nur rein fürsorglich erfolgen.

II.
Zum besseren Verständnis wird der Ablauf von Auslandslieferungen (hier
D GmbHan A.GmbH) nochmals genau geschildert: D GmbH liefert an A.GmbH und fakturiert ohne MwSt. Der Rechnungsbetrag wird in der Umsatzsteuer-Voranmeldung als "innergemeinschaftlicher Verkehr" ausgewiesen und an das Bundeszentralamt für Steuern in Saarlouis gemeldet. A.GmbH bezahlt an D GmbH ohne MwSt. und meldet diesenBetrag ebenfalls als "innergemeinschaftlicher Verkehr" nach Saarlouis. Dort erfolgt diePrüfung, ob beide Geschäftspartner identisch angemeldet haben, also Übereinstimmungherrscht. Sodann meldet A.GmbH den Steuerbetrag an sein Finanzamt und zieht im gleichenZug diesen Betrag als Vorsteuer wieder ab. Somit fließt kein Geld.

Insoweit ist absolut unverständlich, weshalb im Haftungsbescheid vom auf Seite 3 Abs. 6 letzter Satz steht: Daraus ist ersichtlich, dass die GmbH neben den innergemeinschaftlichen Erwerben auch steuerbare Umsätze in Österreich getätigt hat.

III.
Rein vorsorglich wird aus Haftungsgründen die Einrede der Verjährung aufrecht erhalten.

IV.
Der Haftungsbescheid geht irrig von einem Verschulden des Vertreters aus und verweist
auf die Rechtsprechung des VwGH, wonach es Aufgabe des Geschäftsführers sei, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn gehindert hätten, die Abgabenschuld am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Aufgrund der Aktenlage müsste davon ausgegangen werden, dass zu den jeweiligen Fälligkeitstagen bzw. ab dem ersten Fälligkeitstag liquide Mittel vorhanden waren, die jedoch nicht nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verteilt worden seien. Herrn NN im vorliegenden Fall eine solche Handlungsweise zu unterstellen, ist erstens lebensfremd und zweitens falsch. Die Umsatzsteuer10/2006 wurde am fällig, die Umsatzsteuer 11/2006 am . Bereits am Datum1 wurde beim Amtsgericht Karlsruhe das Insolvenzverfahren über das Vermögender D GmbH eröffnet. Es ist deshalb absolut lebensfremd und somit auch falsch, dassin dieser kurzen Zeit andere Verbindlichkeiten als die Umsatzsteuerschuld zu 100% oderzu einer höheren Prozentzahl als 5,553% erfüllt wurden oder hätten erfüllt werden können.

Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Gesellschaft ja keinen Insolvenzantrag stellenund das Insolvenzverfahren eröffnet werden müssen. Diese unbestreitbare Tatsache entbindet die Abgabenbehörde, hier also das Österreichische Finanzamt, nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Vorliegend ist der Fall so klar, dass unseres Erachtens gar nicht weiter ermittelt werden muss, sondern ein allein die Fakten (relativ kurze Frist zwischen Fälligkeitder Umsatzsteuerschuld und Insolvenzeröffnung), dass Herr NN gar keine Möglichkeithatte, auf die Begleichung der Umsatzsteuerschuld hinzuwirken. Es waren effektiv keineentsprechenden Mittel vorhanden. Die wirtschaftliche Lage der D GmbH und die Ursache ihrer Zahlungsunfähigkeit werden im Bericht des Insolvenzverwalters vom geschildert. Der Insolvenzverwalter führt dort unter anderem aus, die fast ausnahmslos fälligen Verbindlichkeiten beliefen sich zum Stichtag der Insolvenzeröffnung aufrund 17,3 Mio. Euro. Hierbei handelt es sich um rückständige Löhne und Gehälter,rückständige Sozialabgaben, Steuerverbindlichkeiten, Bankverbindlichkeiten, Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung, Verbindlichkeiten aus Factoringvertrag sowie Verbindlichkeit aus Beratungsverträgen.

Beweis: Auszug aus dem Insolvenzbericht I vom .

Bei den zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten von 17,3 Mio Euro handelte es sich insbesondere um


Tabelle in neuem Fenster öffnen
rückständige Löhne und Gehälter in Höhe von rund
45.000,00
rückständige Sozialabgaben in Höhe von rund
15.000,00
Steuerverbindlichkeiten in Höhe von rund
6.500,00
Bankverbindlichkeiten in Höhe von rund
12.000.000,00
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von rund
110.000,00
Verbindlichkeiten aus Factoringvertrag in Höhe von rund
5.000.000,00
Sowie Verbindlichkeiten aus Beratungsverträgen in Höhe von rund
16.000.00

Beweis: Auszug aus dem Bericht des Insolvenzverwalters. S. 17.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde als unbegründet ab.
Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung könnten nur im Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend gemacht werden. Auf die Ausführungen im Haftungsbescheid wurde verwiesen.

Im Schriftsatz vom beantragte der Vertreter des Bf. ohne weitere Ausführungen, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Zustellung

Vorweg ist zu prüfen, ob der Haftungsbescheid vom dem Bf. rechtswirksam zugestellt wurde.

Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Zustellungen im Ausland bilden als Hoheitsakte einen Eingriff in die Hoheitsrechte des ausländischen Staates. Internationale Vereinbarungen über die Zustellung abgabenbehördlicher Schriftstücke bestehen beispielsweise mit Deutschland. Trotz des Rechtshilfevertrages dürfen Zustellungen in Deutschland durch Aufgabe zur Post bewirkt werden (siehe Ritz, BAO6, § 11 ZustG, Tz 1).

Bei Zustellungen im Ausland richten sich die Voraussetzungen und die Wirksamkeit des Zustellvorganges grundsätzlich nach dem ausländischen Recht ().

Gemäß Art. 10 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen (Rechtshilfevertrag, BGBl 249/1955) werden Zustellungen im Rahmen der Rechtshilfe entweder durch ein mit Datum versehenes und beglaubigtes Empfangsbekenntnis des Empfängers oder durch ein Zeugnis des ersuchten Finanzamtes nachgewiesen, aus dem sich die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung ergeben.
Nach Art. 10 Abs. 1 dieses Vertrages werden Schriftstücke unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geregelten Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl 526/1990, leisten die Vertragsstaaten in öffentlich-rechtlichen Verfahren ihrer Verwaltungsbehörden, in österreichischen Verwaltungsstraf- und in deutschen Bußgeldverfahren, soweit sie nicht bei einer Justizbehörde anhängig sind, ferner in Verfahren vor den österreichischen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den deutschen Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach Maßgabe dieses Vertrages, einander Amts- und Rechtshilfe.

Amts- und Rechtshilfe nach Abs. 1 wird nicht geleistet in Abgabensachen, Zoll-, Verbrauchssteuer- und Monopolangelegenheiten, soweit sie in besonderen Verträgen geregelt sind (Art. 1 Abs. 2 Z 1 des genannten Vertrages).

Die in Art. 10 des Rechtshilfevertrages, BGBl 249/1955, vereinbarte Rechtshilfe bei der Zustellung abgabenbehördlicher Schriftstücke geht daher vor, allerdings nur soweit die Zustellung im Rechtshilfeverfahren nach diesem Vertrag, d. h. im Rahmen einer Zustellung über ein darum ersuchtes deutsches Finanzamt, erfolgt. Für die Zustellung im Postweg trifft der genannte Rechtshilfevertrag, BGBl 249/1955, keine (eigenen) Regelungen, sodass insoweit daher die Bestimmungen des vierten Abschnittes des Vertrages (Art. 10 bis 13) über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl 526/1990, zur Anwendung gelangen.

Eine Anwendung des deutschen Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) bei einer unmittelbaren Zustellung des Schriftstückes einer österreichischen Abgabenbehörde im Postweg in Deutschland ist in keinem der beiden zitierten Rechtshilfeverträge vereinbart. Das VwZG gilt nach seinem § 1 Abs. 1 (nur) für das Zustell(ungs)verfahren der (deutschen) Bundesbehörden, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und der Landesfinanzbehörden.

Damit kommen aber auch die §§ 177 bis 181 der dZPO, die ihrerseits wiederum auf § 5 Abs. 2 VwZG verweisen, nicht zur Anwendung. Insbesondere ist § 181 dZPO nicht anwendbar, der eine mit der Zustellung durch Hinterlegung nach § 17 ZustellG vergleichbare Ersatzzustellung durch Niederlegung regelt, wobei allerdings - im Unterschied zu § 17 Abs. 3 ZustellG, der bei Hinterlegungen gemäß Abs. 1 eine Abholfrist von mindestens zwei Wochen vorsieht - ein gemäß § 181 dZPO niedergelegtes Schriftstück drei Monate zur Abholung bereit zu halten ist (§ 181 Abs. 2 dZPO).

Die maßgeblichen Bestimmungen für den vom Finanzamt veranlassten und tatsächlich auch durchgeführten Versuch der Zustellung des Bescheides vom finden sich daher im Wege der deutschen Post in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der mit der Zustellung in Deutschland beauftragten Deutschen Post AG Brief National (AGB Brief National).

Nach dem vierten Abschnitt dieser AGB nimmt die Deutsche Post die Ablieferung ("Zustellung") unter der auf der Sendung angebrachten Anschrift durch Einlegen in einen für den Empfänger bestimmten und ausreichend aufnahmefähigen Hausbriefkasten oder eine vergleichbare Einrichtung (z. B. Postfach) vor. Die Zustellung kann auch durch Aushändigung an den Empfänger erfolgen. Sendungen mit den Zusatzleistungen "Einschreiben", "Rückschein" und "Eigenhändig" werden nur gegen schriftliche Empfangsbestätigung und Nachweis der Empfangsberechtigung abgeliefert (Absatz 2). Die Deutsche Post hält Sendungen, deren Ablieferung nach diesen Bestimmungen nicht erfolgt ist, innerhalb einer Frist von sieben Werktagen (einschließlich Samstage), beginnend mit dem Tag, der auf die versuchte Erstablieferung folgt, zur Abholung durch den Empfänger oder einen Empfangsbevollmächtigten in einer ihren Filialen oder anderen Einrichtungen bereit (Absatz 4). Die Deutsche Post wird unzustellbare Sendungen zum Absender zurückbefördern. Sendungen sind (dann) unzustellbar, wenn bei der Zustellung keine empfangsberechtigte Person angetroffen wird und die Abholfrist fruchtlos verstrichen ist.

Im vorliegenden Fall wurde die Zustellung des Haftungsbescheides vom durch Postaufgabe mittels eingeschriebenem Brief veranlasst.

Aufgrund der am rückgelangten Kuvert angebrachten Datumsangaben und Vermerke ("Briefsendung Einschreiben" mit Datumsvermerk , "Deutsche Post zurück/Retour, Kästchen "nicht abgeholt" ist angekreuzt und das Datum vermerkt) ist davon auszugehen, dass die den genannten Bescheid enthaltende Sendung mit fruchtlosem Ablauf der Frist als unzustellbar galt und am an das österreichische Finanzamt zurückgeschickt wurde. Da der einwöchigen Bereithaltung der Sendung zur Abholung durch das deutsche Zustellpostamt - anders als der Hinterlegung einer Sendung im Inland gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG - keine Zustellwirkung zukommt, wurde, worauf das Finanzamt zu Recht verweist, keine rechtswirksame Zustellung des Haftungsbescheides vom bewirkt.

Der (erneute) Versand des Haftungsbescheides, datiert mit , erfolgte im Rahmen eines Zustellersuchens gemäß Art. 8 der RL 2010/24/EU; das Bundesministerium für Finanzen bestätigte am , dass das Dokument dem Bf. nach den Rechtsvorschriften des Staats der ersuchten Behörde am zugestellt wurde.

Gegen diesen (erstmals) rechtswirksam zugestellten Bescheid vom wurde am rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht; über diese Beschwerde hat das BFG nach der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages vom zu entscheiden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Stellung des Bf. als Vertreter der D.GmbH

Der Bf. war im haftungsgegenständlichen Zeitraum unbestritten der gesetzliche Vertreter der D.GmbH. Ihm oblag als selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft.

Zu seinen Pflichten gehörten nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Der Bf. zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, welche gemäß § 9 Abs. 1 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().
Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im Hinblick auf die Auflösung der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Insolvenzeröffnung, der Auszahlung einer Insolvenzquote in der Höhe von 5,5543 % sowie der anschließenden amtswegeigen Löschung der D.GmbH steht fest, dass eine Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist (siehe die vorliegenden Registerabfragen vom und , Registergericht Mannheim x).

Die objektive Uneinbringlichkeit lag bereits im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme vor.
Dass die in Rede stehenden Abgaben zu diesem Zeitpunkt einbringlich gewesen wären, wird auch vom Bf. nicht behauptet.

Verjährung

Der Bf. machte hinsichtlich der Umsatzsteuer 10 und 11/2006 in der Vorhaltsbeantwortung vom und in der Beschwerde vom , Punkt III, den Einwand der Verjährung geltend.

Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen (§ 238 Abs. 2 BAO).

Unterbrechungshandlungen gegen den Primärschuldner wirken auch gegen den potentiell Haftungspflichtigen.

Eine weitere Unterbrechung sieht § 9 Abs. 1 IO (gleichlautend § 231 Abs. 1 Z 4 AO) vor: Die Verjährung wird durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren unterbrochen.
Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist (siehe parallel dazu § 231 Abs. 3 AO).

Die Umsatzsteuer 10/2006 war am , die Umsatzsteuer 11/2006 am fällig. Die Einhebungsverjährungsfrist der Abgaben begann daher am bzw. zu laufen. Am Datum1 wurde über die Primärschuldnerin ein Insolvenzverfahren eröffnet; die Verjährung wurde unterbrochen. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2021 begann die Einhebungsverjährungsfrist neu zu laufen.

Die Vollstreckungsverjährung der gegenständlichen Abgaben ist daher nicht eingetreten.

Abgabenforderung gegen die D.GmbH

Mit den elektronisch eingebrachten Umsatzsteuervoranmeldungen vom bzw. vom meldete die D.GmbH für die Voranmeldungszeiträume Oktober und November 2006 steuerbare Umsätze in der Höhe von 65.341,50 € bzw. 59.783,50 € an das Finanzamt Österreich (siehe die dem Haftungsbescheid beigelegten Ausdrucke der Umsatzsteuervoranmeldungen). Die gemeldeten Zahllasten betrugen für Oktober 2006 6.059,29 €, für November 2006 5.618,59 €. Eine (auch nur teilweise) Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten erfolgte nicht (Buchungsabfrage Abgabenkonto StNr. x).

Unter Berücksichtigung der im Insolvenzverfahren ausbezahlten Quote von 5,5543 % haften die Abgaben in der Höhe von 5.722,74 (Finanzamt: 5.723,42 €) bzw. 5.306,52 € (Finanzamt: 5.305,84 €) unberichtigt aus.

Das Vorbringen, die D.GmbH habe an Unternehmen in fast allen europäischen Ländern Ware geliefert und aus dem genannten Grund keine Zahlungen für Umsatzsteuer an ein ausländisches Finanzamt veranlasst, widerspricht der Aktenlage, weil sich aus der Buchungsabfrage auch ergibt, dass die Gesellschaft monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht hat. Die Zahllasten wurden - bis auf die Monate 10 und 11/2006 - entrichtet.

Wenn daher in der Beschwerde vorgebracht wir, es sei "absolut unverständlich, weshalb im Haftungsbescheid vom auf Seite 3 Abs. 6 letzter Satz steht: Daraus ist ersichtlich, dass die GmbH neben den innergemeinschaftlichen Erwerben auch steuerbare Umsätze in Österreich getätigt hat", ist auf die von der Primärschuldnerin der österreichischen Finanzverwaltung gemeldeten Umsätze zu verweisen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Unternehmen, das keine steuerpflichtigen Umsätze in Österreich tätigt, nicht monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen einbringt und Zahllasten entrichtet. Dass das Finanzamt daher auch in den Monaten Oktober und November 2006 von steuerpflichtigen Umsätzen der Gesellschaft in Österreich ausging, kann nicht bemängelt werden.
Die Abgabenforderungen aus der Umsatzsteuer 2006 wurden im Insolvenzverfahren anerkannt und die Quote an das Finanzamt Österreich überwiesen. Dass ein Insolvenzverwalter Quotenzahlungen auf nicht bestehende Verbindlichkeiten entrichtet, kann ebenfalls ausgeschlossen werden.

Dem Haftungsbescheid lag auch der Umsatzsteuerbescheid 2006 vom bei. Aus diesem ist als Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch für das Jahr 2008 ein Betrag in der Höhe von 755.459,60 € ausgewiesen. Der Umsatzsteuerbescheid ist als Zusammenfassung der einzelnen Veranlagungszeiträume eines Kalenderjahres zu verstehen (siehe § 21 UStG 1994).

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht (vgl. z.B. ).

Die Frage, ob und in welcher Höhe für die Monate Oktober und November 2006 ein Abgabenanspruch besteht, wäre nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich im Haftungsverfahren zu lösen, weil die Umsatzsteuer für diese beiden Monate vom Finanzamt nicht bescheidmäßig festgesetzt wurde.

Allerdings kommt dem Einwand, die D.GmbH habe ausschließlich steuerfreie Lieferungen ausgeführt und keine Zahlungen an Umsatzsteuer an ausländische Finanzämter veranlasst, im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu, weil, wie bereits ausgeführt, die Gesellschaft monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht und Umsatzsteuer in Österreich abgeführt hat. Dass daher in den beiden haftungsgegenständlichen Monaten entgegen eigener Meldung keine Umsatzsteuerzahllasten angefallen sind, ist auszuschließen.

Ebenso wenig wurde vom - vertretenen - Bf. gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2006 das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht.

Wenn der Bf. in diesem Zusammenhang weiters vorbringt, es sei ihm nicht möglich, zur maßgeblichen finanziellen Situation der Gesellschaft ab Eintritt der Abgabenfälligkeit Stellung zu nehmen, da er keinerlei diesbezüglichen Unterlagen mehr besitze, ist das Vorbringen, seitens der Gesellschaft seien keine steuerpflichtigen Lieferungen in Österreich erbracht worden, von ihm auch nicht belegbar. Allgemein gehaltene Ausführungen zur üblichen Geschäftsgebarung ("D GmbH liefert an A.GmbH und fakturiert ohne MwSt. Der Rechnungsbetrag wird in der Umsatzsteuer-Voranmeldung als "innergemeinschaftlicher Verkehr" ausgewiesen und an das Bundeszentralamt für Steuern in Saarlouis gemeldet. A.GmbH bezahlt an D GmbH ohne MwSt. und meldet diesen Betrag ebenfalls als "innergemeinschaftlicher Verkehr" nach Saarlouis. Dort erfolgt die Prüfung, ob beide Geschäftspartner identisch angemeldet haben, also Übereinstimmung herrscht. Sodann meldet A.GmbH den Steuerbetrag an sein Finanzamt und zieht im gleichen Zug diesen Betrag als Vorsteuer wieder ab. Somit fließt kein Geld.") können eine Abgabenfestsetzung mit "Null" nicht tragen.

Die Höhe der mit Umsatzsteuervoranmeldungen gemeldeten Umsatzsteuer-Zahllasten für Oktober und November 2006 bleibt daher unverändert.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Die Haftung eines Vertreters erfährt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Einschränkung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher Abgabenbetrag auch bei gleichmäßiger Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre.

Das Vorbringen, es sei lebensfremd und falsch, eine Entrichtung von Verbindlichkeiten zwei Monate vor Insolvenzeröffnung zu 100% oder in einem höheren Ausmaß als die Insolvenzquote zu verlangen, missversteht die Ausführungen des Finanzamtes im Vorhalteverfahren: Im Hinblick auf die dem Bf. im Haftungsverfahren obliegende qualifizierte Mitwirkungspflicht hat dieser nicht nur darzulegen, dass er die Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt hat als die übrigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft, er hat auch die Quote zwischen dem Ausmaß der abgeführten Abgabenverbindlichkeiten und den übrigen entrichteten Verbindlichkeiten zu berechnen. Im Fall des Nachweises der Gleichbehandlung aller Verbindlichkeiten ist eine Heranziehung zur Haftung nicht möglich.
Kommt der Bf. seiner Beweispflicht allerdings nicht nach, kann ihn das Finanzamt zur Haftung in voller Höhe der aushaftenden Verbindlichkeiten heranziehen. Der VwGH führt dazu aus (, mwN):
Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze.

Ein Nachweis, ob dem Bf. ausreichende Mittel zur Abgabenentrichtung fehlten bzw. ob sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleich behandelt wurden, wurde vom Bf. trotz Aufforderung im Vorhalt vom und ausführlicher Darlegung der Rechtslage im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung ebensowenig erbracht wie die Berechnung des Betrages, der - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.

Richtig ist, dass Vorbringen des Bf. die Abgabenbehörde nicht von jeder Ermittlungspflicht entbindet, allerdings obliegt es dem (potentiell) Haftungspflichtigen, nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen etwa auch im Hinblick auf die Quote aufzustellen (). Das allgemein gehaltene Vorbringen, die finanzielle Situation der Gesellschaft sei längere Zeit vor dem Insolvenzantrag angespannt gewesen und die Abgaben hätten nur im Ausmaß der Quote von 5,5 % entrichtet werden können, stellt ein derartiges sachbezogenes Vorbringen nicht dar.

Für das völlige Fehlen liquider Mittel im Zeitpunkt der Fälligkeit der gegenständlichen Abgaben - ein solches Vorbringen wurde im Übrigen vom Bf. nicht erstattet - ergeben sich auch nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal die Geschäftstätigkeit auch kurz vor der Insolvenzeröffnung jedenfalls den Einkauf von Waren, die Bezahlung der Betriebskosten sowie die Ausbezahlung von Löhnen erforderte und sich eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verrbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben kann ().

Im Bericht des Insolvenzverwalters wird auf die fälligen Verbindlichkeiten zum Stichtag der Insolvenzeröffnung Bezug genommen. Über die Liquiditätsverhältnisse im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben kann dem Bericht nichts entnommen werden, weshalb er für die Darstellung der finanziellen Situation der Gesellschaft im Fälligkeitszeitpunkt der Abgaben nicht herangezogen werden kann.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Hat der Geschäftsführer im Haftungsverfahren nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis in Bezug auf die Abgabenentrichtung erbracht, kann die Behörde schon deshalb eine die Inanspruchnahme zur Haftung rechtfertigende schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Dem Finanzamt ist auch insoweit zuzustimmen, als sich aus dem Vorbringen, die Beratungsgesellschaft B sei von der Hausbank der Gemeinschuldnerin eingesetzt worden, und ohne die ausdrückliche Freigabe von B habe keine Zahlung, auch nicht an das Finanzamt, erfolgen können, ergibt, dass sich der Bf. mit einer Beschränkung seiner Geschäftsführerbefugnisse einverstanden erklärt hat. Hat der Bf. daher eine solche Beschränkung seiner Befugnisse in Kauf genommen, die die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht, liegt darin ein für die Haftung relevantes Verschulden ().

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Ein solcher Umstand liegt hier vor, wurde doch Umsatzsteuer des Jahres 2006 erst mit dem Haftungsbescheid vom geltend gemacht. Eine Berücksichtigung des langen Zeitabstandes zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld und der Haftungsinanspruchnahme wurde vom Finanzamt im Zuge der Ermessenentscheidung nicht berücksichtigt.

Um der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung zu tragen, aber unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Finanzamt die Beendigung des Insolvenzverfahrens in Deutschland abwarten musste, ohne selbst eine Beschleunigung des Verfahrens herbeiführen zu können, werden die aushaftenden Haftungsbeträge um 30% vermindert (Umsatzsteuer 10/2006 5.722,74 € minus 30% = 4.005,92 €, Umsatzsteuer 11/2006 5.306,52 € minus 30% = 3.714,56 €). Die Haftung beläuft sich daher insgesamt auf 7.720,48 €.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100066.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at