Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2023, RV/3100033/2020

Haftung einer Bank für die EU-Quellensteuer und Identität des wirtschaftlichen Eigentümers eines Depots einer panamaischen Körperschaft

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100033/2020-RS1
Für die Zurechnung von Zinserträgen kommt es darauf an, wer tatsächlich die Verfügungsmacht darüber erlangt. Eine bloß formelle Erlangung der Verfügungsmacht ist unbeachtlich.
RV/3100033/2020-RS2
Die Vorschreibung der EU-Quellensteuer hat stets im Haftungswege gegenüber der Zahlstelle zu erfolgen. Das EU-Quellensteuergesetz sieht eine unmittelbare Inanspruchnahme des Abgabenschuldners nicht vor.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Haftung für EU-Quellensteuer für die Jahre 2011 bis 2014, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Verfahren ist im Wesentlichen strittig, ob die beschwerdeführende Bank (Bf.) für Erträge eines Wertpapierdepots einer panamaischen Gesellschaft, für welche ein in Deutschland ansässiger deutscher Staatsangehöriger zeichnungsberechtigt war und im Rahmen dieser Zeichnungsberechtigung auch Bargeldbehebungen tätigte, EU-Quellensteuer einzubehalten und abzuführen hatte.

1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Die Großbetriebsprüfung führte im Auftrag des Finanzamtes Innsbruck eine Außenprüfung bei der beschwerdeführenden Bank (Bf.) für die Jahre 2011 bis 2014 durch, die mit Bericht vom abgeschlossen wurde. Neben zahlreichen anderen Feststellungen, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, stellte die Großbetriebsprüfung zusammengefasst fest, das bei der Bf. geführte Depot mit der Nummer ***Depotnummer***, welches auf die in Panama registrierte ***Panama-Gesellschaft*** lautete, stehe in Wahrheit im wirtschaftlichen Eigentum des in Deutschland ansässigen Zeichnungsberechtigten ***Z***. Aus den vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen der panamaischen Gesellschaft sei ersichtlich, dass dieser die Zinserträge aus dem auf sie lautenden Depot bei der Bf. nie zugeflossen seien. Bilanzen, aus denen die Zuordnung des Depots zum Betriebsvermögen der panamaischen Gesellschaft hervorgehen könnte, seien keine vorgelegt worden. Die Bf. hätte unter diesen Umständen von den erwirtschafteten Zinserträgen EU-Quellensteuer einbehalten müssen und hafte nunmehr für die nicht einbehaltene Quellensteuer.

Am erließ das Finanzamt Innsbruck die nunmehr angefochtenen Haftungsbescheide, mit welchen die Bf. zur Haftung für die EU-Quellensteuer herangezogen wurde. Begründend verwies die Behörde auf die Ausführungen im Prüfungsbericht.

Gegen diese Bescheide richtet sich die rechtzeitige (als Berufung bezeichnete) Beschwerde der Bf., in welcher diese vorbringt, die Behörde habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt. ***Z*** habe die Barbehebungen getätigt, weil Überweisungen nach Panama umständlich gewesen und über ein Zwischenkonto in New York zu schalten seien. Das Bargeld habe er dem Hauptaktionär ***H***, der in Panama ansässig sei, in Berlin übergeben. Es gebe keine Bilanzen der ***Panama-Gesellschaft***, weil in Panama keine Bilanzen zu erstellen seien. ***Z*** habe die Bargeldbehebungen vorgenommen, weil er ohnehin bereits vor Ort gewesen sei und aus Sicherheitsgründen kein Online-Banking-Zugang vorhanden gewesen sei. Selbst unter Zugrundelegung der Ansicht des Finanzamts sei es allenfalls gerechtfertigt, höchstens 5 % der Erträge (entsprechend dem Beteiligungsausmaß des ***Z*** an der panamaischen Gesellschaft) der EU-Quellensteuer zu unterwerfen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Innsbruck die Beschwerde ab und führte ergänzend zum bisherigen Vorbringen aus, es seien keine geeigneten Nachweise für die behaupteten Geldübergaben vorgelegt worden.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidung erhob die Bf. am wiederum eine "Berufung", die als rechtzeitiger Vorlageantrag zu werten war. Zusammen mit dieser wurde eine Bestätigung des Hauptaktionärs ***H*** vom vorgelegt, wonach dieser bestätigt, in den letzten Jahren jährlich im Durchschnitt 20.000 US-$ von ***Z*** erhalten zu haben.

Mit trat die Finanzorganisationsreform in Kraft und an die Stelle der bescheiderlassenden Behörde trat im gegenständlichen Verfahren das Finanzamt für Großbetriebe.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die gegenständliche Rechtssache infolge der Ruhestandsversetzung des Leiters der zuständigen Gerichtsabteilung 4005 der mit neu besetzten Gerichtsabteilung 4013 zugewiesen.

Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht ***Z*** um Auskünfte und die Übermittlung von Unterlagen. Außerdem wurde er darüber unterrichtet, dass er nach Ansicht des Gerichts berechtigt sei, dem Verfahren gemäß § 257 BAO beizutreten.

Am langte seine Beantwortung dieses Ersuchens innerhalb offener Frist ein, wobei er die Fragen des Gerichts nicht vollständig beantwortet und keine der angeforderten Unterlagen vorgelegt hat. Er informierte das Gericht ferner darüber, dass er keinen Beitritt zum Verfahren beabsichtige.

Das Finanzamt für Großbetriebe verzichtete mit Eingabe vom ausdrücklich auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den Ausführungen des ***Z***.

2. Sachverhalt

Bei der Bf. wurde im streitgegenständlichen Zeitraum das Wertpapierdepot mit der Nummer ***Depotnummer***, lautend auf die in Panama registrierte ***Panama-Gesellschaft*** geführt.

Die ***Panama-Gesellschaft*** ist eine Aktiengesellschaft nach panamaischem Recht und war im gegenständlichen Zeitraum im Handelsregister Panamas unter der Zahl ***Zahl*** eingetragen. Die Gesellschaft hatte den panamaischen Rechtsanwalt ***Panama-Rechtsanwalt*** zum nach panamaischen Recht erforderlichen "resident agent" bestellt, der diese Funktion für eine Vielzahl panamaischer Gesellschaften ausübt. Als Adresse der panamaischen Gesellschaft wurde gegenüber der Bf. ein Postfach angegeben. Gesellschafter der panamaischen Gesellschaft waren im gegenständlichen Zeitraum zu 95 % ***H*** und zu 5 % ***Z***, beide deutsche Staatsangehörige. ***H*** ist in Panama wohnhaft, ***Z*** in Deutschland.

Auf dem gegenständlichen Depot wurden unter anderem Anleihen gehalten, auf die im strittigen Zeitraum Zinserträge in folgender Höhe entfallen:


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2011
2012
2013
2014
7.662,95 €
15.030,82 €
137.224,05 €
71.616,58 €

Diese Zinserträge wurden bei der ***Panama-Gesellschaft*** nicht als Erträge bzw. Einnahmen erfasst. Das Depot befindet sich offenkundig nicht in deren Betriebsvermögen.

Bei der ***Panama-Gesellschaft*** handelt es sich um eine typische "Briefkastenfirma", die schon im gegenständlichen Zeitraum keine nennenswerte eigene Geschäftstätigkeit ausübte, sondern allein der Steuervermeidung durch die wirtschaftlich Berechtigten diente.

***Z*** war von der panamaischen Gesellschaft mit einer Spezialvollmacht ausgestattet, die ihn unter anderem ermächtigte, Wertpapier- und Bankgeschäfte im Namen der Gesellschaft zu tätigen. Er war eröffnete das gegenständliche Depot und die dazugehörigen Verrechnungskonten und war für diese zeichnungsberechtigt. Er wickelte sämtliche Bankgeschäfte mit der Bf. im Namen der panamaischen Gesellschaft ab. Im streitgegenständlichen Zeitraum behob er folgende Bargeldbeträge von der Bf.:


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2011
2012
2013
2014
12.000,00 €
12.500,00 €
20.000,00 €
28.250,00 €

Diese Beträge sind der ***Panama-Gesellschaft*** in der Folge nicht wieder zugeflossen. Es kann nicht festgestellt werden, wie ***Z*** die behobenen Bargeldbeträge in der Folge verwendet hat. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, ob er die Beträge ***H*** übergeben hat.

Die Abgabenbehörde hat die Bf. direkt zur Haftung für die EU-Quellensteuer herangezogen, ohne vorher Abgabenbescheide zu erlassen. Die Bf. hat die vorgeschriebene Steuer in der Folge der ***Panama-Gesellschaft*** im Rahmen ihrer Kundenbeziehung angelastet.

Im Zuge der Beendigung der gegenständlichen Kundenbeziehung der Bf. wurde das Vermögen nicht an die ***Panama-Gesellschaft***, sondern an eine natürliche Person übertragen, deren Identität das Gericht nicht feststellen konnte.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu Organen, Adresse, Gesellschafterverhältnissen der ***Panama-Gesellschaft*** und der Staatsangehörigkeit der Gesellschafter ergeben sich widerspruchsfrei aus den von der Bf. vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Handelsregisterauszug (ON 30), der "negativen Sitzerklärung" (ON 32), den Bestätigungen des "resident agent" zu seiner eigenen Funktion (ON 39) und zu den Gesellschafterverhältnissen (ON 36) sowie den Reisepässen der Gesellschafter (ON 37-38). Dass der "resident agent" diese Funktion für viele andere Gesellschaften ausübt, war für das Gericht bereits nach einer kurzen Internetsuche nach dessen Namen erkennbar. Die Feststellung zu den Wohnsitzen der Gesellschafter entspricht dem Vorbringen der Bf. und des ***Z***, welchem von der belangten Behörde nicht entgegengetreten wurde. Es liegen dem Gericht auch keine gegenteiligen Informationen vor, insbesondere da der Vorhalt des Gerichts ***Z*** an seiner angegebenen Wohnadresse in Deutschland erreicht hat und da der Reisepass von ***H*** von der deutschen Botschaft in Panama ausgestellt wurde.

Die Höhe der zugeflossenen Zinserträge ergibt sich aus den Unterlagen des Betriebsprüfers (ON 25-26) und wurde weder von der Bf. noch von ***Z*** bestritten, weshalb das Gericht diese ohne Bedenken seiner Entscheidung zugrunde legen konnte. Dass diese Erträge von der panamaischen Gesellschaft nicht erfasst wurden, ergibt sich hinsichtlich der Jahre 2013 und 2014 unmittelbar aus den vorgelegten "Gewinn- und Verlustrechnungen" (ON 31), aus denen das Gericht in freier Beweiswürdigung schließt, dass die Erträge auch in den Vorjahren, für die keine Unterlagen vorgelegt wurden, schon nicht erfasst wurden.

Dass es sich bei der panamaischen Gesellschaft um eine Briefkastenfirma handelt, schließt das Gericht in freier Beweiswürdigung aus dem Gesamtbild der Umstände, insbesondere dem Sitz in einem allgemein als Steueroase bekannten Staat, wobei beide Gesellschafter deutsche Staatsangehörige sind; dem Umstand, dass als Adresse nur ein Postfach angegeben wurde; dem Umstand, dass über dieses Unternehmen im Wege einer Internetrecherche keinerlei Informationen auffindbar sind; dem Umstand, dass keine Bilanzen, Ein- oder Ausgangsrechnungen vorliegen; dem Umstand, dass die vorgelegten "Gewinn- und Verlustrechnungen" (ON 31) offensichtlich insoweit unvollständig sind, als keine Erträge aus dem gegenständlichen Wertpapierdepot darin erfasst sind und zudem die vorgelegte "Gewinn- und Verlustrechnung" für 2015 - wenn auch geringfügig - schon rechnerisch unrichtig ist; sowie dem Umstand, dass die Gesellschaft in ihren "Gewinn- und Verlustrechnungen" nur Auslandseinkünfte (aus Provisionen) als Einnahmen ausweist, die in Panama nach eigenen Angaben des ***Z*** steuerfrei sind.

Die Ausführungen in der Beschwerde, wonach wegen nicht näher konkretisierten "schweren Hackangriffen" keine Unternehmenswebseite betrieben werde, vermögen nach Ansicht des Gerichts nicht zu erklären, warum im Internet überhaupt keine Informationen über das seit 1995 bestehende Unternehmen, das "beachtliche Erfolge" mit Import-/Exportgeschäften erzielt und später Finanzierungen/Finanzvermittlungen für Auslandsgeschäfte getätigt haben will (siehe ON 48), auffindbar sind.

Das wiederholt von der Bf. und von ***Z*** vorgebrachte Argument, dass Unterlagen wie Bilanzen und Ein- bzw. Ausgangsrechnungen nicht beigebracht werden können, weil diese nach panamaischem Recht nicht erstellt bzw. nicht lange aufbewahrt werden müssen, überzeugt das Gericht nicht, da ein sorgfältiger Geschäftsmann - vor allem, wenn er ein Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft mit mehreren Aktionären betreibt - derartige Unterlagen unabhängig von einer gesetzlichen Pflicht erstellen und aufbewahren würde.

Insgesamt erscheint es dem Gericht unter den gegebenen Umständen daher von allen Möglichkeiten am wahrscheinlichsten, dass es sich bei der panamaischen Gesellschaft um eine Briefkastenfirma handelt, die keine nennenswerte eigene Geschäftstätigkeit ausübt, sondern allein der Steuervermeidung durch die wirtschaftlich Berechtigten dient.

Die Feststellungen zur Spezialvollmacht und Zeichnungsberechtigung des ***Z*** sowie zu dessen Bargeldbehebungen ergeben sich ohne Widersprüche aus der vorgelegten Vollmachtsurkunde (ON 33), der von ihm unterschriebenen "negativen Sitzerklärung" (ON 32) und der Auskunft der Bank zu den Bargeldbehebungen (ON 13).

Die Negativfeststellung zur weiteren Verwendung der behobenen Bargeldbeträge musste das Gericht treffen, weil trotz mehrfacher Aufforderung weder von der Bf. noch von ***Z*** Unterlagen vorgelegt wurden, aus denen das weitere Schicksal dieser Beträge nachvollziehbar und eindeutig hervorgehen würde.

Der mit dem Vorlageantrag übermittelten Bestätigung von ***H*** kommt nach Ansicht des Gerichts kein Beweiswert zu. Sie wurde nämlich einerseits erst nachträglich am - als das Beschwerdeverfahren bereits anhängig war - erstellt und bestätigt auch nicht den Erhalt konkreter Beträge in konkreten Zeiträumen, sondern lediglich den Erhalt von "in den letzten Jahren jährlich im Durchschnitt $ 20.000". Dass keinerlei Quittungen oder Ähnliches vorhanden sind, entspricht nach Ansicht des Gerichts nicht den Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr. Die Bestätigung wird vom Gericht daher als reiner Gefälligkeitsdienst von ***H*** bewertet, mit dem ***Z*** nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten ein gutes Verhältnis pflegt. Dass in der - ohnehin nur sehr kurzen - Bestätigung zudem die Namen sowohl des Unternehmens als auch des ***Z*** falsch geschrieben sind, ist der Glaubwürdigkeit dieser Bestätigung ebenfalls nicht förderlich.

Ferner liegen widersprüchliche Angaben dazu vor, weshalb überhaupt Barbehebungen und nicht etwa Überweisungen mittels Onlinebanking getätigt wurden: In seiner Vorhaltsbeantwortung gibt ***Z*** an, dass dieses noch in "nicht zu beschreibenden unvollkommenen Anfangsstadien" gestanden habe und nicht praktikabel gewesen sei, während die Bf. in der Beschwerde noch - zweifellos aufgrund der Ausführungen von ***Z*** - vorbrachte, das Onlinebanking sei infolge "schwerer Hackangriffe" wie die Unternehmenswebseite wieder eingestellt worden.

Da dem Gericht weder andere Anhaltspunkte zum tatsächlichen Schicksal der behobenen Bargeldbeträge noch erfolgversprechende Ermittlungsansätze vorliegen, konnte das Gericht diesbezüglich nur eine Negativfeststellung treffen.

Dass das Vermögen nach Beendigung der Kundenbeziehung an eine natürliche Person übertragen wurde, schließt das Gericht in freier Beweiswürdigung aus dem Umstand, dass ***Z*** die Beantwortung einer darauf gerichteten Frage des Gerichts unter Verweis auf die DSGVO ablehnte, die bekanntlich nur die Daten natürlicher Personen schützt. Deren Identität wäre für das Gericht jedoch nur mit erheblichem Aufwand auszuforschen und wird für die rechtliche Beurteilung auch nicht als maßgeblich angesehen, weshalb eine diesbezügliche Negativfeststellung nach Ansicht des Gerichts genügte.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zum Bestehen einer Abgabenschuld

Im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum galt das EU-Quellensteuergesetz (EU-QuStG), mit welchem die Richtlinie 2003/48/EG durch großteils wörtliche Übernahme des Richtlinientextes umgesetzt wurde und welches mittlerweile außer Kraft getreten ist.

§ 1 EU-QuStG lautete im gesamten Zeitraum:

"Zinsen, die eine inländische Zahlstelle an einen wirtschaftlichen Eigentümer, der eine natürliche Person ist, zahlt oder zu dessen Gunsten einzieht, unterliegen der EU-Quellensteuer, sofern er seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat und keine Ausnahmen vom Quellensteuerverfahren gem. § 10 vorliegen. Die Zahlstelle stellt gemäß den Vorschriften des § 3 die Identität und den Wohnsitz des wirtschaftlichen Eigentümers fest."

In den Anwendungsbereich des EU-QuStG fallen somit

  1. Zinszahlungen

  2. von einer inländischen Zahlstelle

  3. an einen wirtschaftlichen Eigentümer, der eine natürliche Person ist

  4. und seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat

  5. sofern keine Ausnahme gemäß § 10 EU-QuStG vorliegt

Sämtliche dieser Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein.

Dass es sich bei den gegenständlichen Anleihezinsen um Zinszahlungen im Sinne des EU-QuStG handelt, ergibt sich aus deren expliziten Nennung in § 6 Abs. 1 Z 1 EU-QuStG, weshalb dieses Kriterium jedenfalls vorliegt. Die Bf. stellt als Kreditinstitut auch eine inländische Zahlstelle kraft Zahlung im Sinne des § 4 Abs. 1 EU-QuStG dar (vgl. Richtlinien zur Durchführung der EU-Quellensteuer, BMF-010221/0370-IV/8/2005, Rz 28; Kirchmayr-Schiesselberger et al, Handbuch der Besteuerung von Kapitalvermögen in der Praxis2, Kapitel 18; Gläser, Handbuch der EU-Quellensteuer, 55). Die ersten zwei der genannten Kriterien sind daher jedenfalls erfüllt.

Zunächst stellt sich die Frage, wem die Zinszahlungen aufgrund der Anleihen, die im gegenständlichen Wertpapierdepot verwahrt wurden, zuzurechnen sind. Im Falle einer Zurechnung an die panamaische ***Panama-Gesellschaft*** unterlägen die Zinszahlungen jedenfalls nicht der EU-Quellensteuer, da dieser ausdrücklich nur Zahlungen an natürliche Personen unterliegen.

Zinszahlungen sind für Zwecke der EU-Quellensteuer der Person zuzurechnen, "die eine Zinszahlung vereinnahmt oder zu deren Gunsten eine Zinszahlung erfolgt" (§ 2 Abs. 1 EU-QuStG). Es kommt auf die tatsächliche und nicht bloß eine formelle Erlangung der Verfügungsmacht über die Zinserträge an. Der Richtlinie 2003/48/EG liegt hinsichtlich des Begriffs des wirtschaftlichen Eigentümers ("beneficial owner") und somit auch der Zurechnung dasselbe Konzept wie der Zinsen-/Lizenzgebührenrichtlinie (2003/49/EG) und dem OECD-Musterabkommen zugrunde. Dieses Konzept ist als Instrumentarium zur Verhinderung des Missbrauchs zu verstehen; insbesondere soll dadurch auch die unberechtigte Erlangung der Quellensteuerfreiheit durch die Zwischenschaltung von Durchlaufgesellschaften verhindert werden (zu all dem ausführlich und mit weiteren Nachweisen Aigner/Tumpel in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg), Quellensteuern, Seiten 334 ff).

Da das gegenständliche Depot nach den getroffenen Feststellungen nicht zum Betriebsvermögen der panamaischen Gesellschaft gehörte und die Zinszahlungen dieser auch nie zugeflossen sind, handelte ***Z*** offensichtlich im Rahmen der gesamten gegenständlichen Kundenbeziehung mit der Bf. nur zum Schein (§ 23 Abs. 1 BAO) als Vertreter der panamaischen Gesellschaft. Tatsächlich erlangte er selbst die Verfügungsmacht über die gegenständlichen Zinszahlungen, was insbesondere anhand seiner Bargeldbehebungen erkennbar ist. Die Zinszahlungen sind daher nach den Ausführungen im vorhergehenden Absatz auch nicht der panamaischen Gesellschaft, sondern ihm selbst zuzurechnen.

Als Nächstes stellt sich die Frage, wer der "wirtschaftliche Eigentümer" in Sinne des § 2 EU-QuStG ist. Gemäß § 2 Abs. 1 EU-QuStG gilt zunächst die widerlegbare Vermutung, dass die "natürliche Person, die eine Zinszahlung vereinnahmt oder zu deren Gunsten eine Zinszahlung erfolgt" auch der wirtschaftliche Eigentümer im Sinne dieses Gesetzes ist. Nach den getroffenen Feststellungen und den vorstehenden Ausführungen ist dies ***Z***.

Zur Widerlegung der Vermutung muss nach § 2 Abs. 1 EU-QuStG derjenige, dessen Eigenschaft als wirtschaftlicher Eigentümer gesetzlich vermutet wird, den Nachweis erbringen, dass er die Zahlung nicht für sich selbst vereinnahmt hat oder dass sie nicht zu seinen Gunsten erfolgt ist. Konkret muss er nachweisen, dass einer der in § 2 Abs. 1 Z 1 bis 4 EU-QuStG taxativ aufgezählten Fälle vorliegt, also entweder, dass er

  1. als Zahlstelle im Sinne von § 4 Abs. 1 EU-QuStG handelt,

  2. im Auftrag insbesondere einer juristischen Person oder Personenvereinigung handelt,

  3. im Auftrag einer Einrichtung gemäß § 4 Abs. 2 EU-QuStG handelt, oder

  4. im Auftrag einer anderen natürlichen Person handelt, welche der wirtschaftliche Eigentümer ist, sofern er deren Identität und Wohnsitz der Zahlstelle mitteilt.

Dieser Nachweis ist ihm nach den getroffenen Feststellungen nicht gelungen. Insbesondere konnte ***Z*** nicht nachweisen, dass er im Auftrag einer juristischen Person handelte. Der Begriff des "Handelns im Auftrag" ist im Kontext der EU-Quellensteuer so zu verstehen, dass eine tatsächliche Verpflichtung des Handelnden zum Tätigwerden erforderlich ist. Die bloße Bevollmächtigung durch die panamaische Gesellschaft genügt keinesfalls (Aigner/Tumpel aaO, Seite 340). Da das gegenständliche Depot nach den getroffenen Feststellungen nicht zum Betriebsvermögen der panamaischen Gesellschaft gehörte, ist auch die Annahme einer Beauftragung durch diese denkunmöglich. Ebenso wurde eine etwaige Beauftragung durch ***H*** nicht nachgewiesen. Ein Handeln als Zahlstelle ist mangels Auftrags ebenso nicht denkbar (Gläser aaO, Seiten 56 ff).

Wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 2 EU-QuStG ist mangels erfolgreicher Widerlegung der gesetzlichen Vermutung somit - wie auch von der belangten Behörde angenommen - ***Z***. Dieser hat seinen Wohnsitz nach den Feststellungen in Deutschland, sohin in einem Mitgliedstaat der EU. Es liegt auch keine Ausnahme vom Quellensteuerverfahren gemäß § 10 EU-QuStG vor.

Es liegen somit alle Voraussetzungen für eine Steuerpflicht der gegenständlichen Zinszahlungen gemäß dem EU-Quellensteuergesetz vor.

Der Höhe nach wurde die EU-Quellensteuer von der belangten Behörde wie folgt berechnet:


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2011
2012
2013
2014
Bemessungsgrundlage
7.662,95 €
15.030,82 €
137.224,05 €
71.616,58 €
Steuersatz
20 %
35 %
35 %
35 %
Steuer
1.532,59 €
5.260,79 €
48.028,42
25.065,80

Diese Berechnung erweist sich als richtig. Insbesondere berücksichtigte die Behörde, dass der höhere Steuersatz von 35 % erst ab galt und der Zufluss der Zinsen in diesem Jahr vor diesem Zeitpunkt lag.

***Z*** ist folglich Abgabenschuldner der EU-Quellensteuer in Höhe der oben angeführten Beträge.

4.2. Zur Haftung der Bank

Die Haftung der Bank ergibt sich - wie in den angefochtenen Bescheiden ausgeführt - direkt aus § 8 EU-QuStG. Eine unmittelbare Inanspruchnahme des Abgabenschuldners ist im EU-Quellensteuergesetz nicht vorgesehen. Vielmehr ist die Haftung nach der angeführten Bestimmung gegenüber der Bank geltend zu machen. Ein Verschulden der Bank ist hierfür nicht erforderlich.

Die Bf. haftet daher für die Abgabenschuld des ***Z***. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich somit als rechtskonform. Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.3. Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das vorliegende Erkenntnis befasst sich mit der Frage der Zurechnung von Zinszahlungen und mit dem Begriff des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne des EU-Quellensteuergesetzes, zu denen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden ist. Die Revision war daher zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 EU-QuStG, EU-Quellensteuergesetz, BGBl. I Nr. 33/2004
§ 2 Abs. 1 EU-QuStG, EU-Quellensteuergesetz, BGBl. I Nr. 33/2004
RL 2003/48/EG, ABl. Nr. L 157 vom S. 38
§ 4 Abs. 1 EU-QuStG, EU-Quellensteuergesetz, BGBl. I Nr. 33/2004
§ 6 Abs. 1 Z 1 EU-QuStG, EU-Quellensteuergesetz, BGBl. I Nr. 33/2004
§ 8 EU-QuStG, EU-Quellensteuergesetz, BGBl. I Nr. 33/2004
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100033.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at