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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.04.2023, RV/7105645/2015

Tätigkeit als Kameramann als Künstler im Sinne des Art. 17 Abs. 1 DBA-Deutschland?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7105645/2015-RS1
Die Tätigkeit als Kameramann ist mangels Vorliegens einer Darbietung vor Publikum mit Unterhaltungscharakter nicht als Tätigkeit eines Künstlers im Sinne des Art. 17 Abs. 1 DBA-Deutschland einzuordnen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***3*** vom betreffend Einkommensteuer für 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Zufolge der vom Finanzamt durchgeführten Behördenabfrage aus dem Zentralen Melderegister vom scheinen betreffend den Beschwerdeführer (kurz Bf.) folgende Meldedaten auf:

Adresse: ***4***
Wohnsitzqualität: Hauptwohnsitz
Gemeldet seit: ***5***

Mit Bescheid vom wurde dem Bf. ein Betrag von 31.393,00 € an Einkommensteuer für 2011 vorgeschrieben. Die Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz stellte sich wie folgt dar:


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Einkünfte aus selbständiger Arbeit
74.769,05 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
74.769,05 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Verlustabzug
-1.750,16 €
Kinderfreibetrag für nichthaushaltszugehörige Kinder gem. § 106a Abs. 2 EStG 1988
-264,00 €
Einkommen
72.694,89 €
Die Einkommensteuer wird unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte wie folgt ermittelt:
Einkommen
72.694,89 €
ausländische Einkünfte
101.500,00 €
Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz
174.194,89 €

In Beantwortung des Vorhaltes vom gab der Bf. bekannt, dass in der eingereichten Einkommensteuererklärung unter der Kennziffer 9290 ausländische Einkünfte im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens in Höhe von 101.500,00 € zum Abzug gebracht worden seien. Beigelegt wurden Kopien der vom Bf. an die ***6*** in Deutschland ausgestellten Honorarnoten, wonach der Bf. für seine "Mitarbeit als Kameramann" für diverse Projekte folgende Beträge verrechnete:


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Rechnungsdatum
Brutto
12.500,00 €
19.000,00 €
15.000,00 €
10.000,00 €
9.000,00 €
13.000,00 €
10.000,00 €
13.000,00 €

Vorgelegt wurden außerdem bezughabenden Gagenabrechnungen der ***7*** und von der letztgenannten Gesellschaft ausgestellte Bescheinigungen über den von ihr als Schuldner der Vergütung einbehaltenen und an das Finanzamt in Deutschland abgeführten Steuerabzug in Höhe von jeweils 15 %.

Mit Vorhalt vom wurde der Bf. gefragt, ob ihm für die Ausübung seiner Tätigkeit in Deutschland eine feste Einrichtung (Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland zur Verfügung gestanden sei.

Bezugnehmend auf die vom Bf. erzielten Einkünfte aus der Tätigkeit als Kameramann führte der Bf. mit Eingabe vom aus:

"…Das Studium - Bildtechnik und Kamera- wird an der Universität für Musik und darstellende Kunst in ***8*** unter der Studiengruppe - Künstlerische Studien - angeboten. Ein Kameramann ist somit als Künstler zu betrachten. Herr ***9*** ist als Kameramann Filmkünstler in Sinne des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA Österreich-Deutschland. Diese Einkünfte sind lt. Art. 23 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland von der Besteuerung in Österreich unter Progressionsvorbehalt ausgenommen…"

Mit Bescheid vom über die "Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2011 Aufhebung gem. § 299 BAO" wurde der Einkommensteuerbescheid vom gem. § 299 BAO aufgehoben und begründend angeführt, im Zuge des Vorhalteverfahrens sei dem Finanzamt bekannt geworden, dass für die unter Progressionsvorbehalt erklärten ausländischen Einkünfte in Höhe von € 101.500,00 Österreich das Besteuerungsrecht zustehe. In weiterer Folge nahm das Finanzamt die Festsetzung der Einkommensteuer für 2011 mit Bescheid vom in Höhe von € 76.449,00 unter Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz wie folgt vor:


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Einkünfte aus selbständiger Arbeit
176.269,05 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
176.269,05 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Verlustabzug
-1.750,16 €
Kinderfreibetrag für nichthaushaltszugehörige Kinder gem. § 106a Abs. 2 EStG 1988
-264,00 €
Einkommen
174.194,89 €
Die Einkommensteuer wird unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte wie folgt ermittelt:
Einkommen
174.194,89 €
ausländische Einkünfte
0,00 €
Bemessungsgrundlage für den Durchschnittsteuersatz
174.194,89 €

Als Begründung führte das Finanzamt ins Treffen:

"Aus Sicht des Finanzamtes ist ein Kameramann nicht als Künstler im Sinne des Artikel 17 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland zu betrachten. Da trotz Aufforderung nicht bekanntgegeben wurde, ob bzw. inwiefern in Deutschland für die dort ausgeübte Tätigkeit eine Betriebsstätte vorhanden ist, ist anzunehmen, dass es eine solche auch nicht gibt. Folglich hat laut DBA Österreich-Deutschland für die in Deutschland erzielten Einkünfte in Höhe von € 101.500,00 Österreich das Besteuerungsrecht…"

In der innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist eingebrachten Beschwerde vom stellte der Bf. auszugsweise klar:

"…Aus den übermittelten Rechnungen ist ersichtlich, dass von der ***6*** gem. § 50a EStG 15 % Steuer und 5,5 % Solidaritätszuschlag in Abzug gebracht wurden…

Herr ***9*** ist als Director of Photography (internationale Bezeichnung für Kameramann) für die Herstellung von Werbe-, Kino- und TV-Filmen für TV, Kino und Internet verantwortlich. Um die künstlerische Tätigkeit weltweit ausüben zu können, wird Herr ***9*** von sogenannten Talent Agencys (Künstleragenturen) repräsentiert. Aus diesem folgt, dass es sich bei Herrn ***9*** um einen Künstler handelt. Gemäß Artikel 17 DBA Österreich-Deutschland dürfen Einkünfte, die ein in einem Vertragsstaat ansässiger Künstler aus seiner im anderen Vertragsstaat ausgeübten Tätigkeit, im anderen Staat besteuert werden. Diese Einkünfte sind gemäß Artikel 23 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland von der Besteuerung in Österreich unter Progressionsvorbehalt ausgenommen…

Völkerrechtliche Verträge sind in erster Linie nach ihrem "Wortlaut", nach dem "objektivierten Vertragszweck" und "Sinn" der betreffenden Bestimmung auszulegen (Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen 2, Einl. Rz 68ff). Nach dem Wortlaut kommt der Artikel 17 DBA-Deutschland grundsätzlich immer dann zur Anwendung, wenn eine in einem Vertragsstaat (hier: Österreich) ansässige Person als Künstler Einkünfte aus ihrer im anderen Vertragsstaat (hier: Deutschland) persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht. Der Begriff "Künstler" ist in Artikel 17 (1) DBA-Deutschland nicht abschließend definiert. Bereits im Wortlaut des Artikel 17 DBA-Deutschland wird allerdings konkret auf "Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler" Bezug genommen. Gefordert wird dabei nach dem Wortlaut des Artikel 17 (1) DBA-Deutschland eine "persönliche" Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Ausland. Daraus kann einerseits geschlossen werden, dass nur natürliche Personen von der Regelung des Artikel 17 DBA-Deutschland erfasst sind (arg: nur natürliche Personen können persönlich tätig werden). Andererseits werden nach diesem Wortlaut Manager, Agenten und Vermittler von Künstlern (mangels persönlicher künstlerischer Tätigkeit) aus der Anwendung des Art. 17 (1) DBA-Deutschland ausgenommen (Krüglstein, Der Künstlerbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, Kap. 3.2.2.). Als entscheidendes Kriterium für die Anwendbarkeit des Artikel 17 (1) DBA-Deutschland kann entsprechend die persönliche Anwesenheit des Steuerpflichtigen im Ausland in Ausübung seiner künstlerischen Betätigung herausgebildet werden (vgl. auch Daxkobler, Die österreichische DBA-Politik, Künstler und Sportler in den österreichischen DBA, Art. 17 OECD MA, zu Punkt 1.3.2). Dass die hier gegenständlichen, von unserem Klienten im Jahr 2011 erbrachten Leistungen als Kameramann gerade eine solche persönliche künstlerische Tätigkeit unseres Klienten im Zuge der "Shoots" in Deutschland vorausgesetzt haben, ist augenfällig und wurde bisher von der Abgabenbehörde auch nicht bestritten. Insoweit führt eine Wortlautinterpretation zur Anwendbarkeit des Artikels 17 (1) DBA-Deutschland auf die streitgegenständlichen Leistungen unseres Klienten in der Bundesrepublik Deutschland. Die Anwendbarkeit des Art. 17 DBA-Deutschland bestätigt auch eine ergänzende Auslegung nach dem "Sinn und Zweck" des DBA-Deutschland, insbesondere der in Art. 17 DBA-Deutschland getroffenen Verteilungsregel: Art. 17 (1) DBA-Deutschland ist der Musterbestimmung des Art. 17 OECD-MA nachgebildet. Art. 17 OECD-MA regelt, "dass Einkünfte von Künstlern aus ihrer persönlichen künstlerischen Tätigkeit vorrangig der Staat des Ortes der Tätigkeit als Quellenstaat" besteuert - und eben nicht der Ansässigkeitsstaat des Künstlers (Vogel, DBA2, Art. 17 Rz 7). Hintergrund der Regelung des Art. 17 ist (Krüglstein, Der Künstlerbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, Kapitel 3.1), dass die Berufsgruppe der Künstler von hoher Mobilität geprägt ist, die sich oftmals an wechselnden Aufenthaltsorten manifestiert. Aufgrund, der sich daraus ergebenen Schwierigkeiten hinsichtlich Informationsbeschaffung und Steuererhebung durch den Wohnsitzstaat wird durch Art. 17 (1) die Besteuerung der Künstlereinkünfte im Tätigkeitsstaat und somit Quellenstaat sichergestellt…

Die Anwendbarkeit des Art 17 DBA ist im Gegenzug dann nicht gegeben, wenn "die Bedeutung der unterschiedlichen Ausübungsorte" für die persönliche Tätigkeit des Künstlers "nicht gemessen werden kann" (vgl. dazu auch Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen 2, Art 17 MA II Rz31). Art. 17 DBA kommt sohin nach dem "Sinn und Zweck" der Bestimmung dann nicht zur Anwendung, wenn die Einnahmen des Künstlers in Deutschland nicht notwendig in einer persönlichen Tätigkeit des Künstlers in Deutschland begründet sind, sondern der Künstler die diesbezügliche Tätigkeit "an verschiedenen Orten übereinen längeren Zeitraum verrichten" hätte können. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang werkschaffende Künstler zu nennen, soweit diese zwar den Auftrag für ein Werk in Deutschland erhalten, die diesbezügliche Leistung aber nicht notwendigerweise in Deutschland zu erbringen haben. Gerade davon kann aber hinsichtlich der gegenständlichen Leistungen unseres Klienten im Jahr 2011 in Deutschland gar keine Rede sein. Die Leistungen unseres Klienten waren (nur) für einen vorher vereinbarten Leistungszeitraum (nur) direkt vor Ort in Deutschland zu erbringen. Eine Verrichtung dieser Leistungen "an verschiedenen Orten über einen längeren Zeitraum" ist im konkreten Fall sogar schlicht undenkbar…

Soweit die Abgabenbehörde deshalb die eigene Rechtsansicht, wonach Art. 17 DBA-Deutschland auf die Einkünfte unseres Klienten nicht zur Anwendung kommt, in der Bescheidbegründung auf die nicht fristgerechte Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer Betriebsstätte in Deutschland stützt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Klärung dieser Frage zur Beurteilung der Anwendbarkeit des Art. 17 DBA-Deutschland schlichtweg irrelevant ist…

Zusammenfassend führt aus all diesen Gründen sowohl eine Interpretation nach dem Wortlaut als auch nach "Sinn und Zweck" des Art. 17 DBA-Deutschland (und des dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Art. 17 OECD-MA) zu einer Anwendbarkeit dieser Verteilungsregel auf die hier gegenständlichen Einkünfte unseres Klienten. Entsprechend wurden bisher auch nachweisbar auf die gegenständlichen Einkünfte unseres Klienten nach Maßgabe des § 50a dEStG die entsprechenden deutschen Steuerbeträge in Abzug gebracht…"

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom als unbegründet ab und führte aus:

"Der abkommensrechtliche Künstlerbegriff ist im Gegensatz zu dessen innerstaatlicher Definition viel enger auszulegen. Dies bewirkt, dass nur DARSTELLENDE Künstler unter Art. 17 DBA zu subsumieren sind. So sind bspw. die Tätigkeiten als Bühnenbildner, Regisseure, Kostümbildner, Light Designer oder Choreographen nicht als künstlerische Tätigkeiten nach Abkommensrecht anzusehen, (vgl . Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht 1/1 Z 17 Rz 16). Im gegenständlichen Fall handelt es sich um einen Kameramann, welcher analog zu den oben demonstrativ angeführten Berufsgruppen ebenfalls nicht als darstellender Künstler eingestuft werden kann. Die Bestimmungen des Art. 17 DBA finden somit keine Anwendung. Da trotz Aufforderung keine Stellungnahme zu einer ausländischen festen Einrichtung bzw. Betriebstätte abgegeben wurde, muss davon ausgegangen werden, dass eine Solche nicht existiert. Gemäß Art. 14 bzw. 7 ist dementsprechend von einem Besteuerungsrecht in Österreich auszugehen…"

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vom ergänzte der Bf. seine bisherigen Ausführungen dahingehend, dass in der Begründung zur Beschwerdevorentscheidung nicht auf die in der Beschwerde angeführten Punkte eingegangen worden sei. Insbesondere sei die Darlegung nicht gewürdigt worden, wonach, "Sinn und Zweck" des Art. 17 - und somit auch wesentliche Auslegungsgrundlage dieser Bestimmung - zusammengefasst sei, das Besteuerungsrecht für bestimmte Berufsgruppen, die aufgrund der mit der Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und vielfachen Einnahmemöglichkeiten im Wohnsitzstaat hinsichtlich der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit oftmals nur schwer steuerlich erfasst werden können, dem Tätigkeitsstaat zuzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtslage

Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 (die gesetzlichen Regelungen sind hier und im Folgenden jeweils in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung angeführt), sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

§ 2 Abs. 8 Z. 1 EStG 1988 bestimmt, dass für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte die Bestimmungen des EStG 1988 maßgebend sind, soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind.

Zufolge § 26 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. 154/1961, hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Im Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002, (kurz DBA-Deutschland), ist Folgendes festgelegt:

Laut Art 5 Abs. 1 DBA-Deutschland bedeutet der Ausdruck "Betriebsstätte" im Sinne dieses Abkommens eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.

Zufolge Art 7 Abs. 1 DBA-Deutschland dürfen Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Tätigkeit auf diese Weise aus, so dürfen die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.

Artikel 14 DBA-Deutschland lautet:

"Selbständige Arbeit

(1) Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste Einrichtung zur Verfügung, so dürfen die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.

(2) Der Ausdruck "freier Beruf" umfasst insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte und Buchsachverständigen."

Artikel 17 Abs. 1 DBA-Deutschland stellt klar:

"Künstler und Sportler

(1) Ungeachtet der Artikel 7, 14 und 15 dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker, oder als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Ungeachtet auch des Artikels 12 dürfen Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, im anderen Staat auch dann besteuert werden, wenn dort keine persönliche Tätigkeit ausgeübt wird. Entsprechendes gilt für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen."

Zusammenfassend ergibt aus den oben dargestellten Rechtsausführungen Folgendes:

Natürliche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich sind in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, dann erfasst die Steuerpflicht grundsätzlich alle steuerbaren Einkünfte im Sinne des § 2 EStG 1988 (Welteinkommen), und zwar unabhängig davon, ob sie auch im Ausland besteuert werden. Um zu verhindern, dass Steuerpflichtige, die grenzüberschreitende Aktivitäten setzen, doppelt besteuert werden, hat Österreich Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Das von Österreich mit Deutschland abgeschlossene DBA orientiert sich weitgehend am sogenannten OECD-Musterabkommen (OECD-MA). Die primäre Aufgabe eines jeden DBA liegt in der bloßen Zuteilung der Steuergüter. Erst in einem zweiten Schritt gibt das DBA Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor. Wenn ein DBA einem Staat ein Besteuerungsrecht gibt, so erfolgt die Besteuerung ausschließlich nach dortigem Recht. Ein DBA kann demnach kein Besteuerungsrecht begründen, sondern nur ein bestehendes Recht einschränken.

Demzufolge beinhaltet auch das DBA-Deutschland Zuteilungen von Besteuerungsrechten. Im Hauptteil des DBA-Deutschland wird jede Einkunftsart oder Vermögensart behandelt und das Besteuerungsrecht entweder dem Wohnsitzstaat oder dem Quellenstaat zugeteilt.

Die im Art 14 DBA-Deutschland noch enthaltene, im OECD-Musterabkommen seit 2000 jedoch nicht mehr vorgesehene (das Konzept der Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Arbeit gleicht aber im Wesentlichen jenem des Art 7 für Unternehmensgewinne) Verteilungsnorm für Einkünfte aus selbständiger Arbeit weist für Einkünfte aus einem freien Beruf oder einer sonstigen selbständigen Arbeit das Besteuerungsrecht dem Staat zu, in dem die Person ansässig ist, es sei denn, dass der Person im anderen DBA-Staat zur Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht.

Während durch eine demonstrative Aufzählung in Art 14 Abs. 2 veranschaulicht ist, was als "freier Beruf" gilt (wissenschaftliche, künstlerische…), ist der Begriff "feste Einrichtung" in Art 14 selbst nicht definierte, hat aber dem Grunde nach dieselbe Bedeutung und Reichweite wie der Begriff der Betriebstätte. Die für den Bestand einer Betriebstätte im Sinne des Art 5 relevanten Merkmale der örtlichen und zeitlichen Verflechtung und der nötigen Verfügungsmacht geltend daher in gleichem Maße für die Auslegung des Art 14 (vgl. dazu Bendlinger in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar, 2. Auflage 2019, Art 5).

Für die Anwendbarkeit der Art 17 DBA-Deutschland müssen Einkünfte "als Künstler, wie Bühnen-, Film, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker, oder als Sportler" bezogen werden. Das aus dem englischen und französischen Wortlaut des Art 17 abzuleitende Verständnis des Begriffes "Künstler", dem als Tatbestandsmerkmal der öffentliche Auftritt und - zumindest seit dem MA 2014 - auch der Unterhaltungscharakter zu entnehmen ist, spricht dafür, dass es sich dabei nur um eine ausübende Tätigkeit mit vortragendem Charakter vor Publikum handeln kann (so Toifl in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar, 2. Auflage 2019, Art 17).

Festgestellter Sachverhaltund dessen rechtliche Würdigung

Folgender Sachverhalt ergibt sich aus den Parteienvorbringen und der Aktenlage und ist im Ergebnis unbestritten:

Der in Österreich wohnhafte Bf. ist im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Im Beschwerdejahr erzielte der Bf. Einkünfte aus den für seine in Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Kameramann im Rahmen diverser Produktionen erhaltenen Honoraren. Das Vorliegen einer festen Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA-Deutschland wurde nicht vorgebracht und auch aus der Aktenlage ergibt sich nichts Gegenteiliges.

Strittig ist ausschließlich, in welcher Weise die aufgrund der Tätigkeit in Deutschland erhaltenen Gagen unter Bedachtnahme auf das DBA-Deutschland im Rahmen der Ermittlung des Einkommens in Österreich zu berücksichtigen sind. Konkret gilt es dabei zu klären, ob die Tätigkeit des Bf. als Kameramann dem Künstlerbegriff des Art. 17 DBA-Deutschland zuzuordnen oder als "selbständige Arbeit" zu betrachten und damit unter Art. 14 DBA-Deutschland zu subsumieren ist.

Mit der Thematik der Einordnung der Tätigkeiten von Künstlern unter das Regime des Art. 17 des OECD-MA hatte sich das Bundesfinanzgericht bereits im Erkenntnis vom , GZ. RV/6100184/2015, zu befassen und hat im Ergebnis mit auszugsweise folgender Begründung die Ansicht vertreten, dass unter dem Begriff "Künstler" in Art. 17 OECD-MA nur Personen, die in der Öffentlichkeit und damit vor Publikum auftreten, zu verstehen sind:

"…dass der Künstlerbegriff des Abkommens nicht deckungsgleich mit dem innerstaatlichen Künstlerbegriff ist. Von entscheidender Bedeutung ist, dass der Künstlerbegriff des Art 17 auf dem in der englischen Originalversion des Abkommens verwendeten Begriff des Entertainers basiert, der einen als Darsteller auf einer Bühne Tätigen bezeichnet. (Loukota/Jirousek Internationales Steuerrecht 30, Art 17. Tz 5).

So fallen unter diesen Begriff einerseits Tätigkeiten, die innerstaatlich nicht als Künstler angesehen würden wie Heurigenmusiker, DJ´s Zauberkünstler udgl. (Loukota/Jirousek Internationales Steuerrecht 30, Art 17. Tz 6 bis 9 mwBsp) Andererseits fallen Bühnenbildner, Kostümbildner, Choreographen und Regisseure nicht unter den Künstlerbegriff des Art. 17 des OECD MA, da sie - unabhängig von der zweifelsohne vorhandenen Qualität als Künstler - selbst nicht als darstellende Künstler vor Publikum auftreten. (Loukota/Jirousek Internationales Steuerrecht 30, Art 17. Tz 16).

Damit ist aber das gegenständliche Verfahren entschieden. Die Tätigkeit des BF an diversen ausländischen Opernhäusern war die eines Opernregisseurs. Er ist nicht als Schauspieler oder Sänger vor Publikum aufgetreten, er hat deren Auftritte vor Publikum inszeniert. Damit hat er eine künstlerische Tätigkeit im Sinn des Art 14 des OECD MA erbracht und nicht die Leistung eines "Entertainers" der selbst (unmittelbar) seine Leistung dem Publikum darbringt und unter Art 17 des OECD MA zu subsummieren wäre…"

Nichts Anderes kann aber für den vorliegenden Beschwerdefall gelten. Wenngleich Kameraleute eigenschöpferisch und eigenverantwortlich für Kameraführung und künstlerische und technische Bildgestaltung, z.B. bei TV-Produktionen, tätig sind, so erbringt ein Kameramann seine Leistung jedoch nicht persönlich vor Publikum bzw. öffentlich und weist diese darüber hinaus keinen Unterhaltungscharakter auf.

Ein typisches Merkmal einer künstlerischen Tätigkeit im Sinne des Art. 17 DBA-Deutschland ist es aber, Publikum anzuziehen und zu unterhalten (vgl. ). So deuteten der englische und französische Wortlaut des OECD-Musterabkommens ("entertainer" "artiste") immer bereits in die Richtung, dass ein Auftritt in der Öffentlichkeit notwendig ist. Dies wird im OECD-Musterkommentar 2017 insofern noch stärker betont, als dieser explizit klarstellt, dass Art. 17 keinesfalls für Personen mit verwaltungsmäßiger oder unterstützender Funktion gilt ("…it does not extend to…administrative or support staff (e.g. cameraman for a film…"). Als Beispiele nennt der MK sohin konkret Kameraleute bei der Filmproduktion (siehe Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017, Commentars on Article 17).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Tätigkeit des Bf. als Kameramann nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes nicht als die eines in der Öffentlichkeit auftretenden Künstlers mit Unterhaltungscharakter und damit nicht unter den Künstlerbegriff des Art. 17 DBA-Deutschland einzuordnen.

An dieser Beurteilung vermag auch der Einwand, wonach das Studium Bild- und Kameratechnik an der Universität für Musik und darstellende Kunst unter die Studiengruppe "künstlerische Studien" angeboten werde, nichts zu ändern. Wie bereits angeführt, haben die Doppelbesteuerungsabkommen ihre eigene Begriffssprache. Der Begriff des "Künstlers" ist daher abkommensautonom wie oben dargelegt zu interpretieren. Ob die Tätigkeit eines Kameramannes im Inland als "künstlerisch" angesehen wird, ist im Hinblick auf das Doppelbesteuerungsabkommen irrelevant (siehe (so Toifl in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar, 2. Auflage 2019, Art 17).

Das Finanzamt hat daher zu Recht die an den Bf. gezahlten Honorare für seine Leistungen als Kameramann in Deutschland als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß Art 14 Abs. 1 DBA-Deutschland gewertet und mangels Vorliegens einer festen Einrichtung in Deutschland bei Ermittlung des österreichischen Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 angesetzt.

Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

Nichtzulassung einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dass es typisches Merkmal einer "künstlerischen Tätigkeit" im Sinne des Art. 17 OECD-MA ist, Publikum anzuziehen und zu unterhalten, ergibt sich aus der in der Entscheidung zitierten VWGH-Judikatur. Daher ist eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 14 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 17 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105645.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at