Umschulungskosten (Berufspilot) als Werbungskosten eines Arztes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2020 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer erzielte im Streitjahr 2020 aus der Tätigkeit als Arzt Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner am eingereichten Einkommensteuererklärung machte der Beschwerdeführer unter anderem "Gewerkschaftsbeiträge und sonstige Beiträge zu Berufsverbänden und Interessensvertretungen (Kennzahl 717)" von EUR 2.905,66 und "Fortbildungs-, Ausbildungs- und Umschulungskosten (Kennzahl 722)" von EUR 8.415,07 als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2020 als vorläufigen Bescheid gemäß § 200 BAO und setzte die Einkommensteuer abweichend von der eingereichten Erklärung für ein Einkommen von EUR 73.559,14 in Höhe von EUR -615,- fest. Die Begründung dazu lautet: "Von den geltend gemachten Aus- und Fortbildungskosten … werden die Kosten für die Pilotenausbildung von gesamt EUR 6.158,51 nicht anerkannt. … Es wird darauf hingewiesen, dass bezüglich der Aus- und Fortbildungskosten für die Pilotenausbildung aus dem Jahr 2019 ein Vorlageantrag offen ist und eine Entscheidung des BFG noch ausständig ist. Aus diesem Grunde erfolgt die Veranlagung 2020 gem. § 200 BAO vorläufig. Bei der als Gewerkschaftsbeitrag unter KZ 717 geltend gemachten Zahlung vom von EUR 290,00 handelt es sich um Aus- und Fortbildungskosten … im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit. Der anteilig geltend gemachte Betrag iHv EUR 274,20 wird unter Kz 722 statt bisher Kz 717 berücksichtigt."
In seiner Beschwerde vom beantragte der Beschwerdeführer, die Fortbildungskosten der Pilotenausbildung von EUR 6.158,51 entsprechend erklärungsgemäß zu berücksichtigen. Weiter beantragte er, auf eine Beschwerdevorentscheidung zu verzichten und die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Zur Begründung verwies er auf seine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019. In seiner Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 führte der Beschwerdeführer bezogen auf seine Pilotenausbildung aus: "… Die Bildungsmaßnahme zum Verkehrsflugzeugführer dient dazu, zukünftig als Pilot bei einer Airline tätig zu sein. … Die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer/Fluglehrer erfüllt die Kriterien einer Umschulung… Wie bereits … mitgeteilt…, liegt in meinem Fall eindeutig der Ausbildungsweg zum Verkehrsflugzeugführer vor. Nach der PPL (private pilote license) habe ich die unten stehenden weiteren Schritte eingeleitet und stehe kurz vor dem Abschluss der "Airline Transport Pilot License" (ATPL):… AFZ (Allgemeines Sprechfunkzeugnis, Voraussetzung für Verkehrsflugzeugführer/IFR instrument flight rules); NVFR (night visual flight rules); AUPRT(advanced up side and recovery training - nur für Verkehrsflugzeugführer vorgeschrieben); time building zum Erlangen der CPL (commercial pilot license); ICAO language proficiency check level 6/6. Folgende Ausbildungsmodule schließen sich für das Jahr 2021 an: IFR (instrument flight rules); MEP (multi engine piston); CPL (commercial pilot license). All diese Maßnahmen sind abgesehen von den Kosten mit erheblichem Lern- und Zeitaufwand verbunden, und zielen eindeutig auf das Vorhaben ab als Verkehrsflugzeugführer/Fluglehrer tätig zu sein…".
Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und brachte vor: "…Die Pilotenausbildung ist weder mit der derzeit ausgeführten [Tätigkeit] verwandt noch vereinbar. Eine Umschulung ist auch nicht anzunehmen, da diese Ausbildung Stand Dezember 2022 immer noch nicht eine neue Einkunftsquelle darstellt. Die Abgabenbehörde beantragt die vollinhaltliche Abweisung der Bescheidbeschwerde auch für das Jahr 2020."
Das Bundesfinanzgericht forderte den Beschwerdeführer am zur Stellungnahme und Vorlage von Unterlagen zu folgenden Punkten auf:
"1) Im Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung 2019 geben Sie an, dass Sie "in wenigen Monaten die komplette ATPL-Prüfung ablegen" werden. Haben Sie diese Prüfung inzwischen abgelegt? Legen Sie gegebenenfalls entsprechende Nachweise vor.
2) In Ihrer Beschwerde verweisen Sie auf die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019. In diesem Schriftsatz führen Sie aus, dass Sie im Jahr 2021 mehrere Ausbildungsmodule abschließen wollen. Geben Sie an, welche Ausbildungsmodule bzw. (Teil-)Prüfungen Sie bis heute abgeschlossen haben, und legen Sie entsprechende Nachweise vor. Geben Sie auch an, welche Ausbildungsmodule bzw. (Teil-)Prüfungen Sie zukünftig abzulegen planen und stellen Sie den angestrebten zeitlichen Ablauf dar.
3) Stellen Sie dar, in welchem organisatorischen und zeitlichen Rahmen Sie beabsichtigen, zukünftig als Berufspilot tätig zu sein.
4) Geben Sie an, in welchem organisatorischen und zeitlichen Rahmen Sie zukünftig Ihre ärztliche Tätigkeit ausüben wollen. Haben Sie die Facharztprüfung bereits abgelegt?"
Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:
"Zu 1.) Meine theoretische ATPL-Prüfung habe ich im Mai 2021 abgeschlossen (Prüfungsurkunde angehängt).
Zu 2.) Es wurden alle Ausbildungsmodule für die sog. frozen ATPL abgelegt, dies schließt ein (PPL(A), NFR, SEP-IFR, MEP-VFR, MEP-IFR, MCC, JOT, CPL(A)), in der Lizenz ist der Eintrag CPL(A) sog. Berufs-Pilotenlizenz zu finden, zusammen mit dem MCC (ebenfalls angehängt) ist der Status der frozen ATPL (A) erreicht. Dies ist die Voraussetzung um sich bei den meisten Airlines zu bewerben. Der Abschluss der Ausbildung war im August 2022. Es sind keine weiteren Module zu absolvieren.
Zu 3.) Ich beabsichtige Vollzeit als Pilot zu arbeiten, zur Zeit laufen mehrere Bewerbungsverfahren unter anderem bei, Airline_A, Airline_B, Airline_C, Airline_D, Airline_E. Bei Airline_A bin ich bereits in der 2. von 3 Auswahlstufen, und hoffe bei positivem Assessment auf eine Stelle zum Jahreswechsel.
Zu 4.) Ich beabsichtige meine ärztliche Tätigkeit höchstens als Nebentätigkeit in geringfügigem Maße auszuüben. Vor allem die ersten Jahre im Cockpit, ist es unrealistisch eine Nebenbeschäftigung auszuüben. Meine Facharzt-Prüfung lege ich Ende des Jahres ab."
Mit weiterem Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer Eingangsbestätigungen für seine Bewerbungen bei verschiedenen Airlines und führte aus, dass er bei Airline_A am 21./ Stufe 2 erfolgreich bestanden habe und nur noch auf den abschließenden Interview-Termin warte.
Das Finanzamt gab zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt und Beweiswürdigung
Der Beschwerdeführer war im Streitjahr 2020 als Arzt nichtselbständig beschäftigt und erzielte aus seiner ärztlichen Tätigkeit auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
Er hat im Jahr 2020 EUR 6.158,51 für seine Ausbildung zum Berufspilot und EUR 2.256,53 für Aus- und Fortbildungskosten als Arzt aufgewendet.
Der Beschwerdeführer hat die Prüfungen zum Erwerb der Lizenz ATPL(A) ECQB erfolgreich absolviert (vgl. die von der Austro Control GmbH ausgestellte Bescheinigung vom - in dieser sind im Übrigen insgesamt neun im Streitjahr 2020 abgelegte Prüfungen angeführt). Er ist Inhaber der von der Austro Control GmbH am ausgestellten Lizenz CPL(A) mit der Lizenznummer X.
Der Beschwerdeführer hat sich in der Vergangenheit bei mehreren Airlines als Pilot beworben. Er hat zum Stichtag die ersten beiden Stufen des Auswahlverfahrens für Piloten bei Airline_A erfolgreich absolviert.
Diese Umstände sind aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers glaubwürdig und durch die beigebrachten Beweismittel belegt.
Die vom Beschwerdeführer ergriffenen Maßnahmen zur Qualifikation als Berufspilot waren bis zum Entscheidungszeitpunkt derart umfassend, dass sie den Einstieg in eine von seiner ärztlichen Tätigkeit verschiedene neue Tätigkeit (als Berufspilot) ermöglichen. Dies ist angesichts des Umstandes erwiesen, dass der Beschwerdeführer die ersten beiden Stufen des Auswahlverfahrens für Piloten bei Airline_A erfolgreich absolviert hat.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Strittig ist zwischen den Parteien ausschließlich, ob die Aufwendungen für die vom Beschwerdeführer verfolgte Pilotenausbildung Werbungskosten oder Kosten der privaten Lebensführung sind.
Werbungskosten sind Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen (§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988).
Die ausdrücklich genannte Voraussetzung, dass die (umfassenden) Umschulungsmaßnahmen auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen müssen, ist in Verbindung mit dem allgemeinen Abzugsverbot von Aufwendungen für die Lebensführung gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 zu sehen. Bildungsmaßnahmen, die aus Gründen des persönlichen Interesses getätigt werden, sind vom Abzug ausgeschlossen. Sie stellen Kosten der Lebensführung dar. Abzugsfähig sind Aufwendungen, die - auch unter Berücksichtigung der zunächst angefallenen Ausbildungskosten - zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges Steuersubstrat darstellen. Ob der Wille des Steuerpflichtigen darauf gerichtet ist, sich eine neue Einkunftsquelle durch die Ausübung eines anderen Berufes zu verschaffen, ist im Einzelfall an Hand objektiver Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Es müssen Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen ().
Aufwendungen zum Erwerb der Berufspilotenlizenz führen zu Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, wenn sie im Rahmen einer erwerbsorientierten Umschulung anfallen - dies unabhängig davon, ob es dem Steuerpflichtigen nach Abschluss der Umschulung tatsächlich gelingt, im angestrebten Beruf Fuß zu fassen. Es kann dem von der Umschulung Betroffenen daher nicht zum Nachteil gereichen, wenn er neben der Umschulung zum Berufspiloten und den daran anschließenden Versuchen, eine Stelle als Berufspilot zu erlangen, einer anderweitigen Tätigkeit nachgegangen ist ( mwN).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ist zweifelsfrei erkennbar, dass die vom Beschwerdeführer ergriffenen Maßnahmen zum Erwerb der Qualifikation als Berufspilot solche einer erwerbsorientierten Umschulung im Sinn der dargestellten Judikatur sind. Die damit verbundenen Aufwendungen sind daher Werbungskosten im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988.
[...]
2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes erfolgte entsprechend der in den zitierten Judikaten des Verwaltungsgerichtshofes geäußerten Rechtsansichten. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100649.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
OAAAC-33507