§ 295a BAO iVm der Covid-19-Verlustberücksichtigungsverordnung
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/15/0017. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
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Rechtssätze | |
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Folgerechtssätze | |
RV/5100379/2022-RS1 | wie RV/7102950/2022-RS1 Bedenkt man, dass auch der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gilt, ist analog davon auszugehen, dass bei einer überhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den im Folgejahr tatsächlich angefallenen Verlust erforderlich sein wird. |
RV/5100379/2022-RS2 | wie RV/7102950/2022-RS2 Es kann dem Gesetzesgeber nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Die Kürzung dahingehend, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst, ist auch in Hinblick auf die betragsmäßige Höhe korrekt, da somit einerseits die in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits ein Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage vermieden wird (vgl. dazu die Erläuterungen RV 87 BlgNR XXVII. GP, S 8). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 zu Recht erkannt:
I.
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf
Mit Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 vom wurde eine COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € beantragt und Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 132.441,39 € erklärt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom wurde die Rücklage in dieser Höhe festgesetzt.
Mit Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 wurde die Hinzurechnung der in der Veranlagung 2019 abgezogenen COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € beantragt und Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von -1.797,21 € erklärt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom wurde der Bescheid vom gemäß § 295a BAO geändert. Als COVID-Rücklage wurde eine Betrag von -1.797,21 € festgesetzt und wie folgt begründet:
Da sich die gebildete COVID-19-Rücklage als zu hoch erwiesen hätte, wäre eine entsprechende Bescheidänderung vorzunehmen gewesen.
Mit Schreiben vom wurde gegen obigen Bescheid Beschwerde erhoben und wie folgt begründet: Die rückwirkende Kürzung der COVID-19-Rücklage mit Verweis auf § 295a BAO finde sich zwar in den EStR (Rz 3920), bei den Einkommensteuerrichtlinen handle es sich jedoch lediglich um einen Auslegungsbehelf. Diese rückwirkende Kürzung erscheine weder vom EStG 1988, noch von der COBID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung gedeckt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:
Die Einkommensteuerrichtlinien seien Auslegungsbehelfe, und die österreichische Finanzverwaltung halte sich an diese, sollten Rechtsbeurteilungen nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt sein.
Da es sich bei der für 2019 erklärten COVID-19-Rücklage nicht bloß um eine geringfügige betragliche Differenz zu den tatsächlichen Verlusten im Jahr 2020 handle, wäre die COVID-19-Rücklage entsprechend zu korrigieren gewesen.
Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gestellt und wie folgt begründet:
Es werde die Anerkennung der COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € im Jahr 2019 und deren vollständige Auflösung im Jahr 2020 beantragt.
Im zeitlichen Zusammenhang mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2020 sei die COVID-19-Rücklage 2019 rückwirkend gekürzt worden mit der Begründung, dass sich diese nachträglich als zu hoch erwiesen hätte.
In der Beschwerdevorentscheidung berufe sich das Finanzamt auf die Einkommensteuerrichtlinien, ohne diese jedoch konkret zu zitieren. Es ergebe sich bei Einsicht in die Einkommensteuerrichtlinien auch gar nicht, dass die bei der Veranlagung für 2019 gebildete COVID-19-Rücklage zu einer Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 gemäß § 295a BAO führen könne, wenn sich bei der Veranlagung 2020 herausstelle, dass die gebildete COVID-19-Rücklage nicht dem tatsächlichen Verlust bei der Veranlagung entsprochen hätte.
Würde sich eine derartige Handlungsanweisung aber tatsächlich in den Einkommensteuerrichtlinien der Finanzverwaltung finden, so widerspreche diese klar dem Wortlaut der § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, da darin ausdrücklich geregelt sei, dass die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen sei.
Es bestehe daher keine Rechtsgrundlage dafür, die Differenz zwischen der bei der Veranlagung 2019 berücksichtigten COVID-19-Rücklage und dem tatsächlichen Verlust bei der Veranlagung 2020 rückwirkend in die Veranlagung des Jahres 2019 einzubeziehen und den Bescheid gemäß dem § 295a BAO abzuändern.
§ 295a BAO setze nicht nur ein "Ereignis" voraus, sondern auch, dass dieses abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hätte, Dafür bedürfe es einer Rechtsgrundlage im Gesetz oder in einer Verordnung.
Dies sei bei einer Erlassmeinung des Bundesministeriums für Finanzen aber gerade nicht der Fall. Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen habe, würden Erlässe der Finanzverwaltung keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen (; , 2010/13/0138). Sie würden lediglich die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen darstellen. Die Einkommensteuerrichtlinien würden in ihrer Einleitung sogar selbst darauf hinweisen, dass aus ihnen über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten nicht abgeleitet werden könnten.
Die Erlassung von Einkommensteuerrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen könne daher schon aus diesem Grund kein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO herbeiführen ().
Die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 gemäß § 295a BAO durch nachträgliche Hinzurechnung jenes Teiles der COVID-19-Rücklage, die nicht einem tatsächlichen Verlust im Jahr 2020 entspreche, bei der Veranlagung 2019 sei rechtswidrig und hätte daher die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 und eine Abgabennachforderung von 18.967,00 € für 2019 zu unterbleiben. Vielmehr sei die gesamte für das Jahr 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage gemäß § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen.
Mit Vorlagebericht vom wurde die obige Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hätte am die Einkommensteuererklärung 2019 eingereicht. In dieser sei ein Antrag auf Berücksichtigung einer COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € gestellt und die Erklärung abgegeben worden, dass bei der Veranlagung 2020 der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte voraussichtlich negativ sein werde.
Im Einkommensteuerbescheid 2019 vom sei die COVID-19-Rücklage im beantragten Ausmaß anerkannt worden.
Nachdem sich aus der am eingereichten Einkommensteuererklärung für 2020 ein negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte in Höhe von lediglich 1.791,21 € ergeben hätte (Probebescheid 2020) hätte das Finanzamt am den angefochtenen, gemäß § 295a BAO geänderten Bescheid für 2019 erlassen und diesen bezüglich der COVID-Rücklage, die nur im Ausmaß des negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte laut Einkommensteuererklärung 2020 anerkannt worden war, berichtigt.
Stellungnahme:
1. Rechtslage
§ 295a Abs. 1 BAO; § 124b Z 355 lit. a EStG 1988; COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl.II, Nr. 405/2020, § 1 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988
2. Verwaltungspraxis
Ergebe sich in Folge der Hinzurechnung der COVID-19-Rücklage (im Jahr der Auflösung) ein positiver Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte sei die COVID-19-Rücklage zu hoch gebildet worden und es sei eine Korrektur vorzunehmen: Im Jahr der Bildung der COVID-19-Rücklage sei diese dahingehend zu kürzen, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasse. Die Korrektur sei im Wege des § 295a BAO vorzunehmen.
3. Rechtsauffassung des Finanzamtes
§ 295a BAO sei der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden - trete ein solches Ereignis nach Erlassen des Bescheides ein, dann sei § 295a BAO anwendbar.
In § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 werde für den Verlustvortrag ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 295a BAO angeordnet.
Aus der am eingereichten Abgabenerklärung für 2020 sei ersichtlich, dass sich für dieses Jahr ein negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte in Höhe von lediglich 1.797,21 € ergeben hätte und dass sich aufgrund der Hinzurechnung der für 2019 gebildeten COVID-19-Rücklage ein positiver Gesamtbetrag in beträchtlicher Höhe ergeben haben würde. Damit wäre für das Finanzamt erwiesen, dass die COVID-19-Rücklage 2019 zu hoch gebildet worden wäre.
Das Finanzamt hätte den Einkommensteuerbescheid 2019 wie im Sachverhalt dargestellt geändert und werde folglich im Einkommensteuerbescheid 2020 eine Zurechnung der COVID-19-Rücklage nur in der Höhe des negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2020 durchführen.
Die COVID-19-Rücklage sei eine vorweggenommene Berücksichtigung des Verlustrücktrages, der auf der COVID-19-Verlusberücksichtigungsverordnung beruhe, deren Rechtsgrundlage wiederum die Verordnungsermächtigung in § 124b Z 355 lit. a EStG 1988 darstelle. Der COVID- 19-Verlustverücksichtigungsverordnung könne im Weg der Auslegung keine über den Gesetzestext hinausgehende Bedeutung beigemessen werden. Der Gesetzestext des § 124b Z 355 EStG 1988 lasse ausschließlich die Berücksichtigung von Verlusten zu, nicht aber die Verschiebung von Gewinnen.
§ 1 Abs. 1 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung erfordere daher in gesetzeskonformer Auslegung einen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr der Auflösung der Rücklage. Sei die Rücklage zu hoch gebildet worden, sei (allenfalls abgesehen von Bagatellfällen) immer eine Korrektur im Jahr der Bildung erforderlich.
Mangels eines ausreichenden negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte im Veranlagungsjahr 2020 würde es im Falle eines stattgebenden Erledigung der Beschwerde zu einer willkürlichen Gewinnverschiebung kommen.
Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt
Die Einkommensteuererklärung 2019 des Beschwerdeführers langte am elektronisch beim Finanzamt ein. Der Beschwerdeführer beantragte darin für das Jahr 2019 eine COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 € gemäß COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020.
Diese wurde ihm im ursprünglichen (ersten) Einkommensteuerbescheid vom im beantragten Ausmaß gewährt. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit wurden mit 132.441,39 € festgesetzt.
Die Einkommensteuererklärung 2020 langte am elektronisch beim Finanzamt ein, der Verlust aus den Einkünften aus selbständiger Arbeit laut Erklärung beträgt 1.797,21 €.
Mit dem beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheid gemäß § 295a BAO wurde die COVID-19-Rücklage des Jahres 2019 auf den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte des Kalenderjahres 2020 in Höhe von 1.797,21 € Euro gekürzt.
Rechtliche Begründung
§ 295a BAO lautet wie folgt:
Abs. 1
Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.
§ 124b Z 355 EStG 1988 lautet folgendermaßen:
lit. a
Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5,000.000,00 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:
- Die Verluste müssen durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sein.
- Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.
- Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).
Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.
Daraufhin wurde mit der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung wie folgt festgelegt:
COVID-19-Rücklage
§ 1
Abs. 1
Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:
1.
Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden.
2.
Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
3.
Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:
a.
Sie beträgt ohne weiteren Nachweis bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.
b.
Sie beträgt bis zu 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.
…..
§ 2
Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.
…..
§ 4
Die Bildung einer COVID-19-Rücklage erfolgt auf Antrag.
…..
Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO.
Zu prüfen ist folglich, ob ein Ereignis iSd § 295a BAO vorliegt und ob dieses Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder den Umfang des Abgabenanspruches hat.
§ 295a BAO ist dann anzuwenden, wenn abgabenrelevante Umstände rückwirkend erfasst werden müssen, weil sie den Sachverhalt, der einem Bescheid zugrunde gelegt wurde, ändern. Es kann somit ein ursprünglich richtiger Bescheid abgeändert werden. Dieser ursprüngliche Bescheid erging aufgrund eines richtig festgestellten Sachverhaltes, der durch ein Ereignis, das auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld zurückwirkt, geändert wird. Der zunächst rechtmäßige Bescheid wird durch den Eintritt des Ereignisses iSd § 295a BAO rechtwidrig ().
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (; , 2006/15/0219). § 295a BAO kann nur im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein ().
Nach Ritz, BAO7, § 295a, Rz 3, muss sich die Rückwirkung von Ereignissen aus den Abgabenvorschriften ergeben. Welchen Ereignissen eine solche Rückwirkung zukommt, ist eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der (materiellrechtlichen) Abgabenvorschriften (Ritz, BAO7, § 295a, Rz 4). Anhand der materiellen Abgabengesetze ist zu prüfen, ob ein Anwendungsfall der § 295a BAO vorliegen kann.
Das durch die Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte nachträgliche Ereignis iSd § 295a BAO ist im vorliegenden Fall die Ermittlung und steuerliche Erklärung des Betriebsergebnisses des Jahres 2020, das mit einem Verlust von 1.797,21 € unstrittig wesentlich geringer war als die im Jahr 2019 gebildete COVID-19-Rücklage in Höhe von 39.732,42 €.
In § 1 Abs. 1 der gegenständlichen Verordnung wird der Ansatz des voraussichtlichen Verlustes 2020 festgelegt. In der Regel wird der voraussichtliche, vermutlich geschätzte, Verlust nicht exakt mit dem tatsächlichen übereinstimmen. Im vorliegenden Fall ergibt sich eine hohe Differenz zwischen voraussichtlichem und tatsächlichen Verlust.
Strittig ist, ob es sich bei dem Umstand, dass der tatsächliche Verlust im Jahr 2020 geringer war als durch den Beschwerdeführer bei der Schätzung im Jahr 2019 angenommen um ein nachträgliches Ereignis iSd § 295a BAO handelt und ob aus diesem Grund die COVID-19-Rücklage für das Jahr 2019 auf den tatsächlichen Verlust zu kürzen war.
In Anbetracht dessen, dass der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gilt, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes analog davon auszugehen, dass bei einer überhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den im Folgejahr tatsächlich angefallenen Verlust erforderlich sein wird. Es kann dem Gesetzesgeber nämlich nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen ().
Die Kürzung dahingehend, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst, bewirkt, dass einerseits die in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits ein Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage vermieden wird (siehe dazu die Erläuterungen RV 87 BlgNR 27. GP, S 8).
Die Beschwerde war folglich als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zu der Frage, ob ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vorliegt, wenn der tatsächlich angefallene Verlust des Jahres 2020 geringer ist als eine im Jahr 2019 auf Basis von § 124b Z 355 EStG 1988 eingestellte COVID-19-Rücklage, existiert das zitierte Erkenntnis des BFG, jedoch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die Revision zuzulassen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020 § 124b Z 355 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100379.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at