Anspruchszinsenberechnung anhand der Differenz Gutschrift laut stattgebender BVE minus Gutschrift laut Erstbescheid
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist in diesem Beschwerdeverfahren alleine die Rechtsfrage, ob bei der Berechnung von Anspruchszinsen immer vom zuletzt bescheidmäßig festgesetzten Abgabenbetrag oder vom Differenzbetrag zwischen diesem Betrag und einem bisher festgesetzten Betrag auszugehen ist.
I. Verfahrensgang und unstrittig gegebener Sachverhalt
Aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuer für Bf (in der Folge: Beschwerdeführer: Bf) im Erst-Einkommensteuerbescheid 2015 (ESt 2015) vom mit einer Gutschrift von € 835,00 ergab sich keine Festsetzung von Anspruchszinsen, weil diese mit ca. 46,00 € unter der Bagatellgrenze des § 205 Abs. 2 BAO (€ 50,00) blieben. Der ESt-Bescheid wich von der Steuererklärung im hier wesentlichen Zusammenhang insoweit ab, dass der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag, der Kinderfreibetrag und die erhöhte Obergrenze für die sog. Topf-Sonderausgaben nicht zum Ansatz kamen, weil kein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag für mehr als 6 Monate bestand.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid legte der Bf dar, dass ihm als Alleinerzieher ein Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag für 9 Monate zustehe. Aufgrund der verspäteten Beantragung sei die die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nur für einen Monat ausbezahlt worden.
Nach der voll stattgebenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom betrug die festgesetzte Gutschrift € 1.739,00. Infolge der vom Gesetz vorgeschriebenen Berechnungsweise hat das Finanzamt von der in der BVE festgesetzten ESt iHv € 1.739,00 die bisher festgesetzte Abgabe iHv € 835,00 abgezogen und von diesem Differenzbetrag (€ 904,00) die Anspruchszinsen für die laut Gesetz maximal möglichen 48 Monate mit einem Bescheid vom mit € 50,19 festgesetzt.
Das am als Vorlageantrag eingebrachte Schreiben, wurde vom Finanzamt als Beschwerde gegen die Festsetzung der Anspruchszinsen vom gewertet, weil der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 mit der BVE vom bereits entsprochen wurde und sich die Ausführungen im eingebrachten Schreiben auch eindeutig gegen die Festsetzung der Anspruchszinsen richteten. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass sich bei einer schon ursprünglich richtigen Berechnung der ESt mit € 1.739,00 Anspruchszinsen von € 96,54 ergeben hätten. Dadurch sei der Bf gegenüber anderen Abgabepflichtigen, bei denen dem Finanzamt kein Fehler unterlaufen wäre, diskriminiert.
Nach der Ansicht des Bf hätte man eben die Anspruchszinsen über den gesamten Zeitraum von 48 Monaten nach den letztlich als richtig festgestellten € 1.739,00 ermitteln müssen. Dabei hätten sich Anspruchszinsen von ca. € 96,54 ergeben.
Das Festhalten an einer diskriminierenden Bagatellgrenze und deren Rechtfertigung mit Verwaltungsökonomie sei in Zeiten der automatisierten Abgabenberechnung und Bescheiderstellung nicht gerechtfertigt. Die Regelung sei im Ergebnis diskriminierend, da dadurch Abgabepflichtige, die ursprünglich zu viel Steuer bezahlt hätten, benachteiligt würden. Im Gegensatz dazu würden Personen, die ursprünglich zu wenig Steuern bezahlt hätten, einen Vorteil haben.
Letztlich sei ihm durch das fehlerhafte Handeln eines Amtsträgers ein finanzieller Nachteil erwachsen, stehe ihm ein entsprechender Schadenersatz zu. Über diesen sei bisher nicht abgesprochen worden.
Am hat das Finanzamt mit einer BVE die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid als unbegründet abgewiesen. Der Bf hätte sinngemäß zu erkennen gegeben, er bekämpfe den Anspruchszinsenbescheid wegen eines ursprünglich inhaltlich rechtswidrigen Abgabenbescheides. Der Zinsenbescheid sei aber nicht mit der Begründung anfechtbar, dass der maßgebende Abgabenbescheid inhaltlich rechtswidrig sei. Die weiters angeführte kritische Sicht der Bagatellgrenze des § 205 Abs. 2 BAO iHv € 50,00 sei gesetzlich normiert und liege nicht im Einflussbereich der Behörde.
Dagegen brachte der Bf am einen Vorlageantrag ein, indem er inhaltlich die Ausführungen in der Beschwerde wiederholte.
Das Finanzamt legte die Beschwerde in der Folge am dem BFG zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung
1.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Nach Ansicht des Richters bekämpft der Bf den Anspruchszinsenbescheid nicht mit der Begründung, dass der Stammabgabenbescheid inhaltlich rechtswidrig sei. Vielmehr vertritt der Bf nach seinen Ausführungen die Ansicht, dass die Anspruchszinsen für den gesamten Zeitraum vom zuletzt festgestellten Gutschriftsbetrag ohne Abzug eines zuvor festgestellten niedrigeren Gutschriftsbetrag zu berechnen sei.
Rechtslage
Gemäß § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgaben ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Nach § 205 Abs 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von EUR 50 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Höchstens sind Anspruchszinsen für einen Zeitraum von 48 Monaten festzusetzen.
Die Regelung des § 205 Abs 2 zweiter Satz, dass Anspruchszinsen, die den Betrag von EUR 50 nicht übersteigen, nicht festzusetzen sind, gilt auch für Gutschriftzinsen (vgl Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 6. Auflage, § 205 Rz 15).
Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen. Bemessungsgrundlage ist die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift. Aufgrund des klaren Wortlautes des § 205 Abs 1 BAO ("Differenzbeträge, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben") und nach herrschender Lehre (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 6. Auflage, § 205 Tz 33) löst jede Nachforderung und jede Gutschrift in Bezug auf den Stammabgabenbescheid (Grundlagenbescheid) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen eigenen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor. Dies entspricht auch der ständigen Rsp des Bundesfinanzgerichtes (vgl ; , RV/7104620/2014; , RV/6100343/2010; , RV/7101338/2015).
Wegen der Bindung der Anspruchszinsenbescheide an die zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide könnten die Anspruchszinsenbescheide nicht mit der Begründung erfolgreich angefochten werden, der jeweilige Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 34).
Erweist sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (zB Gutschriftszinsen als Folge des Wegfalles einer rechtswidrigen Nachforderung).
Erfolgt eine Änderung oder Aufhebung des Stammabgabenbescheids, hat ein neuer, eigenständiger Anspruchszinsenbescheid zu ergehen, und ist nicht der bisherige Anspruchszinsenbescheid abzuändern. (vgl. ; Ritz, BAO6, § 205 Tz 35 f).
Bei den parlamentarischen Unterlagen zur Einführung von Anspruchszinsen gem. § 205 BAO (ErläutRV 311 BlgNR 21. GP 210 ff) finden sich folgende Ausführungen:
Der für die Anspruchszinsen maßgebliche Differenzbetrag errechnet sich bei erstmaliger Abgabenfestsetzung aus dem Saldo zwischen der Abgabenvorschreibung (nach Abzug der gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 anzurechnenden durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, wie z.B. Lohnsteuer) und der Summe der Vorauszahlungen sowie entrichteter Anzahlungen. Bei Abänderungen von Abgabenfestsetzungen (z.B. gemäß § 295 BAO oder als Folge einer Wiederaufnahme des Verfahrens) ergibt sich der zinsenrelevante Differenzbetrag aus der nunmehr vorgeschriebenen Abgabe abzüglich der bisher vorgeschriebenen Abgabe.
Gutschriftszinsen ergeben sich beispielsweise, wenn die Vorauszahlungen höher sind als die bei Veranlagung festgesetzte Abgabenschuld oder bei Minderungen von Abgabenfestsetzungen etwa durch Berufungs(vor)entscheidungen.
………
Die Bagatellgrenze (im § 205 Abs. 2 zweiter Satz BAO) von 20 Euro ( Anm. d. Ri.: nunmehr 50,00 €) dient primär der Verwaltungsökonomie.
Bis zu einem errechneten Zinsbetrag von € 50,00 unterbleibt eine Festsetzung (Bagatellgrenze). Das gilt sowohl für Nachforderungs- als auch für Gutschriftszinsen und soll - wie sich auch aus den parlamentarischen Unterlagen ergibt- primär der Verwaltungsökonomie dienen (§ 205 Abs. 2 zweiter Satz BAO). Jeder Abgabenbescheid löst eine (neue) Berechnung der Anspruchszinsen aus und führt zu einem getrennten Anspruchszinsenbescheid.
Erwägungen
Jede Nachforderung bzw. Gutschrift löst gegebenenfalls einen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt je Differenzbetrag eine Abgabe vor. Einer Abänderung (Aufhebung) des Stammabgabenbescheides ist gegebenenfalls durch die amtswegige Erlassung eines neuen Zinsenbescheides Rechnung zu tragen. Es erfolgt keine Änderung des ursprünglichen Bescheides. Dass es in Fällen der Bagatellgrenze nicht zur vollständigen Egalisierung kommt, wurde vom Gesetzgeber im Interesse der Verfahrensökonomie in Kauf genommen, weil sich die Bagatellregelung nicht nur zu Lasten von Abgabepflichtigen, sondern je nach Fallkonstellation ebenso zu ihren Gunsten auswirken kann.
Im gegenständlichen Fall löste der Erst-Einkommensteuerbescheid 2015 vom aufgrund der Höhe der Gutschrift von € 835,00 keine Festsetzung von Anspruchszinsen aus, weil diese mit ca. 46,00 € unter der Bagatellgrenze des § 205 Abs. 2 BAO blieben.
Nach der Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 18.32021 betrug die festgesetzte Gutschrift € 1.739,00. Für die nun neuerlich erforderliche Berechnung der Anspruchszinsen schreibt § 205 Abs 1 BAO vor, dass diese anhand des Differenzbetrages der nun neu festgesetzten Einkommensteuer nach Gegenüberstellung mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe zu erfolgen hat.
Demgemäß hat das Finanzamt von der in der BVE festgesetzten ESt iHv € 1.739,00 die bisher festgesetzte Abgabe iHv € 835,00 abgezogen und von diesem Differenzbetrag die Anspruchszinsen für die laut Gesetz maximal möglichen 48 Monate mit € 50,19 ermittelt, wobei diese Berechnung rein mathematisch nicht bestritten wird.
Nach der Ansicht des Bf hätte man aber die Anspruchszinsen über den gesamten Zeitraum von 48 Monaten nach den letztlich als richtig festgestellten € 1.739,00 ermitteln müssen. Dabei hätten sich Anspruchszinsen von ca. € 96,00 ergeben.
Diese Ansicht des Bf widerspricht - obwohl aus seiner Sicht der Dinge verständlich- dennoch dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, an welchen der Richter gebunden ist.
Überdiese entspricht dies auch der ständigen Rechtsprechung des UFS und des BFG. Der Richter sieht auch aufgrund der zusätzlich zum eindeutigen Wortlaut des Gesetzes klaren Ausführungen des Gesetzgebers in den parlamentarischen Unterlagen keinen Grund von der ständigen Rechtsprechung abzugehen (; RV/0040-I/07; ; ; ; ).
§ 205 BAO ist auch unabhängig von einem Verschulden anzuwenden. Wenn der Bf mehrmals mit einem Fehler der Finanzverwaltung, der zu einem unrichtigen Erstbescheid geführt habe, argumentiert, ist dem -im Ergebnis zwar bedeutungslos- entgegenzuhalten, dass der Bf in der Beschwerde selbst ausführte, dass aufgrund der verspäteten Beantragung die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nur für einen Monat ausbezahlt worden sei. Damit lagen aber für die Finanzverwaltung bei der Erlassung des Erstbescheides die Voraussetzungen für die Anerkennung der beantragten Beträge nicht vor.
Hinsichtlich des angesprochenen Schadenersatzes ist ergänzend festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht nach den Bestimmungen des B-VG u.a. über Beschwerden gegen Abgabenbescheide entscheidet. Die Geltendmachung eines Schadenersatzes müsste in einem anderen (zivilgerichtlichen) Verfahren erfolgen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Erkenntnis ergibt sich die Lösung der Rechtsfrage bereits klar aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (vgl § 205 Abs. 1 und Abs. 2 BAO), weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 205 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100268.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at