Teilweise Gewährung von Verfahrenshilfe in Beschwerdeverfahren betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen
Entscheidungstext
Beschluss-Verfahrenshilfe
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** über den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe des Antragstellers ***ASt***, ***ASt-Adr***, vertreten durch Deszendentenfortbetrieb Dietrich W., Wagramerstraße 4/Büro Top 5, 1220 Wien, vom für die Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2016 sowie vom betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2010 bis 2016, Steuernummer ***AStStNr***, beschlossen:
I. Dem Antragsteller wird für die Beschwerdeverfahren gegen die Bescheide vom betreffend Einkommensteuer 2010 sowie 2012 bis 2016 Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO bewilligt.
Die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Diese wird hiervon gemäß § 292 Abs. 10 BAO benachrichtigt.
II. Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird betreffend die Beschwerdeverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom und die Bescheide vom betreffend die Festsetzung von Anspruchszinsen für 2010 bis 2016 abgewiesen.
III. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
In Folge einer beim Antragsteller durchgeführten Betriebsprüfung, wurde dem Antragsteller mit Bescheiden vom , zugestellt am , Einkommensteuer für die Jahre 2010 bis 2016 in Höhe von € 111.725,83 (2010), € 131.238,00 (2011), € 129.617,00 (2012), € 273.714,00 (2013), € 174.475,00 (2014), € 139.986,00 (2015) und € 1.824,00 (2016) vorgeschrieben. Weiters wurden mit Bescheiden vom die diesbezüglichen Anspruchszinsen festgesetzt.
Am erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde gegen die o.a. Bescheide und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO. Hinsichtlich dieses Antrags führte der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes aus:
Er könne die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts nicht aufbringen und überdies sei sein Rechtsmittel zweifellos nicht als aussichtslos einzustufen. Die Begründungen der angeblichen Zurechnungsposten seien unrichtig, die Finanzbehörde habe hier den Denkgesetzen und Erfahrungen des täglichen Lebens in keinster Weise entsprochen. Es bestünden gewichtige Begründungsmängel und die Finanzbehörde habe auch seine Rechte auf Parteiengehör verletzt. Bei der Klassifizierung seiner angeblichen Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie jener aus nichtselbständiger Arbeit seien gewichtige Rechtsfragen zu lösen, zumal weder den Bestimmungen des § 17 EStG noch jenen des § 67 EStG entsprochen worden sei. Er schlage vor Kanzlei Deszendentenfortbetrieb Mag. Wolfgang Dietrich als Verfahrenshelfer zu bestellen. Gegen den Antragsteller laufe ein Strafverfahren mit der Aktenzahl 124 Hv 14/18i, in welchem die von der Betriebsprüfung festgestellten Vorhalte behandelt würden, daher bitte er darum dieses Verfahren abzuwarten. Dies sei auch deshalb wichtig, weil diese Vorfrage auch wesentlich für etwaige Verjährungsfristen sei. Er beziehe derzeit nur Notstandshilfe und besitze außer einem Minderheitenanteil an einer GmbH, der jedoch derzeit wertlos sei, keinerlei Vermögen. Ein Formular über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurde beigelegt.
Am erließ das Finanzamt Österreich Beschwerdevorentscheidungen, mit welchen die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden.
Am wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.
Die Weiterleitung des Verfahrenshilfeantrags an das Bundesfinanzgericht wurde vom Finanzamt zunächst übersehen und am nachgeholt. Es wurden die am eingebrachte Beschwerde, die den Antrag auf Verfahrenshilfe enthält, samt Vermögensbekenntnis und den vom Antragsteller dazu vorgelegten Unterlagen, sowie die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2016 vom dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass im Beschwerdeverfahren keine überdurchschnittlich schwierigen, durch ständige Judikatur noch nicht geklärten Rechtsfragen zu beantworten seien. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller mittlerweile eine steuerliche Vertretung habe und die Verfahren betreffend der Jahre 2010 und 2011 aufgrund der nachträglich festgestellten Verjährung von der zuständigen Dienststelle erledigt würden.
Am bzw. wurden die Anspruchszinsen 2011 und die Einkommensteuer 2011 jeweils mit € 0,00 festgesetzt.
Mit Vorhalt vom wurde der Antragsteller über die Vorlage seines Verfahrenshilfeantrags an das Bundesfinanzgericht informiert und ersucht, nachstehende Fragen zu beantworten bzw. die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:
"Nach Angaben des Finanzamts Österreich haben Sie mittlerweile eine steuerliche Vertretung. Halten Sie Ihren Antrag auf Verfahrenshilfe weiterhin aufrecht?
Laut ist bei der Beurteilung, ob die Verfahrenskosten ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestritten werden können, auf die Einkommens- und Vermögenslage im Beurteilungszeitpunkt abzustellen. Im bisher vorliegenden Vermögensbekenntnis sind teilweise Werte aus dem Jahr 2020 angeführt. Sie werden daher ersucht das beiliegende "Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe" vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllt und unterschrieben unter Anschluss der darin genannten, aktuellen Belege bzw. Nachweise dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Aus dem Betriebsprüfungsbericht ist ersichtlich, dass Sie eine Immobilie in ***Adr2*** für Ihre Gattin erworben haben. Zur Beurteilung einer eventuellen Unterhaltspflicht seitens Ihrer Gattin werden Sie daher ersucht, auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Ihrer Gattin bekannt zu geben und zu belegen.
Die Bestellung zum Verfahrenshelfer entfaltet erst Wirksamkeit mit Zustellung des Bestellungsbescheides des Ausschusses der zuständigen Kammer. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt / Steuerberater, der schon vor Zuerkennung der Verfahrenshilfe als Bevollmächtigter der antragstellenden Partei für diese Verfahrensschritte gesetzt hat (als frei gewählter Vertreter), zum Verfahrenshelfer bestellt wird. Eine rückwirkende Bestellung zum Verfahrenshelfer ist nicht möglich. Demnach sind bei der Schätzung der "Kosten der Führung des Verfahrens" gemäß § 292 Abs. 1 Z 1 BAO nur zukünftig anfallende Kosten für den Rechtsvertreter zu berücksichtigen, weil bei Gewährung der Verfahrenshilfe in der Form der Beigebung eines Verfahrenshelfers der Antragsteller nur von diesen Kosten entlastet werden kann (vgl. ). Sie werden daher aufgefordert, eine begründete Schätzung jener Kosten vorzulegen, deren Anfall Sie im Zusammenhang mit dem anhängigen Beschwerdeverfahren noch erwarten.
Mit Schreiben vom übermittelte der steuerliche Vertreter des Antragstellers ein vom Antragsteller am unterfertigtes Vermögensbekenntnis inkl. einem Informationsschreiben der Pensionsversicherungsanstalt betreffend die monatlichen Leistungen ab Jänner 2023, der Mietvorschreibung für April 2023 sowie der Jahresabrechnung für Gas und Strom vom und führte aus, dass er über die Einkommensverhältnisse seiner Frau keine Informationen hätte, da sie seit 2009 getrennt leben würden. Der Antrag auf Verfahrenshilfe sei weiter aufrecht. Sie würden mit einem Zeitaufwand von 50 Stunden pro Jahr, mit einem Stundensatz von € 200,00 schätzen.
Am wurde die am eingebrachte Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Aus den im Akt aufliegenden Unterlagen sind folgende persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Antragstellers ersichtlich:
Der Antragsteller bezieht eine monatliche Pension in Höhe von € 1.389,53 (netto). Die monatliche Miete beträgt € 569,44. Für Strom und Gas wurden € 458,40 pro Quartal vorgeschrieben. Laut Antragsteller hat er keine Unterhaltsansprüche, es besteht aber eine Unterhaltspflicht in Höhe von € 300,00 für sein minderjähriges Kind ***1***, wobei die Unterhaltzahlungen nicht nachgewiesen wurden.
Laut Vermögensbekenntnis ist das Girokonto des Antragstellers mit ca. € 300 überzogen und ist ein Kredit in Höhe von ca. € 20.000,00 offen, für den monatliche Ratenzahlungen in Höhe von ca. € 300 zu entrichten sind. Weiters bestehen (derzeit ausgesetzte) Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt aus den o.a., bekämpften Bescheiden.
An Vermögen wurde ein PKW der Marke Jeep Compass, Baujahr 2011, sowie eine Beteiligung an der Realtrust GmbH bekanntgegeben. Weitere Angaben zu dieser Beteiligung wurden nicht gemacht. Recherchen durch das Bundesfinanzgereicht ergaben, dass der Antragsteller Geschäftsführer der Realtrust GmbH und zu 10% an dieser beteiligt ist. Der Sitz der Gesellschaft befindet sich in ***Adr1***, wo sich auch die Adresse des unterhaltsberechtigten Kindes des Antragstellers befindet. Die Gesellschaft ist im Bereich "Immobilienverwaltung" tätig. Laut dem bislang letzten veröffentlichten Jahresabschluss zum betrug das Eigenkapital weniger als € 5.000. Das Sachanlagevermögen wurde fast zur Gänze durch Verbindlichkeiten finanziert.
Die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2016 beruhen auf umfangreichen Schätzungen.
Nach Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen wurde ein Vorlageantrag gestellt, sodass die Beschwerdeverfahren weiterhin offen sind. Hinsichtlich des Jahres 2011 wurde dem Beschwerdebegehren allerdings mit Bescheiden vom März 2023 bereits Rechnung getragen.
Die Kosten des Verfahrens wurden vom Steuerberater mit € 10.000 pro Veranlagungsjahr - insgesamt somit € 70.000 - geschätzt. 50 Stunden pro Jahr für den künftig noch anfallenden Aufwand erscheinen allerdings deutlich zu hoch geschätzt, da bereits Vorlageanträge eingebracht wurden und in den einzelnen Jahren überwiegend gleichgelagerte Problemstellungen vorliegen. Bei einem durchschnittlichen Verfahrensverlauf kann von noch zu erwartenden Kosten im oberen vierstelligen oder maximal unteren fünfstelligen Bereich ausgegangen werden.
Rechtslage:
Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Als notwendiger Unterhalt ist gemäß § 292 Abs. 2 BAO derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt.
Offenbar aussichtslos ist eine Beschwerde gemäß § 292 Abs. 5 BAO insbesondere bei Unschlüssigkeit des Begehrens oder bei unbehebbarem Beweisnotstand. Bei einer nicht ganz entfernten Möglichkeit des Erfolges liegt keine Aussichtslosigkeit vor. Mutwillig ist eine Beschwerde dann, wenn sich die Partei der Unrichtigkeit ihres Standpunktes bewusst ist oder bewusst sein muss.
Gemäß § 292 Abs. 7 Z 1 BAO kann der Antrag ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden.
Gemäß § 292 Abs. 8 BAO hat der Antrag zu enthalten:
1. die Bezeichnung des Bescheides (Abs. 7 Z 1) bzw. der Amtshandlung (Abs. 7 Z 2) bzw. der unterlassenen Amtshandlung (Abs. 7 Z 3),
2. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
3. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt,
4. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der wirtschaftlich Beteiligten.
Gemäß § 292 Abs. 10 BAO hat das Verwaltungsgericht über den Antrag mit Beschluss zu entscheiden. Hat das Gericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer hievon zu benachrichtigen.
Gemäß § 292 Abs. 11 BAO hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer mit Beschluss den Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt zu bestellen, dessen Kosten die Partei nicht zu tragen hat. Wünschen der Partei über die Auswahl der Person des Wirtschaftstreuhänders oder Rechtsanwaltes ist im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. Von der Bestellung sind die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht zu verständigen.
Wird der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb einer für die Einbringung der Beschwerde (§ 243, § 283), des Vorlageantrages (§ 264) oder einer im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht einzuhaltenden Frist gestellt, so beginnt diese Frist gemäß § 292 Abs. 12 BAO mit dem Zeitpunkt, in dem
1. der Beschluss über die Bestellung des Wirtschaftstreuhänders bzw. Rechtsanwaltes zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid dem Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt bzw.
2. der den Antrag nicht stattgebende Beschluss der Partei
zugestellt wurde, von neuem zu laufen.
Nach § 292 Abs. 1 BAO ist zunächst Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenshilfe, dass die zu entscheidenden Rechtsfragen "besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art" aufweisen.
Nach , erfordert und erlaubt die Wendung, "dass zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen" eine Prüfung, ob im konkreten Einzelfall für den Antragsteller besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen. § 292 Abs. 1 BAO schließt die Gewährung von Verfahrenshilfe im Einzelfall nicht schon deshalb aus, weil objektiv keine komplexe, besonders schwierige Frage rechtlicher Art vorliegt. In verfassungskonformer Auslegung können zum einen auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden, und zum anderen sind stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu vertreten.
Bei der Voraussetzung der "besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art" ist davon auszugehen, dass in einem Abgabenverfahren, in dem (anders als in vielen Zivilprozessen) keine Vertretungspflicht besteht, im Hinblick auf die bestehende Manuduktionspflicht und den Grundsatz der materiellen Wahrheit der Beigebung eines Rechtsanwaltes oder eines Steuerberaters als Verfahrenshelfer Ausnahmecharakter zukommt (vgl. ).
In der Beschwerde wurde zum Vorliegen der Voraussetzung der "besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art" vorgebracht, dass bei der Klassifizierung der angeblichen Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie jener aus nichtselbständiger Arbeit gewichtige Rechtsfragen zu lösen seien, zumal weder den Bestimmungen des § 17 EStG noch jenen des § 67 EStG entsprochen worden sei.
Die Höhe des Nachforderungsbetrages spricht im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers jedenfalls dafür, dass für ihn der Rechtstreit von besonderer Bedeutung ist.
Aus der 50 Seiten langen Beilage zum Betriebsprüfungsbericht ist ersichtlich, dass die Bemessungsgrundlagen auf umfangreichen Schätzungen basieren. Zudem verweist die Beilage teilweise auf ein mehr als 100 Seiten umfassendes Gutachten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass für den Antragsteller, der sich in seiner bisherigen beruflichen Laufbahn nicht mit Steuerangelegenheiten befasst hat, besondere Schwierigkeiten bestehen, das Beschwerdeverfahren ohne steuerlichen Vertreter wirksam zu führen.
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide von vornherein mutwillig oder (zur Gänze) aussichtslos wären.
Hinsichtlich der Einkommensteuer 2011 wurde einerseits im Vorlagebericht vom Finanzamt Österreich bestätigt, dass bereits Verjährung eingetreten ist und wurde mittlerweile dem Beschwerdebegehren mit Bescheid vom März 2023 auch Rechnung getragen. Besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art liegen daher hinsichtlich der Einkommensteuer 2011 nicht vor, weshalb insofern die Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorliegen.
Entgegen der Ankündigung im Vorlagebericht wurde das Verfahren betreffend 2010 nicht - wie jenes betreffend 2011 - aufgrund nachträglich festgestellter Verjährung von der zuständigen Dienststelle erledigt, da diesbezüglich bereits am - und somit innerhalb der verlängerten Verjährungsfrist - ein Einkommensteuerbescheid erlassen wurde. Die gegen diesen Bescheid am erhobene Beschwerde, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Am wurde die Beschwerdevorentscheidung innerhalb der Jahresfrist gem. § 299 aufgehoben und ein neuer Einkommensteuerbescheid erlassen.
Betreffend Einkommensteuer 2010 und 2012 bis 2016 liegen somit (zumindest subjektiv) besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art vor und kann die Beschwerde gegen diese Bescheide weder als offenbar aussichtslos noch als mutwillig iSd § 292 Abs. 5 BAO bezeichnet werden.
Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen iSd § 205 BAO. Diese sind Folge der Einkommensteuerfestsetzung. Die Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide (hier: Einkommensteuerbescheide) gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind (von Amts wegen) neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen (). Wegen der genannten Bindung ist der Zinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, dass der maßgebende Einkommensteuerbescheid inhaltlich rechtswidrig sei (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 205 Tz 34).
Anspruchszinsenbescheide wären etwa mit der Begründung anfechtbar, dass der maßgebende Einkommensteuerbescheid nicht zugestellt worden sei oder der im Zinsenbescheid angenommene Zeitpunkt der Zustellung unzutreffend sei. Ein derartiges Vorbringen wurde hier aber nicht erstattet.
Da im Fall der Abänderung eines Einkommensteuerbescheides infolge einer Beschwerde nicht der ursprüngliche Anspruchszinsenbescheid anzupassen ist, sondern jeweils ein neuer Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen zu erlassen ist, ist die Beschwerde gegen die Festsetzung der Anspruchszinsen 2010 bis 2016 aussichtslos, sodass hinsichtlich der Anspruchszinsenbescheide ein Fall einer Versagung der Verfahrenshilfe nach § 292 Abs. 1 Z 2 BAO vorliegt.
Als notwendiger Unterhalt iSd § 292 Abs. 1 Z 1 BAO ist ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittspensionseinkommen aus der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und dem Existenzminimum liegt und unter Würdigung der Verhältnisses des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet, wobei der zur groben Orientierung heranziehbare Mittelwert dieser Bandbreite zwischen dem Existenzminimum und dem statistischen Durchschnittspensionseinkommen eines vormals selbstständig Erwerbstätigen liegt (vgl. ; ; ).
Bei der Entscheidung über die Verfahrenshilfe ist von den Angaben im Vermögensbekenntnis auszugehen, wenn dem Gericht diese Angaben nicht schon zufolge seiner Amtstätigkeit als unrichtig bekannt sind und zur Veranlassung einer weiteren Ergänzung kein Anlass besteht ( zu § 61 VwGG bzw. § 68 ZPO).
Bei der Schätzung der "Kosten der Führung des Verfahrens" gemäß § 292 Abs. 1 Z 1 BAO sind nur zukünftig anfallende Kosten für den Rechtsvertreter zu berücksichtigen, weil bei Gewährung der Verfahrenshilfe in der Form der Beigebung eines Verfahrenshelfers der Antragsteller nur von diesen Kosten entlastet werden kann (vgl. ). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist ein durchschnittlicher Verfahrenslauf anzunehmen (vgl. ; ).
Laut Vermögensbekenntnis verfügt der Antragsteller über kein nennenswertes Vermögen. Stellt man das Einkommen (€ 1.389,53) den laufenden Ausgaben (Miete: € 569,44, Gas und Strom: € 152,80, Ratenzahlungen: ca. € 300,00) und Unterhaltspflichten (€ 300) laut Vermögensbekenntnis gegenüber, so liegt es auf der Hand, dass die Tragung der Kosten für einen berufsmäßigen Parteienvertreter - auch wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die vom derzeitigen steuerlichen Vertreter geschätzten Kosten in Höhe von rund € 70.000 im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht noch anfallen werden, sondern eher von Kosten im vierstelligen Bereich auszugehen ist - den notwendigen Unterhalt des Anatragstellers beeinträchtigen würde.
Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe enthält die gem. § 292 Abs. 8 BAO erforderlichen Angaben.
Die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt (§ 292 Abs. 8 Z 3 BAO), wurde vom Antragsteller dahingehend getroffen, dass er beantragt hat, die Steuerberatungskanzlei Deszendentenfortbetrieb Mag. Wolfgang Dietrich als Verfahrenshelfer zu bestellen, zumal dieser den Fall bereits bisher bearbeitet hat.
Die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wird gemäß § 292 Abs. 10 2. Satz BAO von der Bewilligung der Verfahrenshilfe benachrichtigt.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH und des VfGH.
Belehrung und Hinweise
Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.
Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Bundesfinanzgericht dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen. Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Der Antrag ist im Falle der ordentlichen Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Das Antragsformular ist elektronisch auf der Website des Bundesfinanzgerichtes (https://www.bfg.gv.at/public/faq.html) erhältlich. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.
Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.
Die belangte Behörde ist nicht Partei des Verfahrens betreffend Gewährung der Verfahrenshilfe, ihr steht daher kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss zu (vgl. ; ).
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 292 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:VH.7100004.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at