Abweisung eines Antrages auf Gewährung einer Nachsicht nach § 236 BAO; Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Johannes Maria Liebentritt, Wittmayergasse 26 Stiege I 12. Stock, 1120 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer 04-390/7146, betreffend Nachsicht § 236 BAO 2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Bisheriger Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer ersuchte mit Antragvom um Nachsicht seiner Steuerschulden gemäß § 236 BAO und begründete dies wie folgt:
Der Beschwerdeführer sei als Künstler (Fotograf) tätig. Die Künstlereigenschaft sei ihm im Jahr 1992 vom zuständigen Finanzamt testiert worden. Er habe seit Beginn seiner Tätigkeit seine Fotografien zum begünstigten Steuersatz von 10 % bzw. 13 % Umsatzsteuer dem Kunden angeboten und verkauft. In weiterer Folge habe er seine künstlerische Tätigkeit etwas eingeschränkt und die Fotografien von anderen Künstlern verkauft, ebenfalls zum begünstigten Steuersatz von 10 %, infolge dann 13 % Umsatzsteuer. Das Wiener Auktionshaus Westlicht, wo der Beschwerdeführer als Sachverständiger nebenberuflich tätig sei, verkaufe ebenfalls Fotografien von diversen Künstlern mit 10 % bzw. 13 % Umsatzsteuer. Die in Österreich ansässigen Galerien und Kunsthändler verkauften nicht nur Bilder, sondern auch Fotografien zu denselben Steuersätzen. Der Beschwerdeführer habe seinerseits, nach der Betriebsprüfung für die Jahre 2005-2008 Beschwerde erhoben; in weiterer Folge habe sich der Verfassungsgerichtshof mit der Beschwerde beschäftigt und diese mit Beschluss E 1647/2014 vom mit der Begründung abgelehnt, dass der Handel mit künstlerisch anspruchsvollen Fotografien nicht als Handel mit Kunstgegenständen gemäß Z 44 der Anlage zu § 10 Abs. 2 UStG 1994 zu qualifizieren und aus unionsrechtlicher Sicht eine unterschiedliche Behandlung von künstlerischen Fotografien und sonstigen Kunstgegenständen nicht geboten sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Verfahren zZ Ro 2015/13/0010 die Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshofs nicht aufgenommen.
In der Folge stellte der Beschwerdeführer dar, er hätte im internationalen Vergleich große Nachteile erlitten, die nie durch entsprechende Gewinnrendite hätten verdient werden können. Eine beiliegende Vermögensaufteilung zum Stichtag zeige Aktiva und Vermögen, wie etwa angekaufte Fotografien, die noch nicht verkauft worden seien, drei alte auf Wechselkennzeichen laufende Kraftfahrzeuge, das Pensionsbankkonto mit ca. 3.000 Euro Guthaben, sowie Passiva wie offene Messerechnungen und aufgenommene Darlehen zur Finanzierung der in den Aktiva aufgezeigten Fotografien. Ein Verkauf des Vermögens zur Tilgung von Schulden, sei es an das Finanzamt, sei es an den Kreditgeber, wäre insoweit nicht von Erfolg begleitet, da nur wenige Käufer bereit wären für Fotografien den angesetzten Preis zu bezahlen. Ein "schnelles Abverkaufen" würde die Kundenschar, die sich im Laufe der Zeit angesammelt habe, nur verunsichern und hätte "katastrophale Auswirkungen", da der Kunde der Meinung sein könnte, bislang übervorteilt worden zu sein und keinerlei Verkäufe mehr möglich wären. Der Beschwerdeführer habe aus dem Differenzbetrag von 10 % bzw. 13 % Umsatzsteuer zu Normalsteuersatz von 20 % Mehrwertsteuer keinen Profit erzielt. Er habe dem Kunden die 10 % bzw. 13 % Mehrwertsteuer verrechnet, bei Auslandsumsätzen 0 %. Er habe sich somit nicht bereichert. In Anbetracht dieser Situation und des Mangels an Geldreserven, die nicht geschaffen werden konnten, werde um Nachsicht "der derzeitigen Rückstände sowie der ausgesetzten Rückstände" ersucht.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom betreffend die Bewilligung einer Nachsicht iHv 377.193,12 Euro mit folgender Begründung abgewiesen (Zitat im Original):
"Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Eine sachliche Unbilligkeit des Einzelfalles liegt aber nicht vor, wenn die Abgabennachforderung ganz allgemein die Auswirkung genereller Rechtsnormen ist, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage trifft. Materiell-rechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten ('Ungerechtigkeiten') sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 BAO (vgl. Ritz, BAO § 236 Tz 13).
Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde und mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
Nicht als zumutbares, sorgfältiges Vorgehen ist die Vorgehensweise des Bw zu zählen. Der verminderte Steuersatz wurde auch nach der Nachforderung aus der Veranlagung 2006 weiterfakturiert um international konkurrenzfähig zu bleiben. Dies lässt sich nicht mit den Grundsätzen eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmannes vereinbaren und bedingt die aktuelle finanzielle Situation.
Der Bw vermochte daher nicht das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit aufzuzeigen. Die vom Bw angeführten Einkommen und Aktivposten wie nicht verkaufte Bilder (Wert ca. € 95.194,00) + div. KFZ (Wert ca. € 55.000,00) lassen keinen Schluss auf eine Existenzgefährdung, die durch die Einhebung des Abgabenrückstandes bedingt wäre, zu.
Ist die Abgabenschuld in weiterer Folge tatsächlich nicht einbringlich, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit in Form einer Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 BAO gegeben (vgl. ).
Mangels Vorliegens einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit der Einhebung bleibt daher für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde - ergänzend zum wörtlich wiederholten Nachsichtsantrag - Folgendes vorgebracht:
"Es gibt in Österreich keinen Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage, da (der Bf) der einzige Fotograf in Österreich ist der Fotografien von Künstlern, die bereits gestorben sind bzw noch Aktivitäten zeigen, verkauft und die Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Situation im Ausland mit niedrigen Steuersätzen belastet sind - als die in Österreich vorgegebenen 20 % Steuersatz.
Die vom Gesetzgeber geforderte und dargelegte zumutbare Sorgfalt sei laufend vom Beschwerdeführer umgesetzt worden. Der Tatsache, dass die Betriebsprüfung vor 2006 und die Veranlagung 2006 von einem erhöhten Steuersatz spricht, den das dortige Finanzamt (mit Bezug auf das Umsatzsteuergesetz) meinte verrechnen zu müssen, wurde durch den Einspruch gegen die Bescheide mit der Bitte um Vorlage an das BFG insoweit widersprochen, als (der Bf) - nach Einholung von Meinungen der Wirtschaftskammer Wien, des Bundesministeriums für Kunst und Kultur - bestätigt wurde, dass der eingehobene Steuersatz in Höhe von 20 % nicht rechtens sein könne.
Da er auch durch die in der EU ansässigen Fotografen, die so wie er - ebenso - Fotografien anderer Künstler verkauft haben und die alle den in den entsprechenden Ländern günstigeren Steuersatz in Anspruch genommen haben, zu Recht auch glauben konnte, dass er in seinen Beschwerden Recht bekommen würde, hat er sich - trotz Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmannes und vor allem aufgrund der laufenden finanziellen Situation nicht in der Lage gesehen Reserven zu schaffen.
(Der Bf.) hat in seinem Schreiben seine finanziellen Verhältnisse dargelegt und letztendlich damit auch kundgetan, dass er mit diesem Einkommen gar nicht in der Lage war, Reserven zu schaffen.
Das Finanzamt hat nur die Aktiva aufgezählt, die Passiva - Kredite, die aufgenommen wurden um die Bilder, die zum weiteren Verkauf angekauft wurden, jedoch nicht beachtet und anscheinend bei der Betrachtung der Gesamtsituation übersehen.
Die dargelegten offenen Messerechnungen - das Bankkonto - ebenfalls Passivposten - sind bei der Betrachtung ebenfalls nicht einbezogen worden. Eine Verschleuderung der Aktiva würde die bestehenden Passiva (Abgabenschulden, Bankkredite, Darlehen, Lieferantenverbindlichkeiten (Messeschulden) in nur geringem Maße abdecken und würde in weiterer Folge die Existenz von (des Bf.) gefährden."
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die Angaben in der Beschwerde vom auf keine sachliche Unbilligkeit schließen ließen. Die Tatsache, dass das Unionsrecht ein Wahlrecht zur Umsetzung der zugrundeliegenden umsatzrechtlichen Bestimmungen in nationales Recht biete und aufgrund dieser Wahlmöglichkeit keine Umsetzung im nationalen Recht erfolgt sei, hätte dem Beschwerdeführer bekannt sein müssen. Vielmehr habe dieser aber versucht, durch die Verrechnung eines, wie im Zuge einer Betriebsprüfung festgestellt, nicht korrekten Steuersatzes auch international konkurrenzfähig zu bleiben. Dies wirke wie ein Versuch, einen Teil des Unternehmerrisikos abzuwälzen und nicht wie ein Tatbestand, der eine sachliche Unbilligkeit auslöse. Laut der Aufstellung Aktiva/Passiva komme es aktuell zu einem Überschuss von 17.681 Euro. In dieser Aufstellung der Aktiva seien auch drei Kraftfahrzeuge im Wert von ca. 65.000 Euro angeführt. Diese könnten durchaus als nicht lebensnotwendige Luxusartikel betrachtet werden und ein eventueller Verwertungserlös der Abdeckung der Verbindlichkeiten zugeführt werden. Mangels Vorliegens einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit der Einhebung bleibe daher für eine Ermessensentscheidung kein Raum.
Mit Antrag vom ersuchte der Beschwerdeführer seine Beschwerdesache an das Bundesfinanzgericht vorzulegen (Vorlageantrag) und wiederholte sein bisheriges Vorbringen.
Im Vorlagebericht vertrat die belangte Behörde die Rechtansicht, dass die aufgrund einer Wahlmöglichkeit nicht erfolgte Umsetzung von Unionsrecht in nationales Recht keine sachliche Unbilligkeit begründe. Wörtlich heißt es:
"Einwendungen, die sich gegen die Ordnungsmäßigkeit der Durchführung des Verfahrens zur Festsetzung der Abgaben und gegen die Richtigkeit dieser Festsetzung wenden, sind nach einhelliger Judikatur und Lehre grundsätzlich im Festsetzungsverfahren und nicht im Nachsichtsverfahren zu klären. Denn abgesehen davon, dass der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO nicht auf die Vorschreibung, sondern auf die Einhebung abstellt, liegt der Zweck der genannten Norm nicht darin, einen Abgabenbescheid in einem weiteren (zusätzlichen) Verfahren auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen."
Zur persönlichen Unbilligkeit verwies die belangte Behörde auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid vom bzw. in der Beschwerdevorentscheidung vom . Abschließend wies sie darauf hin, dass bei der Handhabung des Ermessens auch auf das steuerliche Verhalten des Nachsichtswerbers Bedacht zu nehmen sei. Einer positiven Ermessensentscheidung stünde entgegen, dass das nationale Recht vom Beschwerdeführer ignoriert und bewusst ein verminderter Steuersatz verrechnet worden sei.
Über Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes legte der Beschwerdeführer am eine aktualisierte Vermögensaufstellung zum Stichtag vor, die der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht wurde.
Mit Erkenntnis vom , RV/7104543/2019, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers (im ersten Rechtsgang) ab, ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof gab der dagegen eingebrachten Revision mit Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0087, statt, da das Bundesfinanzgericht die beantragte mündliche Verhandlung nicht durchgeführt hatte.
Im fortgesetzten Verfahren fand am eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.
Die belangte Behörde teilte dem Bundesfinanzgericht Ende Februar 2023 mit, dass die im Zuge der mündlichen Verhandlung begonnen Gespräche betreffend außergerichtliche Einigung zu keinem Erfolg geführt haben.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Feststellungen
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Jahrgang 1952 und ist seit dem Jahr 1999 als Kunsthändler tätig (Bezug von Einkünften aus Gewerbebetrieb als Kunsthändler - Wirtschaftszweig: Sonstiger Einzelhandel a.n.g. in Verkaufsräumen - ohne Antiquitäten und Gebrauchtwaren). Der Beschwerdeführer bezieht außerdem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einer pensionsauszahlenden Stelle (Alterspension).
Zum abgabenauslösenden Sachverhalt:
Der abgabenauslösende Sachverhalt betreffend Einkommensteuer 2005 bis 2007, Umsatzsteuer 2005 bis 2008 und Festsetzung der Umsatzsteuer 01-09/2009, der dem Bundesfinanzgericht aus den bisher bei ihm anhängigen Verfahren und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung () bekannt ist, stellt sich wie folgt dar:
Der Beschwerdeführer betrieb im Streitzeitraum einen internationalen Fotokunsthandel mit klassischer moderner Fotografie in Originalabzügen. Im Abschlussbericht vom über eine beim Beschwerdeführer erfolgte Außenprüfung wurde ausgeführt, dass der Handel mit künstlerisch anspruchsvollen Fotografien nicht als Handel mit Kunstgegenständen gemäß Z 44 der Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994 (im Folgenden: Anlage) zu qualifizieren sei. Die mit den Fotografien im Inland erzielten Umsätze seien daher dem Normalsteuersatz iHv 20 % zu unterwerfen. Das Finanzamt folgte den Feststellungen und erließ am nach Wiederaufnahme der Verfahren neue Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007. Weiters setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom die Umsatzsteuer für 2008 sowie für den Zeitraum 01-09/2009 entsprechend den getroffenen Prüfungsfeststellungen fest.
In der gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide erhobenen Berufung vom brachte der Beschwerdeführer vor, er sei selbst Fotograf. Das Finanzamt habe ihm im Jahr 1986 den Status eines Künstlers zugebilligt. Neben eigenen Werken verkaufe er Fotografien von Künstlern aus zeitgenössischen und vergangenen Epochen. Zwar seien Fotografien in Z 44 der Anlage nicht ausdrücklich erwähnt. In anderen europäischen Ländern werde die Fotografie aber als Kunstgegenstand betrachtet, wobei der niedrigere Mehrwertsteuersatz für Kunst zur Anwendung komme. Mit der Richtlinie 94/5/EG des Rates vom zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG sei eine gemeinschaftsrechtliche Regelung für die auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke anzuwendende Besteuerung erlassen worden. Während in Österreich für Fotografien der "erhöhte Mehrwertsteuersatz" Gültigkeit habe, erachte es der Rat der Europäischen Union zwecks Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze und der Wahrung des wirtschaftlichen Gleichgewichts als notwendig, die reduzierten Steuersätze auf den Kunsthandel, worunter auch Fotografien zu subsumieren seien, anzuwenden. In Österreich komme es zu der nicht nachvollziehbaren Situation, dass die Hersteller von Kunstfotografien beim Verkauf 10 % USt, die Weiterverkäufer (Händler, Galerien) aber 20 % USt an den Fiskus abzuführen hätten. Aufgrund der unterschiedlichen Prozentsätze innerhalb der EU und den Vorgaben der Richtlinie 94/5/EG werde die Vorlage an den EuGH angeregt.
Mit Erkenntnis vom , RV/7102930/2010, wies das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die als Beschwerde behandelte Berufung ab und ließ die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu, die vom Beschwerdeführer in weiterer Folge erhoben wurde.
Mit eingangs genanntem Erkenntnis vom , Ro 2015/13/0010, hob der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2008 und Festsetzung der Umsatzsteuer 01- 09/2009 mit der Begründung auf, das angefochtene Erkenntnis lasse eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers in der Rechtsmittelschrift, wonach er neben Fotografien fremder Künstler auch eigene Werke verkaufe und der Verkauf von Kunstwerken durch den Künstler selbst dem ermäßigten Steuersatz unterliege, vermissen. Auch die Tätigkeit eines Fotografen könne eine künstlerische sein, wenn sie nach Gestaltungsprinzipien erfolge, die für ein umfassendes Kunstfach charakteristisch seien. Das Bundesfinanzgericht hätte ausgehend davon auch die Künstlereigenschaft des Revisionswerbers (die ihm seitens der - seinerzeitigen - Finanzlandesdirektion mit Berufungsbescheid auch zuerkannt worden sei) prüfen und bejahendenfalls sich mit dem Ausmaß der Erlöse aus dem Verkauf eigener Kunstfotografien im Streitzeitraum beschäftigen müssen.
Zur Frage, ob auf die Lieferung von Kunstfotografien der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung gelangen kann, führte der Verwaltungsgerichtshof nach Zitat der bezughabenden Normen wörtlich wie folgt aus:
"Soweit der Revisionswerber vorbringt, Kunstfotografien seien als Werke der Bildkunst mit den ausdrücklich genannten Gemälden, Zeichnungen und Collagen vergleichbar und könnten unter den in Z 44 lit. a der Anlage genannten Begriff 'ähnliche dekorative Bildwerke' subsumiert werden, ist dem entgegen zu halten, dass Z 44 lit. a der Anlage nur Gemälde und Zeichnungen, die 'vollständig mit der Hand geschaffen' werden, erfasst (vgl. Gmurzynska-Bscher, C-231/89, Rn. 41, zur Position 9701 der Kombinierten Nomenklatur). Daher sind Erzeugnisse, die ganz oder teilweise in einem anderen, z.B. in einem fotomechanischen Verfahren hergestellt sind, von dieser Position ausgeschlossen (vgl. Baldasty/Fasching/Praschak, Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur IV, 9701, 1). 'Collagen und ähnliche dekorative Bildwerke' sind aus Stücken verschiedener Stoffe so zusammengesetzt, dass ein Bild oder ein dekoratives Motiv entsteht, das auf eine Unterlage geklebt oder auf andere Weise auf ihr befestigt wird (vgl. nochmals Gmurzynska-Bscher, C-231/89, Rn. 41). Nicht als 'ähnliche Bildwerke' gelten daher Waren, die aus einem Stück eines Materials bestehen (vgl. nochmals Baldasty/Fasching/Praschak, Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur IV, 9701, 2).
Im Übrigen wird die Ansicht, dass auf Kunstfotografien nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, durch die unionsrechtlichen Vorgaben bestätigt. Nach Art. 103 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 311 Abs. 1 Z 2 MwStSystRL (bzw. Art. 12 Abs. 3 lit. c 6. EG-RL) 'können' die Mitgliedstaaten für die Lieferung der in Anhang IX Teil A der MwStSystRL (bzw. Anhang I der 6. EG-RL) genannten Kunstgegenstände, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, einen ermäßigten Steuersatz vorsehen. Der nationale Gesetzgeber hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht (vgl. z.B. Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 10 Rz 132) und in Z 44 lit. a bis e der Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994 allerdings nur die in Anhang IX Teil A Z 1 bis 4 der MwStSystRL (bzw. Anhang I lit. a erster bis vierter Spiegelstrich der 6. EG-RL) genannten Kunstgegenstände aufgenommen. Von der Möglichkeit, auch für die in Anhang IX Teil A Z 5 bis 7 der MwStSystRL (bzw. Anhang I lit. a fünfter bis siebenter Spiegelstrich der 6. EG-RL) genannten Gegenstände den ermäßigten Steuersatz anzuwenden, hat der nationale Gesetzgeber Abstand genommen. Damit hat er aber auch bewusst auf die Aufnahme der in Anhang IX Teil A Z 7 der MwStSystRL (bzw. Anhang I lit. a siebenter Spiegelstrich der 6. EG-RL) genannten, 'vom Künstler aufgenommenen Photographien, die von ihm oder unter seiner Überwachung abgezogen wurden und signiert sowie nummeriert sind", wobei "die Gesamtzahl der Abzüge (...) alle Formate und Trägermaterialien zusammengenommen, 30 nicht überschreiten (darf)', verzichtet. Die einschränkenden Bedingungen, unter denen Fotografien nach diesen Bestimmungen für die Zwecke der Richtlinien als Kunstgegenstände gelten, lassen es nicht zu, sie schon durch Subsumtion unter den Begriff der 'ähnlichen dekorativen Bildwerke' - und somit ohne diese einschränkenden Bedingungen - zu den Kunstgegenständen zu zählen. Die Richtlinien eröffnen in dieser Hinsicht keinen Raum für Zweifel, sodass es auch aus diesem zum schon zitierten Urteil vom hinzutretenden Grund keiner Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf.
Soweit der Revisionswerber eine Verletzung des Gleichheitssatzes rügt, ist darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts mit Beschluss vom , E 1647/2014-4, abgelehnt hat. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag aufgrund der Verschiedenartigkeit der Gegenstände eine unsachliche Differenzierung nicht zu erkennen.
Da eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von Kunstfotografien schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil diese nicht in Z 44 der Anlage aufgezählt sind, erübrigt sich ein Eingehen auf die übrigen in § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c UStG 1994 genannten Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sowie auf die weiteren Ausführungen des Revisionswerbers, wonach ein Kunsthändler, der auf die Anwendung der Differenzbesteuerung verzichte, nicht als 'Wiederverkäufer' im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 lit. c UStG 1994 anzusehen sei."
Im fortgesetzten Verfahren zZ RV/7101781/2018 betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2008 und Festsetzung der Umsatzsteuer 01- 09/2009 wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2008 mit Erkenntnis vom als unbegründet ab, während es der Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2009 Folge gab und den Bescheid aufhob. Dabei traf es folgende Sachverhaltsfeststellungen (Zitat im Original):
"Der Bf betreibt seit 1995 einen internationalen Handel mit klassischer moderner Fotografie in Originalabzügen. Er nimmt an Kunstmessen im EU-Raum und in Drittstaaten teil. Auf diesen Messen werden Fotografien nicht nur ausgestellt, sondern auch verkauft.
In den Streitjahren erzielte er entgegen den Behauptungen in der Beschwerde und in der Revision keine Erlöse aus dem Verkauf eigener Kunstfotografien.
Im Jahr 2014 erging betreffend die Umsatzsteuererklärung 2009 ein Ergänzungsersuchen. Weitere Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 im Jahr 2015 sind nicht aktenkundig.
Datiert mit wurde der Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 erlassen.
Diese Feststellungen gründen sich auf die im Rahmen der abgabenbehördlichen Prüfung durchgeführten Ermittlungen und hinsichtlich der Tatsache, dass in den Streitjahren keine Erlöse aus dem Verkauf eigener Kunstfotografien erzielt wurden, auf die Angaben des Bf, welcher damit klar zum Ausdruck brachte, dass die Angaben in der Beschwerde und in der Revision nicht den Tatsachen entsprochen haben. Dass im Jahr 2015 keine Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 von der Abgabenbehörde unternommen wurden, fußt auf einer Auskunft des Finanzamtes."
Gegen dieses im fortgesetzten Verfahren ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101781/2018, hat der Beschwerdeführer weder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof noch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht.
Im Zuge einer weiteren Betriebsprüfung im Jahr 2017 wurde seitens der Abgabenbehörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch für die Jahre 2010 bis 2016 den günstigeren Prozentsatz verrechnet hat.
Zur Vermögenssituation des Beschwerdeführers:
1. Die Vermögensaufteilung des Beschwerdeführers stellte sich zum Stichtag seinen Angaben zufolge wie folgt dar:
Aktiva iHv ca. 95.194 Euro bestehend aus einem Gesamtbestand von angekauften bzw. nicht verkauften Fotografien. Daneben verfügt der Beschwerdeführer über drei Kraftfahrzeuge im Gesamtwert von ca. 65.000 Euro (1 Fiat 500 im Wert von 10.000 Euro sowie zwei Oldtimer, nämlich ein MGB Baujahr 1969 im Wert von 15.000 Euro und ein Porsche 912 Baujahr 1968 im Wert von 40.000 Euro).
Die Passiva bestehen aus offenen Messerechnungen des Jahres 2019 in Höhe von ca. 35.000 Euro, einem Kontostand von -24.319,47 Euro und Darlehen in Höhe von insgesamt 83.000 Euro bei einer namentlich genannten Privatperson.
2. Die Vermögensaufteilung des Beschwerdeführers stellte sich zum Stichtag seinen Angaben wie folgt dar:
Privatvermögen: Bezug aus einer Alterspension iHv 1.672,76 Euro; sowie ein Guthaben bei der Bank Austria iHv 7.000 Euro
Betriebsvermögen: Kamera, Objektive und Laptop im Wert von 16.500,00 Euro sowie Fotografien mit einem Wert von 104.200,00 Euro.
Die Passiva bestehen aus offenen Messerechnungen in Höhe von ca. 37.000 Euro und weiteren Schulden iHv 12.000 Euro, wobei die Namen der Gläubiger nicht offengelegt wurden, einem Kontostand von -21.319,47 Euro (betrieblich) sowie -21.000 (privat) Euro bei der Bank Austria und Darlehen in Höhe von insgesamt 204.000 Euro bei zwei namentlich genannten Privatpersonen, die durch die zwei Porsche und Fotografien besichert sind, wobei dazu keine Vereinbarungen oder sonstige Unterlagen vorgelegt wurden.
Der Beschwerdeführer hat nach eigenen Angaben keine Unterhaltspflichten zu tragen. Seine Ehefrau hat ein Nettoeinkommen von 2.200,00 Euro. Die Höhe der monatlichen Lebenserhaltungskosten wird mit 2.500 Euro angegeben. Damit stehen nach Angaben des Beschwerdeführers zum Stichtag betriebliches Vermögen iHv 120.700 Euro Schulden von 276.319,47 Euro gegenüber; sowie bei Hinzurechnung des privaten Vermögens insgesamt 223.900,00 Euro Aktiva Schulden iHv 297.319,47 Euro gegenüberstehen.
3. Die Vermögensaufstellung des Beschwerdeführers stellte sich zuletzt zum Stichtag seinen Angaben wie folgt dar:
Der Beschwerdeführer bezieht eine Alterspension von rund 1.900 Euro netto; davon bleiben ihm 1.250 Euro, der Rest wird nach Angaben des Beschwerdeführers gepfändet.
Aktiva: Gesamtbestand Fotografien im Wert von ca. 53.000 Euro sowie 3 KFZ im Gesamtwert von 83.000 Euro):
1. Fiat 500 Bj. 2010 im Wert von 8.000 Euro,
2. Porsche 94 Bj. 1969 im Wert von 25.000 Euro, der der Besicherung des vertraglich gewährten Darlehens ***2*** diene;
3. Porsche 912 Bj. 1968 im Wert von 50.000 Euro, der der Besicherung des vertraglich gewährten Darlehens ***1*** diene.
Der private Kontostand betrage 550 Euro (Pensionskonto BA-CA).
Die Passiva bestehen aus offenen Messerechnungen (New York, Photo-London, Wien) der Jahre 2022/2023 in Höhe von ca. 48.000 Euro und weiteren Schulden iHv 12.000 Euro, wobei die Namen der Gläubiger nicht offengelegt wurden, einem Kontostand von -2.500 Euro (betrieblich) bei der Bank Austria und offenen Kreditkarten-Rechnungen bei VISA iHv -8.500 Euro. Weiters betragen die Passiva auf Grund von Darlehen bei seiner Ehefrau (***1***) bis 2022 insgesamt 188.000 Euro (besichert durch den Porsche 912) und Darlehen bei ***2*** iHv 40.000 Euro (besichert durch den Porsche 914).
4. In der im Rahmen des Angebots auf eine außergerichtlichen Vereinbarung zur Abdeckung des aushaftenden Abgabenrückstandes vom dargelegten Vermögenssituation gab der Beschwerdeführer einen Schuldenstand von 570.243,10 Euro an.
Der Rückstand zum betrug 304.797,10 Euro. Der Beschwerdeführer hatte somit in diesem Zeitraum seit Stellung des Antrages auf Nachsicht unter Aufnahme von Privatdarlehen 84.117,64 zurückbezahlt.
Der Beschwerdeführer bot dem Finanzamt eine Zahlung von 70.000 Euro zur Bereinigung seiner Abgabenschulden an, die von diesem mit (undatiertem) Schreiben nicht angenommen wurde. Das Gericht wurde davon Ende Februar 2023 verständigt.
Zum aushaftenden Rückstand:
Am Abgabenkonto des Beschwerdeführers haftete zum ein Rückstand von 301.537,07 Euro aus.
Sonstiges:
Im Jahr 2020 hatte der Beschwerdeführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 18.854,36 Euro (laut mit Bescheid vom veranlagter Einkommensteuererklärung 2020). Für die Jahre 2020 bis 2022 hat der Beschwerdeführer Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes einschließlich der Eingaben des Beschwerdeführers, aus dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und den beiden zitierten Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichtes sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers in der am durchgeführten mündlichen Verhandlung. Die Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem Nachsichtsantrag bzw. aus der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie aus den in der mündlichen Verhandlung und im weiteren Verlauf vorgelegten bzw. eingebrachten Vermögensaufgliederung.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Fällige Abgabenschulden können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die dazu ergangene Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 konkretisiert das Erfordernis der Unbilligkeit wie folgt (§ 3 in der durch BGBl. II Nr. 449/2013 modifizierten Fassung):
"§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."
Die in den §§ 2 und 3 der Verordnung aufgezählten Fälle schließen Fälle anderer Art nicht aus ("insbesondere"). Es ist aber auch § 1 der Verordnung nicht dahingehend auszulegen, dass ein Sachverhalt mit Merkmalen sowohl der sachlichen als auch der persönlichen Unbilligkeit die in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende Voraussetzung der Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nur erfüllt, wenn eine dieser Komponenten auch für sich allein genommen dafür ausreichen würde. Die Beurteilung erfordert in solchen Fällen eine Gesamtschau ().
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine persönliche Unbilligkeit vor, wenn gerade durch die Einhebung der Abgabe die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährdet würde und mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt damit in der Existenzgefährdung (; , 2010/16/0219; , 2013/15/0173).
Im Nachsichtsverfahren liegt das Hauptgewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber. Es ist daher seine Sache im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann ().
3.1.2. Für den Beschwerdefall folgt daraus:
Der Beschwerdeführer hat seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die Umstände, auf die er die Nachsicht stützt, hinreichend dargelegt, sodass im Folgenden zu prüfen ist, ob eine Unbilligkeit vorliegt.
3.1.2.1. Prüfung der sachlichen Unbilligkeit
Der Beschwerdeführer führt zum einen ins Treffen, er habe auf Grund der ihm attestierten Künstlereigenschaft seit Beginn seiner Tätigkeit seine Fotografien zum begünstigten Steuersatz von 10 % bzw. dann 13 % Umsatzsteuer verkauft. In weiterer Folge habe er seine künstlerische Tätigkeit etwas eingeschränkt und die Fotografien von anderen Künstlern verkauft, ebenfalls zum begünstigten Steuersatz von 10 % bzw. 13 % Umsatzsteuer. Die in Österreich ansässigen Galerien und Kunsthändler verkauften nicht nur Bilder, sondern auch Fotografien zu denselben Steuersätzen. In weiterer Folge führt der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, ihm sei durch die Auslegung der Behörde, dass der Handel mit künstlerisch anspruchsvollen Fotografien nicht als Handel mit Kunstgegenständen gemäß Z 44 der Anlage zu § 10 Abs. 2 und § 24 UStG 1994 zu qualifizieren sei und die mit den Fotografien im Inland erzielten Umsätze daher dem Normalsteuersatz iHv 20 % zu unterwerfen seien, im Vergleich zu anderen Künstlern im Ausland ein erheblicher Nachteil entstanden, der zur nachsichtsverfangenen Abgabenfestsetzung geführt habe. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch keine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aufzuzeigen:
Mit dem bereits zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof der (Rechts)Ansicht des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit der Besteuerung des Handels mit künstlerisch anspruchsvollen Fotografien eine Absage erteilt und unter Hinweis auf das Unionsrecht ausgeführt, dass auf Kunstfotografien nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist, da die Aufzählung in Z 44 der Anlage zu § 10 UStG 1994 abschließend ist.
Solche Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage, die alle vom allgemeinen Anwendungsbereich erfassten Abgabepflichtigen berühren, können nicht Unbilligkeiten der Einhebung des Einzelfalles sein (). Dass der österreichische Gesetzgeber von seinem ihm in Zusammenhang mit der Umsetzung des Unionsrecht in diesem Bereich zur Verfügung stehenden Wahlrechts Gebrauch gemacht und keine Umsetzung im nationalen Recht vorgenommen hat, stellt auch keine "verfahrensmäßige Besonderheiten" des Zustandekommens und auch der "Durchsetzung" des Abgabenanspruchs dar, die unter Umständen eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung begründen können (vgl. , mwN) und zur Nachsicht führen (vgl. das Folgeerkenntnis zu jenem Verfahren ). Dass in anderen Ländern der Europäischen Union unter Umstände in diesem Bereich andere Steuersätze zur Anwendung kommen, kann ebenso wenig zu einer Nachsicht wegen sachlicher Unbilligkeit führen wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben "im internationalen Vergleich große Nachteile" erlitten hat.
Ein Verhalten der Finanzbehörde bei der Betreibung der Forderung, das den Abgabepflichtigen mit schwerwiegenden, in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehenen Nachteilen belasten würde, ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang ist vielmehr dem Beschwerdeführer, wie dies auch die belangte Behörde ausführt, anzulasten, dass er sich aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit während der Jahre 2005 bis 2008 eines ermäßigten Steuersatzes bedient hat, obwohl ihm die österreichische Rechtslage bekannt sein musste, und er auch in den Folgejahren bewusst den ermäßigten Steuersatz verrechnet hat. Eine besondere verfahrensmäßige Entstehung der ausstehenden Abgabenschuld ist sohin nicht erkennbar, stellen doch materiellrechtlich (legislatorisch) bedingte Unzulänglichkeiten ("Ungerechtigkeiten") keine Unbilligkeiten im Sinne des § 236 BAO dar (Stoll, BAO, 2421). Eine sachliche Unbilligkeit des Einzelfalles liegt daher jedenfalls nicht vor.
Zu den in der mündlichen Verhandlung abgewiesenen Beweisanträgen:
Die in der mündlichen Verhandlung vom gestellten Anträge auf Einvernahme von in der mündlichen Verhandlung näher genannten Zeugen aus Künstler- und Museumskreisen zum Beweis der damals "in der Branche vorherrschenden Rechtsansicht" sowie auf Beschaffung des Einkommensteueraktes des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2013 waren mangels Erheblichkeit für das gegenständliche Nachsichtsverfahren abzuweisen, zumal die Rechtfrage, welcher Umsatzsteuersatz zur Anwendung zu kommen hat(te), wie bereits dargelegt höchstgerichtlich abschließend geklärt wurde.
3.1.2.2. Prüfung der persönlichen Unbilligkeit
Zum Vorliegen der persönlichen Unbilligkeit führt der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst ins Treffen, er sei der einzige Fotograf in Österreich, der Fotografien von Künstlern, die bereits gestorben seien bzw. noch Aktivitäten zeigten, verkaufe. Wirtschaftstreibende in ähnlicher Situation im Ausland seien mit niedrigeren Steuersätzen belastet. Insbesondere im EU-Vergleich sei es ihm trotz "Umsetzung der von ihm geforderten Sorgfalt" nicht möglich gewesen, finanzielle Reserven anzuschaffen, zumal er im Glauben gewesen sei, mit seinen Beschwerden Recht zu bekommen. Der Beschwerdeführer sei Jahrgang 1952 und habe sich bisher v.a. von seiner Ehefrau zur Begleichung von (Steuer)Schulden Geld geliehen. Seine Alterspension sei gepfändet und auf Grund der Corona-Pandemie und der aktuellen Wirtschaftslage sei es in seiner Branche noch schwerer geworden, Erträge zu erwirtschaften. Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens, aber auch in Zusammenschau mit dem Vorbringen zum Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit, kann jedoch eine persönliche Unbilligkeit nicht erkannt werden:
Soweit der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Nachsicht mit ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen begründet, ist ihm zuzugestehen, dass schwierige wirtschaftliche Verhältnisse die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung indizieren können, die Frage, ob die Existenz der Person des Abgabepflichtigen gefährdet ist, ist jedoch nach der Einkommens- und Vermögenslage (und nach der voraussehbaren Entwicklung) ohne Abzug der zu entrichtenden (nachsichtsverfangenen) Abgaben zu beurteilen (vgl. schon ), zumal der Abgabepflichtige gehalten ist, für die Zahlungen der Abgaben vorzusorgen und zur Entrichtung der Abgaben alle seine Mittel einzusetzen sowie gegebenenfalls auch seine Vermögenssubstanz anzugreifen (Stoll, BAO, 2435 mHa ). Eine Existenzgefährdung als deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein ().
Der Beschwerdeführer verfügt seinen Angaben zufolge nach wie vor über in seinem Vermögen stehende, nicht verkaufte Bilder im - selbst angegebenen - Gesamtwert von nunmehr rund 53.000 Euro. Ein Verkauf (eines Teiles) dieser Bilder würde ebenso wenig eine durch die Einhebung des Abgabenrückstandes bedingte Existenzgefährdung bedeuten wie ein Verkauf der drei in seinem Besitz befindlichen (Luxus)Kraftfahrzeuge, von denen jedenfalls zwei Oldtimer und damit Luxusartikel sind und einen (selbst angegebenen) Gesamtwert von rund 75.000 Euro haben. Die Notwendigkeit Vermögenswerte zur Entrichtung der Abgabenschulden heranzuziehen, lässt für sich allein die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig erscheinen (vgl. zb ). Dass der Beschwerdeführer im privaten Umfeld rund 230.000 Euro an Darlehen aufgenommen und mit diesen Kraftfahrzeugen und Kunstwerken besichert hat, ändert daran nichts: Der Beschwerdeführer hat bisher nicht vorgebracht, dass diese anderen Gläubiger auf ihre Ansprüche zum Teil oder zur Gänze verzichtet hätten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die persönliche Unbilligkeit der Einhebung zu verneinen, wenn die Nachsicht nur anderen Gläubigern zugutekäme (vgl. etwa ). Es ist vielmehr erforderlich, dass der Abgabengläubiger im Verhältnis zu anderen Gläubigern durch die Nachsicht nicht schlechter gestellt wird (; , 2008/15/0010; , Ra 2015/13/0044) und der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch zugunsten des Abgabengläubigers gewahrt wird.
Dass sich die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers auch auf Grund der Corona-Pandemie und der aktuellen Weltwirtschaftslage gegenüber dem ursprünglichen Ansuchen vom insofern verschlechtert hat, als die Schulden gegenüber Privatpersonen stark angestiegen sind, während die Bankschulden ungefähr gleichgeblieben sind, zeigt, dass die Einhebung der Abgabe keine Existenzgefährdung verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursachen würde. Der Beschwerdeführer, der eine Alterspension bezieht, hat auch in den letzten Jahren Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erwirtschaftet, was darauf hindeutet, dass seine Gewerbetätigkeit nach wie vor ausgeübt wird. Im Übrigen bedeuten Überschuldung und Liquiditätskrisen (vgl. bereits ) sowie "finanzielle Engpässe" oder wirtschaftliche Bedrängnisse () für sich allein noch keine Unbilligkeit der Einhebung (vgl. ).
Soweit der Beschwerdeführer angibt, dass sein Pensionseinkommen zur Hereinbringung der gegenständlichen Abgabenschuld in dem vom Gesetz vorgegebenen Umfang gepfändet wurde, ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache einer zwangsweisen Hereinbringung der Abgabenschuld für sich allein noch keine persönliche Unbilligkeit zu begründen vermag (siehe dazu auch -I/02). In diesem Zusammenhang wird auf die Bestimmung des § 59 Abgabenexekutionsordnung hingewiesen, wonach das Finanzamt auf Antrag des Abgabenschuldners den unpfändbaren Freibetrag erhöhen kann, wenn dies mit Rücksicht auf besondere Bedürfnisse des Abgabenschuldners aus persönlichen Gründen geboten ist.
Soweit der Beschwerdeführer nunmehr auch sein fortgeschrittenes Alter in Zusammenhang mit den limitierten Möglichkeiten für Personen über 65 Jahre einen Kredit zu bekommen für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit ins Treffen führt, ist ihm entgegenzuhalten, dass die nachsichtsgegenständlichen Nachforderungen dadurch zustande gekommen sind, dass der Beschwerdeführer jahrelang den falschen Steuersatz angewendet hat. Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers hat nach der Aktenlage ihre Ursache somit nicht im fortgeschrittenen Alter des Beschwerdeführers oder in der aktuellen Weltwirtschaftssituation, sondern in der nicht getroffenen Vorsorge für die Abgabenentrichtung, in Zeiten als dies noch möglich gewesen wäre.
Insgesamt gesehen konnte daher nicht von einer persönlichen Unbilligkeit der Einhebung der Abgaben ausgegangen werden.
Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen eine nachteilige Behandlung seiner Tätigkeit durch die österreichische Rechtslage als persönliche Unbilligkeit darstellt, ist ihm erneut die in dieser Sache ergangene, oben zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten. Soweit mit diesem Vorbringen die Richtigkeit der im Festsetzungsverfahren ergangenen Entscheidungen an sich bekämpft werden soll, ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Nachsicht nicht dazu dient, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen (vgl. Ritz, BAO6, § 236 Tz 14, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs).
3.1.3. Ergebnis
Die belangte Behörde hat daher im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen einer Unbilligkeit der Abgabeneinhebung verneint, sodass es sich erübrigt, eine Ermessensübung vorzunehmen (vgl. , mwN). Die Beschwerde war somit abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Fragen, welche Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht erfüllt sein müssen und wann Unbilligkeit iSd § 236 BAO vorliegt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits beantwortet (vgl. dazu die unter II.3. zitierten Entscheidungen).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -I/02 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101408.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at