Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2023, RV/7103190/2014

Pauschbeträge nach § 35 EStG 1988 für Diätverpflegungsaufwand und Behinderten-KFZ

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103190/2014-RS1
Findet sich auf dem vorgelegten Behindertenpass kein Hinweis auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und wurde auch keine andere Bescheinigung im Sinne des § 3 der Verordnung, BGBl 303/1996, vorgelegt, so kann kein Pauschbetrag aus diesem Titel gewährt werden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***2*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Das Beschwerdeverfahren betrifft die Einkommensteuer der am ***3*** verstorbenen ***4*** (im Folgenden als ehemalige Beschwerdeführerin bezeichnet und mit ehem. Bf. abgekürzt).

Die ehem. Bf. machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 unter Punkt "Außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung" aufgrund eines Grades der Behinderung von 80 % den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung (ein Kreuz wurde bei Z, G und M gesetzt), den Pauschbetrag für ein Behinderten-KFZ und unter Kennzahl 476 Kosten der Heilbehandlung von € 1.548,43 geltend. Außerdem gab sie bekannt, dass Pflegegeld von Jänner bis Dezember 2011 bezogen worden sei.

Mit Bescheid vom wurde die ehem. Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2011 veranlagt und die Abgabe in Höhe einer Gutschrift von € 652,00 festgesetzt. Berücksichtigung fand unter anderem der Pauschbetrag für Diätverpflegung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung in Höhe von € 840, nicht jedoch jener für die Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung.

Im Rahmen der am eingebrachten Beschwerde führte die ehem. Bf. ins Treffen: "Ich habe in meinem Antrag Pkt. 11.8. die Diätfreibeträge zu Z, G u. M beantragt (€ 70,-- + 51,-- + 42,--) = € 163,-- monatlich x 12 Monate € 1.956,-- und wurden diese nicht berücksichtigt; darüber hinaus habe ich zu Pkt. 11.10 den pauschalen Freibetrag für das eigene KFZ beantragt, welcher ebenfalls nicht berücksichtigt wurde..."

Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt um Nachreichung der "Befreiung gem. § 29 EStG 1988 hinsichtlich der Kraftfahrzeugsteuer". Im Schreiben vom brachte die ehem. Bf. vor, die Originalunterlagen lägen seit Jahren im Amt auf und seien auch bisher in allen Bescheiden berücksichtigt worden.

In der Folge wies die Behörde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab und führte aus:
"Sie haben trotz schriftlicher Aufforderung vom die erbetenen Unterlagen (Bescheinigung gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 bzw. einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 Abs. 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953) nicht erbracht. Sie urgieren in Ihrer Beschwerde, dass Sie nicht die Freibeträge für Zucker-, Magen- und Gallendiät erhalten haben. Tatsache ist, dass bei Vorliegen mehrerer Diätverpflegungen jeweils die höchste Diät (in Ihrem Fall die für Diabetes) berücksichtigt werden kann."

Im Vorlageantrag vom richtete die ehem. Bf. ihre Einwendungen erneut gegen die Nichtberücksichtigung aller drei Freibeträge für Diätverpflegung und des KFZ-Freibetrages trotz Vorliegens einer Bescheinigung über ein Behinderungsausmaß von 70 %.

Nachgereicht wurde mit Eingabe vom die Kopie des auf die ehem. Bf. am ausgestellten Behindertenpasses in Kartenform, auf dem ein Behinderungsgrad von 70% angegeben und die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingetragen ist. Laut weiterem Eintrag ist der Behindertenpass ab gültig.

Dem Veranlagungsakt und der Finanzamtsdatenbank ist außerdem Folgendes zu entnehmen:

Die ehem. Bf. verstarb am ***3***. Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***5*** vom ***7*** wurde die Verlassenschaft dem erblichen Enkelsohn ***6*** nach Abgabe einer bedingten Erbserklärung eingeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Verfahrensrechtliches:

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes vom ***7*** wurde in der Verlassenschaftssache nach der verstorbenen ***4*** der Nachlass zur Gänze deren bedingt erbserklärten Enkelsohn eingeantwortet.

Nach § 19 Abs. 1 BAO gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Dies betrifft nicht nur die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Abgabenschuldverhältnis ergeben, sondern auch die Rechte und Pflichten aus dem Abgabenpflichtverhältnis (vgl. , wonach der Gesamtrechtsnachfolger in materiell- und in verfahrensrechtlicher Hinsicht bezüglich aller Rechte und Pflichten in die gesamte Rechtsstellung des Rechtsvorgängers tritt). Wer Erbe ist und somit Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, ergibt sich aus den Feststellungen im Einantwortungsbeschluss. Dabei handelt es sich um eine Vorfrage iSd § 116 BAO und die Abgabenbehörde ist an die gerichtliche Feststellung der Erbenqualität gebunden (vgl. ).

Da im Einantwortungsbeschluss der Enkelsohn der Verstorbenen als Erbe genannt ist, gilt dieser somit als Gesamtrechtsnachfolger iSd. § 19 Abs. 1 BAO und nunmehriger Beschwerdeführer nach der Verstorbenen (kurz Bf.).

Rechtslage, festgestellter Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung:

Nach dem Vorbringen der ehem. Bf. im Vorlageantrag ist nur mehr die Höhe des pauschalen Freibetrages für Diätverpflegung sowie die Abzugsfähigkeit des Pauschbetrages für ein Behinderten-KFZ aus dem Titel der außergewöhnlichen Belastung nach § 35 EStG 1988 strittig.

Gemäß § 35 Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988 (hier und im Folgenden sind die Gesetzesstellen jeweils in der für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Fassung angegeben), steht einem Steuerpflichtigen ein Freibetrag zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen u. a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind zufolge § 35 Abs. 2 EStG 1988 durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stellen sind der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente gemäß § 11 Abs. 2 Opferfürsorgegesetz, BGBl Nr. 183/1947, die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern bzw. in allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice); dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen zu erlassenen Bescheid zu bescheinigen.

Ergänzend zu § 35 EStG 1988 wurde die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 (ab der Veranlagung 2011: idF BGBl. II Nr. 430/2010) (im Folgenden: Verordnung), erlassen.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat.

Eine Behinderung liegt nach § 1 Abs. 2 der Verordnung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 der Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen (§ 1 Abs. 3 der Verordnung).

Ad) Pauschaler Freibetrag wegen Diätverpflegung

§ 2 der Verordnung bestimmt:

"§ 2. (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei
-Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids 70 Euro
-Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit 51 Euro
-Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit 42 Euro
pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen."

Gegenständlich ergibt sich aus den Akten, dass der ehem. Bf. vom Sozialministeriumservice eine Gesamtbehinderung von 70% bescheinigt worden ist. Unbestritten ist weiters, dass die aus der Behinderung resultierenden und in der Steuererklärung angeführten Krankheiten jeweils die Einhaltung einer Diät erfordern.

Bei Zusammentreffen von verschiedenen, eine Krankendiätverpflegung auslösenden Leiden, die unterschiedliche Freibeträge zur Folge haben, steht schon von Gesetzes wegen nur der jeweils höchste Pauschalbetrag zu. Aufgrund des klaren Wortlautes des § 2 letzter Satz der Verordnung besteht sohin keine Möglichkeit mehrere Pauschbeträge für unterschiedliche Diäten zu berücksichtigen. Es steht daher für das Jahr 2011 für Diätverpflegung insgesamt ein Pauschbetrag von 70 € je Monat bzw. 840 € zu.

Vom Finanzamt wurde sohin zurecht ein Betrag von 840 € als jährlicher Freibetrag aus dem Titel der Mehraufwendungen für Diätverpflegung berücksichtigt.

Ad) Pauschaler Freibetrag für das eigene KFZ wegen Gehbehinderung

Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist gemäß § 3 Abs. 1 VO zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von € 190,00 monatlich zu berücksichtigen. Die Körperbehinderung ist aber in diesem Fall durch eine Bescheinigung gemäß § 29b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 Abs. 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 nachzuweisen.

Wie sich aus § 3 der Verordnung unmissverständlich ergibt, kann der Nachweis, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, nur durch eine dort angeführte amtliche Bescheinigung erbracht werden. Diese Bescheinigungen sind für die Abgabenbehörden bindend. Andere Beweismittel lässt die Verordnung nicht zu. Auch ist die Bestätigung eines Arztes nicht ausreichend (vgl. ; ; ; ). Soweit aus der amtlichen Bescheinigung hervorgeht, dass die Behinderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hat, ist dieser Zeitpunkt auch für die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung maßgebend. Enthält die Bestätigung keinen Hinweis auf den Zeitpunkt des Entstehens der Behinderung, stehen die Freibeträge ab der Ausstellung der Bestätigung zu.

Im Beschwerdefall liegt dem Bundesfinanzgericht ein vom Sozialministeriumservice im Jahr 2017 ausgestellter Behindertenpass vor, der einen Grad der Behinderung von 70 % ab bescheinigt und die Zusatzeintragung hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufweist. Dass eine solche bereits vor dem Jahr 2017 vorgelegen ist, kann der Bescheinigung jedoch nicht entnommen werden.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für einen vor dem Jahr 2017 liegenden Zeitraum kann aber weder durch das Finanzamt noch durch das Bundesfinanzgericht vorgenommen werden, da die zitierten gesetzlichen Bestimmungen das nicht zulassen und die rückwirkende Geltung durch das Sozialministeriumservice nicht festgestellt worden ist.

Diesbezüglich ist zu bemerken, dass die ehem. Bf. vom Finanzamt wiederholt um Vorlage der gesetzlich für die Gewährung des beanspruchten Pauschbetrages erforderlichen Unterlagen ersucht wurde. Einen entsprechenden Nachweis hat die ehem. Bf. aber - trotz Aufforderung - nicht erbracht, weshalb eine Gewährung des Freibetrages gemäß § 3 der Verordnung nicht möglich ist (so auch ).

Das Finanzamt hat daher für das Streitjahr den als außergewöhnliche Belastung vorgesehenen Freibetrag für das eigene Kraftfahrzeug wegen Behinderung mangels Vorlage einer in der Verordnung dafür vorgesehenen Bescheinigung zu Recht nicht gewährt.

Nichtzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Beim vorliegenden Sachverhalt ist für das BFG angesichts des klaren Wortlautes der maßgeblichen Bestimmung des § 35 EStG 1988 und jener der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at