Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2023, RV/7101703/2021

Berücksichtigung der auf Auslandseinkünfte entfallenden Steuer im Wege des Progressionsvorbehaltes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Judith Leodolter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 -2019 sowie Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2021 und Folgejahre, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge der Einkommensteuerveranlagung der Jahre 2017-2019 wurden ausländische Einkünfte iHv 3.919,08 € (2017), 4.019,76 € (2018) und 4.148,46 € (2019) zur Berechnung des Durchschnittssteuersatzes (Progressionsvorbehalt) zum jeweiligen inländischen Einkommen hinzugerechnet und der so ermittelte Durchschnittssteuersatz auf das inländische Einkommen angewendet.

Gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2017-2019 sowie den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für 2021 brachte der Bf. eine Beschwerde ein mit der Begründung, dass bei der dem Einkommen hinzugerechneten deutschen Rente die dort angerechnete Einkommensteuer nicht berücksichtigt worden sei und er beantragte die Anrechnung der laut Schreiben des Deutschen Finanzamtes Neubrandenburg (RIA) vom in den Jahren 2017-2019 entrichteten Steuer iHv 441 € (2017), 459 € (2018) bzw. 482 € (2019).

Ebenso beantragte er eine Neuberechnung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen 2021.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass die Pension der deutschen Rentenversicherung gemäß Artikel 18 Abs. 2 und Artikel 23 Abs. 2 Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Deutschland berücksichtigt worden sei.

Die Zahlungen an das Finanzamt Neubrandenburg (deutsche Einkommensteuer) stellten keine abzugsfähigen Ausgaben dar (§ 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988), weshalb die Beschwerde abzuweisen gewesen wäre.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2021 wurde mit der Begründung abgewiesen, dass zur Ermittlung der Vorauszahlungen die Einkommensteuerschuld des letztveranlagten Jahres (erhöht um 1,3%) herangezogen worden sei und dass die entsprechenden Bezüge auch im Kalenderjahr 2021 zufließen würden.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag brachte der Bf. im Wesentlichen vor, dass die deutsche Einkommensteuer vom dortigen Finanzamt Neubrandenburg vorgeschrieben und eingehoben worden sei.

Das Finanzamt Österreich habe neben der österreichischen Pension zusätzlich die kleine deutsche Rente zur Ermittlung des Einkommensteuersatzes und der Steuerprogression - sein Steuersatz sei 35% - hinzuzugerechnet. Somit würde er ohne Anwendung des DBA für seine kleine deutsche Rente aufgrund der Steuerprogression gesamt 45 % Steuer zahlen. Zur Vermeidung dieser Härte sei in Artikel 23 (1+2) 2b des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Österreich ganz klar geregelt, dass die abgeführte deutsche Einkommensteuer bei der Veranlagung auf die österreichische Steuer angerechnet werden müsse.

Die bereits vorgeschriebenen Einkommensteuer- Vorauszahlungen 2021 wären der neuen Veranlagung anzupassen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist deutscher Staatsangehöriger und in Österreich ansässig. Er erzielte in den streitgegenständlichen Jahren als Pensionist neben im Inland steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch eine Rente von der Deutschen Rentenversicherung iHv 3.919,08 € (2017), 4.019,76 € (2018) und 4.148,46 € (2019).

Der Bf. begehrt die Berücksichtigung bzw. die Anrechnung der laut Bestätigung des Finanzamtes Neubrandenburg festgesetzten und vom Bf. entrichteten deutschen Einkommensteuer iHv 441 € (2017), 459 € (2018) bzw. 482 € (2019).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unbestritten und ergibt sich aus den aktenkundigen Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2017-2019

Gemäß Artikel 18 Abs 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl III 2002/182 (in Folge: DBA Deutschland), dürfen Bezüge aus einer deutschen Sozialversicherungsrente nur in Deutschland besteuert werden.

Art 23 Abs 2 DBA-Deutschland lautet auszugsweise:

Bei einer in der Republik Österreich ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

"a) Bezieht eine in der Republik Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sieVermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in derBundesrepublik Deutschland besteuert werden, so nimmt die Republik Österreich vorbehaltlichder Buchstaben b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.

[...]

d) Einkünfte oder Vermögen einer in der Republik Österreich ansässigen Person, dienach dem Abkommen von der Besteuerung in der Republik Österreich auszunehmen sind,dürfen gleichwohl in der Republik Österreich bei der Festsetzung der Steuer für dasübrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden."

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus originär innerstaatlichem Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob ein Steueranspruch besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl zB ; ; ).

Gemäß § 1 Abs 2 EStG sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet (vgl zB ; , mwN; ; sowie zB Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), EStG, 21.Lfg. § 1 Tz 49f, mwN; und Fuchs in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer, 68. Lfg., § 1 Tz 13, mwN).

Aus § 1 Abs 2 EStG iVm Art 18 Abs 2 und Art 23 Abs 2 lit d DBA-Deutschland ergibt sich somit, dass zwar das Besteuerungsrecht an den deutschen Pensionseinkünften des Bf. Österreich entzogen ist, dass jedoch zur Berechnung des auf die übrigen (inländischen) Pensionseinkünfte anzuwendenden (Durchschnitts-)Steuersatzes auch die ausländischen, in Österreich befreiten Einkünfte miteinzubeziehen sind (Progressionsvorbehalt).

Wenn die belangte Behörde daher im vorliegenden Fall zur Ermittlung des maßgeblichen Durchschnittssteuersatzes auch die deutschen Pensionseinkünfte herangezogen hat, so geschah dies im Einklang mit der nationalen und internationalen Rechtslage.

Was den Einwand des Bf. betrifft, dass die auf die Auslandseinkünfte in Deutschland erhobene Steuer bei der Ermittlung der österreichischen Einkommensteuer zu berücksichtigen sei, wird ihm entgegengehalten:

§ 2 Abs 8 Z 1 EStG 1988 lautet:

"Soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuerausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, gilt Folgendes:
Für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend."

Gem. § 20 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Steuern vom Einkommen nicht abgezogen werden. § 20 Abs. 1 Z. 6 erfasst sämtliche in- und ausländische Personensteuern von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen (vgl. auch Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], Kommentar zum EStG, 21. Lfg., § 20 Anm. 139/1).

Daraus folgt, dass bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes das (Gesamt-)Einkommen nach den Vorschriften des österreichischen EStG ermittelt wird (vgl. auch ) und bei Ermittlung der deutschen Einkünfte die zu den privaten Ausgaben zählenden Steuern vom Einkommen nicht abgezogen werden dürfen. Das Finanzamt hat sohin die deutsche Einkommensteuer zu Recht bei Ermittlung der Progressionseinkünfte nicht berücksichtigt.

Insoweit der Bf. im Vorlageantrag unter Heranziehung der Bestimmung des Art. 23 Abs. 2 lit. b DBA Deutschland eine Anrechnung der in Deutschland gezahlten Steuer auf die österreichische Einkommensteuer begehrt, ist anzumerken, dass gegenständlich - wie bereits oben ausgeführt - die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt und nicht die Anrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zur Anwendung zu kommen hat. Art. 23 Abs. 2 lit. b enthält eine taxative Aufzählung jener Einkünfte, auf die die Anrechnungsmethode anzuwenden ist ("Einkünfte, die nach den Artikeln 10, 11, 13 Absatz 2 und 17 Absatz 1 Satz 2 und 3 in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden dürfen"). Die Pensionseinkünfte aus der deutschen Rentenversicherung fallen nicht darunter, sondern sind als Einkünfte iSd Art. 18 Abs. 2 DBA Deutschland zu qualifizieren, die in Österreich (nur) für den Progressionsvorbehalt heranzuziehen sind.

Eine Anrechnung der in Deutschland entrichteten Steuer hatte daher zu unterbleiben.

3.1.2 Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid 2021

Gemäß § 45 Abs. 1 EStG 1988 hat der Steuerpflichtige auf die Einkommensteuer Vorauszahlungen zu entrichten. Vorauszahlungen sind auf volle Euro abzurunden.

Die Vorauszahlung für ein Kalenderjahr wird wie folgt berechnet:

- Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr abzüglich der einbehaltenen Beträge im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 2 und Z 3

- Der so ermittelte Betrag wird, wenn die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraumfolgende Kalenderjahr wirkt, um 4%, wenn sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr wirkt, um weitere 5% für jedes weitere Jahr erhöht.

Nach § 45 Abs. 4 EStG 1988 kann das Finanzamt die Vorauszahlung der Einkommensteuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird.

Da der letzten Einkommensteuerveranlagung (2019) ausschließlich Pensionseinkünfte zu Grunde liegen, hat die Abgabenbehörde die Einkommensteuerschuld des letztveranlagten Jahres gemäß § 45 Abs. 4 EStG in Anlehnung an den Aufwertungsfaktor im Pensionsrecht (§ 108 Abs. 4 ASVG) nur um 1,3 % erhöht.

Der Bf. brachte lediglich Gründe vor, die sich gegen die Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2017-2019 richten. Damit vermag er der Beschwerde aber nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sich die Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr als richtig erweist (siehe dazu die Ausführungen zu 3.1.1).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dies ist gegenständlich nicht der Fall. Die Anwendung des Progressionsvorbehaltes ergibt sich zudem aus Art. 23 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 23 Abs. 2 lit. d DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 23 Abs. 2 lit. a DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101703.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at