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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.04.2023, RV/7100938/2023

Pendlerpauschale und Pendlereuro bei Vorliegen von zwei gleichzeitigen Dienstverhältnissen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF StNr*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte in seiner Arbeitnehmerveranlagung 2020 eine Pendlerpauschale iHv € 4.896,- und den Pendlereuro iHv € 857,36. Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2020, wobei die Pendlerpauschale und der Pendlereuro nicht berücksichtigt wurden. Begründend wurde ausgeführt, dass die Angaben auf den Pendlerrechnerauszügen nicht schlüssig wären.

Dagegen richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Der Bf. begehrte die Berücksichtigung der "großen" Pendlerpauschale und des Pendlereuros für jedes seiner beiden Dienstverhältnisse. Die Daten könnten anhand der Pendlerrechnerauszüge (Adressen) und der Lohnzettel einfach zugeordnet werden.

Mit Vorhaltsbeantwortungen vom und wurden abermals Auszüge aus dem Pendlerrechner vorgelegt, diese den Dienstverhältnissen zugeordnet, die Beschäftigung als gewerblicher Geschäftsführer dargelegt und Bestätigungen der Arbeitgeber über die jeweiligen Arbeitszeiten beigebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den Einkommen-steuerbescheid 2020 dahingehend ab, dass eine Pendlerpauschale iHv € 2.448,- und der Pendlereuro iHv € 556,- berücksichtigt wurde. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass sofern bei beiden Dienstverhältnissen jeweils ein volles Pendlerpauschale im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigt wurde, diese im Wege der Veranlagung dementsprechend auf ein Pendlerpauschale zu beschränken wären.

Am brachte der Bf. den Vorlageantrag ein und ergänzte, dass es nicht ersichtlich wäre, aus welchen Gründen die Pendlerpauschale und der Pendlereuro für das zweite Dienstverhältnis bei der Firma ***2*** in der ***Adr 2*** nicht ebenfalls anerkannt wurden. Der Bf. wäre monatlich mehr als zehn Tage vor Ort und legte die Wegstrecke immer zusätzlich von seinem Wohnsitz in ***Bf-Adr*** zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. bezieht im Streitjahr lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus zwei Dienstverhältnissen, die sich zeitlich überschneiden. Einerseits ist er ganzjährig bei der Firma ***1*** (Arbeitgeber 1) beschäftigt mit Dienstort in ***Adr 1***. Andererseits arbeitet er seit Mai 2020 bei der Firma ***2*** (Arbeitgeber 2) mit Dienstort in ***Adr 2***.

Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz in ***Bf-Adr*** und der Arbeitsstätte des Arbeitgeber 1 beträgt 417 Kilometer. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar. Die Wegstrecke wird vom Bf. an acht bis zehn Tagen im Kalendermonat zurückgelegt.

Die Entfernung zwischen der Wohnung in ***Bf-Adr*** und der Arbeitsstätte des Arbeitgebers 2 beträgt 226 Kilometer. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar. Die Wegstrecke wird vom Bf. an mehr als 10 Tagen im Kalendermonat zurückgelegt.

Laut den vorliegenden Lohnzetteln wurde die Pendlerpauschale und der Pendlereuro weder von Arbeitgeber 1 noch von Arbeitgeber 2 berücksichtigt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt fußt auf dem vorgelegten Akt des Finanzamtes bzw. auf den vom Bf. übermittelten Unterlagen.

Dass der Bf. zwei lohnsteuerpflichtige Einkünfte hat, die sich zeitlich überschneiden, ergibt sich aus den aktenkundigen Lohnzetteln des Arbeitgebers 1 ( - ) und des Arbeitgebers 2 ( - ). Die Dienstverhältnisse wurden zudem von den Arbeitgebern bestätigt.

Die Entfernung zwischen der Wohnung des Bf. und den jeweiligen Arbeitsstätten der Arbeitgeber ergibt sich aus den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Auszügen des Pendlerrechners. Diese sind vom Bundesfinanzgericht heranzuziehen, weil die Ergebnisse den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen (vgl. § 3 Abs. 3 Pendlerverordnung; Ebner, in Jakom15 (2022), § 16 Rn 30). Unstrittig beträgt die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Arbeitsstätte bei beiden Dienstverhältnissen mehr als 60 Kilometer.

Den Formularen L 34 zur "Erklärung/Nachweis zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros" ist zu entnehmen, dass der Bf. an acht bis zehn Tagen im Kalendermonat die Arbeitsstätte 1 anfährt und an mehr als zehn Tagen pro Kalendermonat seine Tätigkeit an der Arbeitsstätte 2 verrichtet. Seinen eigenen Angaben in der Vorhaltsbeantwortung vom zufolge wird die Arbeitsstätte 1 im Monat acht Mal, die Arbeitsstätte 2 mindestens zwölf Mal im Monat angefahren. Daraus folgt, dass der Bf. die Arbeitsstätte 2 im Kalendermonat überwiegend anfuhr, um dort tätig zu werden.

Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Zu den Werbungskosten zählen laut § 16 Abs. 1 Z 6 leg. cit. EStG 1988 auch Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j EStG 1988 steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

[....]

c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:

  • Bei mindestens 20 km bis 40 km 696,- Euro jährlich,

  • bei mehr als 40 km bis 60 km 1.356,- Euro jährlich,

  • bei mehr als 60 km 2.016,- Euro jährlich.

d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:

  • Bei mindestens 2 km bis 20 km 372,- Euro jährlich,

  • bei mehr als 20 km bis 40 km 1.476,- Euro jährlich,

  • bei mehr als 40 km bis 60 km 2.568,- Euro jährlich,

  • bei mehr als 60 km 3.672,- Euro jährlich.

e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens 11 Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:

  1. Fährt der Arbeitnehmer an mindestens 8 Tagen, aber an nicht mehr als 10 Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) zur Arbeitsstätte zu.

  2. Fährt der Arbeitnehmer an mindestens 4 Tagen, aber an nicht mehr als 7 Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) zur Arbeitsstätte zu.

  3. Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.

j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen (Pendlerverordnung).

Nach § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 steht bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis als Absetzbetrag ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 hat. Für die Berücksichtigung des Pendlereuros gelten die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b und lit. e bis j entsprechend.

Nach § 1 Abs. 6 der Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 idF BGBl. II Nr. 154/2014 ist bei nicht gleichen zeitlichen oder örtlichen Umständen der Erbringung der Arbeitsleistung während des gesamten Kalendermonats die Entfernung maßgebend, die im Kalendermonat überwiegend zurückgelegt wird. Liegt kein Überwiegen vor, ist die längere Entfernung maßgebend.

Aufgrund der getroffenen Feststellung, dass der Bf. im Streitjahr 2020 die Wegstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstätte 2 überwiegend, nämlich mindestens 12x im Kalendermonat zurücklegte und die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist, steht dem Bf. grundsätzlich das "große" Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG hinsichtlich dieser Fahrten zu.

Da diese Fahrten erst mit Beginn des Dienstverhältnisses mit dem Arbeitgeber 2 ab getätigt wurden, ist das begehrte Pendlerpauschale anteilig für den Zeitraum bis als abzugsfähig anzuerkennen. Für die Monate Mai bis Dezember 2020 steht dem Bf. daher die volle Pendlerpauschale iHv € 306,- pro Kalendermonat, somit in Summe € 2.448,- zu.

Dem weiteren Begehren des Bf., auch für die Fahrten zur Arbeitsstätte 1 ein weiteres zusätzliches Pendlerpauschale zu lukrieren, steht die o.a. Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988, letzter Satz entgegen, wonach einem Steuerpflichtigen im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zusteht. Das Aufsuchen der Arbeitsstätte 1 bewirkt daher keine Berücksichtigung eines weiteren (aliquoten) großen Pendlerpauschales und ist somit abpauschaliert, da auf das überwiegende Anfahren der Arbeitsstätte 2 abzustellen ist.

In den Monaten Jänner bis April 2020 war der Bf. nur beim Arbeitgeber 1 beschäftigt. Wie festgestellt, legte der Bf. die Wegstrecke zur Arbeitsstätte 1 an acht bis zehn Tagen im Kalendermonat zurück, sodass ihm gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988 zwei Drittel des vollen Pendlerpauschales zusteht. Sohin sind für die vier Monate ein aliquotes Pendlerpauschale iHv € 204,- pro Kalendermonat, in Summe€ 816,- als abzugsfähig anzuerkennen.

Für das Jahr 2020 kann daher das Pendlerpauschale iHv insgesamt € 3.264,- als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Ein Pendlereuro nach § 33 Abs. 5 Z 4 EStG steht in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dann zu, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG hat. Dies trifft im vorliegenden Fall zu. Für die Monate Jänner bis April 2020 legte der Bf. an acht bis zehn Tagen eine Wegstrecke von 417 km für die Fahrten zur Arbeitsstätte 1 zurück, sodass sich ein Pendlereuro iHv € 185,32 ergibt (417 km x 2 = € 834,- jährlich; 834/12 = € 69,50 pro Monat; aliquotiert mit zwei Drittel = 46,33 pro Monat; 46,33 x 4 = 185,32).

Für die Monate Mai bis Dezember 2020 steht dem Bf. die Pendlerpauschale und somit auch der Pendlereuro aufgrund der überwiegenden Fahrten zur Arbeitsstätte 2 (226 km) zu. Es ergibt sich somit ein Pendlereuro iHv € 301,36 (226 km x 2 = € 452,- jährlich; 452/12 = € 37,67 pro Monat; 37,67 x 8 = 301,36).

Für eine weitere (zweite) Berücksichtigung des Pendlereuros für Fahrten zur Arbeitsstätte 1 gilt das bereits oben Gesagte. Es liegt kein überwiegendes Zurücklegen von Wegstrecken zur Arbeitsstätte 1 vor (vgl. auch ).

Rechnerische Auswirkungen:

Im Erstbescheid wurden vom Finanzamt weder Pendlerpauschale noch Pendlereuro berücksichtigt. Entsprechend der vorstehenden Ausführungen ist der Bescheid abzuändern und sind anzuerkennen:

Pendlerpauschale: € 3.264,00 Pendlereuro: € 486,68

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beurteilung, ob und inwieweit das Pendlerpauschale bzw. der Pendlereuro zustehen, war anhand der sachverhaltsmäßigen zu treffenden Feststellungen zu entscheiden. Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung kann kein Grund für das zulassen einer ordentlichen Revision erkannt werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100938.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at