Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.04.2023, RV/7100419/2020

Mangels Mehraufwendungen des Bf. keine Berücksichtigung eines Pauschbetrages nach § 5 Abs. 1 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der Beschwerdeführer (Bf.) aufgrund der Fahrtaufwendungen in Höhe von Euro 40,00 im Zusammenhang mit der Behinderung seines Sohnes Anspruch auf den Pauschbetrag gemäß § 5 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen hat.

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 machte der Bf. außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit der Behinderung seines Sohnes geltend.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahr 2018 fest. Mangels Nachweis von Mehraufwendungen für den Sohn des Bf. stehe der pauschale Freibetrag für die erhöhte Familienbeihilfe analog zum Jahr 2017 zur Gänze der Kindesmutter zu.

Dagegen erhob der Bf. mit Eingabe vom Beschwerde. In der Begründung weist der Bf. auf das von der belangten Behörde nicht gewahrte Parteiengehör hin und führt aus, dass ihm im Jahr 2018 Mehraufwendungen in Höhe von Euro 40,00 im Zusammenhang mit der Fahrt zu einer Kontrolluntersuchung seines Sohnes entstanden wären.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit Hinweis auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7100329/2019, und den einmaligen Aufwand von Euro 40,00 als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend wird ausgeführt, dass die belangte Behörde die Mehraufwendungen der Kindesmutter ermitteln hätte müssen. Der Bf. hätte die ihm entstandenen Mehraufwendungen belegmäßig nachgewiesen.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Nach den Ausführungen im Vorlagebericht geht die belangte Behörde davon aus, dass der Bf. laut gerichtlichem Beschluss nur normale Unterhaltszahlungen ohne Berücksichtigung der Behinderung des Kindes leiste. Weiters sei davon auszugehen, dass der Kindesmutter infolge Haushaltszugehörigkeit weitaus höhere Aufwendungen erwachsen seien und der vom Bf. bezahlte Betrag in Höhe von Euro 40,00 vor diesem Hintergrund als geringfügig anzusehen sei.

Mit Eingabe vom stellte der Bf. einen zusätzlichen Beweisantrag. Das Bundesfinanzgericht möge ermitteln, welche Mehraufwendungen die Kindesmutter im Jahr 2018 im Zusammenhang mit der Behinderung des gemeinsamen Sohnes zu tragen hatte.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. bezieht im Streitjahr 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der volljährige Sohn des Bf. lebt im Haushalt der Kindesmutter. Der Bf. leistet monatlich Geldunterhalt in Höhe von Euro 717,00. Die Kindesmutter bezieht für den Sohn erhöhte Familienbeihilfe.

Im Zusammenhang mit der Behinderung des Sohnes hatte der Bf. im Streitjahr 2018 Mehraufwendungen in Höhe von Euro 40,00. Die Aufwendungen betreffen Kosten für die Fahrt zu einer jährlichen Untersuchung des Sohnes im Klinikum. Weitere Aufwendungen sind dem Bf. nicht entstanden.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

§ 34 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012, lautet auszugsweise wie folgt:

Außergewöhnliche Belastung

§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. […]

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

[…]

-Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

[…]

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (in der Folge: VO), BGBl. Nr. 303/1996, in der Fassung BGBl. II Nr. 430/2010, lautet auszugsweise wie folgt:

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen. […]

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder fürdie Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 6. Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Pauschbetrag nach §§ 2, 3 oder 5, dann istdieser Pauschbetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seinehöheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Pauschbetrag um dienachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.

Der Begriff Mehraufwendungen im § 34 Abs. 6 EStG 1988 stellt klar, dass nur die aus der Behinderung des Kindes erwachsenden Aufwendungen der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung unterliegen. Nur solche Aufwendungen und nicht Aufwendungen schlechthin (Unterhaltskosten) werden auch durch die im § 5 der VO vorgesehenen Pauschbeträge abgedeckt. Nicht maßgebend ist, ob der Steuerpflichtige selbst oder jemand anders (etwa das Kind oder - wie hier - die Kindesmutter) die erhöhte Familienbeihilfe bezieht (vgl. sowie Fuchs in: Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar 54. Lfg. 2013, § 34 Abs. 6 bis 9 Rz 16).

Zu den Kosten der Heilbehandlung im Sinn des § 4 der VO zählen auch die in diesem Zusammenhang anfallenden Fahrtkosten (vgl. mwN).

Der Bf. hat Fahrtkosten in Höhe von Euro 40,00 geltend gemacht, die ihm im Zusammenhang mit einer Fahrt zu einer Untersuchung seines behinderten Sohnes im Klinikum erwachsen sind. Diese Kosten können dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 der VO entsprechend zusätzlich zum Pauschbetrag nach § 5 Abs. 1 der VO als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Die Fahrtkosten in Höhe von Euro 40,00 können daher gemäß § 5 Abs. 3 iVm § 4 der VO beim Bf. ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden.

Soweit der Bf. die Berücksichtigung des Pauschbetrages nach § 5 Abs. 1 der VO beantragt, übersieht er, dass ihm neben den angeführten Fahrtaufwendungen keine weiteren Aufwendungen entstanden sind. Auch wenn die Höhe der Mehraufwendungen nicht nachgewiesen werden muss, so muss es zumindest möglich gewesen sein, dass dem Bf. derartige Mehraufwendungen entstanden sind (vgl. ). Da der Bf. selbst angibt, dass ihm im Streitjahr 2018 lediglich die angeführten Fahrtaufwendungen in Höhe von Euro 40,00 entstanden sind, war die Berücksichtigung eines Pauschbetrages im Sinne des § 5 Abs. 1 der VO nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund war es nicht erforderlich, die der Kindesmutter im Jahr 2018 entstandenen Mehraufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung des gemeinsamen Sohnes zu ermitteln.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich eindeutig aus den rechtlichen Vorgaben sowie der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt und spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100419.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at