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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.04.2023, RV/7105103/2015

Verdeckte Ausschüttung: Direktvorschreibung der KESt - begründete Ermessensentscheidung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Edinger Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Hauptstraße 15, 2230 Gänserndorf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach, alle vom , Steuernummer ***xxx***, betreffend Festsetzung Kapitalertragsteuer 2008 bis 2013 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Strittig ist im gegenständlichen Beschwerdefall, ob die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit bei der ***GmbH*** festgestellten verdeckten Ausschüttungen beim Beschwerdeführer (Bf.) als Gesellschafter-Geschäftsführer zu Recht erfolgte.

Im Zusammenhang mit verdeckten Ausschüttungen, die im Zuge einer Außenprüfung bei der ***GmbH*** festgestellt wurden, setzte die belangte Behörde mit Bescheiden vom die Kapitalertragsteuer betreffend die Jahre 2008 bis 2013 für den Bf. als Gesellschafter im Ausmaß von 50% fest.

Nach Verlängerung der Beschwerdefrist erhob der Bf. gegen die angeführten Bescheide mit Eingabe vom Beschwerde und beantragte die sofortige Vorlage an das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache mit Stichtag der GA 1017 zur Entscheidung zugeteilt.

Mit Eingabe vom zog der Bf. den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurück.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war im Zeitraum bis Geschäftsführer der ***GmbH***. Der Bf. war zu 50% als Gesellschafter an der ***GmbH*** beteiligt. Ein zweiter Gesellschafter war zu ebenfalls 50% beteiligt.

Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung bei der ***GmbH*** wurde festgestellt, dass es sich bei den von den Subfirmen gelegten Rechnungen für Fremdleistungen um Deckungsrechnungen handelte. Die in Rechnung gestellten Fremdleistungen wurden tatsächlich durch nicht angemeldete Arbeiter der ***GmbH*** erbracht. Seitens der Betriebsprüfung wurden Betriebsausgaben in Höhe von 50% der verrechneten Leistungen berücksichtigt. Die Differenz zwischen den geltend gemachten Fremdleistungsaufwendungen und den von der Außenprüfung anerkannten Betriebsausgaben wurden samt des Provisionsaufwandes für die Rechnungslegung den beiden Gesellschaftern der ***GmbH*** zu je 50% als verdeckte Ausschüttungen zugerechnet. Diese Feststellungen der Betriebsprüfung wurden durch die Entscheidung des , bestätigt. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom , zurückgewiesen.

Dem Bf. wurden folgende Beträge als verdeckte Ausschüttung zugerechnet:


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2008
Euro 32.765,26
2009 (01-10)
Euro 9.563,96
2010 (08-12)
Euro 10.211,46
2011
Euro 43.633,25
2012
Euro 47.934,26
2013
Euro 35.500,00

Die Zurechnung an den Bf. erfolgte im Ausmaß seiner Beteiligung in Höhe von 50%. Der Bf. hat weder zum Zufluss verdeckter Ausschüttungen an ihn noch zum Ausmaß der Zurechnung Vorbringen erstattet.

Mit Bescheiden vom schrieb die belangte Behörde dem Bf. die diesbezügliche Kapitalertragsteuer für die Jahre 2008 bis 2013 direkt vor. Insgesamt beträgt die dem Bf. in Bezug auf die oben angeführten Ausschüttungsbeträge vorgeschriebene Kapitalertragsteuer für die Jahre 2008 bis 2013 Euro 44.902,03.

Die Bilanz der ***GmbH*** weist in den Jahren 2014 bis 2021 ein negatives Eigenkapital aus (2014: Euro ***Zahl***; 2015: Euro ***Zahl1***; 2016: Euro ***Zahl2***; 2017: Euro ***Zahl3***; 2018: Euro ***Zahl4***; 2019: Euro ***Zahl5***; 2020: Euro ***Zahl6***; 2021: Euro ***Zahl7***).

[...]

Die ***GmbH*** hatte im Streitzeitraum einen einzigen Auftraggeber und führte für diesen Montagearbeiten durch.

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, insbesondere den Außenprüfungsbericht vom betreffend die ***GmbH***, und das Erkenntnis des , sowie auf Abfragen aus dem Firmenbuch. Die gegen das Erkenntnis des BFG erhobene außerordentliche Revision wurde vom , zurückgewiesen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 95 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2008, lautet auszugsweise wie folgt:

Höhe und Einbehaltung der Kapitalertragsteuer

§ 95. (1) Die Kapitalertragsteuer beträgt 25%.

(2) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. […]

[…]

(5) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn

1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder

2. der Empfänger weiß, daß der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

[…]

§ 95 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012, lautet auszugsweise wie folgt:

Schuldner und Abzugsverpflichteter

§ 95. (1) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Der Abzugsverpflichtete (Abs. 2) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. […]

[…]

(4) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn

1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder

2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

[…]

Bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen wird die Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs erhoben (vgl. § 93 Abs. 1 EStG 1988; Kapitalertragsteuer).

Zu den abzugsteuerpflichtigen Kapitalerträgen gehören auch verdeckte Ausschüttungen (vgl. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind Mehrgewinne einer Kapitalgesellschaft, die in ihrem Betriebsvermögen keinen Niederschlag gefunden haben, regelmäßig als den Gesellschaftern verdeckt zugeflossene Ausschüttungen anzusehen (vgl. mwN).

Derartige Mehrgewinne sind den Gesellschaftern grundsätzlich nach dem auch sonst geltenden Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, es sei denn, dass die Mehrgewinne abweichend vom allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel nur einem oder einigen der Gesellschafter zugeflossen sind. Dass die durch Gewinnzuschätzungen ermittelten Mehrgewinne überhaupt nicht zur Ausschüttung gekommen seien, also weiterhin bei der Gesellschaft verwendet worden seien, ist vom Abgabepflichtigen zu beweisen (vgl. ).

Der Bf. bringt in der Beschwerde vor, dass keine einzige Kick-back Zahlung und keine einzige Provisionszahlung konkretisiert werden konnte.

Sowohl im Rahmen der Außenprüfung durch die belangte Behörde als auch im Erkenntnis des , betreffend die ***GmbH*** wurde festgestellt, dass es tatsächlich zu Zahlungsrückflüssen und Provisionszahlungen kam, während die in Rechnung gestellten Arbeiten durch nicht angemeldete Arbeiter der Gesellschaft durchgeführt wurden. Die Frage, ob infolge von Zahlungsrückflüssen und Provisionszahlungen verdeckte Ausschüttungen vorliegen, wurde bereits im Verfahren zur ***GmbH*** geklärt. Im Übrigen wurde nicht als erwiesen angesehen, dass die betreffenden Beträge aus den Rechnungen der Subunternehmer tatsächlich die Sphäre der ***GmbH*** verlassen haben und nicht für eine verdeckte Ausschüttung an die Gesellschafter zur Verfügung standen (vgl. dazu ). Diesbezügliches Vorbringen vermag der gegenständlichen Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Demnach liegt ein Mehrgewinn vor, der im Betriebsvermögen der ***GmbH*** keinen Niederschlag gefunden hat. Nach der oben angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Mehrgewinne in der Regel entsprechend den Beteiligungsverhältnissen den Gesellschaftern als zugeflossen gelten. Es wäre am Bf. gelegen, nachzuweisen, dass ihm keine verdeckte Ausschüttung zugeflossen ist bzw. dass von einem vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Zufluss ausgegangen werden muss. Der Bf. hat in der vorliegenden Beschwerde keinerlei Vorbringen betreffend die Ausschüttung der zugeflossenen Gelder an ihn (und den weiteren Gesellschafter) erstattet. Mangels gegenteiligen Vorbringens ist daher von einem Zufluss an den Bf. im Ausmaß seiner Beteiligung in Höhe von 50% auszugehen.

Sowohl für das EStG 1972 wie auch für das EStG 1988 gilt, dass die Kapitalertragsteuer grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen ist. Nur ausnahmsweise wird der Empfänger der Kapitalerträge in Anspruch genommen. Sind die Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 (bzw. Abs. 4) EStG 1988 erfüllt, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird (siehe dazu mwN).

Die Vornahme verdeckter Ausschüttungen ist ein klassischer Anwendungsfall des § 95 Abs. 5 (bzw. Abs. 4) EStG 1988, besteht das Wesen verdeckter Ausschüttungen doch gerade darin, die Zuwendung von Vorteilen an die Gesellschafter nicht nach außen in Erscheinung treten zu lassen und auch keine vorschriftsmäßige Kürzung der Kapitalerträge vorzunehmen (vgl. ).

Da infolge der verdeckten Ausschüttung die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 (bzw. Abs. 4) EStG 1988 erfüllt sind, liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird.

Die Annahme der belangten Behörde, wonach unter Hinweis auf Erkenntnisse des BFG bei einer verdeckten Ausschüttung die Kapitalertragsteuer dem Empfänger der Kapitalerträge direkt vorzuschreiben sei, ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des VwGH nicht zutreffend. Es ist vielmehr eine begründete Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. mit Verweis auf ).

Bei der Ermessensübung ist immer auf den Einzelfall abzustellen.

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich gemäß § 20 Bundesabgabenordnung (BAO) in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei wird dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beigemessen (vgl. ).

Der Bf. war im Streitzeitraum Gesellschafter-Geschäftsführer der ***GmbH***. Als Vertreter der GmbH gemäß § 80 Abs. 1 BAO hatte er insbesondere auch deren abgabenrechtliche Pflichten wahrzunehmen und sohin auch Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Das steuerliche Verhalten des Bf. ist folglich unter dem Aspekt der "Billigkeit" zulasten berechtigter Interessen der Partei zu berücksichtigen. Außerdem hat der Bf. im gegenständlichen Verfahren keinerlei Einwendungen gegen die Ermessensübung und die Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer erhoben.

Wie oben dargestellt war das Eigenkapital der ***GmbH*** im Zeitraum 2014 bis 2021 durchgehend negativ. Wenngleich die Geschäftsführer in Hinblick auf eine Überschuldung im Sinn des Insolvenzrechts im Anhang zum Jahresabschluss ausführen, dass im Jahr 2015 eine Einzahlung von Gesellschafterseite erfolgte, stille Reserven im Umlaufvermögen vorlägen, private Haftungen der Gesellschafter in ausreichendem Umfang bestünden und Rückstehungserklärungen für Verbindlichkeiten vorlägen, bestehen vor dem Hintergrund der Sicherung der Abgabeneinbringung Bedenken, ob die ausstehende Kapitalertragsteuerschuld in Höhe von insgesamt Euro 44.902,03 tatsächlich bei der Gesellschaft im Haftungsweg einbringlich wäre. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die ***GmbH*** nur für einen Auftraggeber tätig ist und sich damit in einer starken wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet.

Ausgehend von den vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten wird das Ermessen in Anbetracht der Kriterien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit in gesetzmäßiger Weise geübt, wenn die Kapitalertragsteuer direkt dem Gesellschafter vorgeschrieben wird.

Die angefochtenen Bescheide sind daher zu Recht ergangen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage wurde der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt. Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7105103.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at