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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2023, RV/1200014/2020

Res iudicata

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Antonius Falkner Rechtsanwalt GmbH, Barwies 329, 6414 Mieming, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom betreffend Zollabgabe, Einfuhrumsatzsteuer und Verzugszinsen zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom wurden dem Beschwerdeführer (Bf.) eine Abgabenschuld in Höhe von € 8.585,36 mitgeteilt (Zoll, EUSt, Verzugszinsen).

Die bescheiderlassende Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus (auszugsweise dargestellt): "Im Rahmen einer Zollkontrolle am wurde durch die Bediensteten der ho Behörde festgestellt, dass auf einem polnischen Abschleppfahrzeug ein PKW ohne Kennzeichen und ein weiteres Transportfahrzeug aufgeladen waren. Der Fahrer des polnischen Abschleppfahrzeuges war […] der Eigentümer des aufgeladenen PKW ohne Kennzeichen der oben angeführte Bescheidadressat (Anm.: der nunmehrige Bf.)

Nach telefonischer Verständigung durch den Fahrer des Abschleppautos erschien der Bescheidadressat beim Zollamt Feldkirch Wolfurt, Zollstelle Höchst. Im Rahmen der anschließend durchgeführten Einvernahme mit vorgenannter Person wurde demnach in der Tatbeschreibung folgender Sachverhalt festgehalten: Der Bescheidadressat hat anlässlich einer Probe- und Besuchsfahrt zu seiner Mutter am die gegenständliche im Spruch beschriebene Ware, ein unverzolltes Fahrzeug der Marke Audi, […], über den deutschen Grenzübergang Thayngen (Deutschland) in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht. Zu diesem Zeitpunkt befand sich am oben genannten Fahrzeug das schweizerische Werkstattkennzeichen "UT", welches auf seine Arbeitgeberin, die EH, Schweiz, lautete. Aus der oben angeführten Tatbeschreibung und den weiteren Eingaben geht hervor, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am aufgrund eines Schadens (Defekt am Differentialgetriebe und Aufleuchten der Öllampe) in Deutschland auf einem Privatparkplatz stehen gelassen wurde. Anschließend entfernte […] (Anm.: der Bf.) das Kennzeichen vom Fahrzeug und ließ sich von seiner Mutter zurück in die Schweiz chauffieren. Das Werkstattkennzeichen nahm er dabei mit. In weiterer Folge beauftragte er nach eigenen Ausführungen einen polnischen Abschleppdienst, das Fahrzeug an die deutsch-schweizerische Grenze zu bringen, um es im Anschluss an den erfolgten Transport unter Verwendung eines Firmenkennzeichens selbst wieder in die Schweiz auszuführen. Zum Zeitpunkt der Übergabe und des Transportes der verfahrensgegenständlichen Ware befand sich die mitbeteiligte Partei nicht im Zollgebiet der Union.

Schon mit Bescheid vom , Zahl: 920000/xxxx/06/2017 wurden Abgaben unter Hinweis auf Art. 79 Abs. 1 lit. a UZK in der Höhe von EUR8.138,68 (Zoll € 2.533,07 + Einfuhrumsatzsteuer € 5.572,74 + Verzugszinsen € 32,87) festgesetzt und mitgeteilt (unter Verweis auf die "Abholung").

Mit Eingang vom brachte der Bescheidadressat durch die freundliche Rechtsvertretung […] fristgerecht eine Beschwerdegegen den soeben erwähnten Bescheid vom ein und begründete diese im Wesentlichen folgendermaßen: Die zolltarifliche Abgabenbegünstigung gemäß Art 86 Abs 6 UZK gelte auch in seinem Fall. Denn er habe sein Fahrzeug lediglich aufgrund der Fahruntüchtigkeit abschleppen lassen und natürlich habe er die Vertretungshandlung für die Übernahme und den Transport desgegenständlichen Fahrzeuges offenlegen wollen. Weiters sei seitens des Abschleppdienstes keine zollrechtlich maßgebende Handlung gesetzt worden und auch nicht beabsichtigt gewesen. Abschließend brachte der Bescheidadressat vor, die Zollschuld sei unter besonderen Umständen iSd Art 120 UZK entstanden, die nicht auf eine Täuschung oder offensichtliche Fahrlässigkeit zurückzuführen sei."

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1200026/2017 wurde der Bescheid vom aufgehoben. Das BFG führte zum Sachverhalt aus:

"Am reiste der Beschwerdeführer mit dem in der Schweiz zugelassenen Fahrzeug der Marke Audi, Modell […] über den Grenzübergang Thayngen (Deutschland) in das Zollgebiet der Europäischen Union ein. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen ehemaligen Unfallwagen, den er von seinem Schweizer Arbeitgeber, der A, erworben und dort auch Instand gesetzt hat. Das Fahrzeug war mit einem Wechselkennzeichen seines Arbeitsgebers versehen. Auf der Fahrt nach Böblingen trat am Fahrzeug ein Defekt auf (die Öllampe leuchtete). Da die Weiterfahrt und anschließende Rückreise mit dem Fahrzeug in die Schweiz zu unsicher war (beim Fahrzeug handelte es sich um repariertes Unfallfahrzeug), hat er den PKW auf dem Parkplatz einer Bekannten abgestellt, die Kennzeichentafeln abmontiert (da es sich um Werkskennzeichen seines Arbeitgebers handelte) und ohne den PKW in die Schweiz zurückgekehrt. In der Folge beauftragte er einen ihm bekannten in Polen ansässigen Transportunternehmer, das Fahrzeug aufzuladen und an die Grenze zur Schweiz zu verbringen. Die Wiedereinreise mit dem Fahrzeug in die Schweiz wollte der Beschwerdeführer selbst durchführen"

Das BFG sprach aus, dass keine Abgabenschuld entstanden ist und behob den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos: "Die Verladung und Überstellung eines wegen eines Defekts in Deutschland liegen gebliebenen Fahrzeugs auf einen im Zollgebiet zugelassenen Autotransporter mit dem Zweck, das Fahrzeug bis zur deutsch - schweizerischen Grenze zu transportieren, stellt keine (unzulässige) Verwendung des Fahrzeuges als Beförderungsmittel im Zollgebiet der Union dar (VwGH Ro 2017/16/0020). Eine Überlassung zur Nutzung (vorübergehenden Verwendung) des Fahrzeugs im Zollgebiet war dabei nicht vorgesehen. Das Fahrzeug wurde auch nicht von einer außerhalb des Zollgebiets ansässigen Person verwendet. Der Beschwerdeführer durfte das Fahrzeug durch den im Zollgebiet ansässigen Unternehmer (aufgeladen auf einem Autotransporter) bis zur Grenze verbringen lassen, ohne dass dadurch für das Beförderungsmittel die Zollschuld entstanden ist."

Die dagegen eingebrachte ao Revision der Behörde wurde zurückgewiesen; s ).

Mit dem hier in Beschwerde gezogenen Abgabenbescheid wird - neuerlich - Zoll, EUSt- und Verzugszinsen vorgeschrieben. Die bescheiderlassende Behörde begründet dies nunmehr unter Hinweis auf Art 250 Abs 2 lit d UZK iVm Art 212 Abs 3 lit a erster Halbsatz UZK-DA, wonach es zwingende Voraussetzung für die Gewährung der vollständigen Befreiung von den Einfuhrabgaben für Beförderungsmittel sei, dass dieses auf den Namen einer außerhalb der EU ansässigen Person amtlich zugelassen ist. Im vorliegenden Fall erfolgte, so die Behörde, der Grenzübertritt von der Schweiz in das Zollgebiet der Union (Deutschland) mit dem am gegenständlichen Fahrzeug montierten U-Schild. Aus Sicht der ho Behörde wird aus nachstehenden Gründen dem Erfordernis der amtlichen Zulassung nach Art 212 Abs 3 lit a erster Halbsatz UZK-DA nicht entsprochen:

"Für die internationalen Beziehungen gelten diverse multilaterale Verträge, die den Straßenverkehr regeln, darunter auch das Istanbuler Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung vom und das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr vom .

Nach den Art 1 und 5 lit a der Anlage C des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung (Istanbuler Übereinkommen) gelten Straßenfahrzeuge als Beförderungsmittel. Diese müssen dabei auf den Namen einer Person zum Verkehr zugelassen sein, die ihren Sitz oder Wohnsitz außerhalb des Gebietes der vorübergehenden Verwendung hat." Nach Art 35 Abs 1 lit a des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr müssten folglich zwei Voraussetzungen erfüllt sein. "Zum einen muss ein Kraftfahrzeug von einer Vertragspartei oder von einem ihrer Teilgebiete zugelassen sein und zum anderen muss der Lenker über eine gültige Bescheinigung über diese Zulassung der zuständigen Behörde, den Zulassungsschein, verfügen, um unter die Begünstigungen dieses Übereinkommens zu fallen. Der Zulassungsschein muss dabei die festgelegten Angaben enthalten. Dies ist bei Kraftfahrzeugen, wie beim gegenständlichen Fahrzeug, die mit einem schweizerischen Händlerschild verwendet werden, nicht der Fall, weil der zugehörige Kollektiv-Fahrzeugausweis das Fahrzeug nicht wie den ordentlichen Fahrzeugausweis spezifiziert, da er für verschiedene Fahrzeuge verwendet werden darf. Er enthält somit nicht alle die in Art 35 Abs 1 des Wiener Übereinkommens erforderlichen Angaben."

Zwar enthält der Spruch des Bescheides keine Angaben über den Zollschuldentstehungstatbestand, allerdings betont die bescheiderlassende Behörde, dass die Abgabenschuld wegen einer Unregelmäßigkeit wegen Art 79 Abs 1 lit a UZK entstanden ist"; die Behörde führt dazu aus: "Mangels Vorliegens des in Art 212 UZK-DA normierten zwingenden Erfordernisses der amtlichen Zulassung wurde somit das gegenständliche Fahrzeug nicht in die vorübergehende Verwendung übergeführt. Vielmehr entstand die Zollschuld nach Art 79 Abs 1 lit a UZK in Deutschland durch das vorschriftswidrige Verbringen der betreffenden Ware in das Zollgebiet der Union unter Nichtbeachtung der Gestellungsverpflichtung gemäß Art 139 Abs 1 UZK."; Hinweis auf Art 87 Abs 4 UZK.

Zu "res iudicata" führt die Behörde aus:

"Der Zeitpunkt und der Ort der Zollschuldentstehung sind verändert und es wird nicht von der Inanspruchnahme der vorübergehenden Verwendung ausgegangen, weshalb die Zollschuldentstehung somit nicht mehr auf der Übergabe des gegenständlichen Fahrzeuges an einen im Zollgebiet ansässigen Transportunternehmen fußt".

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wird vorgebracht, dass der Grundsatz der "entschiedenen Sache" eine neuerliche Vorschreibung rechtswidrig macht. Die Behörde sei nicht berechtigt, denselben tatsächlichen Sachverhalt einer neuerlichen bescheidmäßigen Behandlung zuzuführen. Auch habe der VwGH klar und deutlich entschieden, dass aufgrund des Tatbestandes der Nichtanmeldung keine Zollschuld des Beschwerdeführers entstanden ist.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (vgl dazu zB ). Identität der Sache liegt immer dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat; zB . Damit aber ist aber das Schicksal der Beschwerde schon entschieden. Der angenommene Sachverhaltslauf ist nämlich zu , Zahl: 920000/xxxx/06/2017 zur Gänze ident; der Abgabenbescheid wurde vom BFG ersatzlos behoben. In beiden dargestellten Sachverhaltsverläufen wurde die Grenze mit einem Wechselkennzeichen passiert. In beiden Fällen wurde das verfahrensgegenständliche Fahrzeug am aufgrund eines Schadens stehen gelassen und in beiden Sachverhaltsverläufen wurde es auch wieder abgeholt. In beiden Fällen ist (auch nach Ansicht des Zollamtes) die Abgabenschuld nach Art 79 Abs 1 lit a UZK für denselben Abgabepflichtigen entstanden. Im Verfahren , Zahl: 920000/xxxx/06 hat das Zollamt ausgeführt, dass das Fahrzeug zur vorübergehenden Verwendung ordnungsgemäß angemeldet wurde; diese Rechtsansicht wurde durch das BFG bestätigt; , RV/1200026/2017; der VwGH hat die von der Behörde eingebrachte ao Revision zurückgewiesen. Einer nochmaligen Entscheidung in dieser Sache steht sohin das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegen.

1.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der tragende Grundsatz "res iudicata" ist ein Eckpfeiler des Rechtsstaates, der in der Judikatur des VwGH seinen Niederschlag gefunden hat (siehe oben).

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 279 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


UZK, Zollkodex Art. 79 Abs. 1 lit. a

VwGH, Ro 2017/16/0020

UZK, Zollkodex Art. 250 Abs. 2 lit. d
UZK-DA Art. 212 Abs. 3 lit. a
UZK, Zollkodex Art. 139 Abs. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1200014.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at