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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2023, RV/3200009/2015

Bodenaushub und Altlastenbeitrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde gegen die beiden Bescheide des Zollamtes Innsbruck vom betreffend Altlastenbeitrag und Säumniszuschlag (2. Quartal 2011 und 2. Quartal 2012) zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Zollamtes Innsbruck vom , GZ 800000/aaaa wurden für die Bf. für das Ablagern von Abfällen gemäß § 3 Abs. 1 ZI lit. b und c iVm. § 4 Z 3 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG), BGBL Nr. 299/1989 idgF ein Altlastenbeitrag für das 2. Quartal 2011 in Höhe von € 50.544,00 festgesetzt. Begründet wurde die Vorschreibung auszugsweise wie folgt: "Das Zollamt hat mit Bescheid vom [..] für das Ablagern von 864 to Abfall im 2. Quartal 2011 auf Gp. […] gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b und c iVm. § 4 Z 3 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG), BGBl. Nr. 299/1989 idgF, vorgeschrieben. Der gegenständliche Bescheid ist rechtskräftig und die daraus resultierenden Abgaben wurden auch bereits entrichtet. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft […] wurde auf Grund des Ansuchens […] um die Genehmigung für die Errichtung einer Bodenaushubdeponie auf […] eine mündliche Verhandlung […], anberaumt. Bei der o.a. Verhandlung der Bezirkshauptmannschaft [..]wurden dem Zollamt erstmalig die Projektunterlagen Geländeanpassung mit Bodenaushubmaterial als strukturverbessernde Maßnahme, Technischer Bericht mit Grundstücksverzeichnis", datiert mit , erstellt vom Zivilingenieurbüro […] zur Kenntnis gebracht. […] Gegenständlichen Projektunterlagen ist zu entnehmen, dass auf den Grundstücken [...] insgesamt 5.350 m 3 Bodenaushubmaterial geschüttet wurde.

Da dem Zollamt die tatsächliche gesamte Schüttmenge erst aufgrund der am übermittelten Projektunterlagen bekannt wurde, war die Erlassung dieses Bescheides notwendig.

Mit Bescheid des Zollamtes Innsbruck vom , GZ 800000/bbbb wurden für die Bf. für das Ablagern von Abfällen gemäß § 3 Abs. 1 ZI lit. b und c iVm. § 4 Z 3 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG), BGBL Nr. 299/1989 idgF ein Altlastenbeitrag für das 2. Quartal 2011 in Höhe von € 30.470,40 festgesetzt und sinngemäß begründet; s. Hinweis auf die Bescheide vom , Zahl 800000/cccc, sowie 19.19.2014, Zahl 800000/dddd (Berichtigung). Auch in diesem Fall geht es um eine Geländeanpassung mit Bodenaushubmaterial als strukturverbessernde Maßnahme, wie dem technischen Bericht mit Grundstücksverzeichnis zu entnehmen ist.

Im Beschwerdeverfahren wurde durch den Bf. dargelegt, dass ein neuer Stall gebaut werden sollte; zu diesen Behufen sollte an anderer Stelle eine vorteilhafte Geländeanpassung zur Strukturverbesserung erzielt werden ("Verminderung der Steigung bzw. einheitliches Gefälle"; BH KM , PP). Ua sollte eine "Anpassung der Böschungsneigung erreicht werden, damit eine landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich ist; s. Technischer Bericht mit Grundstücksverzeichnis, 3.1. Im Zuge des Verfahrens vor der BH wurde dargelegt, dass am Materialproben entnommen wurden, wobei keinerlei "Verunreinigungen oder sonstige Störstoffe" festgestellt werden konnten, da nur "sauberes Aushubmaterial" geschüttet wurde; s dazu BH KM, , K5.

Mit BVE vom , wurden die Rechtsmittel als unbegründet abgewiesen. Danach wurde vorgebracht: "Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist dem Auftraggeber die Ablagerangs- oder Verfüllungstätigkeit iSd § 4 Z 3 ALSAG 1989 nicht zuzurechnen, wenn ein Anderer mit dem Abbruch und dem Abtransport von Baurestmassen beauftragt wurde, sofern der Auftraggeber den Ablagerungsort nicht bestimmt, sondern dessen Auswahl in der Verantwortung des Auftragnehmers lag ().

Wird ein Anderer mit dem Abbruch und dem Abtransport von Baurestmassen beauftragt, wobei der Auftraggeber den Ablagerungsort - wie im vorliegenden Fall zumindest für eine beträchtliche Menge an Aushubmaterial - nicht bestimmt, sondern dessen Auswahl in der Verantwortung des Auftragnehmers gelegen ist, so ist dem Auftraggeber die Ablagerungs- oder Verfüllungstätigkeit iSd § 4 Z 3 ALSAG nicht zuzurechnen ().

Dadurch, dass die belangte Behörde ohne entsprechende Ermittlungen anzustellen und ohne nähere Begründung den verfahrensgegenständlichen Altlastenbeitrag dem Beschwerdeführer vorschrieb und nicht der von dieser beauftragten Erdbewegungsfirma, sind die Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Die Unterlassung der diesbezüglich notwendigen Ermittlungen wird auch als Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften moniert. Der Umstand, dass es die Erdbewegungsfirma es unterließ, im Ermittlungsverfahren entsprechend mitzuwirken und diese nur rudimentären Unterlagen an die Abgabenbehörde übermittelt hat, vermag den Verfahrensfehler nicht zu heilen. Gerade die Erdbewegungsfirma muss über die detaillierten Aufzeichnungen und Unterlagen verfügen, zumal dies nicht nur gegenüber dem Beschwerdeführer, sondern auch gegenüber den Behörden als wesentliche Verpflichtung einer jeden Erdbewegungsfirma anzusehen ist. Dass der Beschwerdeführer nicht hinsichtlich der gesamten - verfahrensgegenständlichen Aushubmenge - Auftraggeber sein konnte, lässt sich schon daraus ableiten, dass der Beschwerdeführer auf seinen restlichen Grundstücken gar nicht so viel Bodenaushub zur Verfügung gehabt hätte.

Es liegt somit auf der Hand, dass die Erdbewegungsfirma Bodenaushub von anderen Auftraggebern auf das Grundstück des Beschwerdeführers ablagerte und sich dadurch einen erheblichen finanziellen Vorteil verschaffte."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 4 ALSAG sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle gemäß § 2 Abs. 1 bis 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002).

Bodenaushubmaterial ist gemäß § 2 Abs. 17 ALSAG Material, das durch Ausheben oder Abräumen von im Wesentlichen natürlich gewachsenem Boden oder Untergrund - auch nach Umlagerung - anfällt.

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen,

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

Nach der Definition der zuletzt genannten Bestimmung enthält diese einen subjektiven (Z 1) und einen objektiven (Z 2) Abfallbegriff. Diese Begriffe sind alternativ, wird der subjektive Abfallbegriff bejaht, muss das Vorliegen des objektiven Abfallbegriffes nicht mehr geprüft werden (argumentum: "oder"; ).

§ 3 Abs 1 Z 1 lit b und c ALSAG idF BGBl. I 2011/15 lautet:

Dem Altlastenbeitrag unterliegen: […]

b) das mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung oder das mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung,

c) das Verfüllen von Geländeunebenheiten (ua. das Verfüllen von Baugruben oder Künetten) oder das Vornehmen von Geländeanpassungen (ua. die Errichtung von Dämmen oder Unterbauten von Straßen, Gleisanlagen oder Fundamenten) oder der Bergversatz mit Abfällen […].

§ 4 Z 3 ALSAG idF BGBl. I 2008/40 lautet:

Beitragsschuldner ist

[…] in allen übrigen Fällen derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst hat; sofern derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst hat, nicht feststellbar ist, derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit duldet.

Zentrale Frage für die Anwendbarkeit des ALSAG und eine Beitragspflicht ist sohin, ob eine Sache Abfall darstellt oder nicht. Liegt kein Abfall vor, entfällt eine Beitragspflicht; s dazu Scheichl/Zauner, ALSAG (2010) § 3 Rn 28, wobei der Abfallbegriff des AWG 2002 richtlinienkonform auszulegen ist.

Zu Bodenaushub hat der VwGH im E , Ra 2022/13/0045-6 Rn 32 ff unter Hinweis auf die Rsp des EuGH (, C-238/21, Porr Bau) ausgeführt:

"Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ergibt sich die Einstufung als "Abfall" vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des Ausdrucks "sich entledigen", wobei diese Begriffe nicht eng ausgelegt werden dürfen (vgl. Sappi Austria Produktion u.a., C-629/19, Rn. 42 f, mwN). Die Frage, ob es sich um "Abfall" handelt, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen. Dabei ist die Zielsetzung der Richtlinie zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihre Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird. Bestimmte Umstände können Anhaltspunkte dafür bilden, dass sich der Besitzer eines Stoffes oder Gegenstandes entledigt, entledigen will oder entledigen muss (vgl. EuGH aaO Rn. 45).

Im Zusammenhang mit Aushubmaterial hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom , Porr Bau, C-238/21, ausgeführt, zu den Umständen, die solche Anhaltspunkte darstellen können, gehöre die Tatsache, dass der verwendete Stoff ein Produktions- oder Verbrauchsrückstand ist, also ein Erzeugnis, das nicht als solches gewonnen werden sollte und dessen etwaige Verwendung wegen der Gefährlichkeit einer Zusammensetzung für die Umwelt unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen erfolgen muss (EuGH aaO Rn. 36). Die Methode der Behandlung oder die Art der Verwendung eines Stoffes ist hingegen nicht entscheidend dafür, ob dieser Stoff als Abfall einzustufen ist. Unter den Begriff Abfall fallen auch Stoffe und Gegenstände, die zur wirtschaftlichen Wiederverwendung geeignet sind oder die einen Handelswert haben (aaO Rn. 37). Besonderes Augenmerk ist auf den Umstand zu legen, dass der fragliche Stoff oder Gegenstand für seinen Besitzer keinen Nutzen (mehr) besitzt, sodass der Stoff oder Gegenstand eine Last darstellt, deren sich der Besitzer zu entledigen sucht (aaO Rn. 38). Dabei ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendung eines Stoffes oder Gegenstands ohne vorherige Verarbeitung ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob es sich um Abfall handelt. Ist die Wiederverwendung des Stoffes oder Gegenstands nicht nur möglich, sondern darüber hinaus für den Besitzer wirtschaftlich vorteilhaft, so ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Wiederverwendung hoch. In diesem Fall kann der betreffende Stoff oder Gegenstand nicht mehr als Last betrachtet werden, deren sich der Besitzer zu entledigen sucht, sondern hat als echtes Erzeugnis zu gelten (aaO Rn. 39).".

Damit ist das Schicksal der Beschwerde schon entschieden: Der reine Bodenaushub (ohne Verunreinigungen oder sonstige Störstoffe in Form von "sauberen Aushubmaterial") wurde zu einer strukturverbessernden Geländeanpassung verwendet; der Bf. wollte sich deswegen nicht entledigen, sondern zog einen bedeutenden wirtschaftlichen Nutzen, weil nunmehr die Neigung des Geländes angepasst werden konnte, was eine verbesserte landwirtschaftliche Nutzung ermöglicht. So betrachtet kann der Aushub nicht als Last betrachtet werden, deren sich der Besitzer zu entledigen sucht.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Der VwGH hat mit E , Ra 2022/13/0045 über die steuerliche Behandlung von Bodenaushub entschieden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 Z 1 lit. b und c ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989
§ 4 Z 3 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989
§ 2 Abs. 4 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989
§ 2 Abs. 17 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989
§ 2 Abs. 1 AWG 2002, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 102/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3200009.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at