Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.03.2023, RV/7100824/2019

Zurückweisung der Bescheidbeschwerde wegen rechtsunwirksamer Bescheiderlassung (fehlende Zustellung des Erstbescheides)

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Sonja Stradner in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Mag. Marianne Glawischnig, Technologiepark 4, 8786 Rottenmann, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***Bf StNr*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang

Mit brachte der Beschwerdeführer (Bf.) seine Erklärung der Arbeitnehmerveranlagung 2015 beim Finanzamt ein. Der Erstbescheid wurde antragsgemäß am veranlagt und der Bescheid am postalisch ohne Zustellnachweis versendet.

Mit Einbringung der Beschwerde am begehrte der Bf. die Rückerstattung der Lohnsteuer 2015 wie bereits im Jahr 2014 und führte an, dass die Zustellbevollmächtigte erst mit diesem Tag Kenntnis vom Bescheid erlangt habe. Postalisch sei der Bescheid 2015 vom nicht zugestellt worden. In eventu beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Bescheidaufhebung.

Das Finanzamt ersuchte mit Ergänzungsschreiben vom bzw. um Vorlage weiterer Unterlagen, um den Sachverhalt beurteilen zu können. Fristverlängerungsanträge seitens des Bf. wurden gewährt. Letztlich erließ das Finanzamt am eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO und wies die Beschwerde aufgrund nicht nachgereichter Unterlagen als unbegründet ab.

Fristgerecht stellte der Bf. am einen Vorlageantrag gemäß § 264 Abs. 1 BAO.

Dem Bundesfinanzgericht wurde der Akt am vorgelegt, wobei der Richterin der Fall am zur Bearbeitung zugewiesen wurde. Das Finanzamt beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, da die Beschwerde aufgrund der Fiktion des § 26 Abs. 2 ZustG verspätet eingebracht worden war.

Mit Beschluss vom wurde der Bf. seitens der Richterin aufgefordert, einerseits bekanntzugeben, wann der Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 vom der Zustellbevollmächtigten im Original zugegangen war und andererseits fehlende Unterlagen zur Beurteilung des Sachverhaltes vorzulegen.

Mittels Mail vom gab der Bf. bekannt, dass der Erstbescheid 2015 der Zustellbevollmächtigten nicht im Original zugekommen ist. Die angeforderten Unterlagen wurden teilweise übermittelt.

2. Sachverhalt

Der Bf. ist seit dem Jahr 2014 von seinem Arbeitgeber von Österreich nach Portugal entsandt worden. Er verrichtete demnach seinen Job als ****** für die Firma ***1*** von Portugal via Teleworking aus. Im Kalenderjahr 2015 war der Bf. an 19 Tagen beruflich in Wien tätig (working days).

Mit brachte der Bf. seine Erklärung der Arbeitnehmerveranlagung 2015 beim Finanzamt ein. Der Erstbescheid wurde antragsgemäß am veranlagt und der Bescheid am postalisch ohne Zustellnachweis versendet. Ein entsprechender Screenshot des Finanzamtes zur Bescheidversendung liegt vor. Weitere Ermittlungshandlungen oder Nachweise betreffend die "Zustellung des Bescheides" sind aus dem Akt nicht ersichtlich.

Die Zustellbevollmächtigte erlangte am Kenntnis vom Bescheid, brachte Beschwerde ein und begehrte die Rückerstattung der Lohnsteuer 2015 (wie schon bereits im Jahr 2014). Der Erstbescheid ist der Zustellbevollmächtigten des Bf. bis dato nicht im Original zugegangen.

3. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig und ergeben sich zweifelsfrei aus dem Vorbringen des Bf., dem vorgelegten Screenshot des Finanzamtes und der Beantwortung des Beschlusses vom , wann der Bescheid der Zustellbevollmächtigten im Original zugekommen ist. Da bereits in der Beschwerde darauf hingewiesen wurde, dass der Bescheid 2015 postalisch nicht zugegangen war, erscheint die Aussage vom , dass der Bescheid im Original der Zustellbevollmächtigten nicht zugekommen war, glaubwürdig.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

4. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde (§ 262 BAO) oder mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde ua. gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (; ; ; ).

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach außen bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen ua. durch Zustellung.

Die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) setzt grundsätzlich voraus, dass sie dem Adressaten bekannt gegeben wird. Vor Bekanntgabe entfaltet zB ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen (Ritz, BAO7, § 97 Rz 1). Ein Bescheid gehört erst mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an ().

Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellvollmacht), soweit in den Verfahrensvorschriften nichts anderes bestimmt ist.

§ 9 Abs. 3 ZustG besagt: "Ist ein Zustellbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Zustellungen haben gemäß § 9 Abs. 3 ZustG grundsätzlich an den Zustellbevollmächtigten zu erfolgen. Demnach setzt ein tatsächliches Zukommen voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nach Lehre und Rechtsprechung genügt es nicht, wenn das Schriftstück bloß in die "Einflusssphäre" des Empfängers gelangt oder lediglich eine bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstückes zB durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht erfolgt (Ritz/Koran, BAO7, ZustG, § 7 Rz 7). Wenn die tatsächliche Kenntnisnahme (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert ebenso wenig der Umstand, dass der Empfänger ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück einbringt, die fehlende Zustellung. Auch die überwiegende Judikatur steht einer "Heilung durch Einlassung" ablehnend gegenüber (; ; ; mwN).

Der Nachweis für das tatsächliche Zukommen des Dokuments hat die Behörde zu erbringen. Erforderlichenfalls hat die Behörde diese Frage durch Ermittlungen zu klären ().

§ 26 Abs. 1 ZustG regelt die Zustellung ohne Zustellnachweis und bestimmt, dass das Dokument dann als zugestellt gilt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Gemäß Abs. 2 gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt (Zustellfiktion). Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Die Zustellfiktion des Abs. 2 tritt daher nicht ein, wenn die Wirksamkeit der Zustellung vom Empfänger bestritten wird. In diesem Fall hat die Behörde Tatsache und Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen, d.h. sie hat nachzuweisen, dass und wann das Dokument in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wurde. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden ().

Im vorliegenden Fall wurde der Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 ordnungsgemäß an die Zustellbevollmächtigte adressiert, jedoch ohne Zustellnachweis versendet. Bereits in der eingebrachten Beschwerde wies der Bf. darauf hin, dass der Bescheid postalisch nicht an die Zustellungsbevollmächtigte zugestellt worden war. Auch auf Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht wurde mitgeteilt, dass der Bescheid der Zustellbevollmäch-tigten bis dato () nicht im Original zugekommen war. Da die belangte Behörde keine weiteren Nachweise erbracht hat, die Tatsache der Zustellung zu untermauern, sondern sich nur auf die Zustellfiktion des § 26 Abs. 2 ZustG stützt, muss die Behauptung der Bf. über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass die beschwerdegegenständliche Erledigung jedenfalls nicht gemäß § 97 Abs. 1 BAO bekannt gegeben und daher nicht (als Bescheid) wirksam wurde.

Da gemäß § 234 BAO nur Beschwerden gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen haben, zulässig sind, war die Bescheidbeschwerde gemäß § 260 Abs. 1 BAO mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch ).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu verneinen, weil sich die maßgebliche Rechtslage unmittelbar und klar aus dem Gesetz ergibt bzw. die zu lösenden Rechtsfragen bereits durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind.

Wien, am

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