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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.04.2023, RV/5100699/2022

Steuerliche Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach dem Abflussprinzip

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf.) errichtete mit seiner Lebensgefährtin in den Jahren 2019 bis 2021 ein Einfamilienhaus in ***Adr.***.

Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die Kosten für den Einbau eines Aufzuges in dieses Einfamilienhaus als außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der Behinderung des Bf. anerkannt werden können. Die vom Bf. für das Jahr 2021 geltend gemachten Aufwendungen belaufen sich auf € 1.841,28 (Absetzung für Abnutzung).

Im Einkommensteuerbescheid 2021 vom wurden die geltend gemachten Aufwendungen nicht berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, dass "unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen sind, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Aufwendungen für den Erwerb von Wirtschaftsgütern stellen dann keine außergewöhnliche Belastung dar, wenn durch sie ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, wenn also eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt. Da bei einem Einbau eines Aufzuges ein Gegenwert erlangt wird, konnten diese Kosten nicht anerkannt werden."

Die dagegen fristgerecht eingereichte Beschwerde vom wurde wie folgte begründet:

"Kosten für den Einbau eines Aufzugs in mein Einfamilienhaus stellen keine dauerhafte Wertsteigerung dar. Mein Vermögen wird jährlich um einen berechenbaren Betrag gemindert. Nur diese Wertminderung habe ich als außergewöhnliche Belastung durch meine Gehbehinderung in der Arbeitnehmerveranlagung 2021 abgesetzt. Zudem besteht auch ein volkswirtschaftliches Interesse an der möglichst langfristigen Erhaltung der Selbstständigkeit körperbehinderter Personen."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und in einer gesonderten Bescheidbegründung nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen von der belangten Behörde wie folgt ausgeführt:

"Bau- oder Umbaukosten können auch bei behinderten Personen nur dann als ag Belastung abgesetzt werden, wenn es sich um einen verlorenen Aufwand handelt. Wohnungskosten fehlt dabei grundsätzlich das Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Bei Herstellungs- und Anschaffungskosten von Wohnraum liegt im Allgemeinen eine Vermögensumschichtung vor (vgl. Lohnsteuerrichtlinien/LStR 2002 RZ 908).

Nur soweit es sich um eine behinderungsbedingte bauliche Gestaltung handelt, die zu einem verlorenen Aufwand führt, liegt eine absetzbare ag Belastung vor. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die behinderungsgerechte Adaptierung eines bereits bestehenden Hauses (Wohnung) vorgenommen werden muss (z.B. Einbau einer Behindertentoilette, rollstuhlgerechte Adaptierung der Wohnung, Einbau eines Treppen- oder Badelifts etc.). Bei der Neuerrichtung eines Hauses bzw. einer Wohnung ist hingegen davon auszugehen, dass bestimmte Gestaltungsformen zu keinem verlorenen Aufwand führen.

Es versteht sich nämlich von selbst, dass bei einer von Anfang an behinderten gerechten Planung Zusatzkosten nur in einem vergleichsweise geringen Umfang anfallen werden, während hingegen ein Gesamtumbau eines bereits vorhandenen, für Nichtbehinderte brauchbaren Wohnraums entsprechende Kosten nach sich zieht (Erkenntnis des Unabhängigen Finanzsenates/UFS RV/0004-W/13 vom ).

Der BF hat im Zuge der Errichtung seines Einfamilienhauses keine behinderungsspezifischenBaumaßnahmen durchgeführt. Die Errichtung einer Aufzugsanlage stellt hingegen eine"bestimmte Gestaltungsform" und keine behinderungsspezifische Baumaßnahme dar.Vielmehr wurde mit der Errichtung des gegenständlichen Einfamilienhauses und derAufzugsanlage ein Gegenwert geschaffen, der dem BF (und seiner Lebensgefährtin) zu Gutekommt."

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag vom stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Er führte ergänzend aus:

"Ich besitze einen Behindertenpass, ausgestellt vom Bundessozialamt OÖ, der mir 70% Gehbehinderung attestiert.

Das von mir errichtete Einfamilienhaus belastet meine finanzielle Wirtschaftsfähigkeit außergewöhnlich, weil meine Gehbehinderung besondere bauliche Maßnahmen erzwungen hat. Ein ebenerdiges Bauwerk war wegen der starken Hanglage nicht realisierbar. Die Errichtung eines Aufzugs ermöglicht mir die Immobilie dauerhaft bewohnen zu können und verringert somit meine frühzeitige Pflegebedürftigkeit. Zudem habe ich bei der sanitären Ausstattung des Hauses den Normen des behindertengerechten Bauens entsprochen. Toiletten, Badezimmer, Durchgangsbreiten, Türlichten und die Rampe zur Eingangstür, sind Beispiele für Mehrinvestitionen, die mich außergewöhnlich belasten.

Ich habe bei meiner Arbeitnehmerveranlagung ausschließlich die jährliche Wertminderung des Aufzugs geltend gemacht. Nach vollständiger Absetzung der AfA bleibt kein für meine Immobiliewertsteigernder Anteil übrig. Die Behauptung, meine Investitionen in einen behindertengerechtenBau wären nur Umschichtungen meines finanziellen Budgets, sind deshalb falsch.Ich bin berechtigt außergewöhnliche Belastungen, die in Verbindung zu meiner Behinderung stehen,ohne Abzug eines Selbstbehalts mit der Arbeitnehmerveranlagung geltend zu machen."

Der Akt wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht beantragt die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. hat in den Jahren 2019 bis 2021 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Einfamilienhaus samt Doppelgarage im Ausmaß von 282,9 m2 errichtet. Auf Grund der Gehbehinderung des Bf. (Grad der Behinderung 70 %) wurde in den Neubau auch ein über drei Geschosse führender Aufzug eingebaut.

Die geleistete Anzahlung für den Einbau der Aufzugsanlage belief sich auf € 18.069,24. Der Betrag wurde am überwiesen.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den glaubwürdigen, nicht der Aktenlage widersprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers, denen auch von der belangten Behörde nicht widersprochen wurde.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (§ 34 Abs. 2 EStG 1988), sie muss zwangsläufig erwachsen (§ 34 Abs. 3 EStG 1988) und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (§ 34 Abs. 4 EStG 1988).

Gemäß § 19 Abs. 2 EStG 1988 sind vorbehaltlich der Vorschriften über die Gewinnermittlung Ausgaben (Ausnahme: regelmäßig wiederkehrende Ausgaben) grundsätzlich für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (sog. Abflussprinzip).

Diese Vorschrift gilt grundsätzlich für alle einkommensteuerlich relevanten Ausgaben, d. h. sowohl für Betriebsausgaben/Werbungskosten, Sonderausgaben und (somit) auch für außergewöhnliche Belastungen (vgl. etwa Peyerl in Jakom EStG15, § 34 Rz 16), sodass entsprechende Ausgaben in dem/für das Kalenderjahr geltend zu machen bzw. steuerwirksam anzuerkennen sind, in dem sie auch tatsächlich geleistet worden sind (vgl. etwa , bzw. ).

Es gilt das Abflussprinzip (§ 19 Abs. 2 EStG; ; ). § 7 ist nicht anwendbar, eine Verteilung von Anschaffungskosten im Weg der Absetzung für Abnutzung ist somit nicht vorzunehmen. Die Anschaffungskosten sind im Jahr der Zahlung zur Gänze abzugsfähig.

Da sich aus der Sachlage erschließt, dass die vom Bf. begehrten, als (zusätzliche) außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten aus der Errichtung einer Aufzugsanlage in einem neu errichteten Einfamilienhaus nicht erst im bescheidgegenständlichen Kalenderjahr 2021, sondern bereits im Kalenderjahr 2020 geleistet wurden, bleibt für eine Anerkennung dieser Kosten im Rahmen einer Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Beschwerde von vornherein kein Raum.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100699.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at