Kein Alleinverdienerabsetzbetrag, wenn das Paar keine Kinder hat
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Steuernummer ***Bf1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In der Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2016 vom beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages.
Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2016 veranlagt, der Bescheid ergab eine Gutschrift von 593,00 €. Der Alleinverdienerabsetzbetrag wurde nicht berücksichtigt, weil er Personen in eheähnlicher Gemeinschaft nur unter folgenden Voraussetzungen zustehen würde:
- Die Partnerschaft besteht im Kalenderjahr mehr als 6 Monate
- Einer der Partner bezieht für ein Kind länger als 6 Monate den Kinderabsetzbetrag, der gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird.
Mit Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Verminderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltspflicht für die einkommenslose Ehegattin nicht berücksichtigt und auch der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht gewährt worden sei. Es werde beantragt, bei der Steuerfestsetzung die Verminderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, jedenfalls den Alleinverdienerabsetzbetrag zu gewähren.
Zur Begründung werde auf die Ausführungen in den Verfahren zur Veranlagung für die Jahre 2011 bis 2015 sowie in den Verfahren vor den Gerichtshöfen verwiesen. Was dort ausgeführt worden sei, gelte auch für das gegenständliche Verfahren.
Es werde ein Kopie der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für das Jahr 2015 beigelegt.
Von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung möge abgesehen werden, es sei denn, das Finanzamt würde der Beschwerde zumindest teilweise stattgeben.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung.
Es wird darauf hingewiesen, dass Beschwerdeverfahren des Beschwerdeführers in Zusammenhang mit dem Alleinverdienerabsetzbetrag für die Veranlagungsjahre 2011 bis 2014 bereits vor dem unabhängigen Finanzsenat bzw Bundesfinanzgericht sowie den nationalen Höchstgerichten anhängig waren (zur Einkommensteuer 2011 siehe GZ RV/1715-W-12; ; ; zur Einkommensteuer 2012 siehe GZ RV/7103736/2015; /00037; zur Einkommensteuer 2013 siehe GZ RV/7104916/2018; , Fr 2019/13/0001, zur Einkommensteuer 2014 siehe GZ RV/7102750/2020; VfGH anhängig zu Zahl E 1289/2021, Ablehnungsbeschluss vom ; zur Einkommensteuer 2015 siehe GZ RV/7100516/2012; VfGH anhängig zu Zahl E 3556/2021, Ablehnungsbeschluss vom ).
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer bezog im beschwerdegegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland (Pensionseinkünfte) und machte in der Erklärung zur Durchführung der ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2016 den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend.
Der Beschwerdeführer und seine Gattin ***VN***, geboren am ***GebdatumGattin***, hatten im Jahr 2016 ihren Wohnsitz in Österreich und haben keine Familienbeihilfe bezogen.
Die Einkünfte der Gattin lagen im Veranlagungsjahr 2016 unter 6.000,00 €.
Es liegt ein reiner Inlandssachverhalt vor.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen resultieren aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes. Dass die jährlichen Einkünfte der Gattin des Beschwerdeführers im Jahr 2016 6.000,00 € nicht überstiegen haben und keiner der Ehepartner Familienbeihilfe bezogen hat, ist für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar und glaubhaft. Das Finanzamt tritt diesen Angaben des Beschwerdeführers auch nicht entgegen.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 262 BAO lautet:
(1) Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
(2) Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
(3) Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
(4) Weiters ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat gemäß Abs. 2 leg.cit. zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
Die Formulierung "Von einer Beschwerdevorentscheidung bitte ich abzusehen, es sei denn, das Finanzamt will (zumindest teilweise) stattgeben." ist nach ho Ansicht als Antrag iSd § 262 Abs. 2 BAO zu verstehen. Allerdings wurde die Beschwerde vom Finanzamt nicht innerhalb von drei Monaten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Die kumulativen Voraussetzungen (Antrag und rechtzeitige Aktenvorlage) sind somit nicht erfüllt. Wird trotz Antrages nach § 262 Abs. 2 lit a BAO die Bescheidbeschwerde nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 262 Abs. 2 lit b BAO dem Verwaltungsgericht vorgelegt, so besteht die Pflicht zu Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (vgl. Ritz, BAO6, § 262 Tz 9 mit Verweis auf Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 262 Anm 3).
Aus § 262 Abs. 2 BAO lässt sich daher für den gegenständlichen Fall keine Begründung ableiten, dass das Finanzamt nicht zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verpflichtet gewesen wäre.
§ 262 Abs. 3 BAO normiert ein Verbot der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung bzw. die Plicht zur unverzüglichen Vorlage an das Verwaltungsgericht, wenn in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit oder die Verfassungswidrigkeit behauptet wird. Aus der gegenständlichen Beschwerde in Verbindung mit der beigelegten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer in den verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, Schutz des Eigentums und den gesetzlichen Richter sowie durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt sieht. Bis zum Veranlagungsjahr 2010 ist dem Beschwerdeführer der Alleinverdienerabsetzbetrag zugestanden. Durch das Budgetbegleitgesetz 2011 wurde die Rechtslage ab 2011 dahingehend geändert, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nur mehr dann zusteht, wenn Kinder vorhanden sind.
Aus diesem Grund war die Direktvorlage gemäß § 262 Abs. 3 BAO gerechtfertigt.
Im gegenständlichen Verfahren vertritt der Beschwerdeführer (immer noch) die Ansicht, dass im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung die Verminderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die Unterhaltspflicht für die einkommenslose Ehegattin berücksichtigt und der Alleinverdienerabsetzbetrag gewährt werden müsste.
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 normiert, dass Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht und definiert den Begriff Alleinverdiener wie folgt:
"Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 312 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu."
Das Bundesfinanzgericht hat sich in seiner Entscheidung , ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, warum dem Beschwerdeführer der Alleinverdienerabsetzbetrag für das Jahr 2015 nicht zusteht. Auch in diesem Fall hat der Verfassungsgerichtshof keine Verfassungswidrigkeit erkannt, weswegen er die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom ablehnte (wie schon in den Jahren davor).
Im Erkenntnis vom , G 27/11, hat der Verfassungsgerichtshof in der Beseitigung des Alleinverdienerabsetzbetrages für kinderlose Ehen bzw. Partnerschaften durch das Budgetbegleitgesetz 2011 keine Unsachlichkeit gesehen.
Er ging davon aus, dass keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Berücksichtigung der als Folge privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos auftretenden Unterhaltspflicht von Ehegatten besteht.
Der Verfassungsgerichtshof hat auch die Gleichbehandlung von Pensionisten- und Erwerbstätigenhaushalten nicht als unsachlich beurteilt. Bei beiden Personengruppen ist eine weitgehende Umgestaltung der Lebensverhältnisse wegen Entfalls des Alleinverdienerabsetzbetrages nicht erforderlich.
Mit dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof die ErläutRV BudgetbegleitG 2011 bestätigt, wonach der Unterhaltsanspruch zwischen Ehepartnern - anders als bei Kindern - von mannigfaltigen Umständen abhängt, die weitgehend der Disposition der Ehegatten unterliegen und insofern als Sache der persönlichen Lebensgestaltung oder des persönlichen Risikos anzusehen sind.
Nach dem Gesagten liegt daher sehr wohl eine sachliche Begründung für die Nichtgewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages für kinderlose Steuerpflichtige vor. Eine unsachliche Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts oder des Alters kann vor dem Hintergrund der VfGH-Judikatur nicht erblickt werden.
Diesen Erwägungen entsprechend dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7104916/2018, welche die Rechtsmeinung des Verfassungsgerichtshofes zusammenfassen, schließt sich das Bundesfinanzgericht nunmehr auch hinsichtlich der gegenständlichen Beschwerde das Jahr 2016 betreffend, was die Verfassungsmäßigkeit des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 anlangt, an.
Gemäß der verfassungskonformen Bestimmung des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in der im gegenständlichen Fall maßgebenden Fassung steht der Alleinverdienerabsetzbetrag einem kinderlosen Paar nicht zu. Entsprechend des in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhaltes geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer im beschwerdegegenständlichen Zeitraum keine Kinder iSd § 106 EStG 1988 hatte und daher die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Alleinverdienerabsetzbetrages - wie in den Jahre 2011 bis 2015 - nicht vorliegen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nicht zu.
3.2. Zu Spruchpunkt II.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Alleinverdienerabsetzbetrages ergeben sich aus dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988. Das Bundesfinanzgericht ist zudem nicht von der ständigen diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer ordentlichen Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.
Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100539.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at