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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.02.2023, RV/7102146/2021

Familienheimfahrten eines geschiedenen Steuerpflichtigen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Judith Leodolter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 und 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom und vom führte das Finanzamt für die Jahre 2018 und 2019 beim Beschwerdeführer (Bf.) antragslose Arbeitnehmerveranlagungen durch.

Am brachte der Bf. Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2018 und 2019 ein und beantragte darin u.a. die Berücksichtigung von Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv € 3.672,00 als Werbungskosten.

In Beantwortung eines vom Finanzamt erlassenen Ergänzungsersuchens gab der Bf. bekannt, dass er geschieden sei, dass sich sein Familienwohnsitz ca. 380 km von der Arbeitsstätte entfernt befinde und dass er die Fahrten zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz mit dem eigenen Auto zurücklege. Gleichzeitig legte er den Zulassungsschein, ein Fahrtenbuch, das Scheidungsurteil in polnischer Sprache, Nachweise betreffend die monatlichen Unterhaltszahlungen iHv PLN 800,00 für das Kind ***F*** sowie den Mietvertrag betreffend die Wohnung ***Bf1-Adr***, vor.

Das Finanzamt hob in der Folge mit Bescheiden vom die Bescheide vom und vom auf und erließ mit gleichem Datum neue Sachbescheide, jedoch ohne Berücksichtigung der beantragten Kosten für Familienheimfahrten. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der Bf. keine Gründe nachgewiesen habe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machen würden.

In den dagegen erhobenen Beschwerden vom und vom brachte der Bf. vor, dass er nachgewiesen habe, dass er seit Jänner 2016 geschieden sei und mit der Ex-Gattin und dem gemeinsamen Kind nicht mehr zusammenwohne. Die Tochter (richtig: der Sohn) wohne bei der Mutter. Er habe das Recht, die Tochter (richtig: den Sohn) zweimal im Monat zu besuchen und sei verpflichtet, Alimente iHv PLN 800,00 monatlich zu zahlen.

Aus dem Erkenntnis des , sei abzuleiten, dass ihm zumindest zwei Heimfahrten pro Monat für die Wochenenden, an denen er sein Kind laut Obsorgevereinbarung betreue, zuständen.

In den abweisenden Beschwerdevorentscheidungen vom und vom führte das Finanzamt begründend aus, dass es keinen gemeinsamen Familienwohnsitz in Polen gäbe, weshalb die beantragten Fahrten zum Sohn nicht zu Werbungskosten führen könnten. Allfällige Kosten für Besuchsfahrten des Sohnes seien der Privatsphäre zuzurechnen.

In seinen - als Beschwerden bezeichneten - fristgerecht eingebrachten Vorlageanträgen vom und vom wiederholte der Bf. sein Beschwerdevorbringen und verwies darauf, dass er keinen gemeinsamen Wohnsitz mit dem Kind in Polen haben könne, weil er geschieden sei.

Über Ersuchen der Abgabenbehörde vom legte der Bf. die Scheidungsurkunde in beglaubigter deutscher Übersetzung vor und gab bekannt, dass die Betreuung des Kindes bei der Mutter erfolge, dort liege auch der Wohnsitz.

Das Finanzamt legte die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf., ein polnischer Staatsbürger, ist bei der Fa. ***Fa*** in Österreich nichtselbständig beschäftigt. Er verfügt über eine Mietwohnung in Wien. Der Familienwohnsitz befindet sich in Ciche, Polen.

Die einfache Wegstrecke vom Wohnsitz in Wien zum Familienwohnsitz in Polen beträgt ca. 380 km. Der Bf. fuhr in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2018 und 2019 regelmäßig von Wien nach Ciche (ca. 2 mal pro Monat).

Die Bf. ist seit 2016 geschieden. Das elterliche Sorgerecht für das eheliche Kind ***F***, geb. am ***Datum***2010, wurde der Mutter übertragen, der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ist bei der Kindesmutter.

Das Kontaktrecht des Bf. zu seinem Sohn ist in der Form geregelt, dass er das erste und dritte Wochenende des Monats von Freitag bis Sonntag mit seinem Sohn verbringen darf.

Der Bf. ist verpflichtet, einen Unterhalt iHv PLN 800,00 monatlich an seinen Sohn zu leisten.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen auf dem dem BFG vorliegenden Akteninhalt, insbesondere den vom Bf. der Abgabenbehörde vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen des Bf., und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist, ob die vom Bf. als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten von der Abgabenbehörde zu recht nicht anerkannt wurden.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oderErhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogenwerden.

Weiters dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünftennicht abgezogen werden.

Zur Frage des Werbungskostencharakters von Mehraufwendungen in Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung (für Familienheimfahrten, Wohnung am Beschäftigungsort) hat der VwGH klargestellt, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Eine berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und damit deren Werbungskostencharakter ist aber dann als gegeben anzusehen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist.

Im Zusammenhang mit dem Antrag des Bf. auf Berücksichtigung von Familienheimfahrten ist zu berücksichtigen, dass der Bf. seit bei der Fa. ***Fa*** in Österreich beschäftigt ist. Im Jahr 2016 wurde er von seiner Ehegattin geschieden. Das Obsorgerecht für den gemeinsamen Sohn ***F*** wurde seiner in Polen wohnhaften Ehegattin zugesprochen, dem Bf. wurde ein Kontaktrecht am ersten und dritten Wochenende im Monat eingeräumt.

Grundsätzlich können nach der Rechtsprechung auch bei ledigen bzw. nach einer Scheidung alleinstehenden Steuerpflichtigen die Fahrten zwischen dem Ort der auswärtigen Tätigkeit und der Wohnung im Heimatort beruflich veranlasst sein (zB , ; ). Entscheidend ist jedoch, ob dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines Wohnsitzes an den Ort seiner beruflichen Tätigkeit zugemutet werden kann.

Der Bf. führt in diesem Zusammenhang ins Treffen, dass ihm nach der herrschenden Judikatur zumindest zwei Heimfahrten pro Monat für die Wochenenden, an denen er sein Kind laut Obsorgevereinbarung betreue, zustehen würden.

Hierzu ist auszuführen, dass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes die Ausübung des 14-tägigen Besuchsrechts des Bf. die Verlegung seines Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung nicht als unzumutbar erscheinen lässt. Ausschlaggebend hierfür ist der Umstand, dass laut Scheidungsurteil vom der Sohn des Bf. bei seiner geschiedenen Ehegattin untergebracht und somit nicht bei ihm haushaltszugehörig ist. Vom Bf. selbst wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass seit Jänner 2016 kein gemeinsamer Wohnsitz des Bf. und seines Sohnes bestanden hat. Weiters ist zu berücksichtigen, dass das Obsorgerecht für das gemeinsame Kind laut Scheidungsurteil ausschließlich der Mutter übertragen wurde. Worin im gegenständlichen Fall die Betreuung des Sohnes durch den Bf. bestand, wurde von diesem nicht näher ausgeführt; laut Scheidungsurteil beschränkt sich das Sorgerecht des Bf. darauf, dass er das Recht auf Auskunft über den Gesundheitszustand des Minderjährigen sowie seine Lernergebnisse hat. Da eine Betreuung in einem gemeinsamen Haushalt in den Streitjahren jedenfalls auszuschließen ist, konnte sich diese nur auf Besuche des Bf. beschränken. Besuchsfahrten zu Eltern, Kindern, anderen Verwandten und Freunden aber sind von Familienheimfahrten zu unterscheiden und begründen keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den Ort der Beschäftigung.

Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall ganz wesentlich von jenem, der dem vom Bf. in der Beschwerde angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/14/0178, zugrunde lag. In diesem Fall erfolgten die Fahrten nicht zur Betreuung oder zum Besuch eines minderjährigen Kindes, sondern die Beschwerdeführerin erzielte Einkünfte aus einem teilweise selbst betrieben, zum Großteil aber verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, zu welchem auch ein Wohngebäude gehörte, welches von der Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter bewohnt wurde. Daher standen die geltend gemachten Fahrtaufwendungen (auch) mit dem steuerlich relevanten Bereich der Einkunftserzielung in Zusammenhang.

Auch das vom Bf. in der Beschwerde zur Untermauerung seines Standpunktes herangezogene Erkenntnis des , ist mit dem vorliegenden Beschwerdefall nicht vergleichbar. Laut dem, der genannten Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt erfolgte die Betreuung und Erziehung der Kinder nach dem Tod der Ehegattin des Beschwerdeführers durch diesen unter Mithilfe der familiären Bezugspersonen am Ort des Hauptwohnsitzes. Im vorliegenden Fall hingegen obliegt die Obsorge des minderjährigen ***F*** der geschiedenen Gattin des Bf. Das Kind ist bei der Mutter untergebracht und wohnt auch in deren Haushalt, während dem Bf. lediglich ein Kontaktrecht eingeräumt wurde. Damit ist aber nicht eine Obsorge verbunden. Es ist unbestritten, dass der Bf. der im Scheidungsurteil festgelegten Kontaktregelung regelmäßig nachgekommen ist, doch gehen diese Kontakte nicht über ein bloßes Besuchsrecht hinaus.

Gewichtige Gründe, etwa "wie die Erziehung und Betreuung des minderjährigen Kindes und die Bewahrung des familiären Umfeldes für dieses Kind ", die laut VwGH für die Beibehaltung eines Hauptwohnsitzes sprechen, wurden vom Bf. nicht dargelegt, und gehen aus den vorliegenden Unterlagen auch nicht hervor. Mit dem Argument, dass dem Bf. mit Scheidungsurteil eingeräumt wurde, jedes zweite Wochenende mit seinem Sohn zu verbringen, wird nicht aufgezeigt, dass damit auch die Erziehung und Betreuung des Kindes verbunden ist. Ein solches dem Bf. eingeräumtes Recht ist nicht gleichzustellen mit einer besonderen Erziehungs- und Betreuungsverpflichtung.

Besuche reichen jedoch nicht aus, um die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den Beschäftigungsort zu begründen (; ).

Auch reicht die Unterhaltsverpflichtung dem Kind gegenüber nicht für eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung aus.

Das Finanzamt hat somit zu Recht die Berücksichtigung von Familienheimfahrten verweigert.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem mit der vorliegenden Beschwerde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102146.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at