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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 24.04.2023, VH/3100001/2023

Antrag auf Verfahrenshilfe: Abweisung, weil über keine Rechtsfragen von besonderer Schwierigkeit oder Komplexität zu entscheiden ist

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** über den Antrag
der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Beschwerdeverfahren gegen die Bescheide des
Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff Nr123, betreffend Abweisung der Anträge auf erhöhte Familienbeihilfe beschlossen:

Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO wird abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Zusammen mit dem Vorlageantrag vom betr. die Beschwerde gegen die abweisenden Bescheide des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff
Nr123, betr. Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag, hat die Beschwerdeführerin bzw. gegenständliche Antragstellerin (AS) ***Bf1*** einen "Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe" samt Angabe der erforderlichen Daten (angefochtene Bescheide etc.) und umfassendem Vermögensbekenntnis gestellt.

Das genannte Anbringen wurde mit dem Vorlageantrag dem Bundesfinanzgericht (BFG) am zur Entscheidung vorgelegt.

Rechtslage:

Gemäß § 292 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,

1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne
Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag ist ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen (§ 292 Abs. 6 BAO).

Gemäß § 292 Abs. 8 BAO hat der Antrag zu enthalten
1. die Bezeichnung des Bescheides (Abs. 7 Z 1) bzw. der Amtshandlung (Abs. 7 Z 2)
bzw. der unterlassenen Amtshandlung (Abs. 7 Z 3),
2. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
3. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der
Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt,
4. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers und
der wirtschaftlich Beteiligten.

Gemäß § 292 Abs. 10 BAO hat das Verwaltungsgericht über den Antrag mit Beschluss zu entscheiden.

Nach § 292 Abs. 1 BAO setzt sohin die Bewilligung von Verfahrenshilfe jedenfalls voraus, dass die im jeweiligen Beschwerdeverfahren strittigen Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, um nach den Gesetzesmaterialien sicherzustellen, dass Verfahrenshilfe nur für überdurchschnittlich schwierige, durch ständige Judikatur noch nicht geklärte Rechtsfragen gewährt wird.
Solche sind anzunehmen, wenn eine besondere Komplexität der Rechtslage gegeben ist.
Das sei insbesondere der Fall, wenn eine Rechtsfrage ansteht, die bislang uneinheitlich entschieden wurde bzw in der ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung erwogen wird oder der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. ).

Nach Tanzer/Unger (BAO 2016/2017, 7) können für das Abgabenrecht grundsätzlich folgende mögliche Anwendungsbereiche ausgemacht werden:
- Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Steuern, vor allem Mehrwertsteuer
- Bereich der "grenzüberschreitenden" Sachverhalte mit Unionsrechtsbezug
(zB iZm Warenverkehrsfreiheit).
(siehe zu vor in: Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., Rzen. 4 ff. zu § 292).

Zuständigkeit:

Das Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe obliegt den Verwaltungsgerichten. Zu diesem Verfahren gehört ua. die Prüfung, ob der Antrag zulässig ist, ob er Mängel enthält sowie die Beurteilung, ob die Voraussetzungen (der Abs. 1 bis 3 des § 292), insbesondere auch die Inhaltserfordernisse nach § 292 Abs. 8 BAO (wie die Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse), umfassend erfüllt sind.

Über den Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden (§ 292 Abs. 10 BAO; siehe zu vor: Ritz, aaO, Rzn. 40-41 zu § 292).

Erwägungen:

Die AS hat im August 2022 für den Enkelsohn A, geb. 05/2004, ab 06/2022 bzw. ab dessen erreichter Volljährigkeit die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung (wg. "Autismus-Asperger-Syndrom") beantragt.
Es gelten dazu folgende gesetzliche Regelungen:

Nach § 2 Abs. 1 lit c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF., besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (= voraussichtliche Erwerbsunfähigkeit).

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 idgF gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Besteht demnach keine vor dem 21. Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.
Zum Nachweis der Voraussetzung der dauernden Erwerbsunfähigkeit (sowie auch des Grades der Behinderung) ist eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice iSd § 8 Abs. 6 FLAG zwingend erforderlich. Die Abgabenbehörden sowie der UFS, nunmehr das Bundesfinanz-gericht/BFG, sind an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumservice/SMS) erstellten Gutachten gebunden (vgl. ua.).
(vgl. zu vor auch: Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rz. 29 f. zu § 8 FLAG).

Im Gegenstandsfall wurde bislang in zwei SMS-Gutachten vom 4.9./ und 12.1./ beim Enkelsohn A zwar ein GdB von 50 % bescheinigt, jedoch eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit verneint.

Im Hinblick auf die beantragte Verfahrenshilfe gilt festzuhalten, dass nach Obigem die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten erhöhten Familienbeihilfe bereits im Gesetz geregelt und die Abgabenbehörde wie auch das BFG diesfalls zwingend an die Feststellungen lt. Bescheinigungen der SMS-Sachverständigen gebunden sind. Im Rahmen dieser Begutachtung sind allein sachverhaltsbezogene Feststellungen anhand vorliegender Befunde oä. zum Gesundheitszustand zu treffen. Das bedeutet, im Beschwerdefall liegen keine strittigen Rechtsfragen, geschweige denn solche von besonderer, überdurchschnittlicher Schwierigkeit oder Komplexität (zB in Zhg mit Auslandsbezug, Unionsrecht oä.) vor, denen etwa grundsätzliche Bedeutung zukommen würde.

Da aber nach § 292 Abs. 1 BAO die Bewilligung der Verfahrenshilfe jedenfalls voraussetzt, dass die im Beschwerdeverfahren strittigen Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, um nach den Gesetzesmaterialien sicherzustellen, dass Verfahrenshilfe nur für überdurchschnittlich schwierige, durch ständige Judikatur noch nicht geklärte Rechtsfragen gewährt wird, sind gegenständlich - unabhängig von der Erfüllung der sonstigen Vorgaben (zB von der AS beigebrachtes Vermögensbekenntnis) - die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Verfahrenshilfe nicht gegeben.

Dem Antrag auf Verfahrenshilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor dem BFG kann daher aus obigem Grund keine Bewilligung erteilt werden und war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzung, dass die beantragte Verfahrenshilfe nur zu gewähren ist, wenn im betr. Beschwerdeverfahren "zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen", ist im Gesetz (§ 292 Abs. 1 BAO) eindeutig geregelt. Da somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist eine Revision nicht zulässig.

Belehrung und Hinweise

Dem Antragsteller/der Antragstellerin steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Dem Antragsteller/der Antragstellerin steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Bundesfinanzgericht dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen. Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Der Antrag ist im Falle der ordentlichen Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Das Antragsformular ist elektronisch auf der Website des Bundesfinanzgerichtes (https://www.bfg.gv.at/public/faq.html) erhältlich. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.

Die belangte Behörde ist nicht Partei des Verfahrens betreffend Gewährung der Verfahrenshilfe, ihr steht daher kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss zu (vgl. ; ).

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:VH.3100001.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at