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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.04.2023, RV/3100324/2022

Vorzeitige Beendigung Lehre: Kein Nachweis für anschließende Berufsausbildung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr: Finanzamt Österreich - FAÖ) vom , SV-Nr, betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Mai 2019 bis Juli 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.Verfahrensgang

1. Auf Grundlage der am beim damals zuständigen Finanzamt Innsbruck eingegangenen Beantwortung der "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" (Schreiben vom ) und vor allem des beigelegten Lehrvertrages des Sohnes der Frau ***Bf1*** (= Beschwerdeführerin, Bf) vom (Lehrzeit vom bis zum bei der Fa. S-GmbH als Sonnenschutztechniker) wurde die Familienbeihilfe für den Sohn A, geb. 07/1999, zunächst verlängert.

2. Mittels nochmaliger Überprüfung im Juli 2019 wurde die Bf aufgefordert, das Lehrabschlussprüfungszeugnis bzw. das Schreiben der Kammer bezüglich des Prüfungstermins der Lehrabschlussprüfung (LAP) Ihres Sohnes der Abgabenbehörde zuzusenden.
Die Bf hat das Überprüfungsschreiben dem Finanzamt mit dem handschriftlichen Vermerk "noch kein Termin" rückübermittelt.

3. Am hat die Bf mit Formular Beih 100 die Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Sohn beantragt und mitgeteilt, die "Lehrabschlussprüfung wird voraussichtlich im November sein. Genaueres wird Bekanntgegeben!"
Dazu beigebracht wurde ein Anmeldeformular zu dem vom 03.10. bis dauernden Vorbereitungskurs zur Lehrabschlussprüfung (LAP) Sonnenschutztechniker des Bildungsvereines X. Als Ausbildungsbetrieb firmiert auf diesem Anmeldungsformular (noch) die Firma S-GmbH aus Ort1.

4. Mit erging an die Bf ein Vorhaltschreiben des Finanzamtes, wonach aufgrund des Versicherungsdatenauszuges des Sohnes die Lehre bei der Fa. S-GmbH mit April 2019 abgebrochen worden sei. Dazu wurde der Grund des Abbruches angefragt und wurden Nachweise (Lehrabschlussprüfungszeugnis oder Schreiben der Kammer bezüglich des Prüfungstermins) angefordert.
Dem Akt lässt sich keine Beantwortung dieses Vorhaltes entnehmen.

5. Das Finanzamt hat daraufhin mit Bescheid vom , SV-Nr, zu Unrecht für den Sohn bezogene Beträge an Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) für den Zeitraum Mai 2019 bis Juli 2019 im Betrag von gesamt € 670,50 von der Bf zurückgefordert. Begründend wird ausgeführt, die Bf habe trotz Aufforderung die von ihr abverlangten Unterlagen nicht beigebracht und sei hierdurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung (BAO) nicht nachgekommen. Es sei daher laut Aktenlage zu entscheiden. Der Sohn habe laut Versicherungsdatenauszug (nur) bis in einem Lehrverhältnis gestanden, weshalb die FB für den genannten Zeitraum zurückzufordern sei.

6. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wendet die Bf ein, der Sohn habe die Lehrabschlussprüfung (LAP) wegen eines Unfalls am nicht absolvieren können. Der Sohn befinde sich derzeit zu Hause. Die LAP als Sonnenschutztechniker könne nur einmal im Jahr in X abgelegt werden, zurzeit gebe es noch keinen Termin. Der Sohn plane eine Umschulung zur Pflegeassistenz, welche eventuell am beginne.

7. Nach einem Ergänzungsersuchen vom hat die Bf am dem Finanzamt mitgeteilt, der Sohn habe "wegen einem Corona Fall", obwohl er sich angemeldet habe, nicht zur Prüfung antreten können, weswegen er beim nächsten Termin antrete. Dem Finanzamt wurde eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Sohnes vom Oktober 2019 sowie ein E-Mail der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer XX (KammerXX) v. übermittelt. Daraus geht hervor, dass die nächste Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Sonnenschutztechnik voraussichtlich im Herbst 2021 stattfinde; dem Sohn werde der genaue Prüfungstermin ca. 3-4 Wochen vorher per Post zugeschickt.

8. Am wurde von der E-Mail-Adresse der Bf, unterzeichnet durch den Sohn, vermeintlich eine "Bestätigung der Lehrabschlussprüfung" (LAP) in Form eines kurzen Videos übersendet.

9. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und begründend - ua. nach Darstellung der VwGH-Judikatur zur Frage der "ernstlichen Berufsausbildung" iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 - ausgeführt:

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei festzuhalten, dass sich die Berufsausbildung im Lehrberuf jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches erstrecke. Die anschließende Zeit bis zur Lehrabschlussprüfung sei nur dann zur Berufsausbildung zu zählen, wenn der Prüfungswerber das in der Rechtsprechung geforderte ernstliche und zielstrebige Bemühen zur erfolgreichen Ablegung der Prüfung erkennen lasse. Dies sei der Fall, wenn er zeitgerecht (vgl. auch § 23 Abs. 2 BAG) die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung beantrage und auch erfolgsversprechend absolviere. Von einer zeitgerechten Anmeldung sei auszugehen, wenn sich der Lehrling vor Lehrzeitende zur Lehrabschlussprüfung anmelde.

Der ursprüngliche Lehrvertrag des Sohnes der Bf sei vom bis zum gelaufen. Das Lehrverhältnis sei durch den Lehrherrn am vorzeitig beendet worden. Zur Lehrabschlussprüfung habe sich der Sohn der Bf am verspätet (nach Lehrzeitende) angemeldet. Nach April 2019 sei auch keine andere Berufsausbildung nachgewiesen worden. Somit sei die Beschwerde abzuweisen.

10. In dem am eingebrachten Vorlageantrag wendet die Bf im Wesentlichen ein, es sei nicht richtig, dass ihr Sohn die Lehre abgebrochen habe, das Arbeitsverhältnis sei früher beendet worden. Praxis und Schule seien abgeschlossen worden. Laut Rücksprache mit der KammerXX lägen keine Terminverletzungen vor und der Sohn sei auch nicht unentschuldigt nicht zur Prüfung erschienen. Laut KammerXX sei im Dezember 2021 oder Jänner 2022 eine Lehrabschlussprüfung geplant; genauer Termin sei noch nicht bekannt. Vorgelegt wurden dazu:
- ein Schreiben der KammerXX an den Sohn vom betr. Bestätigungen bzw.
Feststellung von Entschuldigungen hinsichtlich der LAP und
- nochmals die Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Sohnes für die Zeit vom 28.10. bis
.

11. Nach Vorlage der Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht (BFG) folgende Erhebungen durchgeführt:

a) Vorhaltschreiben vom an die Bf wie folgt:

" … 1. Laut Finanzamt wurde das ursprünglich bis dauernde Lehrverhältnis des Sohnes A (als Sonnenschutztechniker) vom Lehrherrn vorzeitig am beendet.
Lt. Mitteilung der Wirtschaftskammer
XX/KammerXX hat sich der Sohn am zur Lehrabschlussprüfung/LAP im Oktober 2019 angemeldet und dann (ua. auch für April 2021
lt.
KammerXX) entschuldigt.
Von Ihnen wurde ein Anmeldeformular für den Vorbereitungskurs zur LAP vom 3.10. - beim Bildungsverein
X beigebracht.
Fragen:
a) Aus welchem Grund wurde das Lehrverhältnis bzw. die praktische Lehrausbildung
vorzeitig und wann ( ?) beendet ?
b) Hat der Sohn im Anschluss - insbes. Mai bis Juli 2019 - die Berufsschule weiter
besucht ?; wenn ja bis wann und mit wieviel Wochenstunden ?
c) Warum ist die Anmeldung zur LAP für Oktober 2019, vor allem im Hinblick auf die
deutlich frühere Beendigung des Lehrverhältnisses, erst am erfolgt ?
d) Hat der Sohn an dem LAP-Vorbereitungskurs v. 3.10. - tatsächlich
teilgenommen ?
e) Hat er sich in der Zeit zwischen Beendigung des Lehrverhältnisses bis zur
voraussichtlichen LAP (10/2019) ernsthaft auf die LAP und, wenn ja, in welchem
zeitlichen Umfang pro Woche (ca. wieviel Stunden) darauf vorbereitet ?
Oder aber ist er in dieser Zeit einer anderen und welcher Tätigkeit nachgegangen ?
f) Aus welchem Grund genau ist er nicht zur LAP im Oktober 2019 angetreten, wozu eine
ärztl. Arbeitsunfähigkeitsmeldung (für 28.10. - ) im Akt erliegt ?
Laut Ihren Angaben habe der Sohn einen Unfall gehabt (siehe Beschwerde) bzw. habe er "wegen einem Corona-Fall" (Ihr mail v. ) nicht antreten können ? Um nähere Aufklärung wird gebeten.
g) In der Beschwerde führen Sie aus, dass der Sohn eventuell eine Umschulung zum
Pflegeassistenten beabsichtigt; zugleich erliegen im Akt mehrere Schreiben/mails oä.
betreffend verschiedener Prüfungstermine zur LAP-Sonnenschutztechnik - im
Oktober 2019, lt.
KammerXX im April 2021 und "Herbst 2021" (lt. mail von Fr. B v.
), im Dezember 2021 oder Jänner 2022 (lt. Ihrem Vorlageantrag) - und stellt
sich die Frage:
Hat Ihr Sohn eine anderweitige Berufsausbildung, welche und ab wann genau
begonnen ?
Oder aber hat er und wann genau die Lehrabschlussprüfung zum Sonnenschutztech-
niker mittlerweile erfolgreich abgelegt ?
2. Sämtliche von Ihnen gemachte Angaben zu Obigem sind durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.
3. Um Vorlage insbesondere folgender Unterlagen wird ersucht:
- Lehrvertrag
- Auflösungsvereinbarung oä. betr. Lehre
- Schulbesuchsbestätigung der Berufsschule
- Stundenplan der Berufsschule
- Teilnahmebestätigung oä. zum LAP-Vorbereitungskurs 3.-
- Anmeldeformulare oä. zu den jeweiligen LAP-Terminen
- Lehrabschluss-Prüfungszeugnis (falls abgelegt)
- jegliche sonstige bezughabende Unterlagen zum Nachweis, dass - wie Sie im
Vorlageantrag angeben - "Praxis und Schule abgeschlossen wurden"
Um schriftliche Stellungnahme sowie Beibringung der bezeichneten und aller sonstig vorhandenen, zum Nachweis dienlichen Unterlagen bis zum eingangs genannten Termin wird gebeten. …"

Es erfolgte eine Fristsetzung zur Beantwortung bis ; der Vorhalt blieb - trotz nachweislicher Zustellung per Hinterlegung - bis dato unbeantwortet.

b) Ersuchen an die KammerXX v. , zwecks Sachverhaltsabklärung folgende Fragen zu beantworten:

" … 1. Zu welchen Terminen für die Lehrabschlussprüfungen/LAP im Lehrberuf Sonnenschutztechnik hat sich der Sohn der Beschwerdeführerin (Bf) … angemeldet ?
2. Gibt es hiezu bestimmte Anmeldefristen bzw. hatte sich der Sohn jeweils rechtzeitig angemeldet ?
3. Bestanden angesichts der Tatsache, dass das Ausbildungsverhältnis des Sohnes der Bf vorzeitig (vor regulärem Ende des Ausbildungsvertrages) beendet wurde, Probleme jedweder Art im Hinblick auf die LAP-Anmeldung ?
4. Zu welchen konkreten Terminen erfolgten in den letzten Jahren (2019 bis 2022) Lehrabschlussprüfungen im Lehrberuf Sonnenschutztechnik ?
5. Findet eine solche LAP zum Sonnenschutztechniker nur einmal jährlich statt ?
6. Fanden solche Lehrabschlussprüfungen auf Grund der Pandemie in den letzten Jahren weniger häufig statt bzw. sind Corona-bedingt LAP ausgefallen ? …"

Trotz nachweislicher Zustellung mit RSb-Rückschein blieb das Ersuchen (Termin ) bis dato unbeantwortet.

c) Auf Ersuchen des hat das Finanzamt ua. folgende Unterlagen elektronisch nachgereicht:
- eine Zusammenfassung des Sachverhaltes
- Schreiben zwecks Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe aus den Jahren
2017 (inklusive Lehrvertrag und Dienstzettel für Lehrlinge vom ) und 2019
- Vorhalt der Abgabenbehörde vom
- E-Mail vom (mit kurzer Videosequenz betr. LAP)
- Auszug der Sozialversicherungsdaten des Sohnes, Zeitraum ab Juni 2016

II. Sachverhalt

1. Der Sohn der Bf, A geb. 07/1999, hat im Juli 2017 die Volljährigkeit erreicht.

2. Er ist vom bis in einem Lehr- bzw. Ausbildungsverhältnis mit der Firma S-GmbH gestanden (vgl. Lehrvertrag vom und Sozialversicherungsdatenauszug des Sohnes vom ).

3. Die ursprünglich festgesetzte Lehrzeit hätte laut Lehrvertrag vom vom bis zum gedauert (vgl. Lehrvertrag).

4. Zum wurde das - ursprünglich bis zum - laufende Ausbildungsverhältnis zwischen dem Sohn der Bf und dem "Lehrherrn", der Fa. S-GmbH, beendet (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug des Sohnes der Bf vom ).

5. Am meldete sich der Sohn der Bf zur Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Sonnenschutztechnik im Oktober 2019 an (vgl. Bestätigung der KammerXX an den Sohn der Bf vom ).

6. Die Lehrabschlussprüfung (LAP) im Oktober 2019 konnte - laut Beschwerdevorbringen - aufgrund eines Unfalles des Sohnes nicht absolviert werden. Dazu liegt für die Zeit v. bis eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung eines Hausarztes vor (vgl. Beschwerde v. ; Arbeitsunfähigkeitsmeldung v. des Dr. C).
Darüber hinaus bestätigte die Lehrlingsstelle der KammerXX am , dass sich der Sohn der Bf für die Lehrabschlussprüfungen im Oktober 2019 und April 2021 entschuldigt hat (siehe Bestätigung der KammerXX an den Sohn der Bf vom ).

III.Beweiswürdigung

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, ua. aus den eigenen Angaben der Bf und aus den von ihr beigebrachten Unterlagen und ist insoweit unbestritten.

Im Übrigen gilt im Hinblick darauf, dass eine vollständige Abklärung des Sachverhaltes nicht möglich war, da weder die Bf noch die KammerXX - trotz nachweislich zugestellten Vorhaltes - der erbetenen Fragenbeantwortung sowie Beibringung von Unterlagen nachgekommen sind, Folgendes:

Ob ein Sachverhalt als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Das Gericht hat dabei gemäß § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Überzeugung eine Tatsache als erwiesen oder nicht erwiesen anzunehmen. Dabei genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen zu erachten, die gegenüber allen anderen eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat (; siehe auch: Ritz/Koran, BAO7, § 167 Rz 8 mwN).

IV.Rechtslage

A) Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/367 idgF., haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben,
lit a) für minderjährige Kinder,
lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die
für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule
fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres
Berufes nicht möglich ist. …

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschliessungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967).

Nach § 115 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194 idgF., haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln.
Diese grundsätzliche Feststellungslast befreit allerdings die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht (vgl. u.a.; Ritz, BAO-Kommentar, 6. Aufl., Rz 8 zu § 115).
Daneben finden sich in §§ 119 ff. BAO umfangreiche Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen, wie Offenlegungs-, Wahrheits- und Anzeigepflichten.

B) Rechtsprechung zur "Berufsausbildung":

Es besteht kein Zweifel, dass insbesondere die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis eine Berufsausbildung iSd FLAG darstellt (siehe mwN). Diese Lehrausbildung steht auf zwei Säulen:
zum Einen die praktische Ausbildung im Betrieb (in der Regel 75 bis 80% der Lehre), zum Anderen die Ausbildung in der Berufsschule (so genanntes "duales System" der Lehrausbildung).
Lehrverhältnis und Lehrvertrag bilden die Grundlage der dualen Ausbildung.

Die Berufsausbildung erstreckt sich jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches. Die anschließende Zeit bis zur Lehrabschlussprüfung ist dann zur Berufsausbildung zu zählen, wenn der Prüfungswerber das in der Rechtsprechung geforderte ernstliche und zielstrebige Bemühen erkennen lässt. Dies ist der Fall, wenn er zeitgerecht (§ 23 Abs. 2 BAG) die Zulassung zur Lehrabschlussprüfung beantragt (; siehe in: Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 Rz 45 - Stichwort Lehrausbildung beim "ABC der Berufsausbildung").

V.Erwägungen

1. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Beschwerdeführerin für ihren Sohn A im streitgegenständlichen Zeitraum die Familienbeihilfe und damit zusammenhängend der Kinderabsetzbetrag zustand.

2. Dazu ist vorweg auf die Systematik des Beihilfenrechtes zu verweisen. Die Erfüllung bestimmter anspruchsbegründender Voraussetzungen (Alter des Kindes, Vorliegen einer Berufsausbildung oder anderer "begünstigter" Beschäftigungen bzw. "erzwungener" Wartezeiten bis zum Beginn einer Berufsausbildung oder deren Fortsetzung, Haushaltszugehörigkeit bzw. subsidiär überwiegende Kostentragung usw.) wird nach § 2 FLAG 1967 gefordert (vgl. ).

Nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 ist somit die Gewährung von Familienbeihilfe und daraus folgend Kinderabsetzbeträgen für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, an die Voraussetzung der Berufsausbildung gebunden. Andere anspruchsbegründende Tatbestände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor und wurde deren Vorliegen auch nicht behauptet.

3. Das Gesetz definiert den Begriff der Berufsausbildung nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Die Ausbildung muss aber als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 Rz 35f).

Ob tatsächlich eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichgesetzes (FLAG) vorliegt, kann in der Regel nur im Einzelfall beurteilt werden (siehe Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 Rz 37).

4. Im streitgegenständlichen Fall besteht - wie die Abgabenbehörde bereits im Bescheid vom konstatiert hatte - die Problematik, dass die Bf ihrer aus der Bundesabgabenordnung (BAO) erwachsenen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist.
Mit BFG-Vorhalt vom wurde die Bf zuletzt aufgefordert, in weitreichendem Umfang Stellung zu nehmen, Fragen zu beantworten und dem BFG weitere Unterlagen vorzulegen. Dieser Vorhalt blieb trotz nachweislicher Zustellung durch Hinterlegung bis dato ohne jede Reaktion. Gleiches gilt für das BFG-Vorhaltschreiben selbigen Datums an die KammerXX.

Demzufolge war keine vollständige Sachverhaltsabklärung möglich und konnten keine näheren, zur FB-rechtlichen Beurteilung erforderlichen Kenntnisse zum Zeitraum zwischen der Beendigung der Lehre Anfang April 2019 und der Anmeldung vom zur LAP für Oktober 2019, an welcher schließlich der Sohn der Bf laut vorgelegter Arbeitsunfähigkeits-meldung nicht teilnehmen konnte, gewonnen werden.
Mangels Beantwortung durch die zuständige KammerXX-Lehrlingsstelle konnte das BFG auch keine weiteren Informationen zur LAP selbst und zu den Terminen, an denen diese in den letzten Jahren stattfand, eruieren.

Das BFG hat somit letztlich in freier Beweiswürdigung (§ 167 Abs. 2 BAO) auf Grund des Akteninhaltes zu entscheiden.

5. Im streitgegenständlichen Fall steht fest, dass die eigentlich auf Grund des Lehrvertrages zum Sonnenschutztechniker bis zum laufende praktische Ausbildung, wie dem Sozialversicherungsdatenauszug des Sohnes der Bf vom entnommen werden kann, mit tatsächlich geendet hat. Ab diesem Tag scheint der Sohn der Bf nicht mehr als Arbeiterlehrling auf.
Nach dem Inhalt des vorgelegten Schreibens der Lehrlingsstelle der KammerXX vom an den Sohn der Bf steht weiters fest, dass dieser sich erst am zur LAP im Oktober 2019 angemeldet hat.

Zum streitgegenständlichen Zeitraum können mangels Mitwirkung der Bf keine Feststellungen getroffen werden; zugleich hat die Bf keineswegs vorgebracht, dass ihr Sohn im betreffenden Zeitraum (noch) eine Berufsschule besucht hätte und auch gegebenenfalls, in welchem Umfang diese nach Beendigung der praktischen Ausbildung besucht worden wäre.
Es wurde von der Bf auch der tatsächliche Besuch des mehrmals im Akt aufscheinenden Vorbereitungskurses zur LAP-Sonnenschutztechniker im Oktober 2019 nicht nachgewiesen und auch nicht näher dargelegt, aus welchem Grund dem Sohn letztlich die Teilnahme an den LAP im Oktober 2019 und im April 2021 nicht möglich gewesen war.

Für das Vorliegen einer ernstlichen Berufsausbildung iSd FLAG, die also die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt, bedürfte es aber nach geltender Rechtslage eines wöchentlichen Zeitaufwandes für Kurse und Vorbereitungszeit (zB auf Prüfungen) von mindestens 30 Stunden (vgl. zB ; Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 Rz 40 mwN).

6. Insgesamt ist daher nach dem Obgesagten nach dem Dafürhalten des BFG kein ernstliches und zielstrebiges, nach außen erkennbares Bemühen um den Ausbildungserfolg ersichtlich, welches auf eine - nach erfolgter Beendigung der praktischen Ausbildung im April 2019 - bestehende Berufsausbildung iSd FLAG schließen lassen würde.

Konkrete gegenteilige Angaben samt Nachweisen, die allenfalls die Schlussfolgerung auf eine fortdauernde Berufsausbildung des Sohnes im streitgegenständlichen Zeitraum zulassen würde, wurden von der Bf nicht gemacht. Vielmehr ist ua. dem Sozialversicherungsdaten-auszug des Sohnes vom zu entnehmen, dass er bis dato auch keine anderweitige Berufsausbildung absolviert hat.

7. Dem Vorbringen der Bf im Vorlageantrag, das Arbeitsverhältnis sei vom Sohn nicht abgebrochen sondern (bloß) früher beendet worden bzw. Praxis und Schule seien von ihm abgeschlossen worden, ist zu entgegnen, dass es sich hiebei ebenso um ein völlig unsubstantiiertes, dh. nicht näher konkretisiertes geschweige denn etwa durch Nachweise belegtes Vorbringen handelt.

8. Im Hinblick auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht iSd § 115 bzw. § 119 f. BAO ist noch Folgendes anzumerken:

Wenn Tatsachenfeststellungen nicht getroffen werden können, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde. Die Abgabenbehörde hat damit die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die den Abgabenanspruch begründen; der Steuerpflichtige für Tatsachen, die Begünstigungen, Steuerermäßigungen u.ä. begründen bzw. die den Abgabenanspruch einschränken oder aufheben oder eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen (vgl. Ehrke-Rabel in Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, II7, Tz. 1301).
Wenn die Feststellung, dass eine Anspruchsvoraussetzung (weiter andauernde Berufsausbildung iSd § 2 FLAG) vorliegt, nicht getroffen werden kann, geht dies daher zu Lasten der Bf, die Familienbeihilfe bezogen hat (vgl. ).

9. Wenn von der Bf schließlich - ohne jegliche nähere Erläuterung - im Vorlageantrag vom moniert wird, sie habe im Rahmen einer persönlichen Vorsprache von der Abgabenbehörde eine andere Auskunft erhalten, was sozusagen einen Verstoß gegen "Treu und Glauben" indiziert, so ist dem zu erwidern:

Der Grundsatz von Treu und Glauben wird vor allem bei unrichtigen Rechtsauskünften zu berücksichtigen sein (vgl. u.a.). Vorauszusetzen sind: eine Auskunft durch die Abgabenbehörde; dass die Auskunft nicht offenkundig unrichtig ist; Dispositionen des Abgabenpflichtigen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft; ein hieraus entstehender (bzw. drohender) Vertrauensschaden, wenn die Besteuerung bzw. hier im streitgegenständlichen Fall die Rückforderung entgegen der Auskunft vorgenommen wird (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 114 Rz 11 mwN).

Eine von der Abgabenbehörde, wann und in welcher Form, etwaig der Bf erteilte unrichtige und nicht entsprechend eingehaltene Rechtsauskunft in Zusammenhang mit dem Vorliegen eines Anspruches auf Familienbeihilfe im streitgegenständlichen Zeitraum ist gegenständlich für das BFG nach dem gesamten Akteninhalt auch nicht ansatzweise erkennbar. Aus diesem Grund kann von einem Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben keine Rede sein.

10. Wird Familienbeihilfe trotz fehlender Anspruchsvoraussetzungen vereinnahmt, wurde diese zu Unrecht bezogen. Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26 Rz 20f).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, es kommt somit auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug an und sind subjektive Elemente unbeachtlich und unerheblich. Dies unabhängig davon, ob etwa die Beträge an das Kind weitergegeben wurden (vgl ) oder ob diese gutgläubig verbraucht worden sind (vgl ). Auch eine unrichtige Auszahlung, die ausschließlich auf einer Fehlleistung der Abgabenbehörde beruhen würde, steht einer Rückforderung nicht entgegen. Die Rückforderung ist auch keine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26 Rz 12ff mwN).
Gleiches gilt - wie oben angeführt - für die mit der Familienbeihilfe ausbezahlten und diesfalls zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.

VI.Ergebnis

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage waren daher nach Beendigung des Lehrverhält-nisses im April 2019 mangels einer Berufsausbildung iSd FLAG die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbeträge) nicht mehr erfüllt.

Der Beschwerde konnte sohin kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, ob im streitgegenständlichen Zeitraum eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 vorgelegen war oder nicht, ist anhand der tatsächlichen Umstände in Anwendung der og. Judikatur des VwGH wie auch des BFG zu beurteilen.
Insofern liegt keine strittige Rechtsfrage vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

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