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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.04.2023, RV/2101201/2020

Schätzung eines geringfügig tätigen nichtselbständigen Taxilenkers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Klaus Gaig Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Wagnastraße 1, 8430 Leibnitz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom betreffend Aufhebung § 299 BAO / ESt 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer 2015 wird festgesetzt mit EUR 0,00.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (= Bf.) war vom - im Rahmen seines Zivildienstes als Rettungssanitäter im Bezirk Leibnitz tätig. Daneben war er geringfügig als Taxifahrer für Hrn. AG tätig. Mit Bescheid vom erfolgte eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015 des Bf. aufgrund eines berichtigten Lohnzettels des Arbeitgebers.
Im darauf folgend neu erlassen Einkommensteuerbescheid 2015 wurden die nichtselbständigen Einkünfte statt mit EUR 1.644,14 mit EUR 10.797,20 im Schätzungswege festgesetzt, sodass es zu einer Abgabennachforderung kam.

Gegen diesen, am ausgestellten, Einkommensteuerbescheid 2015 wurde ein Antrag auf Aufhebung gem. § 299 Abs. 1 BAO gestellt. Dazu vorgelegt wurde eine Aufstellung der tatsächlich erhaltenen Beträge (EUR 2.506,82), eine Aufstellung der Tage, an denen vom Bf. Taxifahrten durchgeführt wurden sowie die Bestätigung über den abgeleisteten Zivildienst im Zeitraum von bis . Seit ist der Bf. mit einer eigenen Taxigewerbekonzession selbständig tätig.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. von der Abgabenbehörde aufgefordert zur durchgeführten Schätzung gem. § 184 BAO sowie deren Methode Stellung zu nehmen. Dazu wurde ihm die Schätzungsmethode dargelegt und ersucht bekanntzugeben, sofern die tatsächlichen Verhältnisse seiner Ansicht nach von der obigen Schätzung abweichen anzugeben, welche Beträge er von seinem ehemaligen Arbeitgeber im Jahr 2015 tatsächlich erhalten hat.

Mit Schreiben vom teilte der Bf. mit, dass die ihm im Schätzungswege zugerechneten Löhne nicht den Tatsachen entsprechen. Er hat von Herrn AG lediglich ein Entgelt von insgesamt EUR 2.506,82 erhalten. Dazu wurde ein Schreiben des ehemaligen Arbeitgebers übermittelt, in welchem dieser bestätigt, dass der Bf. nur nebenbei für ihn als Taxifahrer tätig war und der Bf. im Zeitraum von Jänner bis Mai nur die der Behörde bereits offen gelegten EUR 2.506,82 ausgezahlt erhielt.

Mit dem angefochtenen Bescheidvom hielt die Abgabenbehörde an ihrer Rechtsmeinung fest und wies den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 ab.

Am brachte der Bf. Beschwerde ein. Unter Bezugnahme auf die beigefügte Bestätigung über die Ableistung des Zivildienstes beim Roten Kreuz in der Zeit von bis erklärte der Bf. nochmals, dass die vom Finanzamt unterstellte zusätzliche Tätigkeit als Taxifahrer gar nicht möglich war. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung am aufgrund der Erkenntnisse aus der GPLA-Prüfung als unbegründet abgewiesen.

Am wurde vom Bf. sodann Vorlageantrag gestellt und gleichzeitig eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht beantragt.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Gericht den Bf. um weitere Informationen. Mit Schreiben vom leistete der Bf. dem Gesuch Folge und teilte zusammengefasst nachfolgendes mit.

Eine Dienstvereinbarung liegt ihm nicht vor, die Abrechnung erfolgte dergestalt, dass der Bf. 45% des Umsatzes als Lohn in bar erhielt. Einmal die Woche (meistens Montag oder Dienstag) wurde abgerechnet und der Umsatz laut Umsatzzettel zusammengefasst; davon wurden 55% abzüglich Tankbelegen an Herrn AG abgegeben, 45% durfte der Bf. gleich behalten. Es gab keinen Dienstplan und auch keine fixe Fahrdauer. Da der Bf. am Umsatz beteiligt war, fuhr er nur solange, wie er wollte. Der Bf. fuhr nur in der Nacht. Aufzeichnungen über die gefahrenen Stunden sind keine vorhanden, aber Fotos der Umsatzzettel (beigefügt). Für die Dienstzeiten des Zivildienstes kann ebenfalls keine genaue Aufstellung mehr vorgelegt werden, es waren nach Aussagen des Bf. sowohl Tag- als auch Nachtschichten in Leibnitz, Wildon und Heiligenkreuz. Grundsätzlich hatte der Bf. eine 5-Tage Woche, teilweise wurden auch 6 oder nur 4 Tage gearbeitet (je nach Dienstplan).

Mit Schreiben vom übermittelte die Wirtschaftskammer den vom Gericht angeforderten Bundeskollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe sowie den Landeskollektivvertrag Steiermark für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW.

Mit Schreiben vom zog der Bf. den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war im strittigen Jahr bis Ende Juni 2015 Zivildiener und hier als Rettungssanitäter in Leibnitz, Wildon und Heiligenkreuz eingesetzt. Daneben hatte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (-) als Taxilenker. Er war bei Hrn. AG als geringfügiger Arbeiter beschäftigt. Im Zuge einer Betriebs- und Lohnsteuerprüfung seines Arbeitgebers wurde festgestellt, dass es zu inoffiziellen Zahlungen an dessen ArbeitnehmerInnen gekommen ist. Auch der Bf. war laut Aussagen des ehemaligen Arbeitgebers Adressat von derartigen Zahlungen, weswegen von der Abgabenbehörde ein neuer Lohnzettel für den Bf. ausgestellt wurde. Die Aufteilung der von Seiten des Arbeitgebers inoffiziellen Zahlungen erfolgte dergestalt, dass Hr. AG bekanntgab, welchen Personen dieses Entgelt zuzuordnen war und wurde die Aufteilung auf den genannten Personenkreis sodann im aliquoten Verhältnis der bereits abgerechneten Löhne durchgeführt. Dem Bf. wurden im Schätzungswege ein errechneter Anteil von EUR 2.200 pro Beschäftigungsmonat somit für den gesamten Tätigkeitszeitraum bis Mai 2015 steuerpflichtige Bezüge iHv EUR 10.797,20 errechnet. Daraus resultierend wurde dem Bf. sodann eine Abgabe in Höhe von EUR 2.437,00 vorgeschrieben.

Der Bf. legte im weiteren Verfahren Unterlagen über seine tatsächlich erhaltenen Beträge (EUR 2.506,82), weiters Fotografien der Fahrtenbücher der von ihm gelenkten Taxis sowie ein Schreiben seines ehemaligen Arbeitgebers vor, worin dieser zwar bestätigte, dass es inoffizielle Zahlungen an den Bf. gegeben hat, allerdings, dass diese nicht im Ausmaß der durch die Schätzung zugerechneten Beträge erfolgten.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zur Zivildiensttätigkeit des Bf. basieren auf den Auskünften des Roten Kreuzes sowie den Angaben des Bf.
Die Feststellungen zur Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit basieren auf den vorgelegten Unterlagen des Bf..

Die Feststellungen zu den lohngestaltenden Vorschriften ergeben sich aus den vorgelegten Kollektivverträgen des Personenbeförderungsgewerbes.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 184. Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung

(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Behörde hat auf alle substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen einzugehen und sich damit auseinanderzusetzen, auch wenn die Richtigkeit der Behauptungen erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muss (zB ; , 2001/15/0137; , 2005/17/0199; , 2012/13/0015; , 2012/15/0123).

Auch Schätzungsergebnisse unterliegen - nach Maßgabe des § 93 Abs 3 lit a bzw des § 280 Abs 1 lit e - der Pflicht zur Begründung. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse (Darstellung der Berechnung) darzulegen (vgl zB ; , 2007/15/0226; , 2009/15/0181; , 2012/13/0068; , Ro 2019/15/0003; , Ro 2019/16/0014; , Ra 2018/17/0002; ebenso EStR 2000, Rz 1108).

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Der Bf. gab bereits in seinem Antrag gem. § 299 BAO bekannt, dass er statt der im Erstbescheid mit EUR 1.644,14 von seinem damaligen Arbeitgeber EUR 2.506,82 an Zahlungen erhalten hat. Dies konnte er auch durch Unterlagen belegen. Weiters durch eine schriftliche Aussage seines ehemaligen Arbeitgebers, der in diesem Schreiben bestätigte, dass mehr als der ursprünglich gemeldete Betrag an den Bf. ausbezahlt wurde.

Damit war die Grundlage für die Steuererhebung nunmehr ermittelbar. Die Angaben des Bf. sind schlüssig und nachvollziehbar. Dazu konnte auch der Bf. auf Rückfragen des BFG erschöpfend Auskunft geben.

Das Finanzamt hat sich in seinen Bescheidbegründung demgegenüber damit begnügt, auf die durchgeführte Schätzung zu verweisen sowie auf die - im Rahmen der freien Beweiswürdigung - durchgeführte Gewichtung der Aussagen des ehemaligen Arbeitgebers verweisen.

Da die Schätzung des Finanzamtes (aliquote Zuschätzung) im Vergleich zu den Ausführungen der Bf. äußerst rudimentär geblieben ist, ist davon auszugehen, dass die Zahlen des Bf. der Wahrheit am Nächsten kommen. Jedenfalls sind die bekannt gegebenen Daten als für die Schätzung bedeutsame Umstände zu berücksichtigen und führen im Beschwerdefall dazu, dass eine "Schätzung" anhand dieser Beträge zu erfolgen hat.

Der im Schätzungswege ermittelte Betrag, welcher dem Bf. zugerechnet wurde, war lediglich im aliquoten Verhältnis zu den bereits abgerechneten Löhnen ermittelt worden. Dabei wurde weder berücksichtigt, dass der Bf. nachweislich als Rettungssanitäter sowohl mit Tages - als auch Nachtschichten in bis zu 60 Wochenstunden seinen Zivildienst leistete, noch wurde berücksichtigt, dass gem. dem KV für das Beförderungsgewerbe bei einer Vollzeitbeschäftigung als Taxilenker ein monatliches Mindestbruttoeinkommen von EUR 1.100 vorgesehen war (siehe Bundeskollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW, Pkt. XI. C.) Der Betrag von EUR 2.200 pro Monat für eine geringfügige nebenberufliche Tätigkeit als Taxilenker entbehrt jeder Grundlage.

Wenn die Abgabenbehörde festhält, dass der Erstaussage bei der GPLA-Prüfung stärkeres Gewicht beizumessen ist, als der schriftlichen Aussage des Hrn. AG im Laufe des Verfahrens, so ist festzuhalten, dass in beiden Aussagen des Arbeitgebers des Bf. dieser lediglich bestätigte, dass der Bf. mehr als die gemeldeten Beträge erhalten hat, nicht aber den tatsächlichen Betrag genannt hatte, widersprechen sich beide Aussagen nicht.

Aufgrund der Beurteilung der beigebrachten Unterlagen und der Angaben des Bf. kam das Gericht in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass es im strittigen Zeitraum zwar zu inoffiziellen Zahlungen an den Bf. gekommen ist, jedoch keinesfalls in dem Ausmaß, den die Abgabenbehörde aufgrund der Schätzung angenommen hat.

Das Gericht kommt daher zum Schluss, dass der Bf. im strittigen Zeitraum 2015 lediglich die von ihm im Zuge des Verfahrens angegebenen Zahlungen aus seiner nebenberuflichen Tätigkeit als Taxilenker erhalten hat.

Es war daher von der aufgrund der Schätzung der Bemessungsgrundlagen erfolgten Festsetzung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abzugehen und spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Beschwerdefall war die Höhe der geschätzten Abgaben zu ermitteln. Da es sich im vorliegenden Fall um eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handelt, war die Revision nicht zuzulassen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2101201.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at