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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.04.2023, RV/1100067/2023

Anspruch auf Familienbeihilfe entsprechend der Haushaltszugehörigkeit des Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***

in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,

betreffend den Bescheid des ***FA*** vom

hinsichtlich Rückforderung von Familienbeihilfe 10.2019-08.2021 sowie von Kinderabsetzbetrag für denselben Zeitraum,

SVNr. ***SVNr***,

zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die vom Beschwerdeführer für seine am ***1*** geborene Tochter ***2*** von Oktober 2019 bis August 2021 bezogene Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 i.V.m. § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück.

In der Begründung wurde ausgeführt, das Kind lebe nicht im Haushalt des Beschwerdeführers. Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 habe Anspruch auf Familienbeihilfe jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehöre. Auch wenn eine andere Person die überwiegenden Unterhaltskosten trage, ändere sich daran nichts.

In einer daraufhin einlangenden Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus: Seine Tochter ***2*** lebe seit 2019 im Haushalt ihrer Mutter. Er sei von der Mutter seiner Tochter seit 2015 geschieden. Das Sorgerecht werde von den Eltern gemeinsam wahrgenommen. Er habe mit der Kindesmutter vereinbart, dass die Familienbeihilfe von ihm bezogen werde, da er die formellen Eingaben und laufenden Erklärungen vornehmen sollte. Er habe die Familienbeihilfe mit einem kleinen Aufschlag ab Dezember 2019 monatlich an die Kindesmutter weitergeleitet und könne dies auch anhand von beigelegten Bankauszüge nachweisen. Davor sei die Kindesmutter längere Zeit im Ausland gewesen, sodass er alleine für den Unterhalt seiner Tochter aufkommen musste. Er habe bei seinen Ansuchen um Kinderbeihilfe den Wohnsitz seiner Tochter stets wahrheitsgetreu angegeben und halte die Rückforderung nicht für angebracht.

Beigelegt war ein Kontoauszug, aus dem ersichtlich ist, dass Zahlungen i.H.v. € 300,00 unter dem Titel "Kinderbeihilfe" von Dezember 2019 bis August 2021 an die Kindesmutter überwiesen wurden.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und erläuterte darin unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 FLAG 1967: Die Tochter ***2*** lebe nicht im Haushalt des Beschwerdeführers, sondern laut Auskunft aus dem zentralen Melderegister seit bei ihrer Mutter. Obwohl er die überwiegenden Unterhaltskosten leiste, stehe ihm keine Familienbeihilfe zu, weil eine andere Person aufgrund des gemeinsamen Haushalts mit dem Kind anspruchsberechtigt sei.

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte aus: Das Finanzamt sei in seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung nicht darauf eingegangen, dass die anspruchsberechtigte Kindesmutter den Anspruch an ihn, den Kindesvater, abgetreten habe. Überdies sei nicht gewürdigt worden, dass er stets ordnungsgemäß angegeben habe, der Wohnort des Kindes befinde sich bei der Kindesmutter. Es sei daher stets klar gewesen, dass die beiden dieselbe Wohnadresse hätten. Zudem sei einem im Jahr 2022 mit seiner Hilfe gestellter Antrag der Kindesmutter auf Nachzahlung der in den Jahren 2019 und 2020 "angeblich ihr zustehenden" Kinderbeihilfe nicht entsprochen worden. Er beantrage daher, seiner Beschwerde Folge zu geben.

In der Stellungnahme zum Vorlagebericht wurde von Seiten des Finanzamtes ausgeführt: Der Kindesvater habe im Familienbeihilfenantrag 2019 wahrheitsgemäß bekanntgegeben, dass ***2*** nicht im selben Haushalt lebe. Die Familienleistungen seien trotzdem fälschlicherweise an ihn ausbezahlt worden. Erst bei der Überprüfung im Jahr 2021 sei eine genauere Abklärung und Korrektur erfolgt. Der Antrag der Kindesmutter vom sei aufgrund des langen Behördenverfahrens beim Kindesvater noch offen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

  1. ***2***, die Tochter des Beschwerdeführers, ist am ***1*** geboren.

  2. Ab Herbst 2019 studierte sie zwei Semester lang ***3*** und erreichte 18 ECTS-Punkte.

  3. Sie absolvierte im Jahr 2020 erfolgreich die Aufnahmeprüfung für das Studium der ***4*** und belegte ab Oktober 2020 dieses Studienfach mit dem Nachweis von ausreichend ECTS-Punkten im hier maßgeblichen Zeitraum.

  4. Der Beschwerdeführer und die Kindesmutter sind seit 2015 geschieden.

  5. ***2*** lebt seit in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter.

  6. Die geschiedenen Ehegatten vereinbarten, dass die Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag an den Beschwerdeführer ausbezahlt werden solle, der sodann die entsprechenden Anträge stellte.

  7. Er überwies die an ihn ausbezahlten Beträge in der Folge mit Aufschlag an die Kindesmutter.

  8. Der Beschwerdeführer trug stets die überwiegenden Lebenshaltungskosten für ***2***.

Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf unstrittigem Akteninhalt mit Kontoauszügen, Studienzeitbestätigungen und Vorhaltsbeantwortungen.

2. Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Würdigung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht gemäß § 2a Abs. 1 FLAG 1967 der Anspruch des Elternteils, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann in den Fällen des Abs. 1 der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten….

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dasselbe gilt gemäß § 33 Abs. 3 Z. 2 lit. b EStG 1988 für Kinderabsetzbeträge.

Umgelegt auf den Streitfall ergibt sich:

Ein Verzicht auf den Familienbeihilfenanspruch ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 2a Abs. 2 FLAG 1967 nur in den Fällen des Abs. 1 leg. cit. und somit nur dann möglich, wenn das Kind im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern lebt. Ein Verzicht eines Elternteils, zu dessen Haushalt das Kind gehört, zugunsten des Elternteils, zu dessen Haushalt das Kind nicht gehört, ist - ungeachtet des Umstandes, dass dieser die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt - im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. , mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Insofern bezieht sich auch das Formular "Familienbeihilfe Beih 1", das unter Punkt 13 eine Verzichtserklärung des überwiegend den Haushalt führenden Elternteils einräumt, auf eine gemeinsame Haushaltsführung beider Eltern mit Kindern.

Für den Beschwerdeführer ist daher aus dem Vorbringen, die anspruchsberechtigte Kindesmutter habe den Anspruch an ihn abgetreten, nichts zu gewinnen, bestand doch im Streitzeitraum Oktober 2019 bis August 2021 keine gemeinsame Haushaltsführung der seit 2015 geschiedenen Ehegatten mehr und war die Tochter ***2*** bei ihrer Mutter, die sich während dieses Zeitraumes auch im Inland aufhielt, haushaltszugehörig. Der zu beurteilende Sachverhalt ist daher unter § 2 Abs. 2 FLAG 1967 zu subsumieren, wonach Anspruch auf Familienbeihilfe die Person hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Ein Anwendungsfall des § 2a Abs. 1 und 2 liegt nicht vor.

Für eine Rückforderung kommt es nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezuges von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung. Daher ist es beispielsweise irrelevant, dass vom Empfänger der Familienbeihilfe diese an einen anspruchsberechtigten Elternteil oder direkt an das Kind weitergeleitet wurde. Einer Rückforderung steht nach derzeitiger Rechtslage auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist. Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe ist derjenige verpflichtet, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 26 Rz 12-17 mit Hinweisen auf die höchstgerichtliche Judikatur sowie die Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes).

Wie der Beschwerdeführer zutreffend angemerkt hat und wie dies auch seitens des Finanzamtes nicht bestritten wird, hat er nicht behauptet, dass ***2*** im Streitzeitraum in seinem Haushalt gelebt habe, vielmehr die Adresse der Mutter als ihre Wohnadresse angegeben. Es ist daher ein Fehler des Finanzamtes, dass die Familienleistungen an ihn und nicht an die Kindesmutter ausbezahlt wurden. Wie oben ausgeführt, steht dies aber nach Lehre und Rechtsprechung einer Rückforderung nicht entgegen, weshalb auch der Beschwerde keine Berechtigung zukommt.

Soweit nach Aktenlage bereits im Jahr 2022 ein Antrag der Kindesmutter auf Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Streitzeitraum gestellt wurde, wird es Sache des Finanzamtes sein, diesen Antrag umgehend zu erledigen.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Streitfrage beruht einerseits auf der Klarstellung von Sachverhaltsfragen, wie sie einer Revision nicht zugänglich sind und ergibt sich andererseits aus einer eindeutigen Gesetzeslage. Zudem existiert bereits eine höchstgerichtliche Judikatur zur Rückzahlungspflicht gemäß § 26 FLAG 1967.

Feldkirch, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at