Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.04.2023, RV/1100168/2022

Steuerpflicht der Einkünfte eines in Liechtenstein tätigen Bauingenieurs

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0058. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Peter Bilger in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2018 bis 2020 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf.) war bis bei der H. AG und ab bei der T. GmbH, beide mit Sitz in H.+D.-Adr,, als Geschäftsführer beschäftigt.

2. Die H. AG stand im Eigentum von zwei liechtensteinischen Aktionären. Der Bf. fungierte als Geschäftsführer der AG, war aber zu keiner Zeit als Aktionär beteiligt. Mit Schreiben vom wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Bf. von der H. AG per gekündigt. In der Folge gründete der Bf. die T. GmbH, die am ins Handelsregister Liechtenstein eingetragen wurde,

3. Mit den angefochtenen Bescheiden subsumierte das Finanzamt die Einkünfte des Bf. aus seiner Tätigkeit bei der H. AG unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, jene aus der Tätigkeit bei der T. GmbH unter die Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

4. Weil keine Lohnausweise der H. AG vorgelegt wurden, schätzte das Finanzamt die Einkünfte des Bf. aus nichtselbständiger Arbeit für die Jahre 2018 und 2019 auf der Grundlage des Lohnausweises für das Jahr 2017 und für den Monat Jänner 2018 mit 74.787,37 Euro für das Jahr 2018 und mit 25.739,75 Euro für den Zeitraum Jänner bis April 2019. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit setzte es aufgrund der Angaben des Bf. in den Steuererklärungen für die Jahre 2019 und 2020 unter zusätzlicher Berücksichtigung des Betriebsausgabenpauschales für Geschäftsführer und des Grundfreibetrages mit 25.739,57 Euro für den Zeitraum Mai bis Dezember 2019 und 58.3838,51 Euro für das Jahr 2020 fest. Die in Liechtenstein abgeführte Quellensteuer wurde auf die österreichische Einkommensteuer angerechnet. Dies führte zu festgesetzten Einkommensteuern in den angefochtenen Bescheiden in Höhe von 21.775,00 Euro im Jahr 2018, in Höhe 17.317,00 Euro im Jahr 2019 und in Höhe von 14.166,00 Euro im Jahr 2020.

5. In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde führte der Bf. aus, ihm sei anlässlich der Gründung der H. GmbH mitgeteilt worden, dass er zukünftig keine Lohnsteuer mehr in Österreich zu zahlen habe. Für Österreich gelte, dass Diplomingenieure als Geschäftsführer im Bereich des Bauwesens stets den freien Berufen zugerechnet werden müssten. Zu keinem Zeitpunkt sei er Eigentümer oder Teileigentümer des Ingenieurbüros H. AG gewesen. Im Doppelbesteuerbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein seien allgemein die freien Berufe genannt, an keiner Stelle sei vermerkt, dass damit nur Staatsangestellte oder Rechtsanwälte gemeint seien. Ab dem Jahr 2013 habe er als freier Mitarbeiter für drei Ingenieurbüros Ingenieurleistungen erbracht, und zwar für die H. AG in S., für die K. AG in U. und für die HKA. in S.. Er ersuche, die "Abgabequote" ab 2013 auf Null zu stellen und die ab diesem Zeitpunkt in Österreich bezahlten Steuern zurückzuzahlen. Die von ihm aufgezeigten Machenschaften verursachten Schäden in der Bauwirtschaft seien enorm und machten deutlich, dass Diplomingenieure im Baubereich zwingend unabhängig im Sinne eines freien Berufes sein müssten.

6. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Gemäß Artikel 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein stehe das Besteuerungsrecht über Einkünfte aus unselbständiger Arbeit von Grenzgängern dem Ansässigkeitsstaat zu, der Tätigkeitsstaat sei jedoch berechtigt, von diesen Einkünften eine Steuer von höchstens 4% im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Besteuerung von Einkünften der Gesellschafter-Dienstnehmer liechtensteinischer Kapitalgesellschaften, BGBL II Nr. 215/2001, richte sich die Aufteilung der Besteuerungsrechte bei Dienstnehmern von Kapitalgesellschaften ungeachtet einer allfälligen Beteiligung des Dienstnehmers an der Gesellschaft stets nach Artikel 15 DBA-Liechtenstein (mit Hinweis auf das BFG-Erkenntnis vom , RV/1100383/2018).

Im gegenständlichen Fall lägen ausschließlich Einkünfte vor, welche der Bf. als Dienstnehmer bei liechtensteinischen Kapitalgesellschaften, nämlich der H. AG und der T. GmbH in S., erzielt habe. Diese Einkünfte seien im Hinblick auf die vorliegende Grenzgängereigenschaft des Beschwerdeführers gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein in Österreich steuerlich zu erfassen, wobei die in Liechtenstein erhobene Steuer in Höhe von 4% gemäß Art 23 Abs. 2 DBA-Liechtenstein auf die österreichische Steuer anzurechnen sei.

7. Mit Schreiben vom stellte der Bf. den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Das DBA-Liechtenstein mache deutlich, dass für das Einkommen und Vermögen keine Steuer in Österreich zu leisten seien. Dies sei ihm 2009 vom Finanzamt Feldkirch mitgeteilt worden. Als unabhängiger, freier Diplomingenieur im Bereich des Bauwesens treffe der Ausdruck "freier Beruf" klar auf ihn zu. In sämtlichen Bereichen seien seinerseits unabhängige Expertenberichte zulässig und bei Gefahren und fahrlässigen Bausystemen (IBIZA) den Behörden und auch den Gerichtsstellen zwingend Mitteilungen zu machen. Dies sei ebenfalls als Anzeige zu behandeln, welche die Behörde aus eigenem Interesse wahrnehmen müsse. Der Schaden betrage in diesem Baubereich weit über 3 Millionen Euro und sei daher von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zwingend aufzugreifen. Die beiliegenden Unterlagen machten deutlich, dass er die zuständigen Behörden bereits seit sehr vielen Jahren informiere.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen stellen sich die Beschäftigungsverhältnisse des Bf. bei der H. AG und der T. GmbH wie folgt dar:

1. Das Ingenieurbüro H. AG mit Sitz in H.+D.-Adr,, wurde im Frühjahr 2009 gegründet. Aktionäre der AG waren zu je 50% WB. und PB.. Der Bf. war Geschäftsführer der AG.

2. Mit Schreiben vom erteilte das Amt für Volkswirtschaft des Fürstentums Liechtenstein der H. AG mit dem Bf. als verantwortlichen Geschäftsführer die Bewilligung zur selbständigen Ausübung des Berufes als Bauingenieur nach dem liechtensteinischen Gesetz vom über die Architekten und andere qualifizierte Bereiche des Bauwesens (BWBG).

Der mit dieser Bewilligung zugelassene Tätigkeitsbereich umfasste u.a. die Beratung, Planung und Berechnung im Zusammenhang mit Konstruktionen im Bauwesen, die Projekt-, Kosten- und Betriebsorganisation und die Ingenieurvermessung.

3. Im Jahr 2012 wurde ein Arbeitsvertrag zwischen der H. AG und dem Bf. als Geschäftsführer geschlossen. Bis ins Jahr 2014 gab es keinerlei Einflussnahme der Aktionäre und Eigentümer der H. AG in die Geschäftsführung, ab 2014 wurde von den Eigentümern AM. mit der Leitung des Büros betraut, die laufenden Aufträge wurden aber weiter vom Bf. betreut. Mit Schreiben vom wurde das Arbeitsverhältnis des Bf. mit der H. AG seitens der Eigentümer per gekündigt.

4. Der Bf. erhielt von der H. AG laufende monatliche Lohnzahlungen in Höhe von zuletzt monatlich CHF 8.150,00 im Jahr 2017 und im Jänner 2018 sowie einen dreizehnten und vierzehnten Monatsgehalt. Vom Lohn wurden die Beiträge in die AHV und die Pensionsversicherung sowie eine Grenzgänger-Quellensteuer von 4% einbehalten.

5. Im Mai 2019 wurde die T. GmbH mit Sitz in H.+D.-Adr,, vom Bf. als Alleingesellschafter und Geschäftsführer gegründet. Im September 2019 erteilte das Amt für Volkswirtschaft des Fürstentums Liechtenstein der T. GmbH mit dem Bf. als Geschäftsführer die Bewilligung der Tätigkeit als Bauingenieur gemäß dem liechtensteinischen Bauwesen-Berufe-Gesetz. Der Bf. erhielt von der T. GmbH laufende Lohnzahlungen in Höhe von monatlich CHF 6.000,00 sowie einen dreizehnten und vierzehnten Monatsgehalt. Vom Lohn wurden die Beiträge in die AHV und die Pensionsversicherung sowie eine Grenzgänger-Quellensteuer von 4% einbehalten.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen unter 1. und 3. beruhen auf den Angaben des Bf., und zwar in einem Schreiben der T. an B. vom und in einem Schreiben des Bf. an die Amtsleitung des Finanzamtes Feldkirch vom , ferner auf dem Kündigungsschreiben des H. AG vom .
Die Feststellung unter 2. ergibt sich aus der Bewilligung des Amtes für Volkswirtschaft des Fürstentums Liechtenstein vom , die Feststellung unter 4. aus den Lohnausweisen 2017 und Jänner 2018 der H. AG, die unter 5. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Handelsregisterauszuge des Amtes für Justiz des Fürstentums Liechtenstein vom , der Bewilligung des Amtes für Volkswirtschaft des Fürstentums Liechtenstein vom und den Steuererklärungen und Lohnausweisen 2019 und 2020 der T. GmbH.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Lohnzahlungen von der H. AG vom bis

1. Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Der Einkommensteuer unterliegen nur die in § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten sieben Einkunftsarten.

Dazu zählen Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 EStG. § 22 EStG 1988 erfasst Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 22 Z 1 lit. a EStG 1988 sowie Einkünfte aus in § 22 Z 1 lit. b und c EStG 1988 aufgezählten Tätigkeiten. Zu letzteren zählt die Berufstätigkeit der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker und Wirtschaftstreuhänder oder aus einer unmittelbar ähnlichen Tätigkeit.

Voraussetzung für die Subsumtion von Einkünften unter § 22 EStG ist aber, dass sie selbständig, d.h. heißt nicht in Rahmen eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG) ausgeübt wird.

Unter § 22 EStG fallen auch Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, zu denen u.a. Gehälter und sonstige Vergütungen aller Art zählen, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2 EStG) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt.

Der Einkommensteuer unterliegen ferner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG).
Dazu zählen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

2. Ein Dienstverhältnis liegt gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich beteiligt im Sinne des § 22 Z 2 EStG ist, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 vorliegen.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, und zwar die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien wie etwa das Fehlen eines Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen. Ob bzw. in welcher Ausprägung im konkreten Fall die einzelnen Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. ).

Der Begriff des Dienstvertrages ist ein eigenständiger Begriff des Steuerrechts, der sich nicht mit dem Dienstvertrag im Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht deckt. Dennoch sind eine bestehende Sozialversicherungspflicht, die Anmeldung zur Sozialversicherung und die Einbehaltung von Krankenkassenbeiträgen Indizien für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses (vgl. Kirchmayr/Denk in Doralt/Kirchmayr/Zorn, EStG18, § 47 Rz 14; ).

3. Nach dem Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt zu urteilen war der Bf. bis zur Kündigung am aufgrund eines Dienstverhältnisses als Geschäftsführer für die H. AG tätig. Diese Beurteilung ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der Bf. aus dieser Tätigkeit einen gleichbleibenden Monatslohn erhalten hat. Ein fixer Monatslohn wird erfahrungsgemäß aber nur bezahlt, wenn ein Vertragspartner zur dauerhaften Erbringung einer bestimmten Leistung verpflichtet ist und nicht, wenn er ein bestimmtes Werk oder einen Erfolg schuldet. Mit dem Dauerschuldverhältnis ist aber die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der H. AG zu bejahen (vgl. auch ).

Was das Kriterium der Weisungsgebundenheit angeht ist zu sagen, dass diese von der Art der Tätigkeit abhängt. Bei höher qualifizierten Tätigkeiten tritt die Weisungsgebundenheit in Bezug auf Art und Inhalt der ausgeübten Tätigkeit in den Hintergrund. Bei einem leitenden Angestellten reicht es aus, wenn sich die Weisungsgebundenheit auf die grundsätzliche Erfüllung der Leitungsaufgaben beschränkt, ohne den Arbeitsablauf detailliert zu regeln ( im Falle eines Gesellschafter-Geschäftsführers). Daher wird die Weisungsgebundenheit nicht ausgeschlossen, wenn der Bf. die laufenden Aufträge des Ingenieurbüros weitgehend selbständig und damit ohne laufende Oberaufsicht ausgeführt hat.

Auch die Zahlung eines dreizehnten und vierzehnten Monatsgehaltes erfolgt typischerweise im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Die Zahlung eines gleichbleibenden Monatslohnes weist zudem auf das Fehlen des für die selbständige Arbeit typischen Unternehmerrisikos hin. Denn der Monatslohn steht auch dann in der vereinbarten Höhe zu, wenn der Geschäftserfolg des Unternehmens ausgeblieben ist. Bei einer selbständigen Tätigkeit hingegen schlägt der geringe ebenso wie der hohe Geschäftserfolg direkt auf den Unternehmer durch. Schließlich spricht auch die Einbehaltung von Beiträgen an die Liechtensteinische Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) und die Liechtensteinische Arbeitslosenversicherung (ALV) durch die H. AG für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, knüpft die Pflicht zur Einbehaltung von Beiträgen durch Arbeitgeber nach dem AHVG (Art. 27 Abs. 2 AHVG) und dem ALVG (Art. 5 Abs. 1 ALVG) doch regelmäßig an einen Lohn, das ist gemäß Art. 38 Abs. 2 AHVG "jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit".

Auch wenn der Bf. als Bauingenieur gearbeitet hat, hat er diese Tätigkeit dennoch im Rahmen eines Dienstverhältnisses mit der H. AG ausgeübt. Die Tätigkeit als Bauingenieur vermittelt aber nur dann Einkünfte im Sinne des § 22, wenn sie selbständig ausgeübt wird.

Damit lagen nach innerstaatlichem Steuerrecht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 vor.

4. Auf zwischenstaatlicher Ebenen richtet sich die Steuerpflicht dieser Einkünfte nach dem zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Republik Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen vom , BGBl. 1971/24 (DBA-Liechtenstein). Doppelbesteuerungsabkommen entfalten eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. ).

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des DBA- Liechtenstein sind der Artikel 15 und der Artikel 23. Sie lauten:

Artikel 15 Abs. 1 DBA-Liechtenstein: Vorbehaltlich der Artikel 16, 18, 19 und 20 Absatz 2 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Artikel 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein: Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert, in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens vier von Hundert im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.

Artikel 23 Abs. 2 DBA-Liechtenstein: Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte, die nach den Artikeln 7, 10, 11, 12, 13 Absatz 2, 15 und 16 in Liechtenstein besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in Liechtenstein gezahlten Steuer entspricht. Der anzuerkennende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die Einkünfte entfällt, die aus Liechtenstein bezogen werden.

5. Der Bf. war in der Zeit seiner Beschäftigung bei der H. AG als Grenzgänger im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein tätig. Daher darf Österreich als Ansässigkeitsstaat die Einkünfte besteuern, während Liechtenstein als Tätigkeitsstaat lediglich eine Quellensteuer von 4% zusteht, die Österreich gemäß § 23 Abs. 2 DBA-Liechtenstein auf die Einkommensteuer anrechnet.

Lohnzahlungen von der T. GmbH vom bis zum

6. Ab dem war der Bf. Alleingesellschafter-Geschäftsführer der T. GmbH. Auch für diese Tätigkeit hat er laufende Lohnzahlungen sowie einen dreizehnten und vierzehnten Monatslohn erhalten. Vom Lohn wurden Beiträge für die liechtensteinische AHV und ALV sowie die Pensionskasse einbehalten und eine Quellensteuer von 4% abgeführt. Im Beiblatt des Lohnausweises und in der Beilage zur Einkommensteuererklärung 2020 wurde er zudem als Grenzgänger geführt.

Die sozialversicherungs- und steuerrechtliche Behandlung des Bf. sprechen wie schon im Fall der Beschäftigung bei der H. AG für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Auch bei dieser Tätigkeit ist aufgrund der laufenden Lohnzahlungen von einem Dauerschuldverhältnis und damit von einer Eingliederung des Bf. in organisatorischen Geschäftsbereich auszugehen. Zwar ist es der Bf., der tatsächlich die Tätigkeit eines Bauingenieurs ausübt, rechtlich gesehen ist es aber die T. GmbH, die die Ingenieursleistungen erbringt und aus den Leistungsbeziehungen mit Dritten berechtigt und verpflichtet wird. Als Geschäftsführer hat der Bf. die Interessen der GmbH wahrzunehmen und ist es die GmbH, die als Unternehmerin gegenüber Dritten auftritt. Dementsprechend wurde die Bewilligung zur Ausübung des Berufes eines Bauingenieurs auch der T. erteilt. Wurde die Tätigkeit des Bf. aber im Rahmen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 erbracht, sind die damit erzielten Einkünfte des Bf. keine aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 Z 1 a oder b EStG, mag die Tätigkeit eines Bauingenieurs für sich gesehen, d.h. wenn sie von einer natürlichen Person und nicht von einer Kapitalgesellschaft ausgeübt wird, unter den Tatbestand des § 22 Z 1 EStG fallen. Denn eine selbständige Arbeit im Sinne des § 22 liegt nur vor, wenn diese Arbeit nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird.

7. Eine Ausnahme von dieser Beurteilung besteht nur bei den Tätigkeiten im Sinne des § 22 Z 2 EStG. Wie bereits ausgeführt, sind die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden, Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit gemäß § 22 Z 2 Teilstrich 2 EStG 1988. Solche Gehälter sind immer Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, gleichgültig, in welchem Geschäftsbereich die Kapitalgesellschaft tätig wird und unabhängig auch davon, welche konkrete Tätigkeit die wesentlich Beteiligten innerhalb der Kapitalgesellschaft ausüben. Entscheidend ist nur die wesentliche Beteiligung und die damit ermöglichte erhöhte Einflussnahme auf die Entscheidungen der Kapitalgesellschaft.

8. Im Erkenntnis des verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, hat der Veraltungsgerichtshof ausgeführt, dass das in § 47 Abs. 2 EStG 1988 normierte Tatbestandselement der Weisungsgebundenheit durch den Ausdruck "sonst" in § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG beseitigt werde und sich der Ausdruck "alle" im Zusammenhang mit den Merkmalen für ein Dienstverhältnis nach § 47 Abs. 2 EStG nur mehr auf das verbleibende Kriterium der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus beziehen könne.

Dieses Kriterium der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der T. GmbH ist durch die über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ausgeübte Geschäftsführertätigkeit des Bf. ohne Zweifel gegeben.

Somit sind die Geschäftsführerbezüge, die der Bf. ab von der T. GmbH bezogen hat, als sonstige selbständige Einkünfte im Sinne des § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 zu werten.

9. Auf zwischenstaatlicher Ebene stellt sich die Frage, ob diese Einkünfte unter
Artikel 14 DBA-Liechtenstein (Selbständige Arbeit) oder Artikel 15 (Unselbständige Arbeit) fallen.

10. Artikel 14 DBA- Liechtenstein lautet:

Artikel 14 Abs. 1 DBA-Liechtenstein: Einkünfte, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt.

Artikel 14 Abs. 2 DBA-Liechtenstein: Der Ausdruck "freier Beruf" umfaßt insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten und Wirtschaftstreuhänder.

11. Anders als für die Gehälter und Löhne aus einer unselbständiger Arbeit sieht das DBA-Liechtenstein für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß Artikel 14 DBA- Liechtenstein nicht die Anrechnungsmethode, sondern die Befreiungsmethode (mit Progressionsvorbehalt) vor.

12. Im Erkenntnis vom , 2005/15/0158 (zur Einordnung der Einkünfte eines wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass in Ansehung des Art. 3 Abs. 2 DBA- Liechtenstein (anders als nach Art. 3 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens) Begriffe, deren Bedeutung aus dem Abkommen selbst nicht erschlossen werden können, nach der jeweiligen innerstaatlichen Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens zu interpretieren sind (so genannte statische Betrachtung). Diese Rechtsauffassung behielt der VwGH auch in seinem Erkenntnis vom , 2006/14/0057, bei (vgl. auch zum DBA-Schweiz).

Da Bezüge von Gesellschafter-Geschäftsführern weder in Art. 14 noch in
Art. 15 DBA-Liechtenstein genannt sind und deren abkommensrechtliche Beurteilung aus dem Abkommen selbst somit nicht unmittelbar hervorgeht, ist im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall die innerstaatliche Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens einschließlich der seinerzeit bestehenden Rechtsprechung maßgeblich.

Das DBA-Liechtenstein wurde am unterzeichnet und trat am in Kraft. Dem EStG 1967 war eine dem § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 bzw. eine dem § 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988 vergleichbare Regelung fremd.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA-Liechtenstein bzw. im zeitlichen Geltungsbereich des EStG 1953 und 1967 hat der VwGH im Einklang mit dem Schrifttum stets die Auffassung vertreten, dass auch der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft - ungeachtet dieser Doppelstellung - in einem Dienstverhältnis zur Gesellschaft steht und dass seine Bezüge, soweit sie eine angemessene Entlohnung für die Tätigkeit in der Gesellschaft darstellen, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören; lag keine angemessene Entlohnung vor, wurden die Bezüge den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet. Selbst bei Einmanngesellschaften, bei denen der Gesellschafter auch Geschäftsführer war, lagen ebenfalls grundsätzlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Dieser Beurteilung lag die Ansicht zugrunde, dass das Rechtsverhältnis von Gesellschafter-Geschäftsführern zu ihren Gesellschaften deswegen die Kriterien eines steuerlichen Dienstverhältnisses erfülle, weil nur die Gesellschaft als solches als Unternehmer angesehen werden könne und die Gesellschafter-Geschäftsführer in den Betrieb der Gesellschaft organisatorisch eingegliedert seien (vgl. ; ; ; -F/09; siehe auch Zapletal/Hofstätter, EStG 1967, § 19 Tz 2 und § 36 Abs. 3 Tz 3; vgl. auch Hofstätter/Reichel, EStG 1972, § 47 Tz 6).

13. Daraus folgt, dass die Einkünfte des Bf. aus der Tätigkeit für die Tragwerk(s) H. GmbH, auch wenn sie nach innerststaatlichem Steuerrecht als Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit gemäß § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988 einzustufen sind, aufgrund der statischen Interpretation des DBA-Liechtenstein unter Artikel 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein zu subsumieren sind.

14. Zum selben Ergebnis gelangt man durch die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. II 2001/215 aufgrund des Artikels 25 Absatz 3 DBA-Liechtenstein, die lautet:

§ 1. Die Aufteilung der Besteuerungsrechte richtet sich bei Dienstnehmern von Kapitalgesellschaften ungeachtet einer allfälligen Beteiligung des Dienstnehmers an der Gesellschaft stets nach Artikel 15 des Abkommens.

§ 2. Diese Verordnung tritt mit in Kraft und ist auf die ab diesem Zeitpunkt zufließenden Einkünfte anzuwenden.

Damit ist auch mit Verordnung klargestellt, dass Einkünfte eines Dienstnehmers einer Kapitalgesellschaft selbst dann unter Artikel 15 DBA-Liechtenstein fallen, wenn dieser Dienstnehmer wie im Beschwerdefall zu 100% an der Gesellschaft beteiligt ist.

Damit sind auch die Einkünfte, die der Bf. im Rahmen seiner Beschäftigung bei der T. GmbH bezogen hat, gemäß Artikel 15 Abs. 4 DBA-Liechtenstein in Österreich steuerpflichtig.

15. Was die Höhe der Bemessungsgrundlagen und der festgesetzten Einkommensteuern angeht, folgt das Bundesfinanzgericht den in den angefochtenen Bescheiden angesetzten und vom Bf. auch nicht in Streit gezogenen Beträgen.

16. Die vom Bf. in mehreren beilagen aufgezeigten "Machenschaften" in der Bauwirtschaft sind nicht Gegenstand des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens, in dem ausschließlich über die Steuerpflicht des Bf. in Österreich zu entscheiden war.

17. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit diesem Erkenntnis ist keine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung angesprochen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 22 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 23 Abs. 2 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
Art. 14 Abs. 2 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
§ 22 Z 1 lit. b und c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 15 Abs. 4 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
Art. 15 Abs. 1 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
§ 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 14 Abs. 1 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
§ 2 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise





Zapletal/Hofstätter, EStG 1967, § 19 Tz 2
Hofstätter/Reichel, EStG 1972, § 47 Tz 6

-F/09
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100168.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at