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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.04.2023, RV/2100440/2020

Abfertigungsrückstellung: Rückstellungsbildung durch den neuen Arbeitgeber bei Arbeitsplatzwechsel im Konzern zulässig

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100440/2020-RS1
Eine die Abfertigungsverpflichtung übernehmende Gesellschaft ist steuerlich zur entsprechenden Aufwandsbildung im Zusammenhang mit der übernommenen Abfertigung berechtigt, zumal nach dem Gesetzeswortlaut des § 124b Z 68 lit. b EStG 1988 ein Verbot der Bildung einer Abfertigungsrückstellung bloß für den Steuerpflichtigen, bei dem eine Übertragung im Sinne der lit. a erfolgt ist, normiert ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerden der ***Bf-GmbH***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die Tricom Steuerberatung GmbH & Co KG, Ungarnstraße 8a, 8350 Fehring, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Feststellung Gruppenmitglied 2015 bis 2017 zu Recht erkannt:

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Einkünfte sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Allgemeines:

Die Beschwerdeführerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom unter der Firma "***Bf-alt1***" (in den Streitjahren: ***Bf-alt2***) gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafterin ist die ***A-GmbH-neu***. Geschäftsführer ist ***X***. Geschäftszweig laut Firmenbuch ist "Holding, Verwaltung" (vorher: Gesundheits-, Sozial-, Pflegeberatung). Die Beschwerdeführerin hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (Stichtag: 30.09.).

Am war die ***A-GmbH-alt*** (Geschäftszweig "Immobilien"; nun: ***A-GmbH-neu***) als Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin, die Beschwerdeführerin als Alleingesellschafterin der ***B-GmbH-alt*** (Geschäftszweig: "EDV-Logistik für die Automobilindustrie"; nun: ***B-GmbH-neu*** mit Geschäftszweig "Immobilien, Beteiligung") und die ***B-GmbH-alt*** (neben ***X***) als Gesellschafterin der ***C-GmbH-alt*** (Geschäftszweig: "Transporte und Logistik"; nun: ***C-GmbH-neu*** mit Geschäftszweig "Immobilien") im Firmenbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom stellte die Abgabenbehörde ab der Veranlagung 2015 das Bestehen einer Unternehmensgruppe zwischen der ***A-GmbH-alt*** als Gruppenträgerin sowie der Beschwerdeführerin, der ***B-GmbH-alt*** und der ***C-GmbH-alt*** als Gruppenmitglieder fest.

Sachverhalt:

***A*** war seit dem Jahr 1999 ein Arbeitnehmer der ***B-GmbH-alt***.

Am wechselte ***A*** als Arbeitnehmer konzernintern zur Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin berücksichtigte in den Körperschaftsteuererklärungen der Jahre 2015 bis 2017 einen Rückstellungsaufwand im Zusammenhang mit der übernommenen Abfertigungsverpflichtung. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß.

Verfahrensablauf:

Mit Bescheid über einen Prüfungsauftrag vom (OZ 15) führte die Abgabenbehörde durch die Großbetriebsprüfung bei der Beschwerdeführerin eine Außenprüfung ua. betreffend Körperschaftsteuer 2015 bis 2017 durch. Dabei traf der Prüfer die hier strittige Feststellung, dass die Aufwandsbildung für die von der Beschwerdeführerin für Abfertigungsansprüche des ***A*** verbuchten Zuweisungen zur Abfertigungsrückstellung steuerlich nicht zulässig sei und rechnete den körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlagen 17.681,68 € (2015), 1.780,75 € (2016) und 651,68 € (2017) hinzu (wobei der Hinzurechnungsbetrag 2017 unrichtig war: siehe Schreiben der Abgabenbehörde vom , OZ 32)

Mit den (hier angefochtenen) Bescheiden vom (OZ 2-4) stellte die Abgabenbehörde ua. unter Zugrundelegung dieser Feststellung das Einkommen der Beschwerdeführerin im wiederaufgenommenen Verfahren mit 348.274,57 € (2015), 142.724,05 € (2016) und 125.930,68 € (2017) fest.

In der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom (OZ 16) begründete die Abgabenbehörde diese Feststellung damit, dass die Bildung einer Abfertigungsrückstellung nach § 14 Abs. 1 EStG 1988 sei - so die Begründung - nur zulässig für gesetzliche oder kollektivvertragliche Abfertigungsansprüche. Für alle Arbeitsverträge, die laut Arbeitsvertrag nach dem begännen, bestehe grundsätzlich kein Direktanspruch des Arbeitnehmers auf Abfertigung gegenüber dem Arbeitgeber. Nach steuerfreier Auflösung der Abfertigungsrückstellung bestehe ein steuerliches Verbot der Neubildung von Abfertigungsrückstellungen. Dies gelte sowohl für Abfertigungsansprüche aus der aufgelösten Rückstellung als auch für Abfertigungsansprüche von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vor dem begonnen habe, für die aber erst nach steuerlicher Auflösung der Abfertigungsrückstellung erstmals eine Abfertigungsrückstellung zu bilden wäre (siehe Tz. 1 der Niederschrift).

Mit Beschwerdeschreiben vom (OZ 1) beantragte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter die Abänderung der angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung der Dotierungen und begründete dies damit, dass mit dem Übergang des ***A*** im Jahr 2002 (gemeint: 2015) von der ***B-GmbH-alt*** auf die konzernzugehörige Beschwerdeführerin die Abfertigungsansprüche des Dienstnehmers entgeltlich übernommen worden seien. Die "Abfertigungsansprüche" seien in der ***B-GmbH-alt*** im Jahr 2002 steuerfrei aufgelöst worden. Da die gesetzlichen Abfertigungsansprüche bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns nach § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG weiter gelten würden, sei davon ausgegangen worden, dass die Ansprüche auch gegenüber der Beschwerdeführerin gelten würden und der entstandene Passivposten der steuerlichen Abfertigungsrückstellung sei laufend aufgelöst worden. Die entgeltlich von der konzernzugehörigen ***B-GmbH-alt*** übernommenen "Abfertigungsansprüche" für den Dienstnehmer ***A***, welche im Jahr 2002 von der ***B-GmbH-alt*** steuerfrei aufgelöst worden seien, seien in den letzten Jahren in der Beschwerdeführerin laufend gegen den Passivposten aus den übernommenen Abfertigungsverpflichtungen gebucht worden. Bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns nach § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG würden die gesetzlichen Abfertigungsansprüche nach der "Abfertigung Alt" weitergelten. Die Ansprüche bestünden also gegenüber dem neuen Arbeitgeber im Konzern. In den Übergangsbestimmungen zur Behandlung von Rückstellungen (§ 124b Z 68 EStG 1988) heiße es zur steuerneutralen Übertragung einer Abfertigungsrückstellung auf Eigenkapital: "Erfolgt eine Übertragung im Sinne der lit. a, kann der Steuerpflichtige ab dem Wirtschaftsjahr der Übertragung keine Abfertigungsrückstellung bilden." Hier sei somit klar ausgeführt, dass nur der Steuerpflichtige, der die Übertragung auf Eigenkapital vorgenommen habe, keine Rückstellung mehr bilden dürfe. Ein anderer Steuerpflichtiger werde nicht ausgeschlossen. Da im Rahmen der Übernahme durch die Beschwerdeführerin ein "neuer" Arbeitgeber (Steuerpflichtiger) vorliege, sei dieser daher nicht vom Verbot der Rückstellungsbildung betroffen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Regelungen bei Betriebsübergang zu verweisen (siehe Rz. 3345 EStR 2000). Auch eine BMF Anfrage (siehe SWK 19/2004, S 640) führe im Sachverhalt 2 aus, dass wenn die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich der Abfertigungsrückstellung von der Möglichkeit der steuerfreien Eigenkapitalübertragung nicht Gebrauch gemacht habe, der Passivposten in weiterer Folge mit der Dotierung der Abfertigungsrückstellung zu verrechnen sei (Rz. 2239 EStR 2000). Übersteige die steuerliche Abfertigungsrückstellung den steuerlichen Passivposten, so sei der übersteigende Betrag gewinnmindernd im jeweiligen Jahr geltend zu machen.

Mit (Sammel-)Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 20) wies die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerden als unbegründet ab, wobei sie ua. zum Sachverhalt ergänzend ausführte, dass bei der Übernahme des Dienstnehmers ***A*** zwischen den involvierten Unternehmen zur Abfertigungsrückstellung keine schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei. Das Arbeitsverhältnis des ***A*** bei der Beschwerdeführerin habe mit dem begonnen (bis zum habe ein Arbeitsverhältnis mit der ***B-GmbH-alt*** bestanden). Zur Abweisung der Beschwerden führte die Abgabenbehörde begründend aus, ungeachtet der steuerlichen Behandlung von Abfertigungsrückstellungen (§ 124b Z 68 EStG 1988) im Unternehmen bestehe "natürlich" unternehmensrechtlich weiterhin der gesetzliche Abfertigungsanspruch eines Dienstnehmers gegenüber dem Arbeitgeber weiter. Wenn die Beschwerdeführerin auf einen Sachverhalt in der SWK 19/2004, S 640, hinweise und "vermeint", dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich der Abfertigungsrückstellung weiterhin mit der steuerlichen Dotierung fortfahren könne, wenn sie von der Möglichkeit der steuerfreien Eigenkapitalübertragung nicht Gebrauch gemacht habe, dann zeige gerade dieses Beispiel, dass der anhängige Streitsachverhalt "absolut" nicht auf diesen Sachverhalt zu übertragen und somit anwendbar sei. Die Aussage ( beziehe sich hier ausschließlich nur auf die Jahre 2002 und 2003, somit auf jene beiden Jahre, in denen eine bisher steuerlich dotierte Abfertigungsrückstellung gem. § 124b Z 68 EStG 1988 auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage steuerfrei habe übertragen werden können. Sei daher im Jahr 2002 oder 2003 ein Mitarbeiter von einem konzernzugehörigen Unternehmen übernommen worden und habe die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich der Abfertigungsrückstellung von der Möglichkeit der steuerfreien Eigenkapitalübertragung nicht Gebrauch gemacht, dann sei der Passivposten in weiterer Folge mit der Dotierung der Abfertigungsrückstellung zu verrechnen gewesen. Das bedeute somit aufgrund der Verrechnung mit dem Passivposten, dass es steuerlich zu keinem Aufwand im Zusammenhang der Dotierung einer solchen Abfertigungsrückstellung mehr kommen dürfe. Auch die bisher in der übernehmenden Gesellschaft (Beschwerdeführerin) tatsächlich steuerliche Abfertigungsrückstellungsbildung (erstmals) zum für den Dienstnehmer ***A*** (Rückstellung auf fünf aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre verteilt) widerspreche der Vorschrift einer möglichen Weiterführung der bisherigen Rückstellung bei einer übernehmenden Konzerngesellschaft. Würde man die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin teilen, dann käme es zu vom Gesetzgeber nicht gewollten steuerlichen Auswirkungen im Bereich von Abfertigungsrückstellungen, u.a. in der Art, dass bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns trotz Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung in Form der steuerfreien Übertragung der Abfertigungsrückstellung auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage weiterhin steuerliche Abzugsposten lukriert werden könnten. Im konkret anhängigen Streitfall sei die steuerliche Begünstigung in der ***B-GmbH-alt*** nach § 124b Z 68 EStG 1988 im Jahre 2002 in Anspruch genommen worden und sei die steuerliche Dotierung der Abfertigungsrückstellung gemäß § 14 EStG 1988 für den Dienstnehmer ***A*** wiederum im Wirtschaftsjahr 2015 in der Beschwerdeführerin geltend gemacht worden. In den Übergangsbestimmungen zur Behandlung von Rückstellungen (§ 124b Z 68 EStG 1988) heiße es zur steuerneutralen Übertragung einer Abfertigungsrückstellung auf Eigenkapital: "Erfolgt eine Übertragung iSd lit. a, kann der Steuerpflichtige ab dem Wirtschaftsjahr der Übertragung keine Abfertigungsrückstellung bilden." Diese Anordnung sei so zu verstehen, dass bei steuerneutraler Übertragung einer Abfertigungsrückstellung auf Eigenkapital sowohl der Steuerpflichtige, der die Übertragung auf Eigenkapital vorgenommen habe, als auch der Übernehmer einer Abfertigungsverpflichtung keine Rückstellung mehr bilden dürfe. Abfertigungsrückstellungen könnten im Konzern nur insoweit weiterhin gebildet werden, als die übertragende Gesellschaft von der Möglichkeit der steuerfreien Eigenkapitalübertragung nicht Gebrauch gemacht habe. Nach steuerfreier Auflösung der Abfertigungsrückstellung (hier: im Jahr 2002 in der ***B-GmbH-alt***) bestehe ein steuerliches Verbot der Neubildung von Abfertigungsrückstellungen. Dies gelte sowohl für Abfertigungsansprüche aus der aufgelösten Rückstellung (hier: die Rückstellung für den Dienstnehmer ***A***) als auch für Abfertigungsansprüche von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vor dem begonnen habe, für die aber erst nach steuerlicher Auflösung der Abfertigungsrückstellung erstmals eine Abfertigungsrückstellung zu bilden wäre, sowie für Abfertigungsansprüche, die nach dem BMSVG für ein nach dem abgeschlossenes Dienstverhältnis (hier: das Dienstverhältnis des Dienstnehmers ***A*** ab zur Beschwerdeführerin) entstünden (siehe R. 3351a EStRI 2000s).

Mit Vorlageantragsschreiben vom (OZ 12) stellte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter gegen die Beschwerdevorentscheidungen den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht. Neben einer Wiederholung des bisher Vorgebrachten wurde ergänzend vorgebracht, dass im VwGH-Erkenntnis vom , Ro 2017/13/0006, dazu ausgeführt werde: "Auch wenn bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb eines Konzerns die gesetzlichen Abfertigungsansprüche aus der ,Abfertigung Alt' gem. § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG dem Arbeitnehmer erhalten bleiben und der neue konzerninterne Arbeitgeber damit belastet ist, liegt dennoch auch wirtschaftlich ein Wechsel des Arbeitsgebers im eigentlichen Sinn vor." Im Hauptverband Protokoll vom werde darüber hinaus angeführt, dass auch bei einer entsprechenden Dreiparteienvereinbarung außerhalb der Regelung des § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG bei einem Dienstnehmerwechsel das System der Abfertigung nach altem Recht anwendbar sei.

Mit dem Vorlageantragsschreiben legte die Beschwerdeführerin eine mit datierte "Vereinbarung einer Vertragsübernahme" (OZ 12/3) zwischen der ***B-GmbH-alt***, der Beschwerdeführerin und ***A*** vor. Dieser Vereinbarung ist zu entnehmen, dass das zwischen dem bisherigen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bestehende Dienstverhältnis im Wege einer Drei-Parteien-Einigung mit Wirksamkeit ab mit allen dienstvertraglichen Rechten und Pflichten vom bisherigen Arbeitgeber auf den neuen Arbeitgeber übertragen und von diesem übernommen werde (Punkt 1). Ab dem genannten Zeitpunkt werde das Dienstverhältnis laut beiliegendem Dienstvertrag zwischen dem neuen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer fortgesetzt. Der neue Arbeitgeber verpflichte sich, alle beim bisherigen Arbeitgeber zugebrachten Dienstzeiten und alle Rechte, die sich daraus ergäben, einschließlich der bestehenden Pensionszusage vom , voll zu übernehmen. In diesem Sinne werde daher ausdrücklich festgehalten, dass für alle dienstzeitabhängigen Ansprüche weiterhin das Datum des Eintritts beim bisherigen Arbeitgeber maßgeblich bleibe. Es träten durch die Vertragsübernahme außerdem keine Änderungen bezüglich des vereinbarten Entgelts und bei den sonstigen dienstvertraglichen Arbeitsbedingungen ein (Punkt 2). Ab dem Wirksamkeitsbeginn der Vertragsübernahme seien für das Dienstverhältnis die im Betrieb des neuen Arbeitgebers geltenden kollektivvertraglichen Regelungen sowie anfällige Betriebsvereinbarungen innerhalb ihres fachlichen, räumlichen und persönlichen Geltungsbereiches anwendbar. Die Kollektivvertragszugehörigkeit und die Gattung von Betriebsvereinbarungen richteten sich somit ausschließlich nach den beim neuen Arbeitgeber bestehenden Verhältnissen (Punkt 3).

Mit Vorlagebericht vom (OZ 21) legte die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht ohne Darstellung des Sachverhalts (lediglich mit Bezeichnung des Streitpunkts) und ohne Stellungnahme vor.

Mit Schreiben vom (OZ 27/1) legte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter (im Wege der Abgabenbehörde) dem Bundesfinanzgericht - neben der bereits vorgelegten (mit datierten) "Vereinbarung einer Vertragsübernahme" (OZ 27/2) zwischen der ***B-GmbH-alt***, der Beschwerdeführerin und ***A*** - eine (mit datierte) "Vereinbarung über eine Vertragsübernahme" (OZ 27/3) zwischen der ***B-GmbH-alt*** und der Beschwerdeführerin, wonach das Dienstverhältnis von ***A*** bei der ***B-GmbH-alt*** mit dem Stichtag von der Beschwerdeführerin mit allen Rechten und Pflichten sowie allen Abfertigungs- und Urlaubsansprüchen übernommen werde, und einen (mit datierten) Angestelltendienstvertrag (OZ 27/4) zwischen der ***B-GmbH-alt*** und ***A*** sowie die Jahresabschlüsse 2014 bis 2017 mit den steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnungen (OZ 28-31) und das Kontoblatt "3000 Rückstellung für Abfertigungen" vom (OZ 27/9) vor.

Am übermittelte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter elektronisch (im Wege der Abgabenbehörde) dem Bundesfinanzgericht das Schreiben vom (OZ 35/2), mit dem vorgebracht wurde, dass zwischen der ***B-GmbH-alt*** und ***A*** keine Vereinbarung gemäß § 47 Abs. 1 BMSVG getroffen und dieser im System Abfertigung belassen worden sei, und legte die Kontoblätter "3000 Rückstellung für Abfertigungen" vom (OZ 35/5) und vom (OZ 35/6) vor.

Die Beschwerdeführerin hat den in der Beschwerde gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung mit Schreiben vom (OZ 42) zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerden erwogen:

Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin als (nach konzerninternem Arbeitsplatzwechsel) neue Arbeitgeberin des Arbeitnehmers ***A*** einen Abfertigungsrückstellungsaufwand steuerlich geltend machen durfte.

Gemäß § 23 Abs. 1 Angestelltengesetz gebührt dem Angestellten bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung (durch den Arbeitgeber), wenn das Dienstverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert hat.

Gemäß § 42 Abs. 3 Angestelltengesetz sind die §§ 23 (und 23a) auf Dienstverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem liegt, nicht mehr anzuwenden, soweit nicht durch Verordnung gemäß § 46 Abs. 1 letzter Satz des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes (BMVG), BGBl. I Nr. 100/2002, etwas Anderes angeordnet wird. Sie sind jedoch weiterhin auf Dienstverhältnisse anzuwenden, deren vertraglich vereinbarter Beginn vor dem oder dem durch Verordnung festgelegten Zeitpunkt liegt. Soweit eine Vereinbarung gemäß § 47 Abs. 1 und 3 BMVG erfolgt, sind diese Bestimmungen bis zum In-Kraft-Treten dieser Vereinbarung anzuwenden.

Gemäß § 46 Abs. 1 BMSVG ist das BMSVG - das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf eine Abfertigung gegen die BV-Kasse normiert (vgl. § 14 Abs. 1 BMSVG) - mit in Kraft getreten und auf Arbeitsverhältnisse anzuwenden, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem liegt.

Gemäß § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG gelten die Abfertigungsregelungen nach dem Angestelltengesetz weiter, wenn Arbeitnehmer nach dem innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes 1965, BGBl. Nr. 98, oder des § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl. Nr. 58/1906, in ein neues Arbeitsverhältnis wechseln.

Gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 kann für Wirtschaftsjahre, die nach dem enden, eine Abfertigungsrückstellung im Ausmaß bis zu 47,5%, für die folgenden Wirtschaftsjahre eine solche bis zu 45% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden. Fiktive Abfertigungsansprüche sind jene, die bei Auflösung des Dienst- bzw. Anstellungsverhältnisses an Arbeitnehmer als Abfertigung auf Grund gesetzlicher Anordnung oder eines Kollektivvertrages bezahlt werden müssten.

Gemäß § 14 Abs. 3 EStG 1988 hat der Steuerpflichtige bei erstmaliger Bildung der Rückstellung das prozentuelle Ausmaß der Rückstellung festzulegen. Dieses Ausmaß ist gleichmäßig auf fünf aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre verteilt zu erreichen. Eine Änderung des Ausmaßes ist unzulässig.

Gemäß § 124b Z 67 EStG 1988 ist § 14 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2002 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden. § 14 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2002 ist auch auf Rückstellungen anzuwenden, die bereits zum Ende des letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahres gebildet worden sind. Auflösungsgewinne, die sich aus der erstmaligen Anwendung des in § 14 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2002 vorgesehenen Satzes ergeben, sind anzusetzen - im ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem endet, soweit der Satz 47,5% beträgt, - im ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem endet, soweit der Satz 45% beträgt.

Gemäß § 124b Z 68 lit. a EStG 1988 kann, wenn am Ende des letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahres eine Abfertigungsrückstellung gebildet wurde, der Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung, soweit nicht die zugrundeliegenden Abfertigungsansprüche ausbezahlt werden, im ersten vor dem endenden Wirtschaftsjahr auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage steuerfrei übertragen werden. Erfolgt in diesem Wirtschaftsjahr keine Übertragung, so kann der Gesamtbetrag der am Ende dieses Wirtschaftsjahres bestehenden Abfertigungsrückstellung, soweit nicht die zugrundeliegenden Abfertigungsansprüche ausbezahlt oder an eine BV-Kasse übertragen werden, im folgenden Wirtschaftsjahr auf das Kapitalkonto oder auf eine als versteuert geltende Rücklage steuerfrei übertragen werden. Dies gilt auch, wenn im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss weiterhin eine Rückstellung für Abfertigungen (§ 198 Abs. 8 Z 4 lit. a des Unternehmensgesetzbuches) gebildet wird.

Gemäß § 124b Z 68 lit. b EStG 1988 kann der Steuerpflichtige, wenn eine Übertragung im Sinne der lit. a erfolgt, ab dem Wirtschaftsjahr der Übertragung keine Abfertigungsrückstellung bilden.

Gemäß § 124b Z 68 lit. c EStG 1988 sind, wenn nach einer Übertragung im Sinne der lit. a Verpflichtungen zur Auszahlung von Abfertigungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 eintreten oder eine Übertragung der Abfertigungsansprüche an eine BV-Kasse erfolgt, die entstehenden Aufwendungen (Ausgaben) gleichmäßig verteilt auf fünf Jahre abzusetzen.

Nach 1131 der Beilagen (§ 124 b Z 68) hat die Regelung auf die handelsrechtliche Verpflichtung zur Bildung von Abfertigungsrückstellungen keinen Einfluss. In der Handelsbilanz werden daher Abfertigungsrückstellungen auch dann (weiter) zu führen sein, wenn von der steuerneutralen Übertragung Gebrauch gemacht wird.

Wie oben ausgeführt ist strittig, ob die Beschwerdeführerin als (nach konzerninternem Arbeitsplatzwechsel) neue Arbeitgeberin des Arbeitnehmers ***A*** einen Abfertigungsrückstellungsaufwand steuerlich geltend machen durfte.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht ist festzustellen,

  1. dass die ***B-GmbH-alt*** (alter Arbeitgeber) und ***A*** weder von der durch § 47 Abs. 1 BMSVG eingeräumten Möglichkeit, in einer schriftlichen Vereinbarung ab einem zu vereinbarenden Stichtag für die weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses die Geltung des BMSVG anstelle der Abfertigungsregelungen (u.a.) nach dem Angestelltengesetz festzulegen, noch von der durch § 47 Abs. 3 BMSVG eingeräumten Möglichkeit, die Altabfertigungsanwartschaft mit einer schriftlichen Einzelvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Altabfertigungsanwartschaften auf eine BV-Kasse zu übertragen, Gebrauch gemacht haben, womit ***A*** zur Gänze im System Abfertigung alt verblieben ist (siehe das Schreiben des steuerlichen Vertreters vom , OZ 35/2);

  2. dass am ein Konzernverhältnis zwischen der ***B-GmbH-alt*** und der Beschwerdeführerin (als deren Alleingesellschafterin) bestanden hat, weshalb für ***A***, der am in ein Arbeitsverhältnis mit der Beschwerdeführerin (neuer Arbeitgeber) gewechselt ist ("Konzernversetzung"), gemäß § 46 Abs. 3 Z 2 BMSVG die Abfertigungsregelungen nach dem Angestelltengesetz weitergegolten haben.

In steuerlicher Hinsicht ist festzustellen,

  1. dass die ***B-GmbH-alt*** (alter Arbeitgeber) von der durch § 124b Z 68 lit. a EStG 1988 eingeräumten Möglichkeit, den Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung im ersten vor dem endenden Wirtschaftsjahr (d. i. das Wirtschaftsjahr 2002) auf das Kapitalkonto steuerfrei zu übertragen, Gebrauch gemacht hat;

  2. dass die Beschwerdeführerin (neuer Arbeitgeber) nicht von der durch § 124b Z 68 lit. a EStG 1988 eingeräumten Möglichkeit, den Gesamtbetrag der Abfertigungsrückstellung im ersten vor dem endenden Wirtschaftsjahr auf das Kapitalkonto steuerfrei zu übertragen, Gebrauch gemacht hat (weil sie erst im Jahr 2011 gegründet wurde).

Die Abgabenbehörde vertritt die Ansicht, dass aufgrund der steuerfreien Übertragung des Gesamtbetrages der Abfertigungsrückstellung auf eine als versteuert geltende Rücklage durch die ***B-GmbH-alt*** (alter Arbeitgeber) auch für die Beschwerdeführerin (neuer Arbeitgeber) ein steuerliches Verbot der Neubildung von Abfertigungsrückstellungen besteht.

Die Beschwerdeführerin vertritt hingegen die Ansicht, dass dass nur der Steuerpflichtige, der die Übertragung auf Eigenkapital vorgenommen habe, keine Rückstellung mehr bilden dürfe. Ein anderer Steuerpflichtiger werde nicht ausgeschlossen. Da im Rahmen der Übernahme durch die Beschwerdeführerin ein "neuer" Arbeitgeber (Steuerpflichtiger) vorliege, sei dieser daher nicht vom Verbot der Rückstellungsbildung betroffen. Dazu verweist die Beschwerdeführerin auf eine in SWK 19/2004, S 630, veröffentlichte Anfragebeantwortung des BMF ("Steuerfreie Auflösung der Abfertigungsverpflichtung bei Übertragung von Abfertigungsverpflichtungen im Konzern) zu einem dem Beschwerdefall entsprechenden Sachverhalt ("Angefragter Sachverhalt 2"), wonach - wenn die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich der Abfertigungsrückstellung von der Möglichkeit der steuerfreien Eigenkapitalübertragung nicht Gebrauch gemacht habe - der (durch die Übernahme der Abfertigungsverpflichtung entstehende) Passivposten in weiterer Folge mit der Dotierung der Abfertigungsrückstellung zu verrechnen sei.

Das Bundesfinanzgericht geht weiters im Übereinstimmung mit der Anfragebeantwortung des BMF (SWK 19/2004, S 630 - Angefragter Sachverhalt 2) davon aus, dass eine die Abfertigungsverpflichtung übernehmende Gesellschaft steuerlich zur entsprechenden Aufwandsbildung im Zusammenhang mit der übernommenen Abfertigung berechtigt ist, zumal nach dem Gesetzeswortlaut des § 124b Z 68 lit. b EStG 1988 ein Verbot der Bildung einer Abfertigungsrückstellung bloß für den Steuerpflichtigen, bei dem eine Übertragung im Sinne der lit. a erfolgt ist, normiert ist.

Die angefochtenen Bescheide waren daher beschwerdeantragsgemäß abzuändern.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision zulässig ist.

Graz, am

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