Bindung an schlüssige Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen iZm der Zuerkennung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***USt*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Miteinander GmbH, Mag. Nicole Keplinger-Sitz, Rechte Donaustraße 7, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe ab 01/2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf.) brachte am ein Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für ihren Sohn ***Name***, geboren am ***Datum***, ein.
Über Ersuchen der belangten Behörde und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten am erstellt. Die durchgeführte Begutachtung brachte folgendes Ergebnis:
Grad der Behinderung liegt vor seit: 01/2017 (ab Befundnachweise)."
Der Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass vom Sozialministerium der Grad der Behinderung "lediglich" mit 30 % festgestellt werden sei.
Am brachte die Beschwerdeführerin rechtzeitig eine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid ein. Begründend wurde ausgeführt, dass eine Behinderung von zumindest 50% bereits seit Jänner 2017 vorliege. Im Detail wurde wie folgt begründet:
"In den vorgelegten medizinischen Befundungen wird eindeutig auf die Einschränkungen meines Sohnes hingewiesen. Es ist sohin nicht nachvollziehbar, weshalb die Gutachterin Frau Dr. ***1*** in ihrem Gutachten ausführt, dass keine Befunde im Hinblick auf eine Verhaltensstörung vorgelegt worden seien. Im Befund von Dr. ***2*** vom wurde explizit auf einen neuromotorischen Entwicklungsrückstand hingewiesen sowie auf die Regulierungsstörung.Diesbezüglich verweise ich auch auf die Beobachtungen die die Gutachterin im Rahmen der Befundung gemacht hat. So berichtet diese vom herausfordernden Verhalten von ***Name***.Auf eine solches Verhalten weist auch Dr. ***2*** in seinem Gutachten hin, da die belastende Situation auch im Kindergarten anführt.Auch die im Gutachten geschilderte Esssituation stellt eine Verhaltensauffälligkeit dar, da ein Kind im Alter von ***Name*** keinen natürlichen Aufwand bei der Einnahme mehr aufweist, ***Name*** jedoch muss regelmäßig gefüttert werden. So erwähnt der Kinderarzt in seinen Schreiben auch die Verhaltensstörung und weist auch auf die Notwendigkeit von Therapie hin.Die Beurteilung mit lediglich 20% durch die Gutachterin erscheint deshalb nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich der rückwirkend beantragten erhöhten Familienbeihilfe ist auch auf das Vorliegen einer frühgeburtlichen Entbindung mittels sectio hinzuweisen.Aufgrund der mangelnden Lungenreife zu diesem Zeitpunkt, leidet er nach wie vor an regelmäßigen obstruktiven Infekten, die einer intensiven Behandlung benötigen.
Zusätzlich zum Vorliegen eines chronischen Lungenleidens, liegt auch eine Sehbehinderung vor. Die Lähmung des Lids schränkt das Sehfeld ein und beeinträchtigt sohin jedenfalls die optischen Wahrnehmungsmöglichkeiten des Kindes.So ist auch eine Brillenversorgung erforderlich.
Da ***Name*** auch im Verhalten behinderungsbedingte Auffälligkeiten aufweist, wurde bereits zahlreiche Therapien absolviert (Ergotherapie, Psychotherapie). Nunmehr wurde auch eine Beratung durch die Frühförderung der Miteinander GmbH beantragt. Schließlich soll es zur Installierung einer regelmäßigen Therapie im Rahmen der Frühförderung kommen.
Im Befund selbst werden sehr ausführlich die Einschränkungen des Kindes dargelegt. Diese liegen bereits seit dem monierten Zeitraum (Jänner 2017) vor.Im Falle von ***Name*** ist die Behinderung durch die Beeinträchtigungen, die aus der Frühgeburt resultieren bereits zumindest ab Jänner 2017 im Ausmaß von mindestens 50% manifest gewesen.Zudem leidet der Knabe an einer Sehbehinderung die bereits zu diesem Zeitpunkt vorlag.Wesentlich für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ist der Zeitpunkt des Behinderungseintrittes. Aufgrund der Verhaltensauffälligkeiten sowie der Defizite der Lungenfunktion und der Sehbehinderung, ist sicherlich von einer mindestens 50%igen Behinderung auszugehen."
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens wurde nochmals ein Gutachten beim Sozialministeriumservice angefordert. Die am ausgestellte BSB-Bescheinigung wies abermals einen Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 30% ab 01/2017 aus. Ergebnis der durgeführten Untersuchung:
Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde mit Beschwerdevorentscheidung am abgewiesen, da der Gesamtgrad der Behinderung ab Jänner 2017 abermals nur mit 30% festgestellt worden sei.
Im fristgerecht eingebrachtem Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Nach Wiederholung des Vorbringens aus der Beschwerde wird ergänzt:
"Entgegen meiner Beantragung in der Beschwerde wurde keine weitere Untersuchung durch einen Gutachter vorgenommen. Das am erstellte Gutachten wurde aktenmäßig erledig und wurde eine Untersuchung unterlassen. Sohin konnten entscheidungswesentliche Beweismittel nicht vorgelegt werden.
Eine weitere Untersuchung zur Feststellung des Grades der Behinderung ist jedochunerlässlich und liegt hier ein Verfahrensmängel vor.
So ist es zwischenzeitlich zu einer weiteren diagnostischen Abklärung gekommen und wurde des Vorliegen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten festgestellt.Diese Erkrankung führt dazu, dass für ***Name*** eine spezielle Diät gekocht werden muss. Dies bedeutet auch einen entsprechenden Mehraufwand.Die Erkrankung ist genetisch bedingt und liegt sohin seit der Geburt vor.
Diese Erkrankung ist unter anderem auch ursächlich für seine Gedeihstörung.Seitens der PV wurde nun auch mitgeteilt, dass Pflegegeld der Stufe 2 gewährt wird.Der Entscheidung über die Gewährung von Pflegegeld der Stufe "2 liegt einGutachten zu Grunde, welches einen Mehraufwand bei der Pflege in der Höhe von über 95 Stunden monatlich feststellt.
Aus dieser Entscheidung kann ein entsprechender Behinderungsgrad abgeleitetwerden und ist sohin die Abweisung der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe nicht nachvollziehbar."
Von der belangten Behörde wurde nun ein drittes Mal ein Gutachten beim Sozialministeriumservice angefordert. Die am ausgestellte BSB-Bescheinigung wies abermals einen Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 30% ab 01/2017 aus.
Mit Schreiben vom wurde das Sozialministeriumservice vom Bundesfinanzgericht um Übermittlung der Sachverständigengutachten ersucht. Diesem Ersuchen wurde noch am selben Tag Folge geleistet.
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung bringt die rechtliche Vertretung der Bf. noch ergänzend vor:
"Das Kind war ein Kaiserschnitt und ist in der 35 Schwangerschaftswoche zu Welt gekommen und wurde künstlich beatmet. Grundsätzliche wird an der Beantragung im Vorlageantrag festgehalten. Angezweifelt wird der Grad der Behinderung. Das Kind leidet unter einer Bronchitis - GdB 30%, einer Entwicklungsstörung - GdB 20% und ein Dyane-Syndrom - GdB 10% (laut Gutachten, diese werden beanstandet). Was besonders hervorsticht ist die Entwicklungsstörung. Es werden in diversen Reha-Einrichtungen regelmäßige Therapien durchgeführt. Das Kind hat regelmäßige psychologische Therapien. Das Kind macht zahlreiche Therapien. Aufgrund der Gedeihstörung wird das Kind gefüttert, damit es genügend Kalorien zu sich nimmt. Das Kind ist untergewichtig. Das Kind leidet an ADHS. Das Kind hat seit 2 Jahren Pflegestufe 2. So etwas habe ich noch nie erlebt, Pflegestufe 2 und keine erhöhte Familienbeihilfe!"
Die Bf. legt folgende Befunde vor:
Psychologischer Befundbericht (Praxis ***3***) vom
Bestätigung Ergotherapie vom
Bewilligung eines Reha-Aufenthaltes (***4***) vom
Rechnungen therapeutisches Klettern vom Dezember 2022
***Klinik3*** vom
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Ihr am ***Datum*** geborener Sohn gehört zum Haushalt der Beschwerdeführerin.
Den vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten vom , und zufolge, liegen beim Sohn der Beschwerdeführerin folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor:
In Übereinstimmung mit der auf Grund der ärztlichen Sachverständigengutachten ausgestellten Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wird der Grad der Behinderung des Sohnes der Beschwerdeführerin mit 30% ab 01/2017 festgestellt.
2. Beweiswürdigung
Dieser als erwiesen angenommener Sachverhalt beruht auf drei im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten. Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Eine Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit der vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten ist für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Insbesondere bewegt sich der festgestellte Grad der Behinderung innerhalb der unter Position Nr. der Anlage I zur Einschätzungsverordnung (Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung vom , BGBl II 2010/261, zuletzt geändert durch BGBl II 2012/251) angegebenen Bandbreite.
Die von der Bf. vorgelegten Befunde stehen nicht im Widerspruch zu den ärztlichen Sachverständigengutachten. Vielmehr wurden die Befunde im Gutachten mitberücksichtigt und kamen die Sachverständigen zur selben Diagnose. Die Angaben im Gutachten sind für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder iSd § 2 Abs 3 leg cit.
Gem § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat grundsätzlich Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im § 2 Abs 1 leg cit genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.
Gem § 2 Abs 5 erster Satz FLAG 1967 gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Die Höhe der Familienbeihilfe für den jeweiligen Anspruchszeitraum ist in § 8 Abs 2 FLAG 1967 normiert; nach § 8 Abs 4 leg cit erhöht sich die Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder.
Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 "ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen."
Gem § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der "Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, [ … ] durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen."
§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).
Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert ist oder dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw das Bundesfinanzgericht nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl ; ; ; Lenneis in Lenneis/Wanke2[Hrsg] , FLAG § 8 Rz 29 mwH).
In sämtlichen Gutachten des Bundessozialamtes wurde auf die Art des Leidens und das Ausmaß der hieraus resultierenden Behinderung des Sohnes der Bf. eingegangen.
Die getroffenen Einschätzungen basierten auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und auf den von der Bf. vorgelegten Befunden bzw. Arztbriefen ( Krankenhaus ***5*** , ärztlicher Entlassungsbrief vom ; ***Klinik2*** 01/2017, 06/2017,07/2017, 02/2018; ***Klinik2*** (ambulanter Besuch) 11/2018; 02/2019, 01/2020; ***Klinik3*** 12/2018; Kurärztlicher Bericht (***Ort***) 08/2019; Arztbrief Dr. ***2***, 12/2020; ***Klinik3*** (ambulanter Besuch) 03/2021; Entlassungsbrief bei Kinderkur (***Ort2***) 08/2021; ***Klinik3*** 10/2021; Praxis ***3*** 11/2021).
Nach der Rsp des VwGH haben die Parteien grundsätzlich die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl zB mwN).
Allerdings vermag die bloße Behauptung, ein Gutachten wäre unschlüssig, die Annahmen dieses Gutachtens nicht zu erschüttern; vielmehr ist es notwendig, konkret und mit näherer Begründung darzulegen, worin die Unschlüssigkeit eines Gutachtens liegen soll (vgl ).
Diesen Erfordernissen entspricht das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht. Der neuromotorische Entwicklungsrückstand und die Regulierungsstörung sind in die Gutachten miteingeflossen und wurden im Rahmen der Richtsatzposition mit einem Grad der Behinderung von 20 % berücksichtigt.
Gutachten vom (mit Untersuchung)
Gutachten vom
Gutachten vom
Die Ergebnisse der Begutachtungen decken sich mit den vorgelegten Befunden. Die beanstandete Feststellung im Erstgutachten vom "…keine Befunde bezüglich Verhaltensstörung…" finden sich im Zweit- und Drittgutachten nicht mehr, trotzdem kamen die Gutachter zum selben Ergebnis.
Die in den Gutachten getroffenen Einschätzungen entsprechen den zum Zeitpunkt der Untersuchung festgestellten Funktionseinschränkungen. Die Sachverständigen haben ihre in den Gutachten getroffenen Feststellungen begründet. Die Gutachten sind vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf.
Dem Einwand der Bf. im Vorlageantrag, dass keine weitere Untersuchung durchgeführt worden sei, und sohin entscheidungswesentliche Unterlagen nicht vorgelegt werden konnten wurde dadurch entsprochen und entkräftet, dass ein neuerliches Sachverständigengutachten mit den neu vorgelegten Befunden angefordert wurde, welches wiederum zum selben Ergebnis kam (GdB 30%, ab 01/2017).
Der Einwand der rechtlichen Vertreterin der Bf., bei Pflegestufe 2 müsse notwendigerweise auch erhöhte Familienbeihilfe zustehen ist nicht zuzustimmen.
In Österreich wird der Grad der Behinderung (GdB) nicht direkt mit den Pflegestufen verknüpft. Das bedeutet, dass die Pflegestufe nicht automatisch einen bestimmten GdB mit sich bringt. Stattdessen wird der GdB unabhängig von der Pflegestufe individuell auf Basis einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen festgestellt.
Eine Behinderung im Sinne der Rechtsordnung ist ein längerfristiger, zumindest voraussichtlich mehr als sechs Monate andauernder Zustand (vgl. § 1 Einschätzungsverordnung). Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 verlangt für das Vorliegen einer erheblichen Behinderung darüber hinaus einen voraussichtlich mehr als drei Jahre andauernden Zustand (§ 8 Abs. 5 FLAG 1967). Hieraus erhellt, dass bei der Bescheinigung gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 eine längerfristige Prognose zu erstellen ist. Demgegenüber gebührt das Pflegegeld gem. § 4 BPGG bei Zutreffen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird oder würde.
Kann eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice, dass eine mindestens 50%ige Behinderung besteht, nicht vorgelegt werden und kann daher ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 50 % nicht festgestellt werden, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Die belangte Behörde hat die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die einem Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag entgegenstehen oder einschränken, der Antragsteller für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag begründen oder ausweiten bzw. eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen.
Bescheinigt das Sozialministeriumservice lege artis den Grad der Behinderung von 50% nicht, geht dies zu Lasten des Antragstellers (vgl ).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Darauf hingewiesen wird, dass bei einer Behinderung des Kindes von mindestens 25% unter den in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 1996/303 idgF, angeführten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, die tatsächlich für das Kind geleisteten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101037.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at