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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.03.2023, RV/5101269/2020

Anwendbarkeit des § 2 Abs. 9 FLAG 1967 idF BGBl I Nr. 28/2020 ab 01.03.2020 im gegenständlichen Familienbeihilfenbeschwerdefall?

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0067.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehemals ***FA***, nunmehr FAÖ DS ***9*** , vom betreffend Familienbeihilfe 03.2020 Steuernummer ***BF1StNr1***,SVNr. ***1***, für den Sohn ***2***, SVNr. ***3***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig ist in diesem Beschwerdefall, ob der Beschwerdeführerin (Bfin.) für ihren Sohn ***4*** ***5*** , geb. am ***6***, für den Monat ab März 2020 ein Familienbeihilfenanspruch zusteht (neue Gesetzesbestimmung § 2 Abs. 9 FlAG 1967 BGBI. I Nr. 28/2020 (ab ).

I. Verfahrensgang

Mit Antrag vom an das Finanzamt ***7***, eingebracht via FinanzOnline, begehrte die Bfin. die Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***2***, geb.***6***, SVNR: ***8***.

Abweisungsbescheid v.

Mit dem Bescheid vom wurde der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe wie folgt abgewiesen.

"Der auf Grund von COVID-19 neu geschaffene Tatbestand im § 2 Absatz 9 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 tritt gem. § 55 FLAG mit in Kraft. Da Ihr Sohn ***4*** bereits mit 2/2020 das 25. Lebensjahr vollendete, kommt für ihn die Neuregelung nicht zur Anwendung."

Beschwerdeausführungen v.

"Mit Antrag vom an das ***FA***, eingebracht via FinanzOnline, begehrte ich die Gewährung der Familienbeihilfe für meinen Sohn ***2***, BA, geb.***6***, SVNR: ***8***.Mit dem Bescheid vom wurde mein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abgewiesen. Durch den angefochtenen Bescheid wurde ich in meinem subjektiven Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe verletzt. Der angefochtene Bescheid wurde frühestens am zugestellt, die vorliegende Beschwerde ergeht somit rechtzeitig binnen der einmonatigen Beschwerdefrist. Beschwerdegründe: Die Abweisung der beantragten Familienbeihilfe war rechtswidrig. Die Beschwerde gegen den rechtswidrigen Bescheid stützt sich auf den Beschwerdegrund der materiellen Rechtswidrigkeit, insbesondere der unrichtigen Gesetzesanwendung, sowie der mangelhaften Begründung. Die Abweisung durch den bekämpften Bescheid begründet die belangte Behörde wie folgt: "Der auf Grund von COVID-19 neu geschaffene Tatbestand im S 2 Absatz 9 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 tritt gem. § 55 FLAG mit in Kraft. Da Ihr Sohn ***4*** bereits mit 2/2020 das 25. Lebensjahr vollendete, kommt für ihn die Neuregelung nicht zur Anwendung. § 2 FLAG regelt den Anspruch auf Familienbeihilfe. Mein Sohn ***4*** absolviert eine Berufsausbildung an der Universität ***10***. Er befindet sich innerhalb der für sein Studium vorgesehenen Studienzeit (Beweis: siehe unten). Da er vor dem Studium seinen Zivildienst abgeleistet hat, hat er grundsätzlich Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. ***4*** hat das 25. Lebensjahr mit vollendet,

Beweis:

Zweites Diplomprüfungszeugnis der Universität ***10*** für ***2*** (Beilage JA)

Mit dem im Zuge der COVID-19-Krise neu geschaffenen Tatbestands des § 2 Abs. 9 FLAG verlängert sich die Anspruchsdauer der Familienbeihilfe um sechs Monate. § 2 Abs 9 FLAG lautet:

(9) Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 1 it. b und 1 it. d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

a) für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus um längstens sechs Monate, bei einer vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Berufsausbildung infolge der COVID-19-Krise,

Mein Sohn ***4*** erfüllt diese zusätzlichen Voraussetzungen: Er absolviert eine Berufsausbildung (s.o.), weiche er vor der Erreichung der Altersgrenze begonnen hat.

§ 2 Abs. 9 FLAG tritt gem.§ 55 Abs. 45 FLAG mit in Kraft. Die belangte Behörde führt aus, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 9 FLAG im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung käme, da ***4*** vor ihrem Inkrafttreten bereits das 25. Lebensjahr vollendet habe. Diese Gesetzesauslegung ist unrichtig:

Gem. § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbehilife mit dem Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. ***4*** erfüllte am. alle Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe. Dass er bereits zuvor (nach alter Rechtslage) die Altersgrenze überschritten hatte und daher (nach alter Rechtslage) der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe erloschen war, ist dafür irrelevant. § 2 Abs. 9 FLAG wirkt hier als lex specialis gegenüber der allgemeinen Regel, dass der Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe mit Vollendung des 25. Lebensjahres erlischt. Der Anspruch ist für jedes Monat neu zu beurteilen (vlg. § 10 Abs. 2 FLAG). Da § 2 Abs. 9 FLAG mit 1- März 2020 in Kraft getreten ist, hat ***4*** ab (wieder) Anspruch auf Familienbeihilfe, da er sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt (s.o.).Die belangte Behörde hat somit im angefochtenen Bescheid die Regelung des S 2 FLAG falsch angewendet. Sie verkennt, dass der aufgrund des Überschreitens der Altersgrenze erloschene Anspruch durch die [lex specialis des § 2 Abs. 9 wieder auflebt und ab März 2020 wieder neu besteht. Sofern sich diese Auslegung nicht schon aus der Systematik und Ratio des Gesetzes ergibt, kann ergänzend der Wortlaut des neugeschaffenen § 2 Abs. 9 FLAG herangezogen werden: Der Tatbestand verlängert sich "für volljährige Kinder, die eine Berufsausbildung absolvieren, über die Altersgrenze hinaus" (Hervorhebung hinzugefügt).

Im Übrigen hat die belangte Behörde bei ihrer Gesetzesauslegung die verfassungsmäßig gewährten Grundrechte zu beachten. Hier ist insbesondere auf den Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG zu veweisen. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht führt zu einer Ungleichbehandlung von Personen, die vor Inkrafttreten des § 2 Abs. 9 FLAG (sohin vor dem ) ihr 25. Lebensjahr vollendet haben. Diese Ungleichbehandlung ist unsachlich, da es keine sachliche Begründung gibt, diesen Personen die Verlängerung des Anspruchszeitraums zu verweigern. Diese Personen sind genauso von der COVID-19-Krise betroffen, wie jene, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die belangte Behörde darf dem Gesetzgeber keinen verfassungswidrigen Inhalt seiner Gesetze unterstellen. Sie ist zur verfassungskonformen Auslegung der Gesetze verpflichtet. Zusammenfassend hat die belangte Behörde den S 2 Abs. 9 FLAG iVm seiner Inkrafttretensregelung des § 55 Abs. 45 FLAG falsch angewendet. Da ***4*** seit alle Voraussetzungen erfüllt, ist ihm Familienbeihilfe zu gewähren.

Aus den oben angeführten Gründen richte ich an das zuständige Bundesfinanzgericht folgende

1. den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in der Sache selbst zu entscheiden und mir die Familienbeihilfe in gesetzlicher Höhe ab März 2020 zu gewähren.

2in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung v. wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Da § 2 Abs. 9 FlAG 1967 im gegenständlichen Fall nicht anwendbar sei (Inkrafttreten erst ab ), bestünde ab 03/2020 kein FB-anspruch mehr. Auf die detaillierte Begründung wird verwiesen.

Vorlageantrag v.

"Die belangte Behörde hat mit Beschwerdevorentscheidung vom zur GZ: Vers.Nr: ***1*** die Beschwerde als unbegründet/unzulässig abgewiesen.

Zur Zulässigkeit des Vorlageantrages:

Jede Partei kann binnen einem Monat nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Beschwerdevorentscheidung wurde frühestens am 31-07,2020 zugestellt. Die Stellung des Vorlageantrags erfolgt daher fristgerecht. Gem. § 264 Abs. 4 iVm § 249 Abs. 1 BAO ist dieser Vorlageantrag bei der bescheiderlassenden Behörde, sohin dem ***FA*** einzubringen.

Gründe:

Die in meiner Beschwerde vom ausgeführten Gründe werden vollinhaltlich als Beschwerdegründe dieses Vorlageantrags übernommen. Zusätzlich wird ausgeführt:

Falsche Interpretation

Die belangte Behörde hat den Wortlaut des § 2 Abs. 9 lit b FLAG falsch interpretiert. Dieser lautet:

(9) Die Anspruchsdauer nach Abs. 1 [it. b und lita d bis j verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise, nach Maßgabe folgender Bestimmungen:

b) für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von fit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise

Systematische Analyse und Wortanalyse

Aufgrund der Tatsache, dass die Änderung des § 2 Abs. 9 FLAG (BGBI. I Nr. 28/2020) als Initiativantrag eingebracht wurde, gibt es zu dieser Gesetzesänderung kein Begutachtungsverfahren bzw. keine weiterführenden Erläuterungen.

Zur systematischen Auslegung dieser Novelle sei daher auf die Parlamentskorrespondenz Nr. 357 vom verwiesen:

Mit dem von ÖVP und Grünen vorgeschlagenen Entwurf sollen zudem auch Nachteile bei der Gewährung der Familienbeihilfe kompensiert werden, wenn eine Berufsausbildung (z.B. ein Studium) beeinträchtigt wird, und dadurch die Berufsausbildung nicht innerhalb der für den Familienbeihilfenbezug maßgeblichen Dauer oder innerhalb der derzeitigen Altersgrenzen absolviert werden kann. Familienbeihilfe soll somit auch für jene Zeiten gewährt werden, in denen der Studienbetrieb aufgrund von COVID•19 beeinträchtigt war. Konkret sieht der Antrag eine Verlängerung des Anspruchs auf Familienbeihilfe im Fall einer allgemeinen Berufsausbildung um maximal sechs Monate und im Fall eines Studiums um ein Semester bzw. ein Studienjahr vor. Bei der Betrachtung der Ziele der geschaffenen Gesetzesgrundlage ist klar zu erkennen, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf Familienbeihilfe - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde - auch auf jene Personen ausdehnt, die die vorherige Altersgrenze von 25 Jahren bereits erreicht haben.

Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man das das gegenständliche Gesetz exakt am Wortlaut auslegt: "für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit. a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs. 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise. Der hier fettgedruckte Gliedsatz der lit. b stellt ein Attribut zu den Wörtern "Altersgrenze" und "Studiendauer" dar. Er meint, dass der, Anspruch auch über jene Altersgrenze und jene Studiendauer hinaus, für welche nach alter Rechtslage Anspruch bestanden hätte, verlängert wird - nämlich um ein Semester bzw. ein Ausbildungsjahr. Diese Interpretation ist auch denknotwendig, um den letzten Teilsatz der lit. b zu verstehen. Diese Regelung, wonach das Studium vor Erreichung der Altersgrenze begonnen sein muss, wäre nicht notwendig, würde der Anspruch sowieso nur jenen gewährt, die die Altersgrenze noch nicht erreicht haben bzw. den Anspruch auf Familienbeihilfe zuvor verloren haben. Die belangte Behörde verkennt sowohl Ratio als auch Wortlaut der anzuwendenden Norm. Nach der neuen Rechtslage beträgt die Altersgrenze im Fall von meinem Sohn ***2*** nun genau 25,5 Jahre. Die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde erging somit rechtswidrig.

Antrag

Es ergeht sohin unter Anschluss der Beilagen B und C der ANTRAG, diesen Schriftsatz samt der beiliegenden Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zu Entscheidung vorzulegen. Mit freundlichen Grüßen…

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn ***4***, geb. am ***6***, vollendete am das 25. Lebensjahr. Vor seinem Studium leistete er seinen Zivildienst ab. Er hat daher grundsätzlich Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres. Seit Oktober 2014 studierte er an der Universität ***10***, ***11*** 1, Hauptstudium Rechtswissenschaften (Studienplan ***12***). Ab studierte er auch noch das Bakk.Studium Politik (A ***13***). Aus der Abfrage des FA v. aus dem DB 7 geht hervor, dass das Studium der Rechtswissenschaften bis vss. 01/01/2021 betrieben wurde. Im März 2020 und Folgemonate dieses Sommersemesters 2020 befand sich der Sohn der Bfin. weiterhin in Berufsausbildung (Student). Die Bfin. bezog für ihren Sohn ab März 2020 keine FB mehr (Einstellung der FB-Auszahlungen).

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den elektronischen Aktenteilen und dem Parteienvorbringen und den vorgelegten Beweismitteln. Der Sachverhalt ist unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

4. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Wie allgemein bekannt brach das Corona -Virus im Dezember 2019 in China aus und breitete sich dann nach Europa und andere Kontinente rasant aus. Infektionszahlen erhöhten sich und führten zu Lockdowns in Österreich; die Universitäten und Hochschulen stellten auf Distance Learning um. (Vgl auch https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_Österreich).

Gesetzliche Grundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr oder 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ….

Nach § 3 Abs 1 Z 4 StudFG können österreichische Staatsbürger als ordentliche Studierende an österreichischen Fachhochschul-Studiengängen Förderungen erhalten.

Gemäß § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer nach Abs 1 lit b und lit d bis j im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenen Studium infolge der COVID-19-Krise.

Gemäß § 55 Abs 45 FLAG 1967 tritt § 2 Abs 9 FLAG 1967 mit in Kraft.

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden gemäß § 15 Abs 1 FLAG 1967 die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum ( bei jüngeren Studierenden sogar bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. …. .

Rechtliche Beurteilung

Von Studienbeginn bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres im Monat Februar 2020 bestand unstrittig wegen des vom Sohn in einer in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung absolvierten Studiums zweifellos ein Anspruch der Bfin. auf Gewährung der Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967.

Strittig war lediglich, ob auch ab März 2020 (über die Altersgrenze von 25 Jahren hinaus -bis einschließlich dieses Sommersemesters 2020 der weitere Anspruch auf Familienbeihilfe wegen des neu eingeführten § 2 Abs. 9 FlAG 1967 ab ausgelöst wird.

Durch das 6. COVID-19-Gesetz, BGBl I 28/2020, wurde dem § 2 FLAG 1967 ein Abs. 9 angefügt, der gemäß § 55 Abs 45 FLAG 1967 mit in Kraft getreten ist und nach dessen lit b sich die Anspruchsdauer nach Abs 1 lit b im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise verlängert.

In den Materialien (126 BlgNR XXVII. GP - Ausschussbericht NR) heißt es dazu:

"Für Volljährige wird die Familienbeihilfe grundsätzlich nur dann gewährt, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden (z.B. ein Studium betreiben). Mit Vollendung des 24. Lebensjahres endet der Familienbeihilfenbezug, wobei einige Ausnahmen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres vorgesehen sind (z.B. Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes).

Auf Grund der COVID-19-Krise wird die Absolvierung einer Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) im Regelfall beeinträchtigt und daher die Fortsetzung bzw. der Abschluss verzögert.

Innerhalb der derzeit im FLAG 1967 vorgesehenen Altersgrenze kann eine Unterbrechung der Berufsausbildung (z.B. eines Studiums) insofern saniert werden, als die Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird, durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verlängert werden kann. Die derzeitige COVID-19-Krise ist als derartiges Ereignis anzusehen und zwar unabhängig von der Dauer der Verzögerung. Diese Verlängerung wird unmittelbar in Bezug auf jene Studienphase wirksam, in der die Beeinträchtigung durch die COVID-19-Krise erfolgt.

Um die angesprochenen Nachteile für die in Rede stehende Personengruppe zu kompensieren, deren Gesamtstudiendauer, die für die Gewährung der Familienbeihilfe im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise zur Verfügung steht, über die Vollendung des 24. oder 25. Lebensjahres hinausgeht, soll die Zeitdauer der Gewährung der Familienbeihilfe über diese derzeit geltende Altersgrenze hinaus verlängert werden. Damit soll gewährleistet werden, dass auch - zusätzlich zur bereits vorgesehenen Studiendauer, für die Familienbeihilfe gewährt wird - für jene Zeiten Familienbeihilfe weiter gewährt werden kann, in denen der Studienbetrieb beeinträchtigt war. Dies soll durch eine Verlängerung des Anspruches auf die Familienbeihilfe im Falle einer allgemeinen Berufsausbildung um längstens sechs Monate und im Falle eines Studiums um ein Semester bzw. ein Studienjahr erfolgen."

Aufgrund des Ausbruches der Corona-Krise und der Umstellung auf distance learning war im Sommersemester 2020 und Folgezeitraum von Beeinträchtigungen durch die COVID-19-Krise auszugehen. Dabei ist kein besonderer Nachweis erforderlich, da eine allgemeine Beeinträchtigung durch die COVID-19-Krise vorliegt.

Die Anspruchsdauer nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 verlängerte sich daher gemäß § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 für den volljährigen Sohn, der im Sommersemester 2020 ein in Semester eingeteiltes Studium betrieb, über die Altersgrenze von 25 Jahren (02/2020) hinaus, um zumindest ein Semester. Der Bfin. steht dementsprechend während des gesamten Sommersemesters 2020 Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nach Ansicht des Gerichtes zu. Es bestand zu diesem Zeitraum 03/2020 ein Studium. Dieses wurde vor der Coronazeit (erste Coronafälle im Dezember 2019 in China) begonnen. Der Verlängerungstatbestand ab greift, weil zu diesem Zeitpunkt der frühere Anspruch wieder neu im Monat März 2020 begann (über die Altersgrenze von 25 Jahren hinausgehend). Es lag auch ein Fall eines unmittelbareren Folgezeitraumes an den bisherigen Anspruchszeitraum 02/2020 vor (nämlich Monat März 2020) - "direkter Übergangszeitraum"-Erfassung durch Verlängerungstatbestand). Auch eine verfassungskonforme Interpretation verlangt diese Sichtweise.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG).

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die im Spruch ausgeführte Rechtsfolge aus der Gesetztesinterpretation (im Wege der juristischen Auslegungsmethoden) ergibt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Gesetzesänderung
Familienbeihilfe
Altersgrenze und Covid-Krise 19
Verlängerungstatbestand im Falle einer Berufsausbildung (Studium)
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101269.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at