Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,Land, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In der Arbeitnehmerveranlagung 2020 vom machte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) 2.754,00 EUR an Kosten für Familienheimfahrten; 737,00 EUR an Kosten für doppelte Haushaltsführung; 41,00 EUR für Arbeitsmittel und 79,00 EUR für Steuerberatungskosten geltend.
Er arbeite als Rohrleitungsplaner, habe im Jahr 2020 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt und sei bei einem Arbeitgeber mit Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug in Österreich beschäftigt gewesen. Sein Ansässigkeitsstaat im Jahr 2020 sei ***1*** gewesen, er sei ***2*** Staatsbürger.
Er beantrage, im Jahr 2020 als unbeschränkt steuerpflichtig in Österreich behandelt zu werden. Er verfüge über die notwendige Bescheinigung seines Ansässigkeitsstaates. Er habe im Jahr 2020 weder Einkünfte im Ansässigkeitsstaat noch weitere Auslandseinkünfte aus anderen Staaten gehabt.
Mit Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde eine Steuergutschrift des Bf. für das Jahr 2020 iHv 58,00 EUR festgesetzt. In der Begründung wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass bezüglich der Familienheimfahrten und doppelten Haushaltsführung auf die Begründung aus dem Vorjahr verwiesen werde.
Die vom Bf. beantragten Werbungskosten iHv 41,00 EUR seien niedriger als der Pauschbetrag iHv 132,00 EUR. Es sei daher der höhere Betrag berücksichtigt worden. Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen wären nicht berücksichtigt worden, da die Aufwendungen niedriger seien als der für den Bf. gültige Selbstbehalt iHv 5.088,68 EUR.
In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom , eingelangt am , führte der Bf. aus, dass bei der Einkommensteuerklärung für das Jahr 2020 Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend gemacht worden seien. Laut Einkommensteuerbescheid 2020 (gemeint wohl 2019) vom seien seine Angaben nicht berücksichtigt worden. Laut Einkommensteuerbescheid 2019 (gemeint wohl 2020) vom seien seine Angaben ebenso nicht berücksichtigt worden. Die Beibehaltung seines Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes begründe er wie folgt: Der Familienwohnsitz könne nicht in die Nähe der Arbeitsstätte verlegt werden, da er Familie und Eigentum in ***1*** habe, er pflegebedürftige Eltern habe und er weiter in der Position als Kommandant der Feuerwehr der Behörde ***3*** sei. Er ersuche somit höflichst um Berücksichtigung der Familienheimfahrten und doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten in Höhe von 2.938,19 EUR laut Aufstellung.
Dazu übersendete der Bf. eine Aufstellung der Familienheimfahrten bzw. doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten, welche sich wie folgt aufgliedert:
Miete 01.01.-12/2020 187,51 € x 12 2.250,12 €
Wärme Frima1 224,03 €
Firma2 (Strom) 171,43 €
Firma3 (Haushaltversicherung) 88,80 €
Wohnungsausrüstung 388,00 €
Insgesamt: 3.122,38 €
Für alleinstehende Steuerpflichtige ein Zeitraum von sechs Monaten iHv 1.561,19 €
Familienheimfahrten für 9 Monate 2.754 €
Für alleinstehende Steuerpflichtige ein Zeitraum von sechs Monaten iHv 1.377,00 €
Mit Ergänzungsersuchen vom , zugestellt am , wurde der Bf. aufgefordert, bis zum folgende Auskünfte zu erteilen, bzw. Unterlagen vorzulegen:
• Detaillierte Bekanntgabe des in der Land befindlichen Eigentums (Beschreibung, Adresse, etc.) und dessen Nutzung.
• Nachweis des Besitzes des Eigentums (Kaufvertrag, Grundbuchauszug, etc.).
• Nachweis eines Wohnsitzes in der Land (zB Meldebestätigung).
• Bekanntgabe aller familiären Beziehungen in der Land.
• Bekanntgabe der Namen und der genauen Wohnadresse der Eltern in der Land.
• Nachweis des Wohnsitzes der Eltern in der Land (zB Meldebestätigung).
• Bekanntgabe des Pflegegrundes und des Pflegebedarfs (zeitlicher und materieller Aufwand) der Eltern.
• Nachweis des Pflegegrundes und des Pflegebedarfs (zB durch entsprechende ärztliche Befunde und Bestätigungen, Rechnungen über Pflegematerialien, etc.).
• Bekanntgabe, wie viele Stunden dieses Pflegebedarfs durch Sie abdeckt wird.
• Bekanntgabe, wie bzw. durch wen der restliche Pflegebedarf (während der Anwesenheit in Österreich) der Eltern abgedeckt wird.
• Nachweis über den erfolgten restlichen Pflegebedarf sowohl in zeitlicher als auch in materieller Sicht (zB Bestätigung von Pflegekräften - auch im Familienbereich, Rechnungen über Pflegeaufwand, etc.).
• Handelt es sich bei der Position als Feuerwehrkommandant um ein Dienstverhältnis?
• Bekanntgabe der Rechtsgrundlage für die Position des Feuerwehrkommandanten (freiwillige Feuerwehr, Berufsfeuerwehr, sonstige).
• Nachweis über die Innehabung der Position als Feuerwehrkommandant (zB Bestätigung durch übergeordnetes Feuerwehrkommando).
Alle Unterlagen müssten in beglaubigter deutscher Übersetzung vorgelegt werden. Unterlagen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, könnten im Rahmen der Beschwerdeerledigung nicht berücksichtigt werden.
In der rechtzeitig eingebrachten Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom , eingelangt am , übersendete der Bf. eine Auflistung der übersendeten Unterlagen sowie folgende Informationen:
Er habe eine Wohnung, ein Grundstück und eine Garage in der Land. Er habe Eltern, einen Bruder mit dessen Familie, drei Onkeln, zwei Tanten, sieben Cousinen und Cousins. Der Pflegegrund der Eltern sei deren Alter und die Covid-Pandemie. Der Vater habe einen Katarakt und Diabetes. Während der Abwesenheit des Bf. würde die Pflege durch dessen Bruder abgedeckt werden. Der Bf. und dessen Bruder würden sich um die Eltern freiwillig und kostenlos kümmern. Der Tätigkeit als Feuerkommandant würde kein Dienstverhältnis zugrunde liegen.
Folgende Unterlagen wurden vom Bf. beigelegt:
Zwei Grundbuchauszüge in ***2*** sowie in deutscher Sprache, sein eigener Personalausweis, die Personalausweise seiner Eltern sowie die Ernennungsverfügung des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde ***3*** in ***2*** und in deutscher Sprache.
In der Beschwerdevorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2020 vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen und wie folgt begründet:
"Nach Rz 345 der LStR 2002 ist die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zB unzumutbar:
•Bei ständig wechselnder Arbeitsstätte (zB bei einem Bauarbeiter, bei saisonal Beschäftigten oder bei Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine häufige Abberufung zu entsprechend weit entfernten Arbeitsstellen gegeben ist. Die abstrakte Möglichkeit einer Abberufung reicht dazu aber nicht aus, es muss sich vielmehr um eine konkret, ernsthaft und latent drohende Möglichkeit einer solchen Abberufung handeln (). Eine ständig wechselnde Arbeitsstätte liegt nicht mehr vor, wenn die Arbeitsstätte fünf Jahre beibehalten wurde.
•Wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist (vgl. ; zu einem auf zwei Jahre befristeten Projekt). Angesichts einer absehbaren befristeten Entsendung an einen anderen Beschäftigungsort ist es dem (auch alleinstehenden) Steuerpflichtigen nicht zumutbar, den gewählten Familienwohnsitz aufzugeben.
•Bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen ().
•Solange auf Grund fremdenrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich ist (vgl. ; ).
•Im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz wohnen minderjährige unterhaltsberechtigte Kinder (vgl. ).
•Wenn eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben. Eine persönliche Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reicht nicht aus (; ). Wirtschaftliche Gründe, die die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar machen, können bei Vorliegen folgender beispielhaft angeführter Sachverhalte angenommen werden:
- Der Steuerpflichtige verfügt am Beschäftigungsort über keine Wohnung, sondern bewohnt eine Schlafstelle, die nicht geeignet ist, als Mittelpunkt der Lebensinteressen zu dienen.
- Der Verkauf des Einfamilienhauses bzw. der Wohnung am Familienwohnsitz würde aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort wäre aus dem Erlös nicht möglich.
- Eigene Einkünfte bzw. Einkünfte des (Ehe)Partners am Familienwohnsitz bzw. am Familienwohnsitz wird eine eigene - wenn auch kleine und nur der eigenen Selbstversorgung dienende - Landwirtschaft bewirtschaftet (vgl. -G/04; RV/0137K/07).
Bei ausländischem Familienwohnsitz gelten für die Frage der Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten grundsätzlich dieselben Kriterien wie bei inländischem Familienwohnsitz.
Lt. Ihrer Beantwortung vom steht keiner der darin angeführten Gründe einer Verlegung des Familienwohnsitzes entgegen. So stellt weder das Eigentum zB eine der Selbstversorgung dienende Landwirtschaft dar, noch besteht eine aufrechte Partnerschaft mit Bezug von substantiellen Einkünften. Die Eltern weisen lt. Ausführungen keine Pflegebedürftigkeit aus.
Da die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort somit nicht gegeben ist, liegt auch die Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung nicht vor. Es können somit die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht anerkannt werden.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden."
Im rechtzeitig eingelangten Vorlageantrag vom , zugestellt am , führte der Bf. aus, dass er zur Wahrung der Frist gegen den Steuerbescheid vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, Einspruch einlege. Die Begründungen würden zeitnah nachgereicht werden.
In einem weiteren Ergänzungsersuchen vom , zugestellt am , bat die belangte Behörde den Bf. bis zum die ergänzenden Ausführungen zum Vorlageantrag vom zu übermitteln. Nach Verstreichen der gesetzten Frist () würde seitens der Behörde die Vorlage an das Bundesfinanzgericht erfolgen.
Mit rechtzeitig eingebrachter Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom , eingelangt am , brachte der Bf. vor, dass auch ein alleinstehender Steuerpflichtiger einen Familienwohnsitz haben könne; dies sei jener Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Eltern, Freunde) habe (Atzmüller/Lattner in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, MSA EStG [], § 16 Anm. 25).
Bei einem Alleinstehenden könnten die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Hausstandes am Beschäftigungsort vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn er im Heimatland über eine eigene Wohnung verfüge.
Im Allgemeinen werde für alleinstehende Arbeitnehmer ein Zeitraum von sechs Monaten ausreichend sein.
Er verfüge über eine eigene Wohnung im Heimatland - Wohnung 53 m2, bebaute Fläche mit Hof 308 m2, Garten 20 m2, Freifläche 53 m2, Garage 22 m2 sowie eine bebaute Fläche mit Hof, Freifläche 46 m2, Dauergrünland 1.804 m2. Als Nachweis lege er den Grundbuchauszug bei. Seine engsten persönlichen Beziehungen habe er in ***1*** im Ort ***3***. Seine Eltern seien aufgrund der Erkrankungen und des Alters gerade während der Covid-Pandemie höchst pflegebedürftig.
Zusätzlich übersendete der Bf. dieselben zwei Grundbuchsauszüge in ***2*** und in deutscher Sprache sowie dieselbe Aufstellung der Familienheimfahrten bzw. doppelten Haushaltsführung, die er bereits der Beantwortung des ersten Ergänzungsersuchens beilegte.
Im Vorlagebericht vom nahm die belangte Behörde wie folgt Stellung:
"Nach Sutter/Pfalz (in Hofstätter/Reichel - Hrsg, Die Einkommensteuer, Kommentar, 58. Lfg., § 16 Abs. 1 Z 6 EStG, Rz 72) dürfen - unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH (, 2008/15/0235; , 2008/15/0296; , 2010/13/0148; , 2007/13/0095 mwN) - Kosten der privaten Lebensführung und Aufwendungen für den Haushalt der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers und den Unterhalt der Familienangehörigen nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht steuerlich berücksichtigt werden. Diesem Abzugsverbot unterliegen vor allem auch Wohnkosten. Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer jedoch aus beruflichen Gründen gehalten, an der Arbeitsstätte oder in deren Nahebereich einen zweiten Wohnsitz zu nehmen, weil ihr/ihm weder eine tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort bzw in dessen Nahebereich zumutbar ist, können nach der Rechtsprechung bestimmte Aufwendungen für diese doppelte Haushaltsführung ausnahmsweise als Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden.
Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, können die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Haushalts am Beschäftigungsort vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dabei ist von einer angemessenen Frist auszugehen, die sich nach den Möglichkeiten der Beschaffung eines Familienwohnsitzes (bei Alleinstehenden eines Wohnsitzes) im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes orientiert. Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen ().
Im Allgemeinen sieht der Verwaltungsgerichtshof die Verlegung des Heimatwohnsitzes bei Alleinstehenden lediglich "für eine gewisse Übergangszeit" als unzumutbar an. Die Dauer dieser Übergangsphase wird von den Verhältnissen des Einzelfalls bestimmt (abhängig etwa davon, ob die auswärtige Tätigkeit befristet oder dauerhaft angelegt ist). Während dieser Zeit können die Kosten der Zweitunterkunft am Arbeitsort Werbungskosten darstellen. Dies gilt allerdings nicht, wenn es bereits zu einer dauernden Verlegung des (Familien/Heimat) Wohnsitzes an den Arbeitsort gekommen ist. Von einer solchen geht der Verwaltungsgerichtshof aus, wenn am Beschäftigungsort eine den Wohnbedürfnissen des alleinstehenden Dienstnehmers entsprechende Wohngelegenheit zur Verfügung steht (z.B. ; ; ).
Das Bundesfinanzgericht hat sich ua in den Erkenntnissen vom (RV/6100016/2019) und vom (RV/7103242/2019) mit der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auf Grund der Pflegebedürftigkeit von Angehörigen auseinandergesetzt und die Unzumutbarkeit der Verlegung mangels eindeutiger Nachweisführung des Vorliegens einer Pflegebedürftigkeit verneint. Für die Anerkennung der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auf Grund der Pflegebedürftigkeit von Familienangehörigen setzt das Bundesfinanzgericht eine eindeutige Nachweisführung dieser Pflegebedürftigkeit voraus.
Das Bundesfinanzgericht führt unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (, 2006/15/0024 bzw. , 2001/14/0121) ua aus, dass das "Bestehen einer besonders gelagerten Pflegenotwendigkeit" bzw. die (ärztlich attestierte) Gefahr für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Pfleglings im Fall der Wohnsitzverlegung erforderlich sei.
Zur Definition des Pflegebedarfs verweist das Bundesfinanzgericht in weiterer Folge auf das Bundespflegegeldgesetz (BGBl. 110/1993 idgF): "[...] einen ständige(n) Betreuungs- und Hilfsbedarf (tägliche oder zumindest mehrmals wöchentliche Unterstützung bei der Bewältigung des persönlichen Lebensbereiches bzw. zum Schutz vor Verwahrlosung oder Eigengefährdung) auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung".
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (; , 2000/13/0083; , 2003/13/0154; , 2005/15/0011; , 2004/15/0102).
Seitens der Abgabenbehörde wurden im Veranlagungsjahr 2019 im Sinne der oben zitierten VwGH-Judikatur Kosten der doppelten Haushaltsführung für sechs Monate (vorübergehende doppelte Haushaltsführung eines Alleinstehenden bis zu Verlegung des Wohnsitzes) zuerkannt. Da am Beschäftigungsort bereits eine den Wohnbedürfnissen des alleinstehenden Dienstnehmers entsprechende Wohngelegenheit zur Verfügung steht ist im Sinne der Rechtsprechung bereits von einer Verlegung des Familienwohnsitzes auszugehen, weshalb die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung aus Sicht der Abgabenbehörde nicht mehr vorliegen.
Eine Nachweisführung hinsichtlich einer medizinischen bzw. behinderungsbedingten Unmöglichkeit der Mitübersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger (zB eindeutige medizinische Befunde) wurde nicht vorgelegt. Aus Sicht der Abgabenbehörde liegt aber auch kein Pflegebedarf dem Grunde nach vor. Im Schreiben vom wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, dass der Pflegegrund das Alter der Eltern (vor allem während der Corona-Pandemie) sowie ein Katarakt und Diabetes beim Vater wären. Weiters wurde angeführt, dass in Abwesenheit des Beschwerdeführers die Pflege durch den Bruder erfolgen würde. Dem ist vor allem entgegen zu halten, dass sich die Eltern im Streitjahr im 66. bzw. 67. Lebensjahr befunden haben und weder das Alter noch die durchaus weit verbreiteten Erkrankungen Augenstar (= Katarakt) und Diabetes für sich auf eine Pflegebedürftigkeit schließen lassen. Abschließend ist noch anzuführen, dass bei neun Familienbesuchen (lt. Beschwerdeausführungen) in einem Jahr die Möglichkeiten einer Pflegetätigkeit zeitlich und umfänglich doch sehr eingeschränkt sein dürften.
Da aus Sicht der Abgabenbehörde die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe nicht gegen die Verlegung des Familienwohnsitzes sprechen und somit die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kosten der Familienheimfahrten und der doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen, wird beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."
Mit Schreiben vom , eingelangt am , gab der Bf. eine neue Zustelladresse in der Land bekannt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist ***2*** Staatsbürger, ledig, kinderlos und war im Beschwerdejahr 38 Jahre alt. Der Bf. arbeitet nichtselbständig als Rohrleitungsplaner in ***4*** und wohnte in ***5***. Er ist laut Grundbuchsauszug Eigentümer einer Liegenschaft in ***3*** (Land), welche aus Wohngebäude, Garten, Freifläche, Garage und Dauergrünland besteht. Der Bf. ist außerdem bei der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde ***3*** als Kommandant ernannt, dieser Beschäftigung liegt jedoch kein Dienstvertrag zugrunde. Die Eltern des Bf., die sich im Beschwerdejahr im 66 bzw. im 67 Lebensjahr befanden, sowie der Bruder des Bf. leben ebenso in ***3***. Der Vater des Bf. leidet laut eigenen Angaben an Diabetes sowie Katarakt (Augenstar). In Abwesenheit des Bf. kümmert sich der Bruder des Bf. um deren Eltern.
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2020 wurden vom Bf. ua Kosten für Familienheimfahrten iHv 2.754,00 EUR und doppelte Haushaltsführung iHv 737,00 EUR geltend gemacht.
Im Einkommensteuerbescheid 2020 wurden die Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht berücksichtigt und auf die Ausführungen in der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2019 verwiesen. Demnach wäre die Begründung eines Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) beruflich veranlasst, wenn die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst sei. Eine private Veranlassung sei zu unterstellen, wenn der Steuerpflichtige den bisherigen Familienwohnsitz deswegen beibehalte, weil er dort zB ein Eigenheim errichtet hätte. Wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen würden, könnten die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Haushaltes vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dabei wäre für alleinstehende Steuerpflichtige ein Zeitraum von sechs Monaten ausreichend. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten wären daher für das Jahr 2019 nur für sechs Monate anerkannt worden.
Der Bf. erhob Beschwerde gegen diesen Einkommensteuerbescheid. Begründend führte er dazu aus, dass der Familienwohnsitz nicht in die Nähe der Arbeitsstätte verlegt werden könne, da sich die Familie und das Eigentum in ***1*** befinden würden. Weiters würden in ***1*** auch seine pflegebedürftigen Eltern wohnen und die Position als Kommandant der Feuerwehr der Gemeinde ***3*** ausgeübt werden. Daher seien Kosten für Familienheimfahrten iHv 1.561,19 EUR (Anteil von sechs Monaten für einen Zeitraum von neun Monaten iHv 2.754 EUR für einen Alleinstehenden) und Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 1.561,19 EUR (Anteil von sechs Monaten für einen Zeitraum von zwölf Monaten iHv 3.122,38 EUR für einen Alleinstehenden) geltend gemacht worden.
Im Rahmen eines ersten Ergänzungsersuchens wurde um Vorlage detaillierter Unterlagen (ua hinsichtlich des Eigentums in ***1***, der Wohnadressen, der Pflegebedürftigkeit der Eltern, der Ausübung der Tätigkeit als Feuerwehrkommandant, etc.) ersucht.
Daraufhin übermittelte der Bf. Ausführungen zum Ersuchen um Ergänzung sowie zwei Grundbuchauszüge in ***2*** sowie in deutscher Sprache, seinen eigenen Personalausweis, die Personalausweise seiner Eltern sowie die Ernennungsverfügung des Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde ***3*** in ***2*** und in deutscher Sprache.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde unter beispielhafter Anführung von Gründen, die einer Verlegung des Familienwohnsitzes entgegen stehen würden (einschließlich diesbezüglich ergangener Rechtsprechung) ausgeführt, dass laut dem Schreiben des Bf. keiner der darin angeführten Gründe einer Verlegung des Familienwohnsitzes entgegenstehen würde, da weder das Eigentum zB eine der Selbstversorgung dienende Landwirtschaft darstellen würde, noch eine aufrechte Partnerschaft mit Bezug von substantiellen Einkünften vorliegen würde. Die Eltern würden laut Ausführungen keine Pflegebedürftigkeit aufweisen. Da die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort somit nicht gegeben wäre, würde auch die Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung nicht vorliegen. Die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten könnten daher nicht anerkannt werden.
Der Bf. erhob "Einspruch" gegen die Beschwerdevorentscheidung, welcher von der Abgabenbehörde als Vorlageantrag gewertet wird.
Im Rahmen eines zweiten Ergänzungsersuchens übermittelte der Bf. eine ergänzende Erklärung, in welcher er unter Verweis auf die Kommentierung in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke ausführte, dass auch ein alleinstehender Steuerpflichtiger einen Familienwohnsitz haben könne, welcher jener Ort wäre, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Eltern, Freunde) hätte. Diesbezüglich wurde ausgeführt, dass er als Alleinstehender seinen Familienwohnsitz (engste persönliche Beziehungen) in ***1*** habe und daher ein Zeitraum von sechs Monaten als ausreichend anzusehen wäre. Weiters verwies der Bf. nochmals auf das Alter und die Pflegebedürftigkeit der Eltern aufgrund der Corona-Pandemie.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ist - soweit entscheidungsrelevant - unstrittig und ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Parteienvorbringen.
Gemäß § 138 Abs. 1 BAO haben Abgabepflichtige in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) den Inhalt ihrer Anbringen zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Könne ein Beweis im Einzelfall nicht zugemutet werden, so genüge die Glaubhaftmachung. Die Glaubhaftmachung habe den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand und unterliege den Regeln der freien Beweiswürdigung.
Den Steuerpflichtigen trifft - unbeschadet der amtswegigen Ermittlungspflicht gem. § 115 BAO - die Verpflichtung, am Verfahren mitzuwirken (§§ 119, 138 ff BAO). Wenn Tatsachenfeststellungen nicht getroffen werden können, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Die Abgabenbehörde hat damit die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die den Abgabenanspruch begründen; der Steuerpflichtige für Tatsachen, die Begünstigungen, Steuerermäßigungen u.ä. begründen bzw. die den Abgabenanspruch einschränken oder aufheben oder eine gesetzliche Vermutung widerlegen (vgl. GZ. RV/1687-W/02, unter Hinweis auf Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, II, Tz. 526).
3. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 115 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (in der Fassung BGBl. Nr. 194/1961 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 136/2017) (im Folgenden: BAO) haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.
Gem. § 119 Abs. 1 BAO (in der Fassung BGBl. Nr. 194/1961) sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.
Gem. § 119 Abs. 2 BAO dienen der Offenlegung insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.
Gem. § 138 Abs. 1 BAO (in der Fassung BGBl. Nr. 194/1961) haben auf Verlangen der Abgabenbehörde die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.
Gem. § 138 Abs. 2 BAO sind Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.
Gem. § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1988 (im Folgenden: EStG) (in der Fassung BGBl. Nr. 400/1988 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 163/2022) werden auf Antrag auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11 693 Euro betragen. Inländische Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, gelten in diesem Zusammenhang als nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegend. Die Höhe der nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen. Der Antrag kann bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides gestellt werden.
Gem. § 16 Abs. 1 EStG (in der Fassung BGBl. Nr. 400/1988 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 108/2022) sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gem. § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 sind auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte Werbungskosten. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt, dass diese Ausgaben durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten sind. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
Gem. § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG ist bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) maßgeblich.
Gem. § 20 Abs. 1 Z 1 EStG (in der Fassung BGBl. Nr. 400/1988 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 194/2022) dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Kosten der privaten Lebensführung und Aufwendungen für den Haushalt des Arbeitnehmers und den Unterhalt der Familienangehörigen dürfen gem. § 20 Abs. 1 EStG nicht steuerlich berücksichtigt werden. Diesem Abzugsverbot unterliegen vor allem auch Wohnkosten. Ist der Arbeitnehmer jedoch aus beruflichen Gründen gehalten, an der Arbeitsstätte oder in deren Nahebereich einen zweiten Wohnsitz zu nehmen, weil ihm weder eine tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort bzw. in dessen Nahebereich zumutbar ist, können nach der Rechtsprechung bestimmte Aufwendungen für diese doppelte Haushaltsführung ausnahmsweise als Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden (vgl. Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a § 16 Rz 201ff; Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel(Hrsg), Die Einkommensteuer, Kommentar, 62. Lfg., § 16 EStG Rz 199; ; , 2008/15/0296; , 2010/13/0148; , 2007/13/0095 mwN).
Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, können die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Haushalts am Beschäftigungsort vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Dabei ist von einer angemessenen Frist auszugehen, die sich nach den Möglichkeiten der Beschaffung eines Familienwohnsitzes (bei Alleinstehenden eines Wohnsitzes) im Einzugsbereich des Beschäftigungsortes orientiert. Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse im Einzelfall zu berücksichtigen. Erfolgt die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes aus privaten Gründen, so liegen nichtabzugsfähige Aufwendungen für die Lebensführung vor ().
Im Allgemeinen sieht der Verwaltungsgerichtshof die Verlegung des Heimatwohnsitzes bei Alleinstehenden lediglich "für eine gewisse Übergangszeit" als unzumutbar an. Die Dauer dieser Übergangsphase wird von den Verhältnissen des Einzelfalls bestimmt (abhängig etwa davon, ob die auswärtige Tätigkeit befristet oder dauerhaft angelegt ist). Während dieser Zeit können die Kosten der Zweitunterkunft am Arbeitsort Werbungskosten darstellen. Dies gilt allerdings nicht, wenn es bereits zu einer dauernden Verlegung des (Familien/Heimat) Wohnsitzes an den Arbeitsort gekommen ist. Von einer solchen geht der Verwaltungsgerichtshof aus, wenn am Beschäftigungsort eine den Wohnbedürfnissen des alleinstehenden Dienstnehmers entsprechende Wohngelegenheit zur Verfügung steht (z.B. ; ; ).
Wohnt der Abgabepflichtige am Beschäftigungsort, so sind der Freundeskreis am bisherigen Wohnort und die dortigen gesellschaftlichen Anknüpfungspunkte jedenfalls keine beachtenswerten Gründe für die Beibehaltung des Wohnsitzes am bisherigen Wohnort (). Nach eigenen Angaben des Bf. liegt der Tätigkeit des Bf. als Kommandant der Feuerwehr der Gemeinde ***3*** kein Dienstverhältnis zugrunde. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es sich um ein Ehrenamt handelt, welches nach der obigen Auffassung des VwGH keinen beachtenswerten Grund für die Beibehaltung des Wohnsitzes am bisherigen Wohnort in ***3*** darstellt.
Was die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auf Grund der Pflegebedürftigkeit von Angehörigen anbelangt, hat sich das Bundesfinanzgericht mit dieser Frage unter anderem in den Erkenntnissen vom , RV/6100016/2019 und vom , RV/7103242/2019 auseinandergesetzt und die Unzumutbarkeit der Verlegung mangels eindeutiger Nachweisführung des Vorliegens einer Pflegebedürftigkeit verneint. Für die Anerkennung der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auf Grund der Pflegebedürftigkeit von Familienangehörigen setzt das Bundesfinanzgericht eine eindeutige Nachweisführung dieser Pflegebedürftigkeit voraus.
Das Bundesfinanzgericht führt unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (, 2006/15/0024 bzw. , 2001/14/0121) ua aus, dass das "Bestehen einer besonders gelagerten Pflegenotwendigkeit" bzw. die (ärztlich attestierte) Gefahr für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines Pfleglings im Fall der Wohnsitzverlegung erforderlich sei.
Zur Definition des Pflegebedarfs wird auf das Bundespflegegeldgesetz (BGBl. 110/1993 idgF) verwiesen, wonach ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (tägliche oder zumindest mehrmals wöchentliche regelmäßige Unterstützung bei der Bewältigung des persönlichen Lebensbereiches bzw. zum Schutz vor Verwahrlosung oder Eigengefährdung) auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung vorliegen muss.
Der Steuerpflichtige hat der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, warum er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen auch noch anderer als die vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (; , 2000/13/0083; , 2003/13/0154; , 2005/15/0011; , 2004/15/0102).
Die Abgabenbehörde erkannte im Veranlagungsjahr 2019 im Sinne der oben zitierten VwGH-Judikatur Kosten der doppelten Haushaltsführung für sechs Monate zu - aufgrund der vorübergehenden doppelten Haushaltsführung eines Alleinstehenden bis zu Verlegung des Wohnsitzes. Da am Beschäftigungsort Linz bereits eine den Wohnbedürfnissen des alleinstehenden Dienstnehmers entsprechende Wohngelegenheit zur Verfügung steht, ist im Sinne der Rechtsprechung bereits von einer Verlegung des Familienwohnsitzes auszugehen. Deshalb liegen für das Jahr 2020 die Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung nicht mehr vor.
Eine Nachweisführung hinsichtlich einer medizinischen bzw. behinderungsbedingten Unmöglichkeit der Mitübersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger (zB eindeutige medizinische Befunde) wurde nicht vorgelegt. Im Schreiben vom wurde vom Bf. ausgeführt, dass der Pflegegrund das Alter der Eltern (vor allem während der Corona-Pandemie) sowie ein Katarakt und Diabetes beim Vater wären. Außerdem wurde angeführt, dass in Abwesenheit des Bf. die Pflege durch den Bruder erfolgen würde. Dem ist vor allem entgegen zu halten, dass sich die Eltern im beschwerdegegenständlichen Jahr im 66. bzw. 67. Lebensjahr befunden haben und weder das Alter noch die durchaus weit verbreiteten Erkrankungen Augenstar (= Katarakt) und Diabetes für sich auf eine Pflegebedürftigkeit schließen lassen. Somit liegt auch kein Pflegebedarf dem Grunde nach vor.
Die vom Bf. angeführten Gründe sprechen somit nicht gegen die Verlegung des Familienwohnsitzes. Daher liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Kosten der Familienheimfahrten und der doppelten Haushaltsführung nicht vor.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100134.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at