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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.04.2023, RV/2100445/2022

Kein Familienbeihilfenanspruch bei fehlender Haushaltszugehörigkeit des Kindes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Monat 11/2019 für den Sohn ***4*** ***5***, SVNR ***2***, SVNR Bf. ***3***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom gab die Kindesmutter an, dass der Sohn bis Oktober 2019 beim Vater (dem Beschwerdeführer, Bf.) wohnhaft gewesen sei. Im November und Dezember 2019 habe der Sohn bereits bei ihr gewohnt. Der Vater habe die Familienbeihilfe in den Monaten November und Dezember zu Unrecht bezogen. Sie habe den Sohn nicht anmelden können, da sie keine Dokumente gehabt habe.
Beigelegt war eine Stellungnahme des Amtes für Jugend und Familie vom , wonach nach Ersuchen des BG-***7*** vom auf Basis von Einzelgesprächen mit de r Kindesmutter, dem Sohn und mit dem Vater (Bf.) so wie einem Hausb esuch in der Wohnung des Vaters und in der Wohnung der Mutter folgende Stellungnahme abgegeben werde:
"***4*** ist der Sohn von Herrn (Bf.) und Frau (Kindesmutter). Bis Oktober 2019 lebte ***4*** im Haushalt des Vaters. Zu seiner Mutter hatte der Sohn regelmäßig Kontakt.
Die Kontaktaufnahme mit der Familie erfolgt am nach einer Meldung der Mutter beim Bereitschaftsdienst des Jugendamtes."
Auf Grund dieser Erhebungen erfolgte die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für den Monat November 2019 beim Beschwerdeführer (Bf.), da das Kind nicht weiter in seinem Haushalt lebe. Die Tragung der überwiegenden Unterhaltskosten sei in diesem Fall nicht relevant.
Im Schreiben vom verweist das Jugendamt ***6*** zur Frage der Haushaltszugehörigkeit des Kindes ***4*** auf das ZMR und die erfolgte polizeiliche Meldung an der Adresse der Mutter am .

In der Beschwerde vom führt der Bf. aus:
"Ich lege Beschwerde gem §243 BAO ein. Es verwundert, warum die Familienbeihilfe für Nov 2019 zurückgefordert wird, somit wird der Bescheid beeinsprucht.
Begründung : 1. Mein Kind …. lebte im November mit mir im gemeinsamen Haushalt.
2. Das Finanzamt stellte per in der - Mitteilung über den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe - bereits fest, dass die Familienbeihilfe bis inklusive November 2019 besteht.
3. Abfrage Finanzonline irreführend ! : Auf Finanzonline wird in der Abfrage wo das Kind lebt die Gegenwart benutzt abgefragt und nicht darauf hingewiesen, dass der Zeitraum in der Vergangenheit gemeint ist wofür angesucht wird. Darum wurde zum Antragzeitpunkt angenommen, dass der Wohnort zur Zeit des Antrages am gefragt ist.
4. Der Antrag per belief sich lediglich auf Familienbeihilfe für Dezember 2019 mit dem Hinweis, dass der Wohnort des Kindes sich am änderte und die Meldedaten des Hauptwohnortes entscheidend sind. Dem Finanzamt sollten die Meldedaten des ZMR vorliegen
."

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wird ausgeführt:
"Gemäß Familienlastenausgleichsgesetz 1967:
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch
dieUnterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe,wennkeine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Laut Niederschrift des Amtes für Jugend und Familie ***8*** lebte ***4*** nur bis Oktober 2019 inIhrem Haushalt.
Daher besteht ab dem kein Anspruch auf Familienbeihilfe und
Kinderabsetzbetrag."

Im Vorlageantrag vom führt der Bf. aus:
"Das FA kann keine Niederschrift des Amtes für Jugend und Familie als Beweis heranziehen. Diese wurde nur von der Mutter aufgenommen und ich als Vater wurde dazu nicht befragt und erst später vor vollendete Tatsache gestellt. Das Aufnahmedatum der Niederschrift liegt in Mitte November 2019. Sie dürften nur die Erstniederschrift gesehen haben, worin keine Wahrheiten stehen. Die Wohnortummeldung erfolgte erst am !.. ***4*** war im November bei mir ansässig und es wurden Schulessen, Schulsachen, Miete und GEIGENUNTERRICHT von mir getätigt. Das FA bestätigte mir den Bezug der FB November 2019, um diesen Bezug einige Wochen später zu revidieren ?!.. Außerdem weigerte sich die Mutter in 2017 6 Monate Unterhalt zu bezahlen und für diese 1080 Euro mußte ich eintreten und diese überbrücken und über das Amt für Jugend und Familie wurde kein Exekutionstitel beantragt.. von Frauen ist nichts zu holen (vor allem, wenn sie als Prostituierte arbeiten)."

Stellungnahme im Vorlagebericht des Finanzamtes: Auf Grund des Schreibens der Kindesmutter vom und den Erhebungen des Jugendamtes ***6*** ist davon auszugehen, dass sich der Sohn ab November 2019 im Haushalt der Kindesmutter befunden hat, obwohl die polizeiliche Meldung im Haushalt der Mutter erst am erfolgte.
Die Abweisung der Beschwerde wird beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. bezog Familienbeihilfe für den Sohn bis einschließlich November 2019.
Ab November teilte der Sohn aber bereits wieder den Haushalt mit der Mutter, daher wurde die Familienbeihilfe vom Bf. für November 2019 zurückgefordert.
Die Ummeldung des Hauptwohnsitzes für den Sohn auf die Wohnadresse der Kindesmutter erfolgte erst mit , da die Kindesmutter über die nötigen Dokumente nicht früher verfügt hatte.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunktes des Bestehens des gemeinsamen Haushaltes des Sohnes mit der Kindesmutter ergeben sich aus der Stellungnahme des Amtes für Jugend und Familie vom , welches aufgrund eines Ersuchens des BG-***7*** abgegeben wurde. Demnach lebte der Sohn bis Oktober beim Bf. und erfolgte die Kontaktaufnahme mit der Familie am .
Das BFG hat in freier Beweiswürdigung keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Stellungnahme, welche sich mit den Angaben der Kindesmutter deckt. Der Bf. hat lediglich dagegen vorgebracht, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprächen, ohne irgendeinen Gegenbeweis vorzulegen oder auch nur anzubieten.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind diePerson, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

§ 26 FLAG 1967
(1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden. …

§ 166 BAO
Als Beweismittel im Abgabenverfahren kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

§ 167 Abs. 1 BAO
Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Vorweg ist festzuhalten, dass für das Familienbeihilfeverfahren eine Hauptwohnsitzmeldung laut Zentralem Melderegister (ZMR) nur Indizwirkung hat. Das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) stellt weder auf den Hauptwohnsitz noch auf den Hauptaufenthalt, sondern primär auf die Haushaltszugehörigkeit und subsidiär auf die überwiegende Kostentragung ab.
Polizeiliche Meldebestätigungen sind nicht geeignet, vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse zu liefern, sondern können nur ein - widerlegbares - Indiz hiefür (wie für das Bestehen einer Wohngemeinschaft etwa) sein ( mit Hinweis auf E , 1577/77, 1578/77; E , 0241/80, 0242/80).

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. ; ; ).

Wie sich aus § 2 Abs. 2 FLAG 1967 ergibt, knüpft der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Dabei geht das Gesetz erkennbar auch davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an.
Wechselt das tatsächliche ständige Wohnen im Haushalt eines Elternteils zum tatsächlichen ständigen Wohnen im Haushalt eines anderen Elternteils, so wechselt auch die Haushaltszugehörigkeit.

Dass der Sohn ab November 2019 bei der Kindesmutter haushaltszugehörig war, steht nach dem Sachverhalt in freier Beweiswürdigung fest. Der Bf. hat die diesbezüglichen Feststellungen des Amtes für Jugend und Familie nicht widerlegt. Sein unsubstantiierter Einwand, diese Niederschrift enthalte Unwahrheiten, hat er nicht durch Vorlage von Beweisen entkräftet. Sein Hinweis auf die erst mit erfolgte Wohnortummeldung vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die tatsächlichen Verhältnisse im Rückforderungszeitraum entscheidend sind. Der Sohn hat bereits ab November 2019 dem Haushalt der Mutter angehört, die erst später erfolgte tatsächliche Ummeldung (nach Verfügung über die erforderlichen Dokumente) ist nicht entscheidend.
Weiters wurde nach den Angaben in der Niederschrift des Jugendamtes auch ein Hausbesuch beim Bf. und ein Einzelgespräch mit diesem durchgeführt. Sein Hinweis auf mangelndes Gehör entspricht demnach nicht den Tatsachen.
Auch dass er für den Sohn weiter Unterhaltsleistungen erbracht hat, ist für den Familienbeihilfenanspruch nicht entscheidend, wenn der Sohn nicht bei ihm haushaltszugehörig ist.
Weiters ist eine behauptete Verletzung der Unterhaltspflicht der Kindesmutter in der Vergangenheit oder auch der Vorwurf der Prostitution ohne Relevanz für den Anspruch.
Die Mitteilung vom an den Bf., dass der Anspruch nur bis November 2019 bestehe, wurde durch den Rückforderungsbescheid und die Mitteilung vom , wonach Anspruch auf Familienbeihilfenbezug bis Oktober 2019 besteht, richtig gestellt.

Zu verweisen ist auch auf die Begründungen im Abweisungsbescheid, der Beschwerdevorentscheidung und die Ausführungen im Vorlagebericht.
Weiters kommen dem Vorlagebericht wie auch einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltscharakter zu (vgl. ; ; ; ; vgl. zum Vorhaltscharakter einer BVE beispielsweise mwN).
Hält der Beschwerdeführer, dem der Vorlagebericht zuzustellen ist (§ 265 Abs. 4 BAO), diesen für unzutreffend, wird er sich zeitgerecht dazu zu äußern haben. Eine derartige Äußerung ist nicht erfolgt.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Dies gilt nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa ).

Dass im Beschwerdezeitraum (November 2019) dem Bf. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht zustand, aber Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bezogen wurden, und daher die Rückforderung zu Recht erfolgt ist, steht nach Würdigung des Sachverhaltes fest.
Der angefochtene Bescheid des Finanzamtes entspricht somit der bestehenden Rechtslage, weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage der Haushaltszugehörigkeit ist eine Sachverhaltsfrage, die nach freier Beweiswürdigung zu beurteilen war, und als solche einer Revision nicht zugänglich ist.
Im Übrigen wurde der ständigen Rechtsprechung des VwGH gefolgt, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Graz, am

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