zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.02.2023, RV/6100431/2022

Berufsausbildung bei krankheitsbedingter Beeinträchtigung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Monate April 2021 bis Juni 2022 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Rückforderungsbescheid wird hinsichtlich der Monate April 2021 und Mai 2021 ersatzlos aufgehoben.

Hinsichtlich der Monate Juni 2021 bis Juni 2022 bleibt der Rückforderungsbescheid unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt (kurz: FA) übermittelte der Beschwerdeführerin (kurz: Bf) am ein "Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" betreffend das Kind SO (kurz: S) und ersuchte um Vorlage des Schulabschlusszeugnisses von S (Pflichtschulabschluss), von Unterlagen zu einer allfälligen weiteren Ausbildung und des Nachweises über abgelegte Prüfungen (Externistenmatura/Berufsreifeprüfung etc.). Des Weiteren wurde die Bekanntgabe der weiteren Prüfungstermine angefordert.

Am , beim FA eingelangt am , beantwortete die Bf dieses Überprüfungsschreibens des FA und übermittelte das Zeugnis zum Pflichtschulabschluss vom , das Ansuchen um Zulassung zur Externistenreifeprüfung vom , eine Entscheidung der Externistenprüfungskommission vom und einen eMailverkehr zwischen dem Sohn und der Maturaschule Institut Dr. Rampitsch.

Mit "Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" vom erfolgte eine weitere Anfrage bei der Bf durch das FA betreffend S. Es wurde ein Nachweis über abgelegte Prüfungen (Externistenmatura/Berufsreifeprüfung etc.) und/oder ein Tätigkeitsnachweis (Schulbestätigung, Lehrvertrag etc.) angefordert.

Am , beim FA eingelangt am , gab die Bf dazu bekannt, dass die geforderten Nachweise nicht vorhanden seien.

Mit Bescheid vom forderte das FA die für die Monate April 2021 bis Juni 2022 ausbezahlte Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge betreffend das Kind S von der Bf zurück. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
Der Besuch einer Maturaschule oder Abendschule alleine sei keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Zusätzlich zum Schulbesuch müsse das Kind innerhalb angemessener Zeit zu den vorgesehenen Prüfungen antreten. Seit Beginn der Ausbildung im Herbst 2020 sei der Sohn der Bf zu keiner Teilprüfung angetreten. Es bestehe daher ab Oktober 2020 kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Aufgrund von Covid-19 erfolge gemäß § 15 Abs 1 FLAG 1967 für den Zeitraum Oktober 2020 bis März 2021 keine Rückforderung.

Am brachte die Bf daraufhin via Finanzonline beim FA Beschwerde ein und begründete diese wie folgt:
Die Bf habe seit Mai 2021 vom FA zwei Bescheide erhalten, in denen ihr nach Überprüfung der Anspruch auf Familienbeihilfe bestätigt und somit ausbezahlt worden sei. Was habe sich seither geändert? S besuche die Maturaschule in Ort, die in sehr kleinen Gruppen und zu 80% online durchgeführt werde. Aufgrund der Pandemie sei auf 100% online-Unterricht umgestellt worden. Zudem würden die Fächer in Modulen abgehandelt werden und nicht nach Ende jedes Moduls sei die Zulassungsprüfung für die Matura möglich. S sei im Mai 2021 zur Deutsch-Prüfung angetreten, habe diese aber leider nicht bestanden. Aufgrund der Sommerferien und der Prüfungspause, die eingehalten werden müsse, wäre die nächste Prüfung im Fach Deutsch erst im Oktober 2021 wieder möglich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er bereits mit den Unterstufen Modulen in den Fächern Deutsch und Mathematik angefangen und habe sich nicht parallel auf die Zulassungsprüfung in Deutsch vorbereiten können. Aufgrund einer sozialen Phobie habe S diese zusätzliche Belastung der Prüfungssituation nicht meistern können. Ein Todesfall in der Familie im Mai 2022 habe die Situation leider nicht verbessert.
Beigelegt wurde eine Bestätigung der Externistenprüfungskommission vom , eine Bestätigung der Maturaschule vom und eine klinisch-psychologische Stellungnahme des Dr. A vom .

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert; für die Monate Juni 2021 bis Juni 2022 wurde die Beschwerde abgewiesen. Der Begründung ist Folgendes zu entnehmen:
Für das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 müsse bei Besuch einer Maturaschule das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen treten, die Reifeprüfung abzulegen. Bei der Ablegung der Externistenreifeprüfung sei bei einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Ausbildung von einem erforderlichen Vorbereitungsaufwand von maximal vier Monaten pro Zulassungsprüfung auszugehen. Für das Wiederholen einer nicht bestandenen Prüfung bestehe kein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe. Im gegenständlichen Fall sei der Sohn der Bf am zur Zulassungsprüfung im Fach Deutsch angetreten. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe sei somit bis einschließlich Mai 2021 gegeben.

Am brachte die Bf dagegen via FinanzOnline beim FA einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) ein und führte ergänzend aus, dass auf die soziale Phobie des Sohnes überhaupt nicht eingegangen worden sei.

Das BFG richtete am einen Vorhalt an die Bf und stellte darin aufgrund ihrer Angaben und vorgelegten Unterlagen den Sachverhalt wie folgt fest:
S habe am die Pflichtschulabschluss-Prüfung bestanden, sei im Dezember 2020 zu den Zulassungsprüfungen zur Externistenreifeprüfung zugelassen worden und habe insgesamt 14 Zulassungsprüfungen abzulegen (gehabt). Tatsächlich sei S im Mai 2021 zur Zulassungsprüfung im Fach Deutsch angetreten, habe diese Prüfung aber nicht bestanden. Zu einer im Oktober 2021 möglichen Wiederholungsprüfung habe sich S nicht angemeldet. Letztlich habe er von Juni 2021 bis Juni 2022 keine weiteren Prüfungen abgelegt. S habe im September 2021 für das Wintersemester 2021/22 lediglich zwei Module (Mathematik 5 und Englisch 5) mit 4 und 3 Wochenstunden an der Maturaschule Dr. Rampitsch gebucht, wobei unklar sei, ob er diese jemals tatsächlich besucht habe und wie lange. Im Sommersemester 2022 seien jedenfalls überhaupt keine Aktivitäten mehr zur Vorbereitung auf die erforderlichen Zulassungsprüfungen entfaltet worden.
Es stelle sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Zulassung der Externistenprüfungskommission vom noch aufrecht sei oder seit wann nicht mehr. Des Weiteren wären ein Prüfungsplan, Nachweise über die Teilnahme ihres Sohnes an den beiden für das Wintersemester 2021/22 gebuchten Modulen und über weitere Aktivitäten zur Vorbereitung auf die Zulassungsprüfungen (mit genauen Angaben über deren zeitlichen Ausmaßes) vorzulegen. Zudem wären die Termine für die Zulassungsprüfungen hinsichtlich der belegten Module bekannt zu geben.
Die bisher ab Juni 2021 nachgewiesenen Aktivitäten ihres Sohnes zur Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung würden nicht ausreichen, um von einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs lit b FLAG 1967 (ernstliches und zielstrebiges Bemühen und Beanspruchung der vollen Zeit des Kindes) sprechen zu können. Die als unzureichend anzusehenden Aktivitäten ihres Sohnes zur Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung begründe die Bf im Wesentlichen mit einer sozialen Phobie ihres Sohnes und habe eine klinisch-psychologische Stellungnahme vom vorgelegt. Aus der klinisch-psychologischen Stellungnahme vom gehe hervor, dass der Sohn zur Behandlung einer sozialen Phobie seit in psychotherapeutischer Behandlung sei und dass diese soziale Phobie bei S insbesondere bei Prüfungen zu Tage trete und deren Absolvierung erheblich erschwere.
Zu § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich sei. Hierzu würden beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien gehören. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibe hingegen der Familienbeihilfenanspruch nicht bestehen, weil die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. (Vgl , , ).
Die vorgelegte ärztliche Stellungnahme könne eine krankheitsbedingte Unterbrechung einer Berufsausbildung (in Form des Besuchs einer Maturaschule bzw der Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung) auf begrenzte Zeit nicht belegen. Aus dieser ärztlichen Stellungnahme könne nicht abgeleitet werden, dass seit der Zulassung zu den Externistenprüfungen im Dezember 2020 bzw ab Jänner 2021 ununterbrochen das Ablegen von Prüfungen krankheitsbedingt nicht möglich gewesen wäre. Dies werde schon durch die Tatsache widerlegt, dass S (trotz schon bestehender Krankheit- Behandlung seit ) zuvor schon im September 2020 die Pflichtschulabschluss-Prüfung bestanden habe und im Mai 2021 zu einer Zulassungsprüfung angetreten sei. Diese ärztliche Bestätigung dokumentiere somit keine Krankheit, die es dem Sohn unmöglich gemacht hätte, in der Zeit von Juni 2021 bis Juni 2022 zu Zulassungsprüfungen für die Externistenreifeprüfung anzutreten. Diese ärztliche Bestätigung erkläre auch nicht, weshalb S im Wintersemester 2021/22 sich lediglich zu zwei Modulen bei der Maturaschule Dr. Rampitsch angemeldet habe und jedenfalls im Sommersemester überhaupt kein Schulbesuch mehr stattgefunden habe. Die ärztliche Stellungnahme biete somit keine Grundlage dafür, dass von einer Unterbrechung der Ausbildung (Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung) wegen einer Krankheit von begrenzter Dauer auszugehen sei.
Angemerkt werde auch, dass Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder haben würden, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Als erheblich behindert gelte gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung bestehe. Als nicht nur vorübergehend gelte ein Zeitraum von mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung müsse mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handle, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Der Grad der Behinderung oder die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sei gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöhe sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Von einer erheblichen Behinderung im Sinne des § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 sei im gegenständlichen Fall derzeit nicht auszugehen, da von Seiten der Bf der Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung nach § 8 Abs 4 FLAG 1 nicht beantragt bzw kein entsprechendes Sachverständigengutachten vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen angefordert worden sei.
Auch im Falle einer erheblichen Behinderung eines Kindes sei für die Gewährung der Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 zudem das Vorliegen einer tatsächlichen Berufsausbildung erforderlich.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf Folgendes aus:
Ihr Sohn habe aufgrund massiven Mobbings durch einen Mitschüler seine schulische Laufbahn im Jahr 2016 in der vierten Klasse an ener NMS leider abgebrochen. Während eines stationären Aufenthaltes auf der Kinder- und Jugendpsychosomatik im Krankenhaus K habe der Schulbesuch über die dortige Heilstättenschule wieder funktioniert, danach leider nicht mehr.
Im Anschluss habe S zweimal über "Einstieg" begonnen dern Schulabschluss zu absolvieren, beide Male habe er leider wieder abgebrochen. Seinen Pflichtschulabschluss über das bfi im Sommer 2020 habe er erst - nach einem Abbruch im Sommer 2019 - beim zweiten Anlauf geschafft. In den Zeiten, in denen S keiner schulischen Ausbildung nachgegangen sei, habe die Bf keine Familienbeihilfe beantragt.
Nach dem erfolgreichen Pflichtschulabschluss habe sich S motiviert in Ort über die Maturaschule Dr. Rampitsch bei der Externistenprüfungskommission angemeldet, die Anmeldung sei auch weiterhin aufrecht. Es sei überzeugt gewesen, dass die Modul-Version für ihn leichter zu schaffen sei. Seine ersten Module seien Deutsch und Latein gewesen. Der Unterricht habe anfangs online und einmal pro Monat vor Ort in Ort stattgefunden, während der Lockdowns und auch im Anschluss nur noch online. Es gebe keine Anwesenheitslisten, die Teilnehmer pro Modul seien jedoch überschaubar - höchstens sieben Teilnehmer. S habe die Kosten für diese Module alle selbst übernommen, unterstützt durch die Unterhaltszahlungen seines Vaters.
S habe sich bereits für die nächste Zulassungsprüfung im Oktober 2021 im Fach Deutsch angemeldet gehabt. Die Anmeldung habe im Juli 2021 erfolgen müssen. Nach den Sommerferien habe bei der Zulassungskommission ein Wechsel bei den Prüfungskräften stattgefunden. Der neue Prüfer im Fach Deutsch habe zwei Wochen vor dem Prüfungstermin für den mündlichen Teil der Prüfung eine neue Literaturliste mit 25 neuen Büchern übermittelt. Diese Liste sei bis zum Prüfungsdatum nicht mehr zu schaffen gewesen. Daraufhin habe sich S, wissend, dass er nur drei Versuche für die Zulassungsprüfungen habe, von der Prüfung im Fach Deutsch im Oktober 2021 wieder abgemeldet.
S habe sehr wohl gewusst, dass er Prüfungen ablegen müsse/solle und habe aus diesem Grund auch weiterhin Deutschaufsätze und Lateinübersetzungen an die Lehrenden der Maturaschule zum Verbessern übermittelt, aber er habe auch gemerkt, das es ihm zu viel werde.
Der Lernaufwand und die Lerninhalte seien mehr und komplizierter gewesen, als er anfangs gedacht habe. Vor allem auch, weil innerhalb weniger Monate der Schulstoff von zwei Schulstufen komprimiert gelehrt worden sei und zu lernen gewesen sei. Trotzdem habe S sich für das Fach Mathematik und Englisch für die Module des 5. und 6. Schuljahres angemeldet - die Anmeldung für ein Modul beinhalte in den meisten Fächern den Stoff von zwei Schulstufen, dh die Anzahl der Wochenstunden sei doppelt so hoch gewesen. Außerdem seien natürlich Hausaufgaben zu erledigen gewesen und für die nächsten Schulstunden habe er sich entsprechend vorbereiten müssen.
S habe Anfang 2022 parallel angefangen sich für einen Lehrberuf zu bewerben, um auf eine Lehre mit Matura umzusteigen. Das erste Hearing mit Workshop habe im April 2022 stattgefunden, leider habe er eine Absage bekommen. Mitte Mai 2022 sei der Stiefvater der Bf verstorben, zu dem S ein sehr enges Verhältnis gehabt habe, der zweite Grund, weshalb er sich für kein weiteres Modul oder ein anderes Fach bzw eine weitere Zulassungsprüfung angemeldet habe. Die Module seien nicht billig, die Zulassungsprüfungen ebenfalls, es sei also auch ein Kostenfaktor ins Spiel gekommen.
S bewerbe sich laufend und gebe nicht auf, eine Lehrstelle zu finden.
Die Bf möchte auf die soziale Phobie und Prüfungsangst des Sohnes nicht näher eingehen, sei aber überzeugt, dass der Weg, egal welchen er wählen würde, für ihn schwieriger sei, als für einen Mitmenschen ohne diese Problematik.
Die Frage der Bf, die bereits an das FA gestellt worden sei, sei im Vorhalt des BFG leider auch nicht beantwortet worden: die Bf habe zwei Bescheide erhalten, die aufgrund ihrer Angaben und Unterlagen die Bewilligung der Familienbeihilfe bestätigt hätten. Weshalb seien diese Bescheide jetzt nichtig und die bewilligten Zahlungen würden jetzt im Nachhinein zurückgefordert werden?
Die Bf sei mit der Rechtslage nicht vertraut. Es sei weder ihr noch ihrem Sohn bewusst gewesen, dass nur die Teilnahme an diesen Modulen es nicht rechtfertigen würden, Familienbeihilfe zu beantragen oder den Familienfreibetrag oder den Familienbonus plus beim Steuerausgleich anzuführen. Dass das Ablegen von Prüfungen in einem gewissen Zeitrahmen für den Erhalt dieser Zahlungen obligat sei, sei in dieser Deutlichkeit bei keinem ihrer Anträge für die Familienbeihilfe eingefordert worden und aus diesem Grund verstehe sie die Rückforderung nicht.
Sollte das BFG zur Entscheidung kommen, dass die Rückforderung zu Recht erfolgt sei, werde gleich angemerkt, dass die Bf den Betrag nur in Raten zurückzahlen könne. Die Bf sei Angestellte und zahle monatlich Raten für eine Eigentumswohnung und ein Auto.
Dieser Vorhaltsbeantwortung legte die Bf die Seiten 1 und 37 eines 41-seitigen psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom bei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Gesetzliche Grundlagen

Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ….

Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Ber uf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend näherer Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung vom , BGBl II 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. …

Der Grad der Behinderung und die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. …

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Steuerpflichtige, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 ein Kinderabsetzbetrag von 58,40 Euro zu (Satz eins). Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden (letzter Satz).

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erweisen anzusehen ist oder nicht.

2. Sachverhalt

Der am 09/00 geborene Sohn S erlangte am 09/18 die Volljährigkeit.

Am legte S laut dem vorgelegten Zeugnis vor der Externistenprüfungskommission die Pflichtschulabschluss-Prüfung an der NMS ab.

Im Anschluss daran besuchte S die Maturaschule Institut Dr. Rampitsch in Ort und belegte die Module Deutsch und Latein. Am stellte er über die Maturaschule ein Ansuchen um Zulassung zur Externistenreifeprüfung an die Externistenreifeprüfungskommission für AHS in Land am BG, BRG und WIKURG für Berufstätige Ort. Mit Entscheidung vom der Externistenprüfungskommission wurde S zu den Externistenprüfungen nach dem Lehrplan eines Oberstufenrealgymnasiums mit ergänzendem Unterricht in Biologie und Umweltkunde, Physik sowie Chemie zugelassen: Prüfungsgebiet Vorwissenschaftliche Arbeit: Funktion moderner Flugzeuge; Prüfungsgebiete der Klausurprüfungen: Deutsch, Englisch, Mathematik; Prüfungsgebiete der mündlichen Prüfung: Englisch, Geografie und Wirtschaftskunde sowie Psychologie und Philosophie. Laut der Entscheidung der Externistenreifeprüfungskommission ergibt sich im Falle von S der Umfang der Zulassungsprüfungen wie folgt:

Zur Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung müssen laut Bestätigung der Maturaschule Institut Dr. Rampitsch vom zuerst Zulassungsprüfungen aus maximal 14 Gegenständen abgelegt werden. Anschließend kann die Reifeprüfung abgelegt werden. Die Maturaschule Institut Dr. Rampitsch bereitet auf die Zulassungsprüfungen im Modulsystem vor. Das bedeutet, dass für manche Prüfungen (Deutsch, Mathematik, Englisch) eine Vorbereitung von bis zu 4 Semestern nötig sein kann, bevor die Zulassungsprüfung abgelegt werden kann. In den sogenannten Nebenfächern ist die Vorbereitung auf 2 bis 3 Monate beschränkt. Nach dem Besuch der Module kann zum nächstmöglichen Prüfungstermin die Prüfung abgelegt werden. Sollte ein Antritt nicht erfolgreich sein, kann der Antritt nach einer Sperrfrist von 1 Prüfungstermin frühestens zum übernächsten Termin wiederholt werden. Pro Fach kann eine Prüfung maximal 4 Mal (inkl. kommissioneller Prüfung) wiederholt werden. Pro Schuljahr stehen den Prüfungskandidatinnen und -kandidaten 6 Termine zur Verfügung, bei welchen eine oder mehrere Prüfungen abgelegt werden können. Von Seiten der Maturaschule wird aufgrund des Stoffumfanges empfohlen, maximal 2 Fächer bei einem Termin abzulegen.

Am trat S zur Zulassungsprüfung im Fach Deutsch an und bestand diese Prüfung nicht. Die Wiederholung dieser Prüfung wäre nach den Sommerferien im Oktober 2021 möglich gewesen. S ist zu dieser Wiederholungsprüfung nicht angetreten.

Am meldete sich S bei der Maturaschule Institut Dr. Rampitsch für die Kurse Modul Mathematik 5 und Modul Englisch 5 an:
Der Stundeplan sah für S so aus: Montag - 8:30 Uhr bis 12:35 Uhr Englisch und Mittwoch - 8:30 Uhr bis 12:35 Uhr Mathematik. Die Kurskosten betrugen 1.026,00 Euro für das Modul Mathematik 5 und das Modul Englisch 5.

Die Standortleiterin der Maturaschule, Mag. D, wies den Sohn der Bf auf die Möglichkeit hin, anstelle von Einzelbuchungen der Fächer die Semesterpauschale oder Jahrespauschale zu wählen. Grundsätzlich umfassen die Pauschale die Hauptfächer und zwei bis drei Nebenfächer/Semester sowie fünf bzw zehn Einheiten Coaching. Der Sohn machte von diesem Angebot keinen Gebrauch.

Anfang 2022 hat S begonnen, sich für einen Lehrberuf zu bewerben, um auf eine Lehre mit Matura umzusteigen.

Laut einer klinisch-psychologischen Stellungnahme des Dr. A, klinischer und Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut (Existenzanalyse), vom befindet sich S bei ihm seit zur Behandlung einer sozialen Phobie (ICD 10 F40.1) in psychotherapeutischer Behandlung. Personen mit sozialer Phobie leiden unter der Furcht von prüfender Betrachtung anderer Menschen, die zur Vermeidung sozialer Situationen führt. Während Online-Unterricht davon nicht betroffen ist, tritt die soziale Phobie bei S insbesondere bei Prüfungen zu Tage und erschwert deren Absolvierung erheblich. Bereits am wurde durch Dr. A1, Facharzt für Psychiatrie, in einem psychiatrischen Sachverständigengutachten auf Seite 37 die Diagnose einer Angst- und Panikstörung im Sinne einer Sozialphobie (ICD F40.1) gestellt.

In einer an die Bf adressierten "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" vom führte das FA aus, dass der Anspruch der Bf auf Familienbeihilfe hinsichtlich ihres Sohnes S überprüft wurde und von Jänner 2014 bis Februar 2019 sowie von September 2019 bis September 2021 gewährt werden kann. Einer weiteren "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" vom ist zu entnehmen, dass die Familienbeihilfe von Jänner 2014 bis Februar 2019 und von September 2019 bis Juni 2022 gewährt werden kann. Angemerkt wird in beiden Schriftsätzen: "Bitte teilen Sie uns Tatsachen, die bewirken können, dass Ihre Ansprüche erlöschen und Änderungen der in Ihrem Antrag angeführten Daten auch im eigenen Interesse umgehend mit. Sie vermeiden so Rückforderungen, wenn ihr Kind z.B. die Berufsausbildung beendet oder eigene Einkünfte hat."

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den dem BFG vorgelegten Aktenteilen, den Angaben der Bf sowie aus der Einsichtnahme in die Familienbeihilfendatenbank und ist insoweit als unbedenklich anzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

Einleitend ist festzuhalten, dass die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein. (Vgl ).

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob der damals volljährige Sohn der Bf aufgrund einer Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung für einen Beruf ausgebildet wurde und daher Anspruch auf Familienbeihilfe bestand.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Ausbildungsfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. (Vgl , ).

Die geforderten Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann vorliegen, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen will und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereitet. Das wird anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antritt. (Vgl ).

Was unter "volle Zeit" zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich eine klare Aussage. Auch im Fall des Besuches einer Maturaschule zur Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung führt der Verwaltungsgerichtshof nur allgemein aus, der laufende Besuch einer Maturaschule reiche für sich alleine nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 anzunehmen, das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg manifestiere sich vielmehr im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen. Zwar sei nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen. (Vgl , , )

Ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen wird nicht schon dann in Abrede zu stellen sein, wenn ein Kind mit vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug gerät. Eine Ausbildung jedoch, bei der schon bald nach ihrem Beginn Prüfungen abzulegen sind, bei der das Kind aber während langer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden. (Vgl )

Generell liegt ein dem Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 genügender Zeitaufwand nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Gesamtzeitaufwand, welcher neben dem Besuch von Lehrveranstaltungen bzw Kursen auch Vorbereitungszeiten und die Absolvierung von Prüfungen und die Zeiten für Hausaufgaben bzw Haus- oder Seminararbeiten umfassen kann, von mindestens 30 Wochenstunden anfällt. Das BFG nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. (Vgl Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 40, , , ).

Zu § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass die Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich ist. Hierzu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, oder Urlaube und Schulferien. Bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung bleibt hingegen der Familienbeihilfenanspruch nicht bestehen, weil die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht ist. (Vgl , , VwGH 16-11-1993, 90/14/0108).

Durch die Einführung der Ausnahmeregelung des § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 wollte der Gesetzgeber den erschwerten Ausbildungs- bzw Studienbedingungen für behinderte Kinder Rechnung tragen (ErlRV zu BGBl 201/1996, 72 BlgNR 20. GP 295). Er hat damit auch zum Ausdruck gebracht, dass bei der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer Berufsausbildung eines behinderten Kindes jedenfalls ein Maßstab anzulegen ist, der sich zwar an der Beurteilung dieses Umstandes nach dem Grundtatbestand des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 - wie in der Rechtsprechung dargestellt - zu orientieren hat, darüber hinaus aber auch die für behinderte Kinder mit einem Studium verbundenen Schwierigkeiten zu berücksichtigen sind. Dabei hatte der Gesetzgeber wohl auch häufigere Unterbrechungen der Berufsausbildung etwa wegen Krankheit im Auge. (Vgl ).

Ob von einem Kind eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 absolviert wird, ist letztlich eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs 2 BAO zu beantworten hat. (Vgl , ).

Des Weiteren tritt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund, wenn es um abgabenrechtliche Begünstigungen geht; es liegt an der Partei, die Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen. Der eine Begünstigung in Anspruch Nehmende hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden können. Es besteht diesbezüglich also eine Behauptungs- und Nachweispflicht des Begünstigungswerbers. (Vgl , , , ).

Diese Rechtsausführungen bedeuten für den gegenständlichen Fall Folgendes:

Unbestritten ist im gegenständlichen Fall, dass der Sohn der Bf im Dezember 2020 zu den Zulassungsprüfungen zur Externistenreifeprüfung zugelassen wurde und insgesamt 14 Zulassungsprüfungen abzulegen hat(te) (vgl Verfahrensgang und Pkt 2 Sachverhalt).

Im Hinblick auf den Antritt zur Zulassungsprüfung im Fach Deutsch steht mittlerweile für die im angefochtenen Rückforderungsbescheid vom ebenfalls erfassten Monate April 2021 bis einschließlich Mai 2021 das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b EStG 1988 außer Streit. (Vgl Verfahrensgang).

Tatsächlich legte S im Mai 2021 eine Zulassungsprüfung im Fach Deutsch ab, bestand diese Prüfung aber nicht. Zu einer im Oktober 2021 grundsätzlich möglichen Wiederholungsprüfung trat S nicht an. Letztlich legte er von Juni 2021 bis Juni 2022 (Ende des Streitzeitraumes) keine weiteren Prüfungen ab, wie aus der am getätigten Aussage der Bf, dass keine Nachweise über abgelegte Prüfungen vorhanden sind, abzuleiten ist. S trat somit während eines Zeitraumes von 13 Monaten zu keiner einzigen Prüfung mehr an. (Vgl Pkt 2 Sachverhalt und Verfahrensgang)

Im Hinblick darauf, dass S 14 Zulassungsprüfungen abzulegen hat und dass er seit seiner Zulassung zur Externistenreifeprüfung im Dezember 2020 ab der einzigen (negativ) absolvierten Zulassungsprüfung im Mai 2021 keine einzige weitere Zulassungsprüfung bis Juni 2022, also während eines Zeitraumes von 13 Monaten absolvierte, obwohl laut Auskunft des Instituts Dr. Rampitsch pro Schuljahr den Prüfungskandidatinnen und -kandidaten sechs Termine zur Verfügung gestellt werden (vgl. Pkt 2 Sachverhalt), spricht gegen ein nach außen erkennbares, ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungserfolg. Bei dieser Sachlagekann keine Rede davon sei, dass durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versucht worden sei, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Externistenreifeprüfung zu erfüllen.

Nach der (negativen) Ablegung der Zulassungsprüfung im Fach Deutsch im Mai 2021 belegte S im Wintersemester 2021/22 laut dem von der Bf vorgelegten, zwischen S und der Maturaschule (Mag. D) erfolgten eMailverkehr das Modul Mathematik 5 und das Modul Englisch 5. Trotz der von Seiten der Maturaschule angebotenen Semesterpauschale oder Jahrespauschale, die grundsätzlich die Hauptfächer und zwei bis drei Nebenfächer pro Semester und zusätzlich fünf bzw 10 Einheiten Coaching umfassen, beschränkte sich S von Beginn des Wintersemester 2021/221 an auf zwei Module.

Aus diesem eMailverkehr ist der ab gültigen Stundenplan der Maturaschule ersichtlich. Laut diesem Stundenplan fand das Modul Englisch 5 jeweils am Montag von 8:30 bis 11:45 statt. Das Modul Mathematik 5 wurde jeweils am Mittwoch von 8:30 Uhr bis 12:35 Uhr angeboten. Mag. D bestätigte im eMail vom diesen für den Sohn maßgeblichen Stundenplan. Es ist daher aufgrund des der Bf selbst vorgelegten eMailverkehrs davon auszugehen, dass der Sohn im Modul Englisch 5 drei Wochenstunden und im Modul Mathematik 5 vier Wochenstunden, insgesamt somit sieben Wochenstunden, belegte. Einen Nachweis dafür, dass ihr Sohn weitere Module gebucht hätte, erbrachte die Bf nicht. So legte die Bf trotz Anfrage des FA mit dem "Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" vom ua zur Vorlage eines "Tätigkeitsnachweises" keine weiteren Unterlagen über gebuchte Module vor, sondern hielt kurz fest, dass nichts vorhanden sei, zu ihren Angaben in der Vorhaltsbeantwortung vom reichte die Bf ebenfalls keine Unterlagen nach. Die allgemein gehaltene Darstellung der Bf in der Vorhaltsbeantwortung , wonach die Anmeldung für ein Modul in den meisten Fächern immer den Stoff von zwei Schulstufen beinhalte und daher die Anzahl der Wochenstunden doppelt so hoch gewesen sei, wird durch den von der Bf selbst vorgelegten eMailverkehr zu den von S tatsächlich gebuchten Modulen nicht bestätigt. (vgl Verfahrensgang und Pkt 2 Sachverhalt)

Selbst wenn der Bf während des Wintersemester 2021/22 mitlernte und von einer zeitlichen Zusatzbelastung für das Selbststudium auszugehen ist, müsste diese Vorbereitungszeit mehr als das Vierfache der absolvierten sieben Unterrichtsstunden betragen, um auf eine zeitliche Intensität von zumindest bzw mehr als 30 Wochenstunden zu kommen. Dies ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil der Sohn während dieses Semester zu keiner Prüfung antrat und es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass eher in kurzem Abstand zum Prüfungstermin die Lernphasen intensiviert werden. Dass während dieses Semesters derart intensive zeitlichen Lernphasen erfolgt seien, dazu liegen keine substantiellen Beweise oder Glaubhaftmachungen vor.

Die Bezahlung der beiden Einzelbuchungen kann im gegenständlichen Fall ebenfalls nicht als Indiz für ein zielstrebiges und ernsthaftes Bemühen um den Ausbildungserfolg herangezogen werden, da entgegen dem für ein zielstrebiges Bemühen sinnvollen Angebot eines Jahrespauschales oder eines Semesterpauschales zu Beginn des Wintersemesters 2021/22 lediglich die Einzelbuchungen von zwei Modulen vorgenommen wurden.

Die Tatsache, dass ab Beginn des Jahres 2022 S nach den Angaben der Bf einen Lehrplatz suchte, spricht aus der Sicht des BFG dafür, dass S mit Ablauf des Wintersemesters 2020/21 eine tatsächliche Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung zur Gänze abbrach. Dafür spricht auch, dass er in weiterer Folge im Sommersemester 2022 keine weiteren Module buchte oder zu Zulassungsprüfungen antrat.

Das BFG geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass sich S ab Juni 2021 bis Juni 2022 in keiner dem § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 entsprechenden Berufsausbildung mehr befand: Er legte ab dem Beginn des Wintersemesters 2021/22 keine einzige Zulassungsprüfung ab. Zudem besuchte er im Wintersemester 2021/22 lediglich 2 Module (Englisch 5 und Mathematik 5) im Ausmaß von insgesamt sieben Stunden, die nicht die volle Zeit des Sohnes gebunden haben können, zumal in diesen Fächern keine Prüfungen absolviert wurden. Es lag somit bis zum Ende des Wintersemesters 2021/22 kein erforderliches ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen um den Ausbildungserfolg vor. Für das Sommersemester 2022 spricht nichts dafür, dass eine tatsächliche Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung aufrechterhalten wurde. Es ist vielmehr aufgrund der begonnen Suche nach einer Lehrstelle von einem endgültigen Abbruch dieses Ausbildungsversuches auszugehen; die Buchung weiterer Module und die Anmeldung zu Zulassungsprüfungen erfolgte nicht mehr.

Die dokumentierte Erkrankung des Sohnes der Bf kann aus nachfolgenden Gründen nicht zum Erfolg verhelfen:

Eine Erkrankung eines volljährigen Kindes, auch wenn diese schwer ist, vermittelt gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 grundsätzlich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Krankheit kann im Rahmen einer Berufsausbildung gemäß § 2 Abs 1 lit b dann von Bedeutung sein, wenn sie zu einer zeitlich begrenzten Unterbrechung der bereits begonnenen Berufsausbildung führt. Eine erhebliche Behinderung kann gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 eine verlangsamte Berufsausbildung rechtfertigen. Weiters ist eine Krankheit gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 unter bestimmten Voraussetzungen beachtlich, wenn diese eine Behinderung darstellt, die zur Folge hat, dass das Kind voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, worauf es im gegenständlichen Fall keine Hinweise gibt. (vgl. ).

Aus der vorgelegten klinisch-psychologischen Stellungnahme vom geht hervor, dass der Sohn der Bf zur Behandlung einer sozialen Phobie seit in psychotherapeutischer Behandlung ist und dass diese soziale Phobie bei S insbesondere bei Prüfungen zu Tage tritt und deren Absolvierung erheblich erschwert. Bereits in einem ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde die Diagnose einer Angst- und Panikstörung im Sinne einer Sozialphobie erstellt. Aus der ärztlichen Stellungnahme und dem bereits im Dezember 2018 erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten kann nicht abgeleitet werden, dass erst nach der Zulassung zur Externistenreifeprüfung im Dezember 2020 bis Jänner 2022 und nach Antritt zur Zulassungsprüfung im Fach Deutsch im Mai 2021 für einen genau eingegrenzten Zeitraum das Ablegen von Prüfungen oder aber der Besuch von Unterrichtseinheiten krankheitsbedingt nicht möglich gewesen wäre. Tatsächlich bestand die Krankheit bereits vor der Anmeldung zur Zulassung zur Externistenreifeprüfung im November 2020 und sogar vor dem erfolgreichen Ablegen des Pflichtschulabschlusses im September 2020 und machte auch den Antritt zur Prüfungen nicht gänzlich unmöglich wie die positiv abgelegte Pflichtschulabschluss-Prüfung im September 2020 und der Antritt zur Zulassungsprüfung im Mai 2021 beweisen. Weder die ärztliche Stellungnahme vom noch das ärztliche Sachverständigengutachten vom bieten somit eine Grundlage dafür, dass ab Juni 2021 von einer Unterbrechung der im Herbst 2020 begonnen Ausbildung (Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung) wegen einer Krankheit von begrenzter Dauer auszugehen ist. Eine für den Familienbeihilfenanspruch unschädlichen Unterbrechung der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ist somit nicht erwiesen. (Vgl Pkt 2 Sachverhalt)

Davon abgesehen forderte die Bf - trotz eines Hinweises des BFG im Vorhalt vom - kein Sachverständigengutachten vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen an. Es besteht somit kein Nachweis für eine erhebliche Behinderung ihres Sohnes für die noch zu beurteilende Zeit ab Juni 2021. Eine (teilweise) Gewährung von Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs 1 lit h FLAG 1967 kommt daher nicht in Betracht. (Vgl Pkt 2 Sachverhalt und Verfahrensgang)

Für die Monate Juni 2021 bis Juni 2022 besteht somit kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs 1 lit b oder h FLAG 1967.

Die an die Bf ergangenen "Mitteilung(en) über den Bezug der Familienbeihilfe" vom und vom (vgl Pkt 2 Sachverhalt) basieren auf § 12 FLAG 1967. Eine solche "Mitteilung" gemäß § 12 FLAG 1967 ist kein Bescheid im Sinne der Bestimmungen der §§ 92 und 93 BAO. Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. (Vgl , , , , Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg.), FLAG2, § 12 Rz 5).

Mangels Bescheidqualität können aus einer "Mitteilung" über die voraussichtliche Dauer eines Beihilfenanspruches keine Rechtsansprüche abgeleitet werden. Sie kann nicht in Rechtskraft erwachsen und somit auch nicht die mit der materiellen Rechtskraft verbundenen Wirkungen (Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit) entfalten Eine "Mitteilung" kann somit auch einer Rückforderung bezogener Familienbeihilfe nicht entgegenstehen. Der Beihilfenanspruch endet nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 bei Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen und nicht durch Ablauf des in einer "Mitteilung" genannten Zeitraumes. (Vgl , , , ).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen, also auf das bloße Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug, an. (vgl. zB , ).

Die objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht (mehr) gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen kein Ermessensspielraum bleibt. (Vgl ).

In den Monaten Juni 2021 bis Juni 2022 wurden die in § 2 lit b oder h FLAG 1967 normierten Anspruchsvoraussetzungen für einen rechtmäßigen Bezug der Familienbeihilfe nicht erfüllt. In den Monaten April und Mai 2021 lag demgegenüber unstrittig eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 FLAG 1967 vor. Die Rückforderung der Familienbeihilfe erfolgte somit für den Zeitraum Juni 2021 bis Juni 2022 im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und der Judikatur des Verwaltungsgerichshofes.

Wurden, wie gegenständlich mangels Familienbeihilfenanspruch, auch Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist ebenfalls § 26 FLAG 1967 anzuwenden. Die Ausführungen zur Familienbeihilfe gelten somit auch für den Kinderabsetzbetrag. (Vgl ).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Was das Vorbringen der Bf zu ihrer finanziellen Situation und der aus ihrer Sicht bestehenden Notwendigkeit einer Ratenzahlung betrifft, so wird darauf hingewiesen, dass ein Antrag gemäß § 212 BAO auf Zahlungserleichterung beim FA einzubringen ist. Eine Zahlungserleichterung nach § 212 BAO ist nicht Gegenstand des anhängigen Beschwerdeverfahrens. Die Möglichkeit einer Ratenzahlung wäre vielmehr in einem gesonderten Verfahren beim FA zu prüfen.

4. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG).

Die Entscheidung des BFG basiert auf den zitierten Gesetzesstellen und der dazu ergangenen einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Lösung der Frage, ob eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 FLAG 1967 vorliegt, ist anhand tatsächlicher Umstände zu beurteilen. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at