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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.04.2023, RV/7106044/2015

Aufhebung eines begründungslosen Wiederaufnahmebescheides

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom betreffend die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zunächst wurde der Bf. mit Bescheid vom gemäß seiner Arbeitnehmererklärung zur Einkommensteuer 2012 veranlagt, wobei nämlicher Bescheid in Rechtskraft erwuchs.

Am erging an den Bf. ein Vorhalt, demgemäß dieser vom Finanzamt ob der Tatsache einer nach dem erfolgten privaten Grundstücksveräußerung um Nachreichung von in diesem Konnex stehender Belege (Kaufvertrag, Bestätigung der Gemeinde betreffend etwaig seit dem erfolgter Umwidmungen etc.) ersucht wurde.

In seinem Antwortschreiben vom gab der Bf. bekannt, dass in Ansehung der Tatsache, dass die in ***1*** domizilierte, im Jahr 2012 veräußerte Wohnung in den Jahren 2008 bis 2012 als dessen Hauptwohnsitz gedient habe, der Befreiungstatbestand nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 erfüllt worden sei. Demzufolge habe der Bf. auch von einer Meldung der Veräußerung Abstand genommen.

Mit Bescheid vom verfügte die belangte Behörde gemäß § 303 Abs. 1 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 (Bescheid vom ) wobei, die dieser wortwörtlich mit "gemäß Mitteilung Gebührenamt" begründet wurde.

Mit Bescheid gleichem Datums wurde - auf Basis der verfügten Wiederaufnahme - ein neuer, die Grundstückstransaktion als steuerpflichtig behandelnder Sachbescheid betreffend die Einkommensteuer 2012 erlassen.

Mit Eingabe vom wurde seitens des Bf. unter anderem auch gegen den die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012 verfügenden Bescheid Beschwerde erhoben und ob Vorliegens des Befreiungstatbestandes nach § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 die Aufhebung desselben beantragt.

Darüber hinaus beantragte der Bf. die Entscheidung durch den Senat gemäß § 272 Abs. 2 BAO sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß 274 Abs. 1 BAO.

In der Begründung der das Rechtsmittel abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die, die am erfolgte Veräußerung der Wohnung dokumentierende Kontrollmitteilung des Gebührenamtes für das Finanzamt - bezogen auf den Zeitpunkt der erklärungsgemäßen Veranlagung -als neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO zu qualifizieren sei und die Kenntnis desselben auf den in Verbindung mit dem Umstand, dass weder der vom Bf. monierte, nach jener auf § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 fußende Hauptwohnsitzbefreiungstatbestand erfüllt sei, einen im Spruch anderslautenden Einkommensteuerbescheid 2012 herbeigeführt hätte.

Angesichts vorstehender Ausführungen und unter Berücksichtigung der dem behördlichen Ermessen zu Grunde legenden Parametern sei die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012 völlig rechtens erfolgt.

In der Folge wurde gegen vorgenannte BVE wurde mit Eingabe vom ein Vorlageantrag gestellt.

Mit Eingabe des Bf. vom wurden die in Eingaben vom sowie gestellten Anträge auf Erledigung der Beschwerde durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012

Vor dem Hintergrund des an oberer Stelle dargelegten Verwaltungsgeschehens steht die Rechtsmäßigkeit der Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012 auf dem Prüfstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

In Ansehung der Tatsache, dass der in Beschwerde gezogene Wiederaufnahmebescheid vom - ungeachtet dessen, dass dieser schon im Spruch, ob des bloßen Hinweises auf die Bestimmung des § 303 Abs. 1 BAO - den seitens der Behörde exakt herangezogenen Wiederaufnahmetatbestand vermissen lässt -, exklusiv mit der Begründung "gemäß Mitteilung Gebührenamt" ausgestattet ist, war der Beschwerde aus nachstehenden Überlegungen Folge zu geben:

Einleitend ist anzumerken, dass nach einhelliger Ansicht im verfahrensrechtlichen Schrifttum und der der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Wiederaufnahmegründe in der Begründung anzuführen sind.

Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH (zB ; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie habe lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen.

Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar" (vgl BMF, AÖF 2006/192, Abschn. 4; RV/0316-F/07; , RV/0086-F/07; Fischerlehner, Abgabenverfahren 2, § 303 Anm 4; ; , RV/7101420/2019; , RV/2100646/2020).

Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 307, Tz 3)

In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass der bloße Hinweis auf eine Mitteilung des Gebührenamtes den - an oberer Stelle dargelegten, an eine taugliche Begründung gestellten höchstgerichtlichen Postulaten - in keinster Weise Rechnung trägt, respektive die in der BVE nachgeholte Begründung der Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2012 für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des evidenter Maßen begründungslos ergangenen Wiederaufnahmebescheides vom ohne Belang ist, war wie im Spruch zu befinden.

Hinweis auf die Rechtsfolge des§ 307 Abs. 3 BAO

Wird der angefochtene Wiederaufnahmebescheid im Bescheidbeschwerdeverfahren aufgehoben, so tritt nach § 307 Abs. 3 BAO das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Durch die Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides scheidet somit ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus (; , 2006/15/0353; , 2010/17/0122), der alte Sachbescheid lebt wieder auf (z.B. , 0017; , 2009/15/0170).

Mit anderen Worten ausgedrückt bewirkt die verwaltungsgerichtliche Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides somit einerseits das Außerkraftteten des mit datierten, - ebenfalls in Beschwerde gezogenen - Einkommensteuerbescheides 2012, andererseits das Wiederaufleben des Einkommensteuerbescheides 2012 vom .

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor da das Erkenntnis einerseits direkt auf den gesetzlichen Grundlagen der BAO fußt und andererseits das BFG auch nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106044.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at