Familienbeihilfen-Anspruch im ersten Studienjahr - Inskriptionsbestätigung allein genügt nicht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag vom betreffend die Rückforderung der Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) und des Kinderabsetzbetrages für Kind, geb. xx.xx.1998, für den Zeitraum August 2018 bis September 2019, SV-Nr: ***1***, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe stellte das Finanzamt fest, dass der im Spruch genannte Sohn des Beschwerdeführers (Bf.) nach der bestandenen Reifeprüfung am sowohl im Jahrgang 2018/19 als auch im Jahrgang 2019/20 im ersten Jahrgang des Universitätsstudienprogramms 1. Stufe für das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ort (Slowenien) inskribiert war. Der Bf. und seine Ehegattin sind in Österreich wohnhaft und erwerbstätig. Die Familie besitzt die slowenische Staatsbürgerschaft und lt. den Angaben im Formular E 401 wohnen der Beschwerdeführer, seine Ehegattin und die beiden Söhne Kind und ***2*** im gemeinsamen Haushalt in Adr. in SLO.
Für den Nachweis der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten des Sohnes wurden Überweisungsbelege für die regelmäßigen monatlichen Ausgaben am Wohnort des Sohnes in Ort übermittelt und die Eltern bestätigten, dass der Sohn für seine Lebenshaltungskosten Bargeld erhalte.
Trotz zweimaliger Aufforderung durch das Finanzamt legte der Beschwerdeführer neben der vorgelegten Inskriptionsbestätigung der Universität Ort (in deutscher Sprache) keinen Studienerfolgsnachweis seines Sohnes für das erste Studienjahr vor. Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass er für den Familienbeihilfenanspruch für seinen Sohn sämtliche erforderlichen Nachweise vorgelegt habe.
In der Folge wurde vom Finanzamt am ein Bescheid über die Rückforderung der Ausgleichszahlung und des Kinderabsetzbetrages für den Sohn für den Zeitraum August 2018 bis September 2019 in Höhe von insgesamt 2.706,63 € erlassen. In der Begründung wurde unter Zitierung des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 ausgeführt, dass Familienbeihilfenanspruch nur dann bestehe, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werde. Das sei dann anzunehmen, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde und führte in der Begründung aus, dass es ausreichend sei, wenn sein Sohn an der Universität Ort den Studentenstatus habe. Weiters zitiert er die Regeln, welche mit dem Statut der Universität Ort festgelegt seien und bringt weiters vor, dass im Laufe des bisherigen Verfahrens dem Finanzamt sämtliche Bescheinigungen und angeforderten Formulare vorgelegt worden seien, einschließlich einer Übersetzung.
Daraufhin wurde der Bf. im Zuge eines weiteren Ersuchens um Ergänzung nochmals kontaktiert und gebeten, die vom ihm genannten Bescheinigungen nachzureichen (Zeugnisse aus dem ersten Studienjahr als Nachweis, dass das Studium an der Universität Ort im Studienjahr 2018/19 zielstrebig und ernsthaft betrieben wurde) und zu erklären, warum sein Sohn im Studienjahr 2019/20 wieder im 1. Studienjahr an der Universität Ort geführt werde, obwohl er bereits im Studienjahr 2018/19 im 1. Studienjahr war und eigentlich im Studienjahr 2019/20 bereits im 2. Studienjahr sein müsste.
In der Vorhaltsbeantwortung gab der Bf. an, dass er die Immatrikulationsbescheinigung (dies ist das vom Bf. angesprochene "Zeugnis") bereits vorgelegt habe und dass dies laut Statuten der Universität Ort genüge, um in Ausbildung zu stehen und Anspruch auf Familienleistungen zu haben.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für den Sohn Kind, geb. xx.xx 1998, wurde der Beschwerdeführer (Bf) aufgefordert, einen Studienerfolgsnachweis für Kind für das Studienjahr 2018/2019 - Kreditpunkte - übersetzt, das heißt, vom ersten Studienjahr an der Universität Ort, für das Studium Programm 1. Stufe Wirtschaftswissenschaften vorzulegen.
Am wurde das Datenblatt abgegeben. Dem Datenblatt lagen bei: eine Einschreibungsbestätigung der Universität Ort vom , wo der Sohn Kind im Studium Jahrgang 2019/2020 wieder im ersten Jahrgang der Universität Studium Programm 1. Stufe Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben ist, das Formular E401vom , wo von der slowenischen Behörde ein gemeinsamer Haushalt in Adr. in SLO mit dem Beschwerdeführer, seiner Ehefrau und den beiden Söhnen Kind und ***2*** bescheinigt ist, sowie diverse Kontoauszüge über die Zahlung der regelmäßigen monatlichen Ausgaben am Wohnort von Kind und ein Schreiben des Bf, dass er das Geld für Lebenshaltungskosten dem Sohn Kind in bar übergibt.
Da der angeforderte Studienerfolgsnachweis für Kind aus dem ersten Studienjahr 2018/19 dem Datenblatt nicht beilag, wurde der Bf am aufgefordert, bis spätestens eine Bestätigung über abgelegte Prüfungen von Kind an der Uni in deutscher Übersetzung vorzulegen, mit dem Hinweis, dass diese Bestätigung von der slowenischen Uni ausgestellt wird.
Der Bf kam dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach.
Daraufhin wurde am eine Erinnerung mit dem gleichen Ersuchen und mit Frist an den Bf versendet.
Am tätigte der Bf folgende schriftliche Aussage: "Wir sind überzeugt, dass wir, im Sinne der geltenden Gesetze und Vorschriften, betreffend den Anspruch auf Familienbeihilfe für unser Kind Kind alle gesetzlichen Nachweise gefordert sind.
Aus den vorlegenden Zeugnissen geht hervor, dass bei Kind alle vorgeschriebenen Bedingungen UNI Ort, für das Ordentliche Studium während des Schuljahres 2019/2020 erfüllt sind. Wir bitten ihnen, auf diesen Grundlagen, eine Entscheidung zu treffen."
Bei den vom Bf angesprochenen "Zeugnissen" handelt es sich um die Immatrikulationsbescheinigung der Universität Ort, dies wurde vom Finanzamt mit dem Ersuchen um Ergänzung vom und der Beantwortung des Bf vom nun endgültig geklärt.
Ein Studienerfolgsnachweis aus dem ersten Studienjahr 2018/19 aus dem Studium 1. Stufe Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ort, der belegt, dass Kind das Studium im Studienjahr 2018/19 zielstrebig und ernsthaft betrieb, wurde vom Bf bis dato nicht vorgelegt.
Gesetzliche Grundlagen:
Für volljährige Kinder steht Familienbeihilfe nur unter bestimmten, im § 2 Abs. 1 lit. b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung genannten Voraussetzungen zu.
Als anspruchsbegründend wird Folgendes bestimmt:
• Zeiten einer Berufsausbildung bzw. -Fortbildung
• Zeiten zwischen dem Abschluss einer Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung
• das dauernde Unvermögen, sich selbst wegen einer Behinderung Unterhalt zu verschaffen.
Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinnes des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.
Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessen Zeitraums antritt.
Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinne ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. Dazu ist es auch erforderlich, die vorgesehenen Lehrveranstaltungen regelmäßig zu besuchen und zu den erforderlichen Prüfungen anzutreten.
Zudem muss die Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , , , und ). Der Ausbildungserfolg wird durch den positiven Abschluss erreicht.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher Student im Studienjahr Prüfungen im Umfang von etwa 60 ECTS Punkten erreichen sollte.
Der Nachweis der Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zu beurteilen.
Richtwert für den Bezug der Familienbeihilfe:
Erreichung von etwa 16 ECTS pro Studienjahr unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles:
-kontinuierlicher Studienerfolg (wenn auch fallweise mit weniger erreichten ECTS)
-durchgehende Berufsausbildung/Zielstrebigkeit
-regelmäßige Besuche von Lehrveranstaltungen
-Prüfungsantritte (wenn auch ev. mit negativem Erfolg)
Bei Auslandsstudien ist nach ähnlichen Gesichtspunkten im Rahmen der freien Beweiswürdigung die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit beim jeweiligen Studium zu beurteilen.
Diese Voraussetzung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, da die Frage, ob der Sohn seine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 ernstlich und zielstrebig betrieben hat, eine in freier Beweiswürdigung zu beurteilende Sachverhaltsfrage ist, wobei der Sachverhalt, dass für den Sohn keine Nachweise vorgelegt werden konnten (der Bf wurde dreimal erfolglos aufgefordert, Bestätigungen bzw. Zeugnisse über Prüfungsantritte des Sohnes Kind vorzulegen), dass er sein Studium im Studienjahr 2018/19 zielstrebig und ernsthaft betrieb, zweifelsfrei festgestellt werden konnte.
Die Rückforderung besteht daher zu Recht."
Daraufhin stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und führte begründend aus:
"Ich finde, das Finanzamt ***3***, bei der Bestimmung des Anspruch auf Familienbeihilfe für den Son Kind, geb.xx.xx.1998, stellt fälschlicherweise fest, dass ich keine ausreichenden Beweise vorgelegt habe.
Ich habe die entsprechenden Zertifikate für den fraglichen Zeitraum eingereicht, nämlich die Immatrikulationsbescheinigung.
Die Bescheinigung hat den Status eines öffentlichen Urkunden.
Das Bescheinigung ist das einzige gültige Dokument in der Regelung von Angelegenheiten, die den Status eines Studenten in allen staatlichen Verwaltungsbehörden in der Republik Slowenien betreffen.
Die Bescheinigung, in Original- und deutscher Übersetzung, waren dem Antrag für das Schuljahr 2018/2019 und 2019/2020, beigefügt.
Die Verordnung (EU) 2016/ 1191 vom , schreibt detailliert die Verwendung und Anerkennung eines öffentlicher Urkunden zwischen den EU-Mitgliedstaaten vor.
Die eingereichten Unterlagen (die Immatrikulationsbescheinigung) haben den Status eines öffentlicher Urkunden und sind, in dem Sinne Die Verordnung 2016/1191 zu Anerkennen.
Indem, das Finanzamt ***3***, das öffentliche Dokument (öffentlicher Urkunden) des EU-Mitgliedstaats nicht anerkennt, beeinträchtigt es die Autonomie und Souveränität der Slowenische Universität und die Rechtsordnung R.Slowenien."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe
[…]
lit. b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. I 118/2015 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Gemäß § 115 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.
Nach § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.
Nach § 138 BAO haben auf Verlangen der Abgabenbehörde die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.
Nach der Judikatur tritt die amtswegige Ermittlungspflicht gegenüber der Behauptungs- und Mitwirkungspflicht in den Hintergrund, wenn die Behörde nur auf Antrag tätig wird ().
Darüber hinaus tritt der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung nach Ansicht des VwGH generell bei Begünstigungsbestimmungen in den Hintergrund (zB ; , 99/13/0070; , 2003/13/0117; , Ro 2018/15/0025).
Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts findet jedenfalls dort ihre Grenzen, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (, 94/15/0181 und ).
Nach der Rechtsprechung liegt eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei (eine in den Hintergrund tretende amtswegige Ermittlungspflicht) insbesonders dann vor, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben (; , 95/14/0145). Diesfalls bestehe somit eine erhöhte Mitwirkungspflicht, eine Beweismittelbeschaffungspflicht und eine Vorsorgepflicht (vgl. zB ; , 2008/15/0046).
Während im FLAG keine nähere Definition enthalten ist, was allgemein unter Berufsausbildung zu verstehen ist, gibt § 2 Abs. 1 lit b (zweiter bis letzter Satz) genau vor, unter welchen Voraussetzungen sich ein studierendes Kind in Berufsausbildung befindet (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 53).
Als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr gilt die Aufnahme als ordentlicher Hörer.
Wird jedoch über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vorneherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt, liegt auch noch keine Berufsausbildung vor ().
Das Ablegen von Prüfungen und der Besuch von Lehrgangsveranstaltungen sind essenzielle Bestandteile um eine Berufsausbildung als Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Familienbeihilfe anzuerkennen ( RV/0258-G/03; ; , RV/7104777/2015); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 59).
Der Aufwand für ein Studienjahr beträgt 60 ECTS-Punkte (entspricht einem Jahres-Arbeitspensum von 1500 Echtstunden).
Der laut FLAG erforderliche Leistungsnachweis von 16 ECTS-Punkten orientiert sich an den acht Semesterstunden. Es handelt sich um etwas mehr als die Hälfte des für ein Semester festgelegten Aufwandes, der bei der Familienbeihilfe in Bezug auf ein ganzes Studienjahr gilt. Dem Zweck der Familienbeihilfe entsprechend sind die Anforderungen des Leistungsnachweises - im Vergleich zum StudFG - geringer.
Da es sich bei der Familienbeihilfe um eine Familienleistung im klassischen Sinne und um keine unmittelbare Form der Studienförderung handelt, ist das relativ niedrig angesetzte Anforderungsniveau vertretbar (115/ME 23. GP zu Z 1); (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 70).
Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung
- einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums (Medizinstudium) oder
- von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums
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- | im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder |
- | im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten |
nachgewiesen wird (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 67).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, hat der Gesetzgeber für Berufsausbildungen, die an einer in § 3 StudFG aufgezählten Einrichtung betrieben werden, das Vorliegen einer Berufsausbildung exakt definiert und dabei die Studiendauer und die erzielten Prüfungserfolge als entscheidend angesehen (vgl. ua ).
Die Zulassung an einer Universität (Hochschule) bzw. die Bestätigung über die Fortsetzung des Studiums ist als reiner Formalakt allerdings nicht geeignet eine Berufsausbildung nachzuweisen und somit den Anspruch auf die Familienbeihilfe zu begründen (z.B. , , ).
Werden von einem Kind tatsächlich mit Ausnahme der Anmeldung keinerlei Aktivitäten an einer Universität entfaltet, reicht alleine der Umstand der Zulassung zu einem ordentlichen Studium auch im ersten Studienjahr nicht aus, einen Beihilfenanspruch entstehen zu lassen ().
Im vorliegenden Fall war der Sohn des Beschwerdeführers lt. den vorgelegten Einschreibungsbestätigungen der Universität Ort sowohl im Jahrgang 2018/19 als auch im Jahrgang 2019/20 im ersten Jahrgang des Universitätsstudienprogramms 1. Stufe für das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ort (Slowenien) inskribiert. Studienerfolgsnachweise oder andere Unterlagen, die einen Nachweis dafür erbringen könnten, dass der Sohn des Bf. im ersten Studienjahr 2018/19 Prüfungen abgelegt und Übungen und Lehrgangsveranstaltungen besucht habe, wurden trotz mehrmaliger Aufforderung nicht vorgelegt.
Vielmehr wurde im Beschwerdevorbringen nicht einmal behauptet, dass der Sohn außer der Anmeldung und Inskription irgendwelche Aktivitäten an der Universität in Richtung eines Studiums gesetzt habe.
Auch die Frage des Finanzamtes, weshalb der Sohn sich im 2. Studienjahr wieder für den ersten Jahrgang inskribierte, wurde vom Beschwerdeführer nicht beantwortet.
Weiters ist das Beschwerdevorbringen, das Finanzamt habe die Einschreibungsbestätigungen der Universität Ort nicht als öffentliche Urkunden anerkannt, nicht nachvollziehbar.
Daher geht das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Sohn des Bf. an der Universität Ort mit Ausnahme der Immatrikulation und Inskription im ersten Studienjahr 2018/19 keinerlei Aktivitäten in Richtung eines Studiums entfaltet hat. Aus diesem Grund liegt für den streitggst. Zeitraum noch keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor und die Rückforderung der Ausgleichszahlung und des Kinderabsetzbetrages erfolgte zu Recht.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass der Bezieher der Familienbeihilfe in der Mitteilung des Finanzamtes darauf aufmerksam gemacht wird, dass Änderungen der Verhältnisse, die nach Gewährung der Familienbeihilfe eingetreten sind und die bewirken, dass der Anspruch auf die gewährte Familienbeihilfe erlischt und damit kein Bezug der Familienbeihilfe mehr gegeben ist, umgehend dem Wohnsitzfinanzamt bekannt zu geben sind.
Mit diesem Hinweis wird der Bezieher der Familienbeihilfe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihn eine Verpflichtung trifft, Tatsachen oder Änderungen, die Einfluss auf den Anspruch und damit auf die Auszahlung der Familienbeihilfe haben, dem Wohnsitzfinanzamt ohne zeitliche Verzögerung mitzuteilen.
Aus § 26 Abs. 1 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).
Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.
Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.
Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung beurteilt wurde und das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2101120.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at