Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld - Festsetzung beim Kindesvater bei nach wie vor aufrechtem gemeinsamen Haushalt der Eltern
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/5100449/2022-RS1 | Bei der Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld sind für die Ermessensentscheidung, ob nur einer oder beide Gesamtschuldner, anteilig oder jeweils zur Gänze, in Anspruch genommen werden, die Verhältnisse im Zeitpunkt der Geltendmachung des Gesamtschuldverhältnisses, und nicht jene zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches entscheidend. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Robert Gamsjäger, Bundesstraße 75, 4822 Bad Goisern a. H., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer ausbezahlte Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2013 zurück. Der Ermittlung der Abgabe wurde das Einkommen des Beschwerdeführers iHv € 47.680,82 und das Einkommen des anderen Elternteiles i.H.v. € 459,30 zugrunde gelegt und dem Beschwerdeführer die Rückzahlung i.H.v. € 4.332,59 vorgeschrieben.
Begründend führte das Finanzamt aus, für sein Kind ***1*** seien Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt worden. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 KBGG seien im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses beide (Ehe)Partner zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet. Bei einer Gesamtschuld liege es im Ermessen der Behörde, wem und in welchem Ausmaß die Abgabe vorgeschrieben werde. Im Jahr 2013 seien die für die Rückzahlung des Zuschusses maßgeblichen Einkommensgrenzen gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 KBGG überschritten worden. Die Behörde habe nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Einkommensverhältnisse unter Tragung der mit der Haushaltszugehörigkeit des Kindes verbundenen Lasten durch den anderen Elternteil zur Rückzahlung herangezogen.
2. In der Beschwerde vom brachte der rechtliche Vertreter des Beschwerdeführers vor, der Bescheid stütze sich auf § 18 Abs. 1 Z 2 KBGG und auf § 19 Abs. 1 Z 2 KBGG. Diese gesetzlichen Bestimmungen sei derzeit nicht in Geltung, der Bescheid sei daher gesetzlos ergangen. Es werde beantragt dem Bescheid ersatzlos zu beheben.
3. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 18 Abs. 1 KBGG (Abschnitt 4) hätten die Eltern des Kindes eine Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld zu leisten, wenn an einen der beiden Elternteile ein Zuschuss gemäß § 9 Abs. 1 Z 2, 3 oder 4 ausbezahlt worden sei. Gemäß § 49 Abs. 23 KBGG trete der Abschnitt 4 des KBGG mit Ablauf des außer Kraft, sei jedoch auf Geburten bis weiter anzuwenden, soweit kein Anwendungsfall des Abs. 22 vorliege.
4. Mit Schreiben vom beantragte der rechtliche Vertreter die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer ist Vater der im April 2006 geborenen Tochter ***1*** (siehe Geburtsurkunde der Tochter vom ).
2. An die Kindesmutter der gemeinsamen Tochter wurde für die Tochter ein Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld iHv € 4.914,66 ausbezahlt (siehe Auszug aus dem Dauerakt des Finanzamtes für die Kindesmutter vom ).
3. Der Beschwerdeführer wohnt seit 2005 mit der Kindermutter und (seit deren Geburt) mit der Tochter in einem gemeinsamen Haushalt (siehe Auskünfte aus der Datenbank der Finanzverwaltung für den Beschwerdeführer, die Kindesmutter und die Tochter, alle vom ).
4. Im Jahr 2013 wurde die gem. § 19 KBGG maßgebliche Einkommensgrenze dadurch überschritten, dass von ihm und der Kindesmutter ein gemeinsames Einkommen von € 48.139,92 erzielt wurde. Davon erzielte der Beschwerdeführer € 47.680,82 und die Kindesmutter € 459,30 (siehe Bescheid über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld 2013 vom ).
5. Am wurde dem Beschwerdeführer eine Abgabenerklärung betreffend den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld zugestellt (siehe Rückschein vom ). Diese wurde vom Beschwerdeführer nicht an das Finanzamt retourniert (siehe Auskunft des Finanzamtes im Mail vom ).
6. Im Jahr 2019 erzielte der Beschwerdeführer ein Einkommen iHv € 84.603,17 (siehe Arbeitnehmerveranlagung 2019 vom ). Die Kindesmutter erzielte im selben Jahr keine Einkünfte (siehe Abfrage des Steueraktes der Kindesmutter vom ).
7. Die Abgabe wurde mit Bescheid vom i.H.v. € 4.332,59 festgesetzt und dem Beschwerdeführer vorgeschrieben.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und ist nicht strittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
1. § 9 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) idF BGBl. I Nr. 76/2007 lautet:
"(1) Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld haben
1. alleinstehende Elternteile (§ 11),
2. verheiratete Mütter oder verheiratete Väter nach Maßgabe des § 12,
3. nicht alleinstehende Mütter oder Väter nach Maßgabe des § 13 und
4. Frauen oder Männer, die allein oder gemeinsam mit dem anderen Elternteil ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, an Kindes statt angenommen oder in Pflege genommen haben, nach Maßgabe der §§ 11, 12 oder 13.
(2) Voraussetzung für den Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld ist, dass ein Anspruch auf Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes besteht. § 4 Abs. 2 gilt sinngemäß auch für den Zuschuss.
(3) Ausgeschlossen vom Zuschuss sind Personen, deren maßgeblicher Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) einen Grenzbetrag von 16.200 Euro übersteigt. …"
2. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 KBGG idF vor BGBl. I Nr. 116/2009 haben die Eltern des Kindes, wenn an einen der beiden Elternteile ein Zuschuss gemäß § 9 Abs. 1 Z 2, 3 oder 4 ausbezahlt wurde, eine Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld zu leisten.
Nach Abs. 3 leg. cit. ist die Rückzahlung eine Abgabe im Sinne des § 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961.
Im konkreten Fall für die Rückzahlung § 18 Abs 1 Z 2 KBGG ist einschlägig, der sowohl verheirate Mütter und Väter als auch nicht alleinstehende Mütter und Väter erfasst, die im Zeitpunkt der Gewährung des Zuschusses nach den Vorschriften des Meldegesetzes 1991 an derselben Adresse angemeldet waren oder anzumelden gewesen wären. 18 Abs 1 Z 2 KBGG in der Stammfassung BGBl I Nr 103/2001 ist unter den Voraussetzungen des § 49 Abs 23 KBGG anwendbar.
3. § 19 KBGG lautet auszugsweise:
"(1) Die Abgabe beträgt jährlich …
2. in den Fällen des § 18 Abs. 1 Z 2 bei einem Gesamteinkommen der beiden Elternteile von
mehr als 35 000 € ...................................... 5%
mehr als 40 000 € ...................................... 7%
mehr als 45 000 € ...................................... 9%
des Einkommens.
(2) Als Einkommen für Zwecke der Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld gilt das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich steuerfreier Einkünfte im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a bis d EStG 1988 und Beträge nach den §§ 10 und 12 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden. …"
4. Gemäß § 20 KBGG ist die Abgabe im Ausmaß des Zuschusses, der für den jeweiligen Anspruchsfall ausbezahlt wurde, zu erheben.
5. Nach § 21 KBGG entsteht der Abgabenanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einkommensgrenze gemäß § 19 erreicht wird, frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres der Geburt des Kindes, letztmals mit Ablauf des auf die Geburt des Kindes folgenden 7. Kalenderjahres.
6. § 49 Abs. 22 und Abs. 23 KBGG lauten:
"(22) § 1, die Überschrift des Abschnitts 2, §§ 3a Abs. 3, §§ 5 Abs. 4a und b, 5c, 7 Abs. 3 und 4, Abschnitt 5 samt Überschrift, die Überschrift des Abschnitts 5a, §§ 25 und 25a, § 26a und 33 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. 116/2009 treten mit in Kraft und sind auf Geburten nach dem anzuwenden, sofern 2009 kein Antrag auf Kinderbetreuungsgeld für Zelträume nach dem und vor dem gestellt worden ist; wird 2010 rückwirkend Kinderbetreuungsgeld für Zeiträume zwischen und beantragt, so besteht kein Anspruch auf Auszahlung von Kinderbetreuungsgeld für diese Zeiträume.
(23) Die §§ 1, 8 Abs. 2, 8a, Abschnitt 3. und 4, §§ 24 und 25 jeweils in der Fassung BGBI. I Nr. 24/2009 treten mit Ablauf des außer Kraft, sind jedoch auf Geburten bis weiter anzuwenden. Letzteres gilt nur, sofern kein Anwendungsfall des Abs. 22 vorliegt."
7. Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung. Die Verjährungsfrist in Bezug auf den Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre, wobei sich die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen werden (§ 209 Abs. 1 BAO).
8. Anders als das Kinderbetreuungsgeld ist die Bewilligung des Zuschusses für bis zum geborene Kinder durch die Sozialversicherungsbehörden lediglich eine vorläufige Maßnahme, gedacht als ein Kredit. Endgültig wird die Bewilligung des Zuschusses erst dann, wenn innerhalb des in § 21 KBGG bestimmten Zeitraumes das maßgebliche Einkommen iSd § 19 Abs 2 KBGG unter der jeweiligen niedrigsten Einkommensgrenze des § 19 Abs 1 Z 1 und 2 KBGG liegt. Wird die Einkommensgrenze innerhalb des Überprüfungszeitraumes überschritten, so unterstellt der Gesetzgeber, dass es billig erscheint, vom Bezieher / der Bezieherin den Zuschuss in Höhe eines einkommensabhängigen Teiles zurückzuverlangen. Den Abgabenbehörden obliegt daher eine Überprüfung im Hinblick auf die Förderwürdigkeit der beziehenden Personen (vgl. ).
9. Die Verjährung ist von Amts wegen zu prüfen. Im konkreten Fall wäre ausgehend vom Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs für das Jahr 2013 am die Verjährung grundsätzlich nach fünf Jahren am eingetreten.
Im Jahr 2018 wurde dem Beschwerdeführer das Erklärungsformular ZKBG zugesandt und am nachweislich zugestellt. Somit verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr und wurde der Bescheid über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2013 im Jahr 2019 innerhalb der Verjährungsfrist erlassen.
10. Der Beschwerdeführer und die Kindesmutter wohnen seit 2005 in einem gemeinsamen Haushalt. Als Rückzahlungsverpflichtete kommen damit beide Elternteile des Kindes in Betracht.
Für die Ermessensentscheidung, ob nur einer oder beide Gesamtschuldner, anteilig oder jeweils zur Gänze, in Anspruch genommen werden, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Geltendmachung des Gesamtschuldverhältnisses entscheidend (). Sowohl im Jahr 2013 als auch im Jahr 2019 erzielte der Beschwerdeführer das Familieneinkommen (fast) ausschließlich alleine. Es ist daher nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn das Finanzamt die Gesamtschuld zur Gänze beim Beschwerdeführer geltend gemacht hat. Derartige Einwendungen werden vom Beschwerdeführer auch nicht erhoben.
11. Die Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid dargestellten Einkommen beider Elternteile im Jahr 2013 wird vom Beschwerdeführer ebenso wenig bestritten, wie der Umstand, dass angesichts dessen der Grenzbetrag des § 19 Abs. 1 Z 2 KBGG von € 45.000 überschritten wurde und demzufolge der Abgabenanspruch gemäß § 21 KBGG mit Ablauf des Jahres 2013 entstanden ist.
Da die Tochter des Beschwerdeführers im April 2006 und sohin vor dem geboren wurde, sind die Bestimmungen des Abschnitts 4 einschließlich § 18 Abs 1 Z 2 KBGG idF BGBl I Nr. 24/2009 im konkreten Fall weiterhin anzuwenden. Der Bescheid über die Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld 2013 vom ist somit zu Recht ergangen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des VwGH und das Gesetz ausreichend beantwortet sind.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 49 Abs. 23 KBGG, Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001 § 19 KBGG, Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001 § 18 Abs. 1 Z 2 KBGG, Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl. I Nr. 103/2001 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100449.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at