Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.03.2023, RV/5100491/2021

Fahrten vom Wohnort zur Therapiewerkstätte - Krankenbeförderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Ottensheimer Straße 32, 4040 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Normverbrauchsabgabe 06.2015-12.2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Vergütung der Normverbrauchsabgabe beträgt 64.990 €.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, beantragte die Vergütung der Normverbrauchsabgabe für nachstehende - für Krankenbeförderungen verwendete - Fahrzeuge:


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Fahrzeug
Anschaffungszeitpunkt
NoVA
Zeitraum Vergütung
1
8.949,88 €
6/2015
2
9.355,10 €
10/2015
3
3.976,35 €
11/2016
4
4.272,00 €
4/2017
5
4.882,68 €
12/2017
6
6.869,56 €
12/2018
7
7.194,33 €
1/2019
8
6.194,40 €
1/2019
9
7.195,42 €
7/2019
10
6.100,28 €
12/2019

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge auf Vergütung der NoVA für oben genannte Zeiträume mangels Vorliegens von Krankenbeförderungen ab; auf die Bescheidbegründung wird verwiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte, der Beschwerde stattzugeben, die Vergütung der NoVA in Höhe von insgesamt 64.990 € anzuerkennen und eine Finanzamtssperre hinsichtlich der gegenständlichen Fahrzeuge in der kraftfahrrechtlichen Genehmigungsdatenbank zu hinterlegen. Hinsichtlich der näheren Begründung wird auf die Beschwerdeausführungen verwiesen.

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab; auf die Bescheidbegründung wird verwiesen. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom durch ihre steuerliche Vertreterin unter Bezugnahme auf die Beschwerdeausführungen die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die A GmbH (Beschwerdeführerin) ist eine gemeinnützige Gesellschaft, die Personen mit körperlichen, geistigen und/oder psychosozialen Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen betreut. Es besteht ein umfangreiches Betreuungsangebot hinsichtlich Arbeit, Wohnen, Mobile Dienste, Beratung; verwiesen wird diesbezüglich auf die Homepage der Beschwerdeführerin.

Damit im Zuge dieser Tätigkeit die beeinträchtigten Personen vom Wohnort zu Therapiewerkstätten, zu Arzt- und sonstigen Therapiebesuchen befördert werden können, hat die Beschwerdeführerin im Zeitraum Juni 2015 bis Dezember 2019 zehn neue, für Zwecke der Krankenbeförderung geeignete Fahrzeuge erworben und die dafür angefallene Normverbrauchsabgabe in Höhe von insgesamt 64.990 € entrichtet.

Bei den angeschafften Kraftfahrzeugtypen handelt es sich um solche, die sowohl in der Krankenbeförderung als auch im Rettungswesen Anwendung finden. Die Fahrzeuge wurden nahezu ausschließlich für Fahrten zwischen Wohnung/Unterkunft und Arbeitsstätten (Therapiewerkstätten) verwendet.

2. Beweiswürdigung

Die Auswertung der im Zuge der Vergütungsanträge vorgelegten Fahrtenbücher ergab eine Verwendung der betreffenden Fahrzeuge nahezu ausschließlich für Beförderungsfahrten zwischen Wohnung/Unterkunft und Arbeitsstätten. Bei den Arbeitsstätten handelt es sich um Therapiewerkstätten. Fahrten zu Ärzten bzw. ins Krankenhaus seien laut Finanzamt nicht entdeckt worden bzw. sei deren Ausmaß absolut geringfügig und zu vernachlässigen gewesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

  1. Rechtslage

Gemäß § 3 Z 3 5. Teilstrich des Normverbrauchsabgabegesetzes 1991 (NoVAG 1991) sind Kraftfahrzeuge, die für Zwecke der Krankenbeförderung und im Rettungswesen verwendet werden, von der Normverbrauchsabgabe befreit. Die Befreiung erfolgt im Wege der Vergütung (§ 12 Abs. 1 Z 3). Voraussetzung ist, dass der begünstigte Verwendungszweck nachgewiesen wird.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 NoVAG 1991 ist eine von einem Unternehmer zu entrichtende Abgabe dem Empfänger der Leistung auf Antrag zu vergüten, wenn eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Z 3 vorliegt.

  1. Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob die gegenständlichen Fahrzeuge für Zwecke der Krankenbeförderung verwendet wurden. Als Krankenbeförderung im Sinne des § 3 Z 3 NoVAG sieht der Verwaltungsgerichtshof die Beförderung einer Person an, weil sie krank ist - also eine durch die Krankheit bedingte besondere Beförderung.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 695, wurde das Normverbrauchsabgabengesetz (NoVAG) geschaffen und in dessen § 1 Z 1 die Lieferung von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen, welche in § 2 des Gesetzes näher definiert werden, sowie von Vorführkraftfahrzeugen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführte, ausgenommen hier nicht interessierende Lieferungen, der Normverbrauchsabgabe unterworfen.

Von der Normverbrauchsabgabe waren nach § 3 Z 3 NoVAG Vorgänge in Bezug auf u.a. Kraftfahrzeuge, die ohne Absicht auf die Erzielung eines Gewinnes für Zwecke der Krankenbeförderung und des Rettungswesens verwendet wurden, im Wege einer Vergütung befreit. Voraussetzung war, dass der begünstigte Verwendungszweck auf Grund des Zulassungsverfahrens nachgewiesen wurde. In den Materialien (351, BlgNR, 18. GP, 3) wird dazu angeführt, "auch Kranken- und Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes und vergleichbarer Organisationen sollen von der Normverbrauchsabgabe befreit werden."

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, wurde § 3 Z 3 NoVAG u.a. dahingehend geändert, dass die Voraussetzung für die Steuerbefreiung entfiel, die Fahrzeuge, die für Zwecke der Krankenbeförderung und des Rettungswesens verwendet werden, müssten ohne Absicht auf die Erzielung eines Gewinnes verwendet werden. Die Gesetzesmaterialien (311, BlgNR, 21 GP, 179f) enthalten dazu keine Erläuterungen.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180, wurde § 3 Z 3 NoVAG dahingehend geändert, dass die Voraussetzung für die Steuerbefreiung seither lediglich ist, dass der begünstigte Verwendungszweck nachgewiesen wird. Die Materialien (686, BlgNR, 22. GP, 29) erläutern dazu, dass ein Teil der Befreiungen, die in § 3 Z 3 genannt werden, im Zulassungsverfahren nicht nachzuweisen seien, sondern nur auf Grund anderer Nachweisführung. Die geänderte Formulierung trage diesem Umstand Rechnung. Im Zuge des Vergütungsantrages an das Finanzamt sei daher eine entsprechende Nachweisführung zu erbringen, wobei neben der bisher im Gesetz genannten ("auf Grund des Zulassungsverfahrens") auch andere Nachweise zulässig seien.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl. I Nr. 24, wurde § 3 Z 3 erster Satz geändert, wobei die Befreiungsbestimmung nunmehr durch "Vorgänge in Bezug auf ….. Kraftfahrzeuge, die für Zwecke der Krankenbeförderung und im Rettungswesen verwendet werden" formuliert ist.

Nach § 36 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990, konnten zuletzt aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung bei der Lieferung von Kraftfahrzeugen für behinderte Menschen Zuwendungen zur Abgeltung der Belastung gewährt werden, die sich nach dem Normverbrauchsabgabegesetz ergab, bis mit dem Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl. I Nr. 136/2004, § 36 des Bundesbehindertengesetzes neu gefasst wurde und dessen Abs. 2 Folgendes vorsah:

"(2) Gemeinnützigen Vereinen mit Sitz im Bundesgebiet ist auf Antrag die Belastung, die sich aus dem Normverbrauchsabgabegesetz 1991 ergibt, abzugelten, wenn der Nachweis erbracht wird, dass das Kraftfahrzeug überwiegend zur Beförderung von behinderten Menschen verwendet wird."

Dies wurde in den Materialien (649, BlgNR, 22.GP, 27) damit begründet, dass Menschen mit Behinderung ein Rechtsanspruch auf Abgeltung der NoVA eingeräumt werden sollte und dass auch für gemeinnützige Vereine künftig die Möglichkeit der Abgeltung der Normverbrauchsabgabe bestehen soll, wenn das erworbene Kraftfahrzeug überwiegend der Beförderung von Menschen mit Behinderung diene.

Obige Ausführungen sind dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0088, entnommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis (Beschwerdeführer war ein Verein, dessen Vereinszweck darin bestand "Menschen mit Behinderungen individuell und bedürfnisorientiert zu begleiten, sowie Hilfe und Unterstützung dort anzubieten, wo sie notwendig ist, gewünscht oder eingefordert wird.") mit nachstehenden Ausführungen klargestellt, dass die Befreiungsbestimmung des § 3 Z 3 NoVAG (Krankenbeförderung) nicht auf "Blaulichtorganisationen" eingeschränkt werden könne; ebenso wenig komme es auf die Ausstattung, sondern auf die Verwendung der Fahrzeuge an:

"Die belangte Behörde zieht aus den Gesetzesmaterialien zum Normverbrauchsabgabegesetz, wonach "Kranken- und Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes und vergleichbarer Organisationen" von der Normverbrauchsabgabe befreit werden sollten, den Schluss, dass die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung offenkundig jenen Organisationen vorbehalten sein solle, die über die Eignung zur Besorgung von Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes verfügten. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass die Materialien (351, BlgNR, 18. GP, 3) ausdrücklich das Wort "auch" verwenden und "auch" diese Fahrzeuge von der Normverbrauchsabgabe befreit werden sollten, weshalb daraus nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Schluss zu ziehen ist, dass die Befreiung diesen Fahrzeugen "offenkundig … vorbehalten" wäre.

Vor allem lässt der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine derartige Einschränkung nicht zu.

Der von der belangten Behörde daraus weiter gezogene Schluss, dass die Wahrnehmung der Aufgaben dieser Organisation Rettungs- und Krankentransportwagen erfordere, die für diese Zwecke entsprechend adaptiert und ausgestattet seien, dass nur solcherart ausgestattete Fahrzeuge von der Normverbrauchsabgabe befreit wären, ist aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht nachvollziehbar. Zu Recht hat der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren dagegen, dass die von ihm angeschafften Kombinationskraftwagen diese Voraussetzungen nicht erfüllten, eingewendet, dass es nicht auf die Ausstattung, sondern auf die Verwendung der Fahrzeuge ankomme.

Indem die belangte Behörde auf die Ausstattung der in Rede stehenden Fahrzeuge abgestellt hat, hat sie die Rechtslage verkannt und deshalb keine Feststellungen über die Verwendung der Fahrzeuge getroffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Für das fortzusetzende Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass zu prüfen sein werde, ob die in Rede stehenden Fahrzeuge für Zwecke der Krankenbeförderung verwendet wurden. In diesem Verfahren hat sich herausgestellt, dass eine Verwendung der Fahrzeuge für Zwecke der "durch die Krankheit bedingten besonderen Beförderung" nur in einem untergeordneten Ausmaß (7,82 % bzw. 17,08 % der Fahrten) erfolgt ist; die restlichen Fahrten dienten zur Pflege sozialer Kontakte, zur Durchführung von Freizeitaktivitäten oder zum Tätigen von Einkäufen. Das Finanzamt trug den Ermittlungsergebnissen Rechnung und wies die Beschwerde ab.

Entsprechend obiger Ausführungen ist für den gegenständlichen Fall zu prüfen, ob eine Verwendung zur Krankenbeförderung im Sinne des Gesetzes vorlag.

Der Gesetzgeber hat weder die Worte "ausschließlich" noch "überwiegend" noch "weitgehend" verwendet, weshalb nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (sh. oben zitiertes Erkenntnis) für die Steuerbegünstigung eine fast ausschließlich begünstigte Verwendung zugrunde zu legen sein werde; dh. die Verwendung zur Krankenbeförderung im Sinne des Gesetzes muss, von völlig untergeordneten anderweitigen Verwendungen abgesehen, fast ausschließlich zur Krankenbeförderung erfolgen.

Dem Finanzamt ist insofern recht zu geben, dass nicht jede Beförderung eines kranken Menschen zwischen zwei Orten als Krankenbeförderung (wie zB Fahrten zu Spitälern, Ärzten und Therapien) im Sinne des § 3 Z 3 NoVAG anzusehen ist. Das Bundesfinanzgericht stimmt auch der Annahme zu, dass - wie im oben zitierten Fall - Fahrten zur Pflege sozialer Kontakte, zur Durchführung von Freizeitaktivitäten oder zum Tätigen von Einkäufen nicht vom Begriff "Krankenbeförderung" (eine durch die Krankheit bedingte besondere Beförderung) umfasst sind.

Anders hingegen ist die Beförderung vom Wohnort zu Therapiewerkstätten zu sehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , E 2556/2015, die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100721/2013, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben. In diesem Erkenntnis hatte das Bundesfinanzgericht zwar Fahrtkosten zu Therapien, Arztbesuchen und zur Apotheke als außergewöhnliche Belastungen anerkannt, jedoch Fahrten zwischen Hauptwohnsitz (Wohnung der Eltern) und Nebenwohnsitz (eines von einer sozialen Einrichtung für mehrfach beeinträchtigte Menschen geführtes Wohnheim mit "Tagesstruktur - Fähigkeitsorientierter Aktivität") des Sohnes des Beschwerdeführers als nicht zwangsläufig erwachsen erachtet, da die Fahrten nicht im Zusammenhang mit einer Heilbehandlung gestanden hätten.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Wesentlichen dazu in oben zitiertem Erkenntnis ausgeführt:

"Gemäß § 5 Abs. 3 VO über außergewöhnliche Belastungen sind auch Aufwendungen gemäß § 4 (nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung) sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Das Bundesfinanzgericht ging in seiner Entscheidung hinsichtlich der geltend gemachten Fahrtkosten zwischen der Behinderteneinrichtung (Nebenwohnsitz) und dem Elternhaus des Sohnes des Beschwerdeführers (Hauptwohnsitz) davon aus, dass diese Fahrten weder zwangsläufig noch außergewöhnlich seien, da sie nicht außerhalb des Üblichen lägen, fielen doch auch bei nicht behinderten Personen derartige Kosten an. Auch erfolgten keine Fahrten zu einer Sonder- bzw. Pflegeschule oder einer Behindertenwerkstätte.

Damit verkennt das Bundesfinanzgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern, als der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2007/15/0309, Mehraufwendungen für Fahrtkosten zu einer Sonderschule im Hinblick auf die Behinderung des Kindes als außergewöhnliche Belastungen anerkennt, und vor dem Hintergrund, dass sie vom gesetzlich formulierten Zweck des Pflegegeldes nicht erfasst sind, diese ohne Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld gemäß § 5 Abs. 3 der VO über außergewöhnliche Belastungen in voller Höhe zum Abzug zulässt. Diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes gründet auf der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach Aufwendungen, bei denen die in § 34 Abs. 6 EStG 1988 vorgesehene Anrechnung von Pflegegeld besonders widersinnig und daher unsachlich wäre, erst durch die gesetzeskonforme Anwendung der VO über außergewöhnliche Belastungen von der Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld ausgenommen werden (VfSlg. 16.839/2003).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sind aber Fahrtkosten für ein behindertes Kind für den Besuch einer Sonder- oder Pflegeschule als außergewöhnliche Belastungen iSd § 5 Abs. 3 der VO über außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Gleiches gilt für Fahrtkosten anlässlich der Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte. Sofern Kosten für ein Wohnheim mit "Tagesstruktur (Fähigkeitsorientierte Aktivität)" nicht als für eine Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte anfallend qualifiziert werden können - von letzterem geht das Bundesfinanzgericht ohne weitere Ermittlungen und Sachverhaltsfeststellungen zum Inhalt der Tätigkeit im Rahmen einer Tagesstruktur mit "Fähigkeitsorientierter Aktivität" aus - rechnen Fahrtkosten, die, wie im vorliegenden Fall, der Erzielung eines positiven therapeutischen Effektes dienen, in gesetzeskonformer Interpretation zu den Kosten für die Heilbehandlung gemäß § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen (vgl. nochmals VfSlg. 16.839/2003 und 2007/15/0309)."

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist es mangels einer gesetzlicher Regelung der Definition "Krankheit" bzw. "Krankenbeförderung" im NoVAG erforderlich, auf entsprechende Definitionen aus anderen Rechtsgebieten - die Beschwerdeführerin verweist hier nicht zu Unrecht auf den umsatzsteuerrechtlichen bzw. sozialversicherungsrechtlichen Begriff "Krankheit" - zurückzugreifen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht in seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0088, als "Krankenbeförderung" im Sinne des § 3 Z 3 NoVAG die Beförderung einer Person, "weil sie krank ist, also eine durch die Krankheit bedingte Beförderung" an. Der Verfassungsgerichtshof zählt in seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0088, Fahrtkosten, die der Erzielung eines positiven therapeutischen Effektes dienen, in gesetzeskonformer Interpretation zu den Kosten einer Heilbehandlung gemäß § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen. Damit sind auch Fahrtkosten zu Therapiewerkstätten umfasst. Eine Heilbehandlung im oben interpretierten Sinne ist jedoch durch eine Krankheit bzw. - wie im gegenständlichen Fall - eine körperliche, geistige und/oder psychosoziale Beeinträchtigung indiziert. Davon ausgehend handelt es sich bei den zu beurteilenden Fahrten zwischen Wohnung/Unterkunft und Therapiewerkstätten um der Heilbehandlung dienende Beförderungen - also um durch die Krankheit bedingte Beförderungen; dies bedeutet aber nichts anderes, als dass in einem solchen Fall eine Krankenbeförderung vorliegt.

Hinsichtlich des Erfordernisses einer fast ausschließlich begünstigten Verwendung hat das Finanzamt festgestellt, dass die Fahrzeuge nahezu ausschließliche für Fahrten zwischen Wohnung/Unterkunft und Therapiewerkstätte verwendet wurden.

Da aufgrund obiger Überlegungen nunmehr feststeht, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Befreiungsbestimmung des § 3 Z 3 NoVAG vorliegen, ist eine Vergütung der NoVA in der beantragten Höhe von 64.990 € zu gewähren.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 3 Z 3 NoVAG 1991 liegt vor; verwiesen wird auf das Erkenntnis des . Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 12 Abs. 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100491.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at