zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.02.2023, RV/6100268/2021

Beschwerdelegitimation gegen Abgabenbescheide bei einer Haftung nach § 11 BAO

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/15/0014.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr "Finanzamt Österreich") vom betreffend Kapitalertragsteuer 2001, Kapitalertragsteuer 2002, Kapitalertragsteuer 2003, Kapitalertragsteuer 2004, Kapitalertragsteuer 2005, Kapitalertragsteuer 2005, Kapitalertragsteuer 2006, Kapitalertragsteuer 2007, Kapitalertragsteuer 2008, Kapitalertragsteuer 2009, Kapitalertragsteuer 2010, Körperschaftsteuer 2003, Körperschaftsteuer 2004, Körperschaftsteuer 2005, Körperschaftsteuer 2006, Körperschaftsteuer 2007, Körperschaftsteuer 2008, Körperschaftsteuer 2009, Umsatzsteuer 2001, Umsatzsteuer 2002, Umsatzsteuer 2003, Umsatzsteuer 2004, Umsatzsteuer 2005, Umsatzsteuer 2006 und Umsatzsteuer 2007 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Begründung

I. Gang des Verfahrens

A. Urteil ***LG***, Haftungsbescheid

Mit Urteil des ***LG*** vom (***GZ LG***) wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig erkannt:

***Bf*** ist schuldig, er hat im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Salzburg-Stadt vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht Verkürzungen nachangeführter Abgaben bewirkt und zu bewirken versucht, wobei von den Verkürzungen, die im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurden, auf die sich sein Vorsatz bezog, Abgabenbeträge in der angeführten Höhe umfasst waren, nämlich

[…]

B. als Geschäftsführer der (im Tatzeitraum:) ***GmbH***

I. nachangeführte bescheidmäßig festzusetzende Abgaben,

1. indem er es unterließ, vor Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (§ 134 BAO) den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Abgabenerklärungen einzureichen,

a. verkürzt

i. am EUR 17.728,99 an USt für 2001,

ii. am EUR 35.727,35 an USt für 2002,

iii.am EUR 11.156,59 an USt und EUR 15.519,04 an KSt je für 2004

iv.am EUR 23.874,70 an USt und EUR 3.345,07 an KSt je für 2005

v.am EUR 49.126,75 an USt und EUR 60.359,12 an KSt je für 2006

b. zu verkürzen versucht

i.am EUR 30.201,58 an USt und EUR 12.668,39 an KSt je für 2008

ii.am EUR 15.268,51 an USt und EUR 3.952,32 an KSt je für 2009

2. indem er unrichtige (Jahres-)Steuererklärungen zur Veranlagung einreichte,

a. verkürzt,

i. am EUR 15.341,74 an USt für 2003

b. zu verkürzen versucht,

i. am EUR 6.948,19 an KSt für 2003

ii.am EUR 37.624,25 an USt und EUR 63.096,57 an KSt je für 2007

II. indem er es zu nicht näher bekannten Zeitpunkten in den nachangeführten Jahren unterließ, die sich aus verdeckten Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter ergebende selbst zu berechnende und abzuführende Kapitalertragsteuer einzubehalten und binnen einer Woche nach Zufließen der Kapitalerträge abzuführen, Kapitalertragsteuer in nachgenannter Höhe verkürzt,

i.EUR 7.617,46 im Jahr 2001

ii.EUR 3.633,90 im Jahr 2002

iii.EUR 5.982,66 im Jahr 2003

iv.EUR 30.779,33 im Jahr 2004

v.EUR 8.043,43 im Jahr 2005

vi.EUR 61.234,67 im Jahr 2006

vii.EUR 46.439,87 im Jahr 2007

viii.EUR 35.890,53 im Jahr 2008

ix.EUR 31.621,01 im Jahr 2009 und

x.EUR 23.574,88 im Jahr 2010.

***Bf*** hat dadurch Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (zu A.I., B.I.1.a., B.I.2.a. und B.II.) und nach §§ 13 Abs. 1, 33 Abs. 1 FinStrG (zu B.I.1.b. und B.I.2.b.) sowie der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a idF vor BGBl I 2010/104 FinStrG (zu A.II.) begangen und wird dafür unter Anwendung von § 21 Abs. 1 und 2 dritter Satz FinStrG nach § 33 Abs. 5 FinStrG und § 38 Abs. 1 FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 zu einer Geldstrafe von […] sowie gemäß § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde durch den Obersten Gerichtshof mittels Beschluss vom (***GZ OGH***) zurückgewiesen. Dadurch wurde der Schuldspruch rechtskräftig (siehe das Erkenntnis des ***OLG*** vom , ***GZ OLG***)

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO für die aushaftenden Abgabenschulden der ***GmbH*** (im Tatzeitraum: ***GmbH***), FN ***1***, in Anspruch genommen und aufgefordert, den Haftungsbetrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Haftungsbescheides zu entrichten.

Der Haftungsbetrag von EUR 483.735,19 setzt sich den folgenden Abgabenarten zusammen:

  1. Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2007 iHv insgesamt EUR 69.060,20

  2. Kapitalertragsteuer für die Jahre 2001 bis 2010 iHv insgesamt EUR 254.697,84

  3. Körperschaftsteuer für die Jahre 2003 bis 2009 iHv insgesamt EUR 159.977,15

Diesem Haftungsbescheid waren die folgenden Anlagen beigefügt:

1. Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2007

2. Kapitalertragsteuerbescheide betreffend den Zeitraum 01-12 der Jahre 2001 bis 2010

3. Körperschaftsteuerbescheide 2003 bis 2009

4. Rückstandsausweis vom

5. Tabellarische Übersicht betreffend Rückstand und Urteil

B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag

Mit Schreiben vom erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die im Haftungsbescheid genannten Abgabenbescheide.

Darin bringt er im Wesentlichen vor, dass die vom belangten Finanzamt im Rahmen der Abgabenbescheide festgesetzten Beträge unrichtig seien. Die Wiedergabe der Ausführungen im Detail unterbleibt an dieser Stelle. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen die nachfolgend angeführten Abgabenbescheide als unzulässig zurückgewiesen.

  1. Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2007 vom

  2. Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2009 vom

  3. Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 2001, 2003 und 2010 vom

  4. Berufungsvorentscheidung betreffend die Haftungsbescheide hinsichtlich der Kapitalertragsteuer der Jahre 2002 und 2004 bis 2009 vom

Gegen diese Entscheidung wurde schließlich am ein Vorlageantrag eingebracht.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschlusses vom wurde die Beschwerdesache in die Zuständigkeit des beschlussfassenden Richters übertragen.

II. Sachverhalt

Mit Urteil des ***LG*** vom (***GZ LG***) wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, als Geschäftsführer der (im Tatzeitraum:) ***GmbH*** die untenstehenden Abgaben verkürzt bzw. zu verkürzen versucht zu haben. Er hat dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG bzw. nach § 13 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 FinStrG (Versuch) begangen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag in EUR
Umsatzsteuer
2001
17.728,99
Umsatzsteuer
2002
35.727,35
Umsatzsteuer
2003
15.341,74
Umsatzsteuer
2004
11.156,59
Umsatzsteuer
2005
23.874,70
Umsatzsteuer
2006
49.126,75
Umsatzsteuer
2007
37.624,25
Körperschaftsteuer
2003
6.948,19
Körperschaftsteuer
2004
15.519,04
Körperschaftsteuer
2005
3.345,07
Körperschaftsteuer
2006
60.359,12
Körperschaftsteuer
2007
63.096,57
Körperschaftsteuer
2008
12.668,39
Körperschaftsteuer
2009
3.952,32
Kapitalertragsteuer
2001
7.617,46
Kapitalertragsteuer
2002
3.633,90
Kapitalertragsteuer
2003
5.982,66
Kapitalertragsteuer
2004
30.779,33
Kapitalertragsteuer
2005
8.043,43
Kapitalertragsteuer
2006
61.234,67
Kapitalertragsteuer
2007
46.439,87
Kapitalertragsteuer
2008
35.890,53
Kapitalertragsteuer
2009
31.621,01
Kapitalertragsteuer
2010
23.574,88

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde durch den Obersten Gerichtshof mittels Beschluss vom (***GZ OGH***) zurückgewiesen. Dadurch wurde der Schuldspruch rechtskräftig (siehe das Erkenntnis des ***OLG*** vom , ***GZ OLG***).

Aufgrund dieser Verurteilung wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO mit Haftungsbescheid vom für die aushaftenden Abgabenschulden der ***GmbH*** (im Tatzeitraum: ***GmbH***), FN ***1***, in Anspruch genommen und aufgefordert, den Haftungsbetrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Haftungsbescheides zu entrichten.

III. Beweiswürdigung

Die Feststellungen betreffend das Strafverfahren ergeben sich aus den obig angeführten Entscheidungen des ***LG***, des Obersten Gerichtshofes und des ***OLG***.

Die Feststellungen betreffend den Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO vom ergeben sich aus diesem.

IV. Erwägungen

a) Zu § 11 BAO

Gemäß § 11 BAO haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt nach der Rechtsprechung des VwGH (vgl. etwa ) lediglich eine Entscheidung im gerichtlichen oder finanzbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens schuldig gesprochen wurde. Die rechtskräftige Verurteilung ist Tatbestandsmerkmal. Der Haftungspflichtige selbst muss wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 11, Rz 4 mwN).

An dieser Stelle ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein rechtskräftiges Strafurteil nach ständiger Judikatur des VwGH bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, entfaltet. Dazu gehören jene Tatumstände, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen, wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist (vgl. und die dort zitierte Judikatur).

Für eine Haftung nach § 11 BAO bedeutet diese Bindungswirkung insbesondere, dass der Gesamtbetrag an hinterzogenen Abgaben, für den gemäß § 11 BAO eine Haftung ausgesprochen werden kann, mit dem im Urteil genannten Betrag begrenzt ist und lediglich die im Urteil angeführten Abgabenarten und Jahre betreffen kann (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO³ (2021), § 11 Rz 7 unter Verweis auf die Rechtsprechung des ).

Der Beschwerdeführer wurde - wie sachverhaltsmäßig festgestellt - vom ***LG*** rechtskräftig (unter anderem) wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung verurteilt. Die maßgeblichen Verkürzungsbeträge finden sich in den Entscheidungsgründen sowie im Spruch des Erkenntnisses des ***LG*** und wurden im gegenständlichen Verfahren sachverhaltsmäßig festgestellt (Bindungswirkung, siehe oben). Auf Basis dieser rechtskräftigen Verurteilung wurde seitens des belangten Finanzamtes ein Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO erlassen, die diesbezüglich erhobene Beschwerde wurde bereits als unbegründet abgewiesen (, Revision beim VwGH zur Zahl Ra 2022/13/0008 mit Beschluss vom zurückgewiesen).

b) Zu § 248 BAO

Gemäß § 248 BAO kann der nach den Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Die Bestimmung des § 248 BAO eröffnet dem Haftungsverpflichteten einen eigenständigen Rechtszug gegen den seiner Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Abgabenbescheid ().

Das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch steht dem Haftungspflichtigen auch dann zu, wenn der betreffende Bescheid vom Erstschuldner bereits mit Beschwerde angefochten wurde und diesbezüglich bereits über die Beschwerde entschieden wurde (mit Beschwerdevorentscheidung oder Erkenntnis). Diesfalls gilt somit dem Haftungspflichtigen gegenüber die Beschwerdevorentscheidung bzw. das Erkenntnis als (erstinstanzlicher) Bescheid (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 248, Rz 7 mwN). Der Haftungspflichtige tritt in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht voll in die Rechte des Abgabepflichtigen ein (Stoll, BAO-Kommentar, 2554).

Der Bestimmung des § 248 BAO liegt somit erkennbar der Gedanke zu Grunde, dass es einem Haftungspflichtigen ermöglicht werden soll, nicht nur gegen die Heranziehung zur Haftung selbst, sondern auch gegen den zugrundeliegenden Bescheid/die zugrundeliegenden Bescheide über den Abgabenanspruch ein Rechtsmittel einbringen zu können. Hintergrund ist die oben bereits erwähnte Bindungswirkung des Haftungsbescheides an den Bescheid/die Bescheide über den Abgabenanspruch und somit die Möglichkeit, wenn schon das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid nicht erfolgreich ist, zumindest gegen die Höhe des sich aus dem Bescheid/den Bescheiden über den Abgabenanspruch ergebenden Haftungsbetrages angehen zu können.

c) Conclusio

Die Bestimmung des § 248 BAO soll - wie ausgeführt - dem Haftungspflichtigen eine Überprüfung des dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheides ermöglichen. Dies ergibt sich aus dem Gesetzestext sowie der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH.

Wie ebenfalls ausgeführt, beruht die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO allerdings gerade nicht auf einem Abgabenbescheid. Einziges Tatbestandsmerkmal des § 11 BAO ist vielmehr die rechtskräftige Verurteilung des Haftungspflichtigen wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens (zB Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG) oder wegen vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden in einem gerichtlichen oder finanzbehördlichen Verfahren.

Im Strafverfahren ist das Gericht (die Strafbehörde) weder an den Inhalt noch an die Rechtskraft des Steuerbescheids gebunden, sondern vielmehr verpflichtet, die objektive und die subjektive Tatseite eigenständig zu erforschen. Schließlich ist die Feststellung des verkürzten Abgabenbetrags nicht Vorfrage, sondern Hauptfrage des Strafverfahrens, die nach den strengeren Beweisregeln des Strafrechts, jedoch anhand der maßgeblichen Vorschriften des Abgaben- oder Zollrechts zu lösen ist. Darum hat das Gericht/die Strafbehörde allein auf der objektiven Tatseite

  1. die Aufbereitung des maßgeblichen Sachverhalts,

  2. die Beurteilung, ob dadurch der Steuertatbestand überhaupt verwirklicht wurde und - wenn ja -,

  3. die Feststellung, in welchem Ausmaß Abgaben verkürzt wurden,

selbständig vorzunehmen. Dabei gelten die Ergebnisse des Besteuerungsverfahrens lediglich als qualifizierte Vorprüfung, die noch der eigenständigen Nachprüfung durch das Strafgericht/der Strafbehörde bedarf (Kotschnigg in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 33, Rz 16 mit weiteren Nachweisen zur Judikatur des OGH und des VwGH).

Die im Verfahren vor dem ***LG*** festgestellten und spruchmäßig festgehaltenen Verkürzungsbeträge wurden von diesem - gemäß den obigen Ausführungen - somit selbständig und ohne Bindung an die vom belangten Finanzamt erlassenen und im gegenständlichen Verfahren bekämpften Abgabenbescheide erhoben. Die Abgabenbescheide entfalten im Falle einer Haftung nach § 11 BAO somit nicht einmal indirekte Auswirkungen auf den Haftungsbescheid, da sie im vorhergehenden Verfahren vor dem Gericht/der Strafbehörde keine Bindungswirkung zu entfalten vermögen. Und auch die Haftungsbestimmung des § 11 BAO stellt lediglich auf eine rechtskräftige Verurteilung und nicht auch auf etwaige Abgabenbescheide ab.

Der Beschwerdeführer wurde vor dem ***LG*** - unter anderem - wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung (§ 33 FinStrG) rechtskräftig verurteilt. Diese Verurteilung, und nicht die im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Abgabenbescheide, dienen als Grundlage für den vom belangten Finanzamt erlassenen Haftungsbescheid. Wie dargestellt, soll die Bestimmung des § 248 BAO dem Haftungspflichtigen einen separaten Rechtsmittelweg gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide ermöglichen. Im Falle einer Haftung nach § 11 BAO liegt dem Haftungsbescheid allerdings genau kein Abgabenbescheid zugrunde (nicht einmal indirekt, da die Abgabenbescheide auch im haftungsbegründenden Verfahren vor dem Gericht/der Strafbehörde keine Bindungswirkung entfalten - siehe oben).

Daraus ergibt sich für den beschlussfassenden Richter, dass die Bestimmung des § 248 BAO - soweit daraus ein Beschwerderecht gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide abgeleitet werden soll - im Falle einer Haftung nach § 11 BAO nicht zur Anwendung gelangen kann. Dies ergibt sich einerseits aus dem Gesetzestext, der nur einen separaten Rechtsmittelweg für die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide eröffnet. Die Haftung des § 11 BAO beruht allerdings gerade nicht auf einem Abgabenbescheid (nicht einmal indirekt, siehe oben). Und auch der Zweck des § 248 BAO lässt nicht zwingend auf eine Anwendbarkeit in derartigen Fällen schließen - dem Beschwerdeführer ist es nämlich bereits im Verfahren vor dem ***LG*** offen gestanden, Einwendungen gegen die Verkürzungsbeträge (sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach) vorzubringen. Ein in diesem Verfahren erfolgreiches Vorbringen hätte direkt auch die maximale Höhe des Haftungsbetrages beeinflusst. Ein separater, erneuter Rechtsmittelweg zur Bekämpfung der Abgabenbescheide, die - wie dargestellt - nicht einmal Grundlage für die Haftung des § 11 BAO sind, erscheint überschießend.

Im Ergebnis kommt dem Beschwerdeführer somit kein Beschwerderecht gemäß § 248 BAO gegen die im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bescheide zu. Die Beschwerde war demnach mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurückzuweisen (so auch )

Das Bundesfinanzgericht konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO absehen. Die Erlassung des Zurückweisungsbeschlusses nach § 260 BAO obliegt gemäß § 272 Abs. 4 BAO dem Berichterstatter als Einzelrichter.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Bestimmung des § 248 BAO räumt dem Haftungspflichtigen explizit ein Recht auf Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch ein. Im gegenständlichen Fall beruht die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers allerdings auf § 11 BAO und somit seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung vor dem ***LG***. Zur Frage, ob aus der Bestimmung des § 248 BAO dennoch ein Beschwerderecht gegen die - der Haftung gerade nicht zugrundeliegenden - Abgabenbescheide abgeleitet werden kann, existiert noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100268.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at