Zurückweisung wegen fehlender Rechtsmittelbefugnis des Haftungspflichtigen nach Stattgabe seiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid
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RV/7100608/2020-RS1 | Die Heranziehung zur Haftung stellt die einzige Legitimation dar, auf Grund derer ein Haftungspflichtiger Beschwerde gegen den der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenbescheid eines anderen (des Primärschuldners) erheben darf. Aus diesem Grund ist auch in Fällen, in denen der Haftungspflichtige Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und gegen den zu Grunde liegenden Abgabenbescheid erhebt, zuerst über den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenbescheid abhängt ().
Durch die Aufhebung des Haftungsbescheides ist diese Legitimation weggefallen, es besteht dafür keine Rechtsmittelbefugnis mehr, daher ist die gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch gerichtete Bescheidbeschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig geworden zurückzuweisen. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, vom betreffend Gebühren 10.2010
Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig geworden zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
I. Zum gegenständlichen Beschwerdeführer und eigentlichen Abgabenschuldner:
Der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall ist ***Bf1*** (in der Folge als Bf bezeichnet).
Er war Geschäftsführer der ***C GmbH*** (in der Folge als C GmbH bezeichnet). Diese Firma ist mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom in Konkurs gegangen, der nach Verteilung an die Massegläubiger mit Beschluss vom aufgehoben wurde.
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom GZ ***111*** wurde die amtswegige Löschung der C GmbH wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG angeordnet und am eingetragen.
II. Entstehen der Abgabenschuld und umfangreiche Vorverfahren
Die C GmbH veranstaltete im Oktober 2010 ein Pokerturnier im ***Ort***.
Danach wurde von ihr eine Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7 lit. b GebG in Höhe von 948.043,83 € angemeldet und die bescheidmäßige Festsetzung der Gebühr beantragt.
Die belangte Behörde, das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet), nunmehr das Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, erließ am einen Bescheid gemäß § 201 BAO und setzte die Rechtsgeschäftsgebühren gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 7 lit. b GebG in Höhe von 948.318,83 € fest.
Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Entscheidung vom , RV/0743-W/11 vom Unabhängigen Finanzsenat (UFS) abgewiesen.
Gegen die Entscheidung des UFS erhob die C GmbH Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 1357/11, ab. Der VfGH trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Entscheidung ab.
Der VwGH gab dem Antrag der C GmbH auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit , nicht statt.
Er lehnte die Behandlung der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mit , ab.
Die C GmbH beantragte daher am Nachsicht der Rechtsgeschäftsgebühr.
Mit Erkenntnis vom RV/7100382/2014 wurde das Nachsichtsansuchen vom BFG abgewiesen.
Gleichzeitig brachte die ***C GmbH*** auch am einen Antrag auf Zahlungserleichterung hinsichtlich der Gewinstgebühr für Oktober 2010 in Höhe von EUR 948.318,83 samt Zinsen und Zuschlägen ein, der von der belangten Behörde abgewiesen wurde.
Die Beschwerde dagegen wurde vom Bundesfinanzgericht (BFG) mit Erkenntnis abgewiesen.
III. Haftungsinanspruchnahme des Bf durch die belangte Behörde und Stattgabe der Beschwerde dagegen durch Entscheidung des Bundesfinanzgerichts
Am wurde ein Haftungsbescheid gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO an den Geschäftsführer, den gegenständlichen Bf, für die aushaftenden Abgabenschulden in Höhe von 962.468,85 € erlassen.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO würden die in den § 80 BAO ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit haften, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung, der den Vertretern auferlegten Pflichten, nicht eingebracht werden können.
Gegen die Inanspruchnahme der Haftung erhob der Bf Beschwerde am und am selben Tag gemäß § 248 BAO die gegenständliche Beschwerde gegen den Abgabenbescheid. Diese Möglichkeit räumt § 248 BAO den Haftungspflichtigen ein, selbst dann, wenn die Beschwerde des Primärschuldners gegen den Abgabenbescheid bereits, im gegenständlichen Fall sogar höchstgerichtlich, abweislich entschieden wurde:
"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."
Das Haftungsverfahren des Bf wurde am durch das Bundesfinanzgericht dahingehend entschieden, dass der Beschwerde dagegen seitens des Bundesfinanzgerichtes stattgegeben und der Haftungsbescheid ersatzlos aufgehoben wurde, . Demgemäß wird der Bf nicht zur Haftung herangezogen.
IV. Wegfall der Rechtsmittelbefugnis für die gegenständliche Beschwerde
Mit dieser Entscheidung ist gleichzeitig die Rechtsgrundlage für die Anwendung des § 248 BAO weggefallen, da die Heranziehung zur Haftung die einzige Legitimation darstellt, auf Grund derer ein Haftungspflichtiger Beschwerde gegen den der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenbescheid, obwohl er nicht an ihn sondern an den Primärschuldner ergangen ist, erheben darf, obwohl im gegenständlichen Fall dessen Beschwerde dagegen bereits höchstgerichtlich abgewiesen wurde.
Da der Bf durch die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom nicht mehr Haftungspflichtiger ist, ist daher diese Legitimation zur Beschwerde gegen den der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenbescheid weggefallen und es besteht dafür keine Rechtsmittelbefugnis mehr.
Aus diesem Grund ist auch in Fällen, in denen der Haftungspflichtig Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und gegen den zu Grunde liegenden Abgabenbescheid erhebt, zuerst über den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den der Haftung zu Grunde liegenden Abgabenbescheid abhängt (ua ; ; siehe auch Ritz/Koran, BAO7 zu § 248 Rz 16).
Wird der Haftungsbescheid - mit im gegenständlichen Fall dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom - aufgehoben, ist die gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch gerichtete Bescheidbeschwerde als unzulässig geworden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen ().
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V. Beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat und Zustellung des Beschlusses
Der Bf hat in seinem Vorlageantrag für das gegenständliche Verfahren eine mündliche Verhandlung und eine Senatsentscheidung des Bundesfinanzgerichtes beantragt.
Gemäß § 274 Abs. 3 BAO kann der Senat ungeachtet des Antrages von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn - wie im gegenständlichen Fall - die Beschwerde wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen ist.
Gemäß § 272 Abs. 4 BAO gilt für Entscheidungen, die dem Senat obliegen, dass die dem Bundesfinanzgericht eingeräumten Rechte vom Berichterstatter ausgeübt werden können, dem zunächst Zurückweisungen gemäß § 260 BAO obliegen.
Demzufolge war von einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat im gegenständlichen Fall abzusehen.
Da der Bf mit Schreiben vom sowohl für das Haftungsverfahren als auch das gegenständliche Verfahren bekannt gegeben hat, nicht mehr durch den das gegenständliche Rechtsmittel eingebracht habenden Parteienvertreter vertreten zu sein und der neue Parteienvertreter seine Vollmacht ausschließlich für das Haftungsverfahren bekanntgegeben hat, liegt für den gegenständlichen Fall keine Zustellvollmacht für den Bf vor und der Beschluss ist ihm direkt zuzustellen.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gem. Art 133 Abs 4 und Abs 9 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu.
Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen umfangreichen, ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.
Demzufolge ist die Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100608.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at