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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.11.2022, RV/7300061/2020

Verfügung der Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens; Unkenntnis von Rechnungen, die der Ex-Mann als faktischer Machthaber ausgestellt hat, als Grundlage für Abgabenhinterziehungen, als neue Tatsache

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7300061/2020-RS1
Für die Frage, ob eine neue Tatsache vorliegt, kommt es lediglich darauf an, ob der Wiederaufnahmswerberin bzw. der Finanzstrafbehörde die Tatsache vor bzw. bei Erlassung des Bescheides bekannt gewesen ist.
RV/7300061/2020-RS2
Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Wiederaufnahmsgrund bilden, wenn sie bei Abschluss des Verfahrens schon vorhanden gewesen sind (nova reperta), nicht aber auch, wenn die Tatsachen oder Beweismittel erst nach dem Abschluss des Verfahrens neu entstanden sind (nova causa superveniens, nova producta; [R 165(1)/18]). Somit stellen nur solche Tatsachen oder Beweismittel einen Wiederaufnahmsgrund dar, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits vorhanden waren, aber erst später hervorgekommen sind (ua [R 165(1)/6]; ; ; Ritz, BAO 6, § 303 Rz 30).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in Vertretung des verhinderten Richters ***J*** in der Finanzstrafsache gegen Frau ***A*** ***B***, ***Bf1-Adr*** nunmehr vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH, Biberstraße 5, 1010 Wien, wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer 2019, mit dem der Antrag der Beschuldigten vom auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens (gemäß § 353 Ziffer 2 StPO) gemäß § 165 FinStrG abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde aufgehoben und die Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahren gemäß § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG beim nunmehr zuständigen Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde verfügt. Die die Antragstellerin betreffende Finanzstrafsache wird in den Stand des Untersuchungsverfahrens zurückversetzt.

Gegen die Verfügung der Wiederaufnahme ist eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 166 Abs. 2 FinStrG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom (eingelangt per Fax am ) beantragte Frau ***A*** ***B*** die Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens gemäß § 353 Z 2 StPO und begründete diesen wie folgt:

"Gem. § 353 Ziffer 2 StPO kann die Wiederaufnahme dann begehrt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die alleine oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen einen Freispruch oder eine Verurteilung wegen einer unter ein milderndes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen. Ein neues Beweismittel bzw. neue Tatsache liegt dann vor, wenn das Gericht davon zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangt, zudem seine Verwertung nicht mehr möglich war, als auch im früheren Verfahren nicht zur Kenntnis des Gerichts gelangt ist (Lewisch, WK-StPO I 353 Rz 24), das neue Beweismittel muss entweder für sich genommen oder im Zusammenhang mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, einen Freispruch bzw. eine Verurteilung unter ein milderes Strafgesetzt zu bewirken. Die neu beigebrachten Tatsachen oder Beweismittel müssen daher die Möglichkeit mit sich bringen, die Tatsachengrundlage des Ersturteils zu erschüttern und zu einer anderen Lösung der Beweisfrage zu gelangen (Lewisch - WK-StPO § 353 Rz 1, 26, 60), ein möglicher Einfluss auf das Urteil darf nicht ausgeschlossen sein. Die Eignungsprüfung hat im Sinne der Relevanzprüfung von Beweisanträgen in der Hauptverhandlung zu erfolgen. Ebenso wie Beweisanträgen stattzugeben ist, wenn sie nicht von vorn herein aussichtslos sind, ist auch einem Wiederaufnahmeantrag Folge zu geben, wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass aufgrund der neu beigebrachten Tatsachen oder Beweise eine andere Beurteilung der Beweisfrage erfolgen könnte. Die Eignung ist zu bejahen, wenn die neue Tatsache bzw. das neue Beweismittel zu einer anderen Beurteilung der maßgeblichen Sachverhaltsfrage hätte führen können, weil sich die darin angeführten wesentlichen Umstände nicht schon bei der Prüfung im Zusammenhang mit den früher erhobenen Beweisen als aussichtlos erweisen (Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 61 w; Fabricy StPO 12 I 353 RZ 2).

Die Verurteilte war tatsächlich nur am Papier und zu keiner Zeit faktisch Geschäftsführerin der "C-GmbH". Die Verurteilte hat zu keiner Zeit organisatorische, administrative oder exekutive Tätigkeiten im Unternehmen übernommen und fehlten ihr auch die dafür grundlegenden Kenntnisse zur Führung eines Unternehmens.

Vielmehr stand der Ehemann der Verurteilten, ***D*** ***B***, geb. 1965, bereits seit Anfang der Unternehmensgründung an der Spitze des Unternehmens und war faktisch der alleinige Geschäftsführer der GmbH. Sämtliche administrative und organisatorische Schritte wurden durch den Ehegatten der Verurteilten bestimmt und gesetzt.

Aus diesem Grund wurde mit Schreiben vom das Finanzstrafverfahren, für welches die Verurteilte bereits rechtskräftig in Verantwortung gezogen wurde, nunmehr gegen den Ehegatten der Verurteilten eingeleitet, da dieser als durchwegs faktischer Geschäftsführer der GmbH, die volle Verantwortung für die begangenen Tathandlungen übernimmt.

Weiters hat der Ehegatte der Verurteilten mit Einvernahme vom vor dem Finanzamt Wien 9/18/19 als Finanzstrafbehörde ein umfassendes schriftliches Geständnis abgelegt und im Rahmen dieses auch Rechnungen vorgelegt, aus denen herausgeht, dass er trotz fehlender Vertretungsbefugnis Überweisungen im Namen der Firma getätigt hat. Dies geschah nachweislich ohne der Kenntnis der Verurteilten, was sich dem schriftlichen Geständnis des Ehegatten entnehmen lässt. Das Geständnis sowie die vorgelegten Rechnungen stellen neue Tatsachen und Beweismittel dar und berechtigen die Verurteilte zur gegenständlichen Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens.

Beweis: Schreiben des Finanzamtes Wien 09/18/19 Klosterneuburg über die Einleitung des Verfahrens gegen den Ehegatten der Verurteilten;
Niederschriftliche Einvernahme des Ehegatten der Verurteilten vor dem Finanzamt am
Rechnungen der C-GmbH

Es wird daher der Antrag gestellt, dem Wiederaufnahmeantrag - allenfalls nach Durchführung der Ermittlungen - Folge zu geben, die gegenständliche Strafverfügung aufzuheben und das Strafverfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurückzuführen."

Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer 2019, wurde der Antrag der Beschuldigten vom auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens gemäß § 165 FinStrG mit folgender Begründung abgewiesen:

"Im gegenständlichen Fall wird als neue Tatsache angeführt, dass Fr. ***A*** ***B*** nur am Papier Geschäftsführerin gewesen und zu keinem Zeitpunkt für das Unternehmen tätig gewesen wäre. Der Unternehmenserfolg wäre einzig und allein bei ihrem Ehemann, ***D*** ***B***, gelegen.

Weiters wird vorgebracht, dass Fr. ***B*** von den betreffenden Rechnungen keine Kenntnis gehabt hätte. Diese wären von ihrem Ehemann ausgestellt und vereinnahmt worden."

Nach Wiedergabe des § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG wurde ausgeführt: "Fr. ***A*** ***B*** war bereits vor Abschluss des Finanzstrafverfahrens bewusst, dass sie lediglich als Strohfrau ihres Gatten eingesetzt wurde. Das Argument der faktischen Machthaberschaft des Ehemanns kann daher nicht als tauglicher Wiederaufnahmsgrund angesehen werden.

Auch die angebliche Unkenntnis über die von ihrem Ehemann ausgestellten Rechnungen stellen keinen Wiederaufnahmsgrund dar, da das Vorhandensein der Rechnungen ebenfalls bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Finanzstrafverfahrens bekannt war. In diesem Zusammenhang darf auf die Betriebsprüfung (Bericht vom ) verwiesen werden. Daher kann in diesem Zusammenhang nicht von neuen Tatsachen/Beweismitteln gesprochen werden, weshalb der Antrag abzuweisen ist."

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom wird der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit zur Gänze wie folgt angefochten:

"Der angefochtene Bescheid vom weist den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens (Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG vom ) ab.

Die Beschwerdeführerin hält im Rahmen ihres Antrages auf Wiederaufnahme fest, dass sie nur am Papier Geschäftsführerin gewesen sei und zu keinem Zeitpunkt für das Unternehmen tätig gewesen ist. Die Beschwerdeführerin hält im Rahmen ihres Antrages auf Wiederaufnahme fest, dass sie nur am Papier Geschäftsführerin gewesen sei und zu keinem Zeitpunkt für das Unternehmen tätig gewesen ist.

Auch war die Beschwerdeführerin zu keiner Zeit darüber in Kenntnis gesetzt, welche Rechtsgeschäfte im Namen des Unternehmens getätigt wurden, da der Unternehmenserfolg einzig und alleine bei ihrem Ehemann, ***D*** ***B***, gelegen ist.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin werde nunmehr dadurch gestützt, dass ein, durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin beim Finanzamt Wien erfolgtes Geständnis vorliegt. Darin erläutert der Ehegatte der Beschwerdeführerin umfassend und glaubwürdig, warum seine Ehegattin am Papier Geschäftsführerin des gegenständlichen Unternehmens war und wer tatsächlich Rechtsgeschäfte im Namen des Unternehmens abgeschlossen hat.

Im Rahmen seiner Aussage beim Finanzamt vom stellt der Ehegatte der Beschwerdeführerin ausdrücklich klar, dass er persönlich die hinterzogene Umsatzsteuer vereinnahmt hat und diese in seine eigene Tasche gesteckt hat. Er gibt weiters an, dass die Beschwerdeführerin von den strafgegenständlichen Rechnungen absolut keine Ahnung hatte und nicht einmal wusste, dass diese Rechnungen ausgestellt wurden. Darüber hinaus hat der Ehegatte der Beschwerdeführerin ausdrücklich fest, dass die Bezahlung der Strafverfügung durch die Beschwerdeführerin auf sein Anraten hin erfolgte.

Die belangte Behörde hält im Wesentlichen fest, dass gemäß § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG für die Beurteilung des Vorliegens einer neuen Tatsache beziehungsweise eines neuen Beweismittels entscheidend ist, ob der Wiederaufnahmswerberin die Tatsache beziehungsweise das Beweismittel vor beziehungsweise bei Erlassung des Bescheides bekannt oder zugänglich gewesen ist. Eine Tatsache beziehungsweise ein Beweismittel sei nur dann als neu hervorgekommen und können nur dadurch zu einem Wiederaufnahmsgrund werden, wenn sie vor beziehungsweise bei der Erlassung des Bescheides schon vorhanden aber unbekannt waren.

Weiters stellt die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin bereits vor Abschluss des Finanzstrafverfahrens wusste, dass sie lediglich als Strohfrau ihres Ehegatten eingesetzt wurde. Das Argument der faktischen Machthaberschaft des Ehemannes könne daher nicht als tauglicher Wiederaufnahmegrund angesehen werden. Auch die Unkenntnis über die vom Ehemann ausgestellten Rechnungen stelle keinen Wiederaufnahmegrund dar, da das Vorhandensein der Rechnungen ebenfalls bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Finanzstrafverfahrensbekannt war. Im Ergebnis können nicht von neuen Tatsachen oder neuen Beweismitteln gesprochen werden.

Die Feststellungen der belangten Behörde sind unrichtig.

Festgehalten wird, dass die Rechnungen, welche vom Ehegatten der Beschwerdeführerin im Rahmen seines Geständnisses bei der belangten Behörde vorgelegt wurden, bereits vor Abschluss des Finanzstrafverfahrens gegen die Beschwerdeführerin vorhanden waren, jedoch der Beschwerdeführerin unbekannt waren, da diese vom Ehegatten der Beschwerdeführerin wissentlich zurückgehalten worden.

Aus den nunmehr vorgelegten und der Beschwerdeführerin bis dato unbekannten Rechnungen geht hervor, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin widerrechtlich und ohne Befugnis Rechnungen ausgestellt und unterschrieben hat.

Auch das umfassende Geständnis des Ehegatten der Beschwerdeführerin ist zwar eine bereits vor Abschluss des Finanzstrafverfahrens vorhandene aber absolut unbekannte Tatsache.

Sowohl das Geständnis als auch die vorgelegten Rechnungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin waren der Beschwerdeführerin unbekannt, da ihr Ehegatte beide unter Verschluss gehalten hatte. Die Beschwerdeführerin hatte zu keiner Zeit Zugang zu diesen Beweismitteln.

Das Finanzamt hat gegen den Ehegatten der Beschwerdeführerin ein Verfahren wegen § 33 Abs. 2 FinStrG eingeleitet. Er habe demnach die Verkürzung von Vorauszahlungen der Umsatzsteuer zu verantworten, da er faktisch schon Machthaber der C-GmbH war.

Die vom Ehegatten der Beschwerdeführerin im Rahmen Seines Geständnisses vorgebrachten Rechnungen verdeutlichen nunmehr durch welche Rechtsgeschäfte genau der Ehegatte der Beschwerdeführerin die von ihm begangenen Finanzstraftaten verwirklicht hat. Auch entlasten sie, da sie allesamt die Unterschrift des Ehegatten der Beschwerdeführerin aufweisen, die Beschwerdeführerin vom Vorwurf des Finanzstrafdeliktes.

Beweis: Einvernahme der Beschwerdeführerin p,A. ***Bf1-Adr***
Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin p.A. ***Bf1-Adr***.

Aufgrund obiger Ausführungen wird der Antrag gestellt,

1. dem Rechtsmittel Folge zu geben und dem Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin stattzugeben,

2. in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückzuverweisen

3. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen."

Der Beschwerde beigelegt ist eine Niederschrift über die Vernehmung des Herrn ***D*** ***B*** als Beschuldigter vor der Finanzstrafbehörde vom , in der er aussagte:

"Ich gestehe ein für die wirtschaftlichen Belange der C-GmbH verantwortlich gewesen zu sein. Da ich in der Bankbranche für eine große britische Bank tätig bin, musste Ich für erforderliche Lizenzen einen Wohnsitz im Vereinigten Königreich haben. Deshalb hat sich meine Frau als Geschäftsführerin der C-GmbH eintragen lassen. Sie hat aber nie Tätigkeiten für die Gesellschaft ausgeübt, meines Wissens nach hat sie in all den Jahren 2-3 Mal etwas unterschrieben.

Die Verfehlungen der C-GmbH gehen ganz allein auf meine Kappe, die hinterzogene Umsatzsteuer habe ich vereinnahmt und in meine eigene Tasche gesteckt. Meine Frau hatte von diesen Rechnungen absolut keine Ahnung, sie wusste nicht, dass diese ausgestellt worden waren bzw. das dieses Geld vereinnahmt wurde.

Meine Frau war hier völlig unschuldig. Durch die Finanzstrafe wird meiner Frau die Chance genommen die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen, Ich bin dafür verantwortlich und möchte Ihr diese Chance nicht nehmen.

Ich hoffe, dass es einen Weg gibt hier noch 2u einer Lösung zu kommen. Wie bereits erwähnt, bin ich voll geständig und übernehme die volle Verantwortung für diese Verfehlungen.

Die Finanzstrafe wurde von meiner Freu ebenfalls aufgrund meines Anratens beglichen. Nach Rücksprache mit meinem Steuerberater haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen, weil wir diese Sache abschließen wollten, wir hatten keine Ahnung welche Auswirkungen das noch haben könnte."

Im Strafakt erliegt zudem eine Niederschrift über die Vernehmung des Herrn ***E*** ***F*** als Beschuldigter vor der Finanzstrafbehörde vom , in der dieser wie folgt aussagte:

"Hr. ***D*** ***B*** und ich wollten vor einigen Jahren mehrere Projekte verwirklichen und deshalb bin ich als Geschäftsführer in die C-GmbH miteingestiegen.

Wieso seine Frau als Geschäftsführerin angeführt ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich wäre für die Realisierung eventueller Bauprojekte zuständig gewesen, dies kam allerdings niemals zustande.

Die getätigten Umsätze stammen aus der Vermietung eines Geschäftslokales. Dieses Lokal wurde durch Hr. ***B*** gekauft und in die C-GmbH eingebracht. Das vermietete Lokal wurde Ende 2016 erworben, umgebaut und dann vermietet. Dort hat sich eine Pizzeria eingemietet.

Ich wusste von diesem Mietvertrag, im Zuge des Umbaus war ich einige Male vor Ort und habe den Baufortschritt begutachtet. Ich habe niemals etwas mit den bei der Prüfung beanstandeten Sachverhalten zu tun gehabt. Das letzte Mal mit Hr. oder Frau ***B*** gesprochen habe ich vor ca. einem Jahr. Fr. ***B*** habe ich maximal einmal gesehen und das war bei der Vertragsunterzeichnung. Der faktische Machthaber der Firma war Hr. ***B***.

Die steuerlichen Aspekte der Vermietung wurden mit mir nie besprochen."

Mit Eingabe vom wurde ein neues Vollmachtsverhältnis mitgeteilt und (zur Wiedereinsetzung?) ausgeführt:

"2.1. Das gegenständliche Verfahren ist auch für die Erledigung des laufenden Staatsbürgerschaftsverfahrens der Beschwerdeführerin von erheblicher Bedeutung (die MA 35 sieht die verhängte Verwaltungsstrafe als Verleihungshindernis, da der Betrag der Verwaltungsstrafe von EUR 1.000,00 erreicht wurde, das Staatsbürgerschaftsverfahren wurde bis zum Ausgang des gegenständlichen Verfahrens ausgesetzt).

Da die Antragstellerin mit Zusicherungsbescheid vom die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zugesichert wurde, die Antragstellerin in Folge ihre ***G*** Staatsbürgerschaft abgelegt hat und nunmehr seit dem staatenlos ist, ist eine rasche Entscheidung von größter persönlicher Bedeutung für die Antragstellerin, da die gegenständliche Angelegenheit für den Erwerb der Staatsbürgerschaft entscheidend ist - das Staatsbürgerschaftsverfahren wurde bis zum rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens unterbrochen. Die Antragstellerin erachtet die Nichtverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auch als Hindernis in ihrem beruflichen Fortkommen, die seit 2013 als Krankenschwester tätig ist.

2.2. Dem gegenständlichem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Wiederaufnahmeantrag liegt im Wesentlichen zugrunde, dass neue Beweismittel vorliegen, die aufzeigen, dass die Beschwerdeführerin an den - allein von ihrem Ex-Gatten zu verantwortenden - Finanzvergehen keinerlei Verantwortung trifft und die Annahmen der Erstbehörde unzutreffend sind. Es wird ausdrücklich auf das bisherige Vorbringen der Beschwerdeführerin verwiesen. Inhaltlich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Strafverfügung des Finanzamtes Wien 9/18/19 vom über Euro 3.500,00 wegen eines Verstoßes gegen § 33 Abs. 2 des FinStrG (Verkürzung von Umsatzsteuer) im Zeitraum bis 31 . in Höhe von insgesamt Euro 12.297,63 (Euro 9.044,51 und Euro 3.252,72) gegen die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der C-GmbH. Tatsächlich hat der Ex-Gatte der Antragstellerin, Herr ***D*** ***B***, der vom o.g. Finanzamt als faktischer Machthaber der C-GmbH identifiziert wurde, in seinem Eingeständnis vom dargestellt, dass er die den Vorwürfen zu Grunde liegenden Rechnungen eigenhändig ausgestellt, diese Beträge persönlich erhalten und auch eigenhändig quittiert hat, ohne dass die Antragstellerin hiervon Kenntnis hatte.

Der Ex-Mann der Antragstellerin hat hierfür als faktischer Geschäftsführer eine Strafverfügung erhalten, aus der erkennbar ist, dass das zuständige Finanzamt offenkundig von dem (der Beschwerdeführerin iSd Wiederaufnahmeantrages neuen) Sachverhalt ausgeht. Dennoch wurde der Antrag der Antragstellerin auf Wiederaufnahme betreffend die nachträgliche Aufhebung bzw. Reduzierung der gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Strafverfügung sowie die weitere inhaltliche Behandlung dieser Angelegenheit zu Unrecht abgelehnt.

Die gestellten Anträge bleiben aufrecht und es wird um rasche Entscheidung ersucht."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 165 Abs. 1 FinStrG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis (Bescheid, Rechtsmittelentscheidung) abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen zu verfügen, wenn ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) die Entscheidung durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) die Entscheidung von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
d) der Abgabenbetrag, der der Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages zugrunde gelegt wurde, nachträglich nach den Bestimmungen des Abgabenverfahrens geändert wurde oder
e) die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige gemäß § 29 Abs. 2 außer Kraft getreten ist
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.

§ 165 Abs. 4 FinStrG: Der Antrag auf Wiederaufnahme ist innerhalb von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung erlassen hat. Falls das Bundesfinanzgericht die das Verfahren abschließende Entscheidung erlassen hat, ist der Antrag auf Wiederaufnahme innerhalb der im ersten Satz genannten Frist bei diesem einzubringen.

§ 166 Abs. 2 FinStrG: In dem die Wiederaufnahme bewilligenden oder anordnenden Bescheid oder Beschluss ist auszusprechen, inwieweit das Verfahren wiederaufzunehmen ist. Durch diesen Bescheid oder Beschluss wird der weitere Rechtsbestand der Entscheidung des abgeschlossenen Verfahrens nicht berührt. Die die Wiederaufnahme verfügende Finanzstrafbehörde oder das die Wiederaufnahme verfügende Bundesfinanzgericht hat jedoch die Vollziehung der im abgeschlossenen Verfahren ergangenen Entscheidung auszusetzen, wenn durch sie ein nicht wiedergutzumachender Schaden eintreten würde und nicht öffentliche Rücksichten die sofortige Vollziehung gebieten. Gegen die Verfügung der Wiederaufnahme ist eine Beschwerde oder Revision nicht zulässig.

§ 166 Abs. 3 FinStrG: Durch die Wiederaufnahme tritt die Strafsache, wenn über sie bereits durch das Bundesfinanzgericht abgesprochen wurde, in den Stand des Beschwerdeverfahrens, in allen übrigen Fällen in den Stand des Untersuchungsverfahrens zurück. Frühere Erhebungen und Beweisaufnahmen, die durch die Wiederaufnahmsgründe nicht betroffen werden, sind nicht zu wiederholen.

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

§ 185 Abs. 8 FinStrG: Wird einem Antrag auf Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens nicht stattgegeben, so gelten hinsichtlich des Kostenersatzes die Abs. 1 bis 5 und 7 sinngemäß.

Zum Einschreiten als Vertreter:

Am hat sich die Antragstellerin telefonisch an den Vertretungsrichter gewendet (der eigentlich zuständige Richter befindet sich länger auf Urlaubs) und urgiert die Dringlichkeit der Erledigung. Es wurde die rasche Bearbeitung zugesagt und dazu noch ergänzende Fragen an den Rechtsvertreter gestellt, die dieser mit Eingabe vom beantwortete.

Zur Rechtzeitigkeit des Antrages:

Vorweg darf festgestellt werden, dass das Finanzstrafgesetz eigene Regelungen über die Wiederaufnahme von Finanzstrafverfahren aufweist, sodass die Bestimmungen der Strafprozessordnung hier nicht Platz greifen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 165 Abs. 4 Satz 1 FinStrG innerhalb von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem die Antragstellerin nachweislich von dem (behaupteten) Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung erlassen hat.

Eine Wiederaufnahmswerberin hat datumsmäßig oder sonst auf andere Weise genau anzugeben, wann sie von dem Vorhandensein des von ihr geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes Kenntnis erlangt hat, und die Beweise hiefür anführen (). Die Finanzstrafbehörde soll somit schon bei der Einbringung des Wiederaufnahmsantrages in die Lage versetzt werden, die Frage der Wahrung der gesetzlichen, nicht verlängerbaren Frist beurteilen zu können (-G/11). Das Fehlen derartiger Angaben über den genauen Zeitpunkt der Rechtzeitigkeit der Antragstellung stellt kein bloßes, mit einem Mängelbehebungsverfahren sanierbares Formgebrechen dar, weshalb diesfalls der Antrag jedenfalls zurückzuweisen ist (-L/12; Fellner, FinStrG, § 165 Rz 24; Rzeszut in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinStrG § 165 Rz 66).

Auch wenn nähere Angaben im Antrag nicht gemacht wurden erschließt sich sinngemäß aus dem Antrag vom als Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Antragstellerin von einem Sachverhalt, welcher als neue Tatsache verstanden werden könnte, die dem Antrag angeschlossene Verständigung vom von der Einleitung des Finanzstrafverfahren gegen den Ex-Mann der Antragstellerin bzw. die ebenfalls vorgelegte Niederschrift als Beschuldigter des Ex-Mannes vom . Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin bis zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zum Sachverhalt nie vernommen wurde ist nicht aktenkundig, dass sie vor dem von den als neue Tatsachen behaupteten Rechnungen (und dass daraus die Abgabenverkürzungen resultierten) Kenntnis hatte. Der liegt zweifellos innerhalb der dreimonatigen Frist des § 165 Abs. 4 Satz 1 FinStrG, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme insoweit keinen Mangel aufweist.

In der Eingabe vom wird von der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sie erst nach dem von den Vorgängen erfahren hat und dass daher der Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls fristgerecht war, was ohnehin auch innerhalb der gesetzlichen Frist angesiedelt ist.

Neue Tatsachen und Beweismittel:

Nur solche Tatsachen oder Beweismittel vermögen einen Wiederaufnahmegrund darzustellen, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits vorhanden waren, aber erst später hervorgekommen sind ().

Das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln führt nur dann zur Wiederaufnahme, wenn diese Tatsachen oder Beweismittel im vorangehenden Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Verschulden bedeutet die Verletzung eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlicher Fähigkeit gefordert werden kann. Waren die Tatsachen oder Beweismittel bekannt oder hätten sie der Partei bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen, dann können diese nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens Berücksichtigung finden (; ).

Eine Partei, die im vorangegangenen Verfahren Gelegenheit hatte, die ihr bekannten Tatsachen oder ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel für ihren Anspruch vorzubringen (eine solche Gelegenheit bietet sich im Allgemeinen spätestens im Rechtsmittelverfahren), diese Gelegenheit aber zufolge Fehlbeurteilung oder mangelnder Obsorge versäumte, hat die Folgen daraus zu tragen und kann sich - wegen Verwirklichung des Verschuldenstatbestandes - nicht auf den Wiederaufnahmegrund der neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel berufen (; ).

Für die Frage, ob eine neue Tatsache vorliegt, kommt es lediglich darauf an, ob der Wiederaufnahmswerberin bzw der Finanzstrafbehörde die Tatsache vor bzw. bei Erlassung des Bescheides bekannt oder zugänglich gewesen ist. Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel ist allein aus der Sicht des von der zuständigen Behörde geführten konkreten Verfahrens zu beurteilen (). Tatsachen und Beweismittel können daher nur dann einen Wiederaufnahmsgrund bilden, wenn sie bei Abschluss des Verfahrens schon vorhanden gewesen sind (nova reperta), nicht aber auch, wenn die Tatsachen oder Beweismittel erst nach dem Abschluss des Verfahrens neu entstanden sind (nova causa superveniens, nova producta; [R 165(1)/18]). Somit stellen nur solche Tatsachen oder Beweismittel einen Wiederaufnahmsgrund dar, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits vorhanden waren, aber erst später hervorgekommen sind (ua [R 165(1)/6]; ; ; Ritz, BAO 6, § 303 Rz 30). Neue Beweismittel umfassen begrifflich jede neue Grundlage für die Beurteilung der Schuldfrage, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie in der Geltendmachung neuer Tatsachen oder neuer Erkenntnisquellen für bereits früher bekannt gewordene Tatsachen bestehen (EvBl 1959/230). Tatsache kann nur ein mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängender tatsächlicher Umstand sein, also ein Sachverhaltselement, das bei entsprechender Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, zB ein Zustand, Vorgang, Beziehungen und Eigenschaften (), nicht aber eine unrichtige rechtliche Beurteilung von Tatsachen. Dies selbst dann nicht, wenn die Behörde daran ein Mitverschulden trifft ( [R 165(1)/61] und , 1151/75 [R 165(1)/40]). Beweismittel, die von der Partei mangels Gewährung des Parteiengehörs im Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, sind als neu hervorgekommene Beweismittel zu betrachten (VwSlg NF 1922/A). Liegen neue Tatsachen oder Beweismittel vor, ist es unerheblich, ob diese von der Partei oder von der Finanzstrafbehörde im Verfahren nicht vorgebracht wurden (FBA FinStrG). Hat die Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel im Verfahren nicht geltend gemacht, obwohl ihr dies bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit möglich gewesen wäre, liegt nach Auffassung des VwGH ein ihr zurechenbares Verschulden vor, welches eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (ua zu § 69 Abs 1 Z 2 AVG). Nach Rzeszut hingegen ist grobe Fahrlässigkeit einer Wiederaufnahme nicht abträglich (Rzeszut in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 165 Rz 30; ebenso Ritz, BAO 6, § 303 Rz 34 und Tannert in Tannert, Finanzstrafrecht, § 165 FinStrG Anm 31; siehe Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, 5. Aufl. (2021), § 165, I. Kommentar zu § 165 [Rz 8]).

Tatsache ist der zweifellos in einem Finanzstrafverfahren bedeutsame Umstand, ob die in der abschließenden Entscheidung einzelner Finanzvergehen rechtskräftig für schuldig befundene Beschuldigte die ihr zur Last gelegten Tathandlungen tatsächlich auch begangen hat oder nicht (; Rzeszut in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 165 RZ 22).

Zur Abrundung des bisherigen Verfahrensganges darf aus der Begründung der Strafverfügung vom auszugsweise ausgeführt werden:

"Der umseitige Tatbestand ist auf Grund des Ergebnisses des Untersuchungsverfahrens und nach der Aktenlage glaubwürdigen Verantwortung der Beschuldigten in objektiver und subjektiver Hinsicht, auch ohne deren Mitwirkung, erwiesen.

Durch Ihre Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsleben als Geschäftsführerin einer inländischen Kapitalgesellschaft, waren Ihnen die steuerlichen Verpflichtungen hinsichtlich der selbst zu berechnende Abgaben bekannt. Da Sie diesen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, erscheint auch die subjektive Tatseite als hinlänglich erwiesen."

Dazu ist festzuhalten, dass ohne Mitwirkung der Beschuldigten wohl keine glaubwürdige Verantwortung der Beschuldigten abgeleitet werden kann, wie in der Strafverfügung ausgeführt. Aus dem Strafakt ist zu ersehen, dass die Beschuldigte bis zur Erlassung der Strafverfügung nie persönlich zur Sache vernommen wurde oder sich vor Erlassung der Strafverfügung zur Sache geäußert hätte. Ebenso ist ihre Teilnahme an der Außenprüfung nicht dokumentiert.

Zur Frage, wann die Antragstellerin von den neuen Tatsachen erfahren hat, wurde sie am um ergänzende Informationen ersucht, die am wie folgt beantwortet wurden:

"Faktisch war Frau ***B*** in die finanziellen Angelegenheiten der C-GmbH nie eingebunden. Jede an sie gerichtete Post hat sie, sofern diese Finanzangelegenheiten betraf, an ihren Ex-Mann weiter gegeben, ohne sich mit den Inhalten näher auseinander zu setzen. Vereinbart war zwischen ihr und ihrem Mann, dass dieser sich um diese Sachen kümmert und mit dem Steuerberater der Firma abstimmt, sodass alle Angelegenheiten korrekt erledigt sind. Mit dem Steuerberater hat Frau ***B*** lediglich ein einziges Mal Kontakt gehabt, nämlich bei dessen Erstbeauftragung als Steuerberater für die C-GmbH. Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Angelegenheiten hatte sie keinerlei Kontakt zum Steuerberater.

Dies gilt für die Prüfung der Gesellschaft ebenso wie für die gesamten im Zusammenhang mit der Strafverfügung vom ergangenen Schreiben des Finanzamtes. Von den Inhalten der Strafverfügung hat sie erst im Nachhinein erfahren. Als sie die Strafverfügung erhalten hat, hat sie diese an ihren Ex-Mann weitergegeben und diesem erklärt, dass er sich darum kümmern soll. Ihr Ex-Mann hat ihr die Hintergründe nicht erklärt, aber gemeint, dass er sich darum kümmert. Dieser hat sich sodann mit dem von der Firma beauftragten Steuerberater ins Benehmen gesetzt und den Rat erhalten, dass die Verwaltungsstrafe einfach gezahlt werden soll und die Angelegenheit damit erledigt sei. Der Ex-Mann von Frau ***B*** hat die Strafe wirtschaftlich getragen und Frau ***B*** lediglich mitgeteilt, dass für sie mit der Zahlung alles erledigt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste Frau ***B*** nicht einmal ansatzweise, worum es bei der Verwaltungsstrafe gegangen ist. Hätte sie den Gegenstand der ihr in keiner Weise zurechenbaren - und ihr erst nach dem bekannt gewordenen - Verhaltensweisen ihres Ex-Mannes gekannt, der hierfür verwaltungsstrafrechtlich aus heutiger Sicht von Frau ***B*** völlig zu Recht bestraft wurde, wäre sie dem Ratschlag ihres Ex-Gatten und des Steuerberaters nicht gefolgt, und sie hätte die Verwaltungsstrafe bekämpft. Dies gilt umso mehr, als sie keine Vorstellung davon hatte, welche Implikationen dies für die Verleihung der Staatsbürgerschaft haben könnte

Erstmals mit dem Frau ***B*** am zugestellten Schreiben der MA 35 vom erfuhr Frau ***B*** davon, dass die "rechtskräftige Bestrafung mit einer Geldstrafe iHv EUR 3.500,00" im Staatsbürgerschaftsverfahren ein Verleihungshindernis darstellt. Dies ergibt sich auch aus dem beigeschlossenen Bescheid der MA 35 vom . Nach Erhalt des Schreibens stellte Frau ***B*** ihren Ex-Mann zur Rede und forderte eine Erklärung (sie war ja davon ausgegangen, dass die Angelegenheit in ihrem Sinne von ihrem Ex-Mann und dem Steuerberater erledigt wurde). Ihr Ex-Mann erklärte ihr in Folge die Angelegenheit, und Frau ***B*** erfuhr erstmals auch die Hintergründe, wie es zu der Verwaltungsstrafe gekommen war. Das - verwaltungsstrafrechtlich auch ihm gegenüber verfolgte - Verhalten ihres Ex-Mannes hätte sie in keiner Weise erwartet und hat sie schockiert. Der Ex-Mann von Frau ***B*** hat sämtliche Informationen betreffend die Gründe für das Finanzstrafverfahren und die Rechnungen so lange wie irgend möglich vor ihr geheim gehalten und auch von seinem eigenen Finanzstrafverfahren erst nach dem berichtet, als Frau ***B*** ihn zur Rede gestellt hat.

Es ist zudem festzuhalten, dass Frau ***B*** von den tatsächlichen rechtswidrigen Verhaltensweisen ihres Ex-Mannes zu keinem Zeitpunkt ausgegangen war und auch nicht ausgehen musste. Sie hatte nach jahrelanger Ehe die Vorstellung, dass ihr Ex-Mann ein sehr gut organisierter, gewissenhafter und anständiger Geschäftsmann ist und die Gebarungen, die er erst in seiner Einvernahme am eingestanden hat, für sich zu jedem Zeitpunkt ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund steht fest, dass Frau ***B*** erst nach dem von den Vorgängen erfahren hat und dass daher der Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls fristgerecht war.

Zu den Fragen im Einzelnen wie folgt:

• An Frau ***B*** wurde die Strafverfügung vom . Wann hat Sie erfahren, weshalb diese Strafe ausgesprochen wurde?

Die Kenntniserlangung erfolgte, nachdem Frau ***B*** ihren Mann zur Rede gestellt hatte, dh erst nach dem .

• Laut bisheriger Aussage von Frau ***B*** hätte Ihr Ex-Mann ihr zur Bezahlung der Geldstrafe geraten. Wurde dabei auch besprochen, weshalb die Strafe wegen Abgabenhinterziehung ausgesprochen wurde?

Nein, eine Erklärung diesbezüglich gab es nicht. Der Ex-Mann von Frau ***B*** hat lediglich gemeint, dass die Strafe auf Ratschlag des Steuerberaters akzeptiert worden sei, da dies die einfachste und pragmatischste Lösung wäre; es gehe ja um nichts Bedeutsames.

• Hat Frau ***B*** schon damals erfahren, weshalb diese Strafe ausgesprochen wurde oder ist ihr die Tatsache, dass die von Ihrem Ex-Mann ausgestellten Rechnungen Grund für diese Strafe waren, erst später bekannt geworden?

Wie zuvor dargestellt hat sie auch hiervon erst nach dem erfahren. Bekannt wurde es ihr erst, nachdem sie ihren Mann zur Rede gestellt hatte.

• Dem Antrag auf Wiederaufnahme ist eine Verständigung vom von der Einleitung des Finanzstrafverfahren gegen Ihren Ex-Mann angeschlossen, der eine Niederschrift als Beschuldigter Ihres Ex-Mannes vom beigelegt war. Hatten Sie schon vor dem Kenntnis von diesen Rechnungen?

Wie zuvor dargestellt hat Frau ***B*** auch von der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihren Ex-Mann erst nach dem erfahren. Die Niederschrift vom liegt ohnehin weit nach dem . Die bezughabenden Rechnungen (die allesamt vom Ex-Mann unterfertigt wurden), kennt Frau ***B*** konkret nur als Anhang zu dieser Niederschrift (wobei selbst dort die Kopien schlecht lesbar waren). Diese hat sie von ihrem Ex-Mann erst im erst nach dem erhalten. Zuvor hat sie die Rechnungen nie gesehen."

Im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des VwGH stellt sich die Frage, ob die Antragstellerin die hier geltend gemachten neuen Tatsachen bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein hätten müssen.

Dazu hat sie nunmehr mitgeteilt, dass zwischen ihr und ihrem Mann, dass dieser sich um diese Sachen kümmert und mit dem Steuerberater der Firma abstimmt, sodass alle Angelegenheiten korrekt erledigt sind.

Als sie die Strafverfügung erhalten hat, hat sie diese an ihren Ex-Mann weitergegeben und diesem erklärt, dass er sich darum kümmern soll. Ihr Ex-Mann hat ihr die Hintergründe nicht erklärt, aber gemeint, dass er sich darum kümmert. Dieser hat sich sodann mit dem von der Firma beauftragten Steuerberater ins Benehmen gesetzt und den Rat erhalten, dass die Verwaltungsstrafe einfach gezahlt werden soll und die Angelegenheit damit erledigt sei. Der Ex-Mann von Frau ***B*** hat die Strafe wirtschaftlich getragen und Frau ***B*** lediglich mitgeteilt, dass für sie mit der Zahlung alles erledigt sei. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste Frau ***B*** nicht einmal ansatzweise, worum es bei der Verwaltungsstrafe gegangen ist. Hätte sie den Gegenstand der ihr in keiner Weise zurechenbaren - und ihr erst nach dem bekannt gewordenen - Verhaltensweisen ihres Ex-Mannes gekannt, der hierfür verwaltungsstrafrechtlich aus heutiger Sicht von Frau ***B*** völlig zu Recht bestraft wurde, wäre sie dem Ratschlag ihres Ex-Gatten und des Steuerberaters nicht gefolgt, und sie hätte die Verwaltungsstrafe bekämpft. Dies gilt umso mehr, als sie keine Vorstellung davon hatte, welche Implikationen dies für die Verleihung der Staatsbürgerschaft haben könnte. […] Erstmals mit dem Frau ***B*** am zugestellten Schreiben der MA 35 vom erfuhr Frau ***B*** davon, dass die "rechtskräftige Bestrafung mit einer Geldstrafe iHv EUR 3.500,00" im Staatsbürgerschaftsverfahren ein Verleihungshindernis darstellt. Dies ergibt sich auch aus dem beigeschlossenen Bescheid der MA 35 vom . Nach Erhalt des Schreibens stellte Frau ***B*** ihren Ex-Mann zur Rede und forderte eine Erklärung (sie war ja davon ausgegangen, dass die Angelegenheit in ihrem Sinne von ihrem Ex-Mann und dem Steuerberater erledigt wurde). Ihr Ex-Mann erklärte ihr in Folge die Angelegenheit, und Frau ***B*** erfuhr erstmals auch die Hintergründe, wie es zu der Verwaltungsstrafe gekommen war.

Angesichts der familiären Situation, wonach der Ehemann als faktischer Machthaber seine Ehefrau über die Vorgänge in der GmbH im Ungewissen gelassen hat, kann bei sozialadäquatem Verhalten von der Antragstellerin nicht erwartet werden, dass sie ihrem Ex-Mann widersprochen und die Geldstrafe laut Strafverfügung nicht einfach einbezahlt hätte (ohne nachzufragen, weshalb sie eigentlich schuldhaft und rechtswidrig gehandelt hätte). Rückwirkend betrachtet kann man durchaus den Schluss ziehen, dass der Ex-Ehemann (zunächst) nicht selbst als eigentlicher Täter in Erscheinung treten wollte (und deshalb die Antragstellerin dazu drängte, die Geldstrafe zu entrichten).

Eine Kenntnis der Antragstellerin oder sogar ein Zugang zu diesen Informationen in Bezug auf die die Abgabenhinterziehung bewirkenden Rechnungen zum Zeitpunkt vor Erlassung der Strafverfügung ist - wie auch der Eingabe vom zu entnehmen ist - daraus nicht ableitbar.

Folgt man den Aussagen des Ex-Mannes und des Zeugen ***F***, so hatte die Antragstellerin mit den hier gegenständlichen Rechnungen als Geschäftsführerin der GmbH nichts zu tun bzw. wusste sie nichts von diesen Rechnungen, die Grundlage für die vorgeworfene Abgabenhinterziehung sein sollen. Der Ex-Ehemann der Antragstellerin hat ohne Befugnis die für das Finanzstrafverfahren relevanten Rechnungen ausgestellt, unterschrieben und auch kassiert; damals alles ohne Wissen oder Kenntnis der Antragstellerin. Der Zugang zu diesen Tatsachen vor bzw. bei Erlassung des Bescheides war der Antragstellerin weder bekannt noch die entsprechende Kenntnis möglich gewesen, da ihr Ex-Mann das alles "auf eigene Faust" erledigt hat.

Eine schuldhafte Unkenntnis dieser Rechnungen (samt daraus resultierenden strafrechtlichen Folgen) ist gerade bei der Konstellation der Antragstellerin als Proforma-Geschäftsführerin und des Ex-Ehemannes, der alles auch am zweiten Geschäftsführer vorbei auf eigene Faust als faktischer Machthaber abwickelte, nicht mit der für Zwecke des Finanzstrafverfahrens erforderlichen Sicherheit gegeben.

Soweit der angefochtene Bescheid auf die Betriebsprüfung (Bericht vom ) und das Vorhandensein der Rechnungen verweist, die laut Aussage des Ex-Ehemannes von ihm ausgestellt wurden, ist dazu festzustellen, dass die Antragstellerin weder von den Rechnungen noch von den damit bewirkten Abgabenverkürzungen gewusst hat, somit diese Kenntnis zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung gegen sie bei ihr als Antragstellerin noch nicht gegeben war, somit im Sinne der oben zitierten Judikatur aus ihrer Sicht von neuen Tatsachen auszugehen war.

Diese neue Tatsache der Unkenntnis von den dem Finanzstrafverfahren zugrundeliegenden Rechnungen (die zweifellos schon vor Erlassung der Strafverfügung der Finanzstrafbehörde existent waren aber der Antragstellerin unbekannt waren) ist ein Sachverhaltselement, das bei entsprechender Berücksichtigung im Sinne des § 165 Abs. 1 lit. b FinStrG zu einem anderen Ergebnis (keine Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG oder Einstellung des Finanzstrafverfahrens) geführt hätte, sodass der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens zu verfügen war.

Die Finanzstrafsache wird in den Stand des Untersuchungsverfahrens beim nunmehr zuständigen Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde zurückversetzt. Eine Aussetzung der Vollziehung der im abgeschlossenen Verfahren ergangenen Strafverfügung gemäß § 166 Abs. 2 FinStrG war nicht erforderlich, da die Geldstrafe bereits entrichtet wurde.

Abschließend bleibt festzustellen, dass das wegen derselben Finanzvergehen gegen den Ex-Mann der Antragstellerin geführte Finanzstrafverfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist.

Zum Antrag auf mündliche Verhandlung:

§ 160 Abs. 1 FinStrG: Über Beschwerden ist nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs. 4 vorzugehen.

Gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG konnte von der Durchführung der von der Antragstellerin beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der nunmehr ergänzten Aktenlage aufzuheben war.

Weitere Vorgangsweise:

Es obliegt im weiteren Untersuchungsverfahren dem nunmehr zuständigen Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde (als Rechtsnachfolger des damaligen Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde) zu entscheiden, ob allenfalls eine neue Strafentscheidung zu ergehen hat oder das Finanzstrafverfahren gegen die Antragstellerin mit Bescheid einzustellen ist.

Der Vollständigkeit halber bleibt festzuhalten, dass sich aus dem bisherigen Akteninhalt, den Beschwerdeaussagen, der Zeugenaussage, der ergänzenden Eingabe der Antragstellerin vom und dem Finanzstrafverfahren gegen den Ex-Ehemann wegen derselben Finanzvergehen ergeben hat, dass die Abgabenhinterziehung durch den faktischen Machthaber - den Ex-Ehemann - an der Antragstellerin vorbei bewirkt wurde. Wäre die Strafentscheidung gegen die Antragstellerin mit Beschwerde an das Bundesfinanzgericht bekämpft worden, hätte die Strafentscheidung nur aufgehoben und das Finanzstrafverfahren eingestellt werden können, da sich eine Wissentlichkeit der Antragstellerin für eine Bestrafung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG - wie in der Strafverfügung vorgeworfen - nicht ableiten lässt.

Kostenentscheidung

Verfahrenskosten werden gemäß § 185 Abs. 8 FinStrG nicht festgesetzt.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen die Verfügung der Wiederaufnahme ist eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 166 Abs. 2 FinStrG nicht zulässig. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist erst gegen die neue Sachentscheidung der Finanzstrafbehörde, die an die Stelle der vorhergehenden Entscheidung tritt, möglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
neue Tatsache
Unkenntnis
Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens
Zeitpunkt der Kenntnis
Verweise





-G/11
-L/12
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7300061.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at