Wiederaufnahme zur Berücksichtigung von Auslandseinkünften
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch RA-Vertreter über die Beschwerde vom gegen die zur Steuernummer ***BF1StNr1*** ergangenen Bescheide des ***FA*** (jetzt Dienststelle des Finanzamtes Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme gem. § 303 BAO der Bescheide zur Einkommensteuer 2009-2014 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist im anhängigen Verfahren die steuerliche Behandlung von Einkünften aus deutschen Einkunftsquellen (Sozialversicherungsrente, Betriebsrente und Rente eines Pensionsfonds), welche die Beschwerdeführerin (Bf) im Verfahrenszeitraum 2009 - 2014 neben österreichischen Pensionseinkünften bezog. Bekämpft wird einerseits die Wiederaufnahmebefugnis nach § 303 BAO und anderseits die Art und Weise der steuerlichen Erfassung der Einkünfte aus Deutschland in den Besteuerungsgrundlagen der angefochtenen Einkommensteuer (ESt)-Bescheide.
1. Nach Durchführung einer Außenprüfung (AP) nahm das für das abgabenbehördliche Verfahren zuständige Finanzamt ***FA*** (FA) - ausgehend von einer unbeschränkten Steuerpflicht der Bf in Österreich - die rechtskräftigen Arbeitnehmerveranlagungs (ANV)-Bescheide 2009 - 2014 wieder auf (§ 303 BAO) und bezog deren bis dahin nicht berücksichtigte Auslandsrenten in die Besteuerung ein, indem es einerseits die deutsche Sozialversicherungsrente (SV-Rente) dem Bereich des Art. 18 (2) DBA-Deutschland zuordnete und bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts berücksichtigte bzw. anderseits die Betriebsrente und die Rente des Pensionsfonds gemäß Art. 18 (1) DBA Deutschland in den Besteuerungsgrundlagen erfasste. Von der ab 2011 ausbezahlten Rente des Pensionsfonds wurden, unter Verzicht auf Erhebungen zur Finanzierung des Rentenanspruchs "zu Gunsten der Abgabepflichtigen", nur 25% der jährlichen Zuflüsse besteuert.
2. In ihrer Beschwerde gegen die aufgrund der AP ergangenen Bescheide brachte die Bf gegen die Zulässigkeit der Wiederaufnahmebescheide vor allem eine unzureichende Konkretisierung der Wiederaufnahmegründe hinsichtlich Gegenstand und Ergebnis der AP sowie eine fehlende Abwägung der Ermessensgründe in den einzelnen Wiederaufnahmebescheiden vor.
Die neuen ESt-Bescheide bekämpfte die Bf als gleichheitswidrig, weil bei ihren deutschen Rentenbezügen die begünstigte Besteuerung des 13. und 14. Monatsbezuges ohne sachliche Rechtfertigung unterblieben sei. Zudem verletze die Einbeziehung ihrer bereits in Deutschland versteuerten SV-Rente in den - zumal weder im EStG noch im DBA-Deutschland explizit geregelten - Progressionsvorbehalt, mit der Konsequenz eines höheren Steuersatzes bei der Besteuerung ihrer Inlandseinkünfte, ihr Recht auf Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV, weshalb sie dazu ein Vorabersuchen an den EUGH anrege.
3. Das FA erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE).
Die Begründung für die Wiederaufnahme sei im Sinne der VwGH-Judikatur durch Verweis auf Tz 1 und Tz 2 des AP-Berichts erfolgt und hinreichend konkretisiert dargelegt worden (Klärung der Ansässigkeit der Bf durch Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom ).
Eine als gleichheitswidrig eingewendete Besteuerung liege nicht vor, da alle strittigen Renten nach den aufliegenden Unterlagen pro Jahr in zwölf gleichmäßig verteilten Beträgen zur Auszahlung gelangt seien. Unter derartigen Bedingungen käme auch bei österreichischen Rentenbezügen keine begünstigte Besteuerung nach § 67 (1) und (2) EStG zur Anwendung.
Der Progressionsvorbehalt finde seine rechtliche Grundlage in § 33 (11) EStG bzw. Art. 23 (2) lit d DBA-Deutschland und verhindere eine Bevorzugung von Steuerpflichtigen mit Renten aus verschiedenen Staaten, die ohne eine derartige Maßnahme in den zwei- bzw. mehrmaligen Genuss eines steuerfreien Existenzminimums kommen würden.
4. Im Vorlageantrag an das FA hielt die Bf an der Mangelhaftigkeit der verfügten Wiederaufnahmen fest.
Den angefochtenen Bescheiden sei nicht zu entnehmen, wann das FA Kenntnis von den deutschen Rentenbezügen der Bf erlangt habe. Die Information betreffend Ansässigkeit der Bf in Österreich sei lt. BVE durch das im AP-Bericht angeführte Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd "(neuerlich) bestätigt" worden. Zeitangaben zum erstmaligen Hervorkommen der maßgeblichen Tatsachen sei das FA jedoch schuldig geblieben. Dadurch sei die Wiederaufnahme für die Bf nicht nachprüfbar und somit insbesondere für die Jahre 2009 - 2013 weder begründet noch gerechtfertigt. Auch die Ermessensübung sei unzureichend erfolgt. Es fehle jegliche Abwägung der Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe.
In Bezug auf die Gleichheitswidrigkeit der angefochtenen ESt-Bescheide erachtete die Bf das österreichische "Unikum" der Auszahlung von Rentenbezügen in 14 Teilbeträgen pro Jahr als unzulässiges Privileg, das ohne die rechnerische Fiktion einer entsprechenden Aufspaltung ausländischer Jahrespensionen zu einer verbotenen Diskriminierung ausländischer Einkünfte führe.
§ 67 EStG sei gleichheitswidrig ausgestaltet und verletze aufgrund fehlender Harmonisierung der innerstaatlichen Vorschriften und Anrechnung im Zusammenhang mit in- und ausländischen Einkünften das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK. Eine bereits 1972 mit Blick auf selbständig Erwerbstätige ergangene Grundsatzentscheidung des VfGH zu § 67 EStG, wonach keine Gleichheitswidrigkeit vorliege, ändere daran nichts, da in ihrem Fall für die Nichtanwendung der Begünstigungsbestimmung "kein Argument aus dem Bereich des Tatsächlichen" existiere. Zudem sei die Ungleichbehandlung unverhältnismäßig im Sinne der ständigen EUGH-Rechtsprechung.
Der Grundgedanke des durch Art 45 AEUV garantierten Rechtes auf Freizügigkeit, das nach der EUGH-Judikatur bereits verletzt sei, wenn für Bürger anderer EU-Staaten die Möglichkeit eines erschwerten oder auch nur weniger attraktiven Zuganges zur Beschäftigung bestehe, müsse auch für die Rückkehr in das Herkunftsland gelten. Wenn, wie im anhängigen Verfahren, Unterschiede in den Steuersystemen zu einer ungünstigeren Behandlung führten, werde die Freizügigkeit verletzt.
Da die Sozialversicherungs(SV)- und Betriebsrenteneinkünfte der Bf aus Deutschland in voller Höhe angesetzt worden seien, werde zudem das durch die EUGH-Judikatur ebenfalls garantierte Recht verletzt, Sonderausgaben und Aufwendungen aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat geltend zu machen.
Nicht zuletzt läge es im Interesse aller Mitgliedstaaten, die Besteuerung der Renten zu begrenzen und insbesondere Mehrbelastungen durch Mehrfachbesteuerung zu vermeiden, um den Lebensunterhalt der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Menschen nicht zu gefährden. Ein zwingender Wechsel in das österreichische Pensionsbesteuerungssystem, mit dem ein Verlust ihrer wohlerworbenen Rechte aus dem Besteuerungsverfahren der BRD einhergehe, sei der Bf nicht zuzumuten.
Es werde daher angeregt, ein Verständigungsverfahren nach Art 25 (2) DBA-Deutschland zwischen den zuständigen Behörden einzuleiten, "um das rechtspolitische Ziel der Sicherung der Alterseinkünfte zu erreichen".
5. Im Vorlagebericht an das BFG beantragte das FA die Abweisung der Beschwerde.
Zur Wiederaufnahme wurde ergänzend ausgeführt, dass dem FA die Rentenbezüge der Bf aus Deutschland dem Grunde nach erstmals im Jahr 2014 im Zuge deren Antrags auf Erteilung einer Ansässigkeitsbescheinigung zur Kenntnis gelangt seien, jedoch ohne Informationen über die Höhe. Im Jahr 2016 sei nach ergänzenden Erhebungen die AP durchgeführt worden, aus welcher die angefochtenen Bescheide resultierten.
In weiterer Folge formulierte das FA:
"Die steuerliche Vertretung der Bf. lies über die Ansässigkeit der Bf. in Österreich im Rahmen der Betriebsprüfung keinen Zweifel aufkommen. Aus der Sicht der Bf. war die Ansässigkeit daher stets unstrittig (so Tz. 1).
Dem Finanzamt liegt eine Ansässigkeitsbescheinigung des Ehepartners der Bf. vor, wonach dieser in Deutschland ansässig sei (Anm.: das bedeutet nicht, dass das den tatsächlichen Verhältnissen entspricht! Eine Prüfung der Ansässigkeit des Ehegatten wurde seitens des Finanzamtes nicht vorgenommen). In einer aufrechten Ehe ist es ungewöhnlich, dass die Ansässigkeiten der Ehepartner in unterschiedlichen Ländern liegen.
Diese Unstimmigkeit sowie die Tatsache der konsequenten Verwehrung einer Besteuerung oder des Einbezuges für eine Versteuerung (Progressionsvorbehalt) der deutschen Renten in Österreich durch die Bf. lies die Ansässigkeit als nicht gesichert erscheinen. Auch die offenbar tatsächliche Versteuerung der strittigen Renten in Deutschland (zumindest 2014, nur dieses Jahr ist aktenkundig) gab Anlass, die Ansässigkeit im Rahmen der Betriebsprüfung von amtswegen zu hinterfragen. Erst das vorgelegte Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom , wonach die Ansässigkeit der Bf. in Österreich grundsätzlich bestätigt wurde, führte zu der die Wiederaufnahme auslösenden neuen Tatsache (Beweismittel) lt. Tz. 2 des Prüfberichtes. Selbst wenn dieses Schreiben lt. Vorlage anders auszulegen sei, tut das der Berechtigung zur Wiederaufnahme keinen Abbruch, da die Ansässigkeit von der Bf. ja ohnehin nicht bestritten wird."
Zu den Einkommensteuerbescheiden führte das FA im Vorlagebericht aus:
"Die bekämpften Bescheidänderungen (im Rahmen von Wiederaufnahmen) wurden gesetzmäßig (EStG 1988) und vertragskonform (DBA) vorgenommen. Dies wird in der Beschwerde grundsätzlich auch gar nicht weiter beanstandet. Ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 des Doppelbesteuerungsabkommens ist nicht geboten, da nach Ansicht des Finanzamtes kein Qualifikationskonflikt vorliegt. Eventuell notwendige steuerliche Korrekturen in Deutschland wurden von der Bf. nicht eingeleitet und besteht wohl auch gar nicht die Absicht dazu. Die Vorlage gründet sich hauptsächlich auf verfassungs- und EU-rechtliche Bedenken. Eine Würdigung darüber obliegt nicht dem Finanzamt.
Trotzdem erlaubt sich das Finanzamt zu erwähnen, dass gerade eine hier wohl beabsichtigte Nichtversteuerung aus verfahrensrechtlichen bzw. anderen als materiellrechtlichen Gründen zu einer Ungleichbehandlung führen würde, im Vergleich zu jenen Steuerpflichtigen, die ihren Steuerverpflichtungen rechtskonform nachkommen. Ein Wahlrecht, wo versteuert wird, gibt es jedenfalls nicht. Im Übrigen würde eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Bf. nicht entlasten, das hätte lediglich ein neues Verfahren zur Folge."(Zitatende/Vorlagebericht)
6. Im finanzgerichtlichen Verfahren wurden umfangreiche ergänzende Sachverhaltsermittlungen durchgeführt, die neben der Feststellung der Lebensumstände der Bf in Deutschland, insbesondere die Beischaffung ihrer Besteuerungsunterlagen aus Deutschland und der Rechtsgrundlagen zur Betriebsrente der XY Deutschland GmbH bzw. der Rente von der XY Deutschland Pensionsfonds AG betrafen.
7. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BFG beantragte das FA aufgrund des Ergebnisses der finanzgerichtlichen Ermittlungen eine volle Besteuerung der Rente des XY Pensionsfonds.
Der Vertreter der Bf vertrat den Standpunkt, dass die Beitragsleistungen zu diesen Rentenbezügen aus arbeitsrechtlicher Sicht auch dann als Arbeitnehmerbezüge zu qualifizieren seien, wenn der Bf daraus kein Rechtsanspruch auf die spätere Rente erwachsen sei.
Darüber hinaus ergänzte der Vertreter das bisherige Vorbringen vor allem in Bezug auf vom FA im Rahmen der Ermessensübung für die Verfahrenswiederaufnahme nicht berücksichtigte Billigkeitsgründe betreffend das Alter und den Gesundheitszustand der Bf. Zudem erachtete er die steuerlichen Auswirkungen der Wiederaufnahme als geringfügig.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
I. Sachverhalt:
Die - steuerlich vertretene - Bf, geb. im Juli 1938, ist österreichische Staatsbürgerin und war bis Juli 1994 Dienstnehmerin der XY Österreich GmbH in Wien. Seit August 1994 fließen ihr Pensionsbezüge der an derselben Adresse situierten XY Pensionskasse AG, FN 999999x zu. Seit Mai 1995 erhält die Bf zudem eine Sozialversicherungspension der PVA (nachfolgend SV-Pension), die gemäß der Verordnung über die gemeinsame Versteuerung mehrere Pensionen, BGBl II 2001/55, gemeinsam mit der Pension aus der XY Pensionskasse AG ausbezahlt und versteuert wird.
Neben den österreichischen Pensionsbezügen erhält die Bf aufgrund einer 7jährigen Auslandstätigkeit für den XY Konzern seit August 1998 auch eine Sozialversicherungsrente der "DeutscheRentenversicherung Bund" (nachfolgend SV-Rente) und - aufgrund einer Direktzusage des ehemaligen Dienstgebers in Deutschland - eine Betriebsrente der XY Deutschland GmbH.
Die Betriebsrente der XY Deutschland GmbH wurde ursprünglich zum Teil ohne Rechtsanspruch gewährt.
Die Rentenleistungen zu dem von vorne herein mit Rechtsanspruch gegen den Dienstgeber ausgestatteten Teil der Betriebsrente erbringt durchgehend die XY Deutschland GmbH.
Die Auszahlung des freiwillig geleisteten Rententeiles erfolgte bis 2010 durch eine XY Deutschland Unterstützungskasse GmbH (nachfolgend XY UK GmbH). Nach einer Übertragung der ohne Rechtsanspruch gewährten Rentenverpflichtungen auf die XY Deutschland Pensionsfonds AG (nachfolgend auch XY Pensionsfonds), verfügt die Bf seit 2011 auch für diesen Teil ihrer Betriebsrente über einen Rechtsanspruch, der nun gegenüber dem XY Pensionsfonds besteht.
Auch nach der Teilübertragung auf den XY Pensionsfonds werden beide Teilrenten gemeinsam im Wege des Personalverrechnungsservice des ehemaligen Dienstgebers zur Auszahlung gebracht.
Zu einem Einbehalt von Lohnsteuer/Solitaritätsbeitrag oder Kirchenbeiträgen kam es im Verfahrenszeitraum nicht. In den Jahren 2009 - 2012 wurden von den betrieblichen Versorgungsbezügen der Bf auch keine Versicherungsbeiträge in Abzug gebracht. Für 2013 und 2014 weisen die Lohnsteuerbescheinigungen der XY Deutschland GmbH jedoch ein "Mindestversorgungspauschale" für Beiträge zur privaten Kranken- oder Pflege-Pflichtversicherung" aus (vgl. Mitteilungen vom und vom sowie Lohnsteuerbescheinigungen 2009-2014 der XY Deutschland GmbH bzw. Leistungsmitteilungen 2011-2014 des XY Pensionsfonds).
In Österreich erfolgten für die Bf ab 1994 Pflichtveranlagungen nach § 41 Abs. 1 Z 2 EStG unter Einbeziehungen der Bezüge der XY Pensionskasse AG in Wien und Abzug von Sonderausgaben für Personenversicherungen in Höhe des so genannten "Topf-Sonderausgaben"-Höchstbetrages. Einkünfte aus Deutschland waren bis zur verfahrensgegenständlichen AP in den Besteuerungsgrundlagen der ANV-Bescheide nicht erfasst.
Die Veranlagungsbescheide waren jeweils an die österreichische Wohnadresse der Bf adressiert. Ab der Veranlagung 1996 ergingen diese Bescheide an die Adresse in 9999 (Wohnort-Ö), Wohnadresse-Ö, wo die Bf gemeinsam mit ihrem Gatten seit 7/1984 ein Grundstück und seit Mitte der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts ein Einfamilienhaus besitzt. Dort befindet sich seither auch der meldebehördliche Hauptwohnsitz der Eheleute. Zustellprobleme sind nicht aktenkundig.
Den ESt-Erklärungen der Bf bis 2014 fehlte sowohl jeglicher Bezug zu Deutschland als auch zum Ehepartner (weder deutsche Adresse noch Einkünfte aus Deutschland, keine Angaben zum Familienstand oder zum Gatten). Soweit für das BFG einsichtig, finden sich auch jenseits der ESt-Erklärungen im FA-Datenbestand keine Hinweise auf Einkünfte der Bf aus Deutschland aus der Zeit vor Ergehen der - jeweils erklärungsgemäß ergangenen - ESt-Veranlagungsbescheide 2009 - 2013 (zuletzt ESt-Bescheid 2013 vom ).
Der Bescheid zur ESt-Veranlagung 2014 erging am .
Ein erster Bezug der österr. Abgabenbehörde zu den dt. Einkünften der Bf ergibt sich durch einen Aktenvermerk zu einem Telefonat ihres Gatten mit einem Bediensteten des FA vom (Vorlageunterlagen, BFG-Akt OZ 19) zur Vereinbarung eines Vorsprachetermins beim FA zum Zweck der Erörterung der Vorgangsweise für eine gemeinsame Besteuerung der Pensionen der Bf und Ihres Gatten in Deutschland (handschriftlicher Hinweis auf "öffentliche Pension" und "Firmenpension" der Bf aus Deutschland neben der inländischen Pension (je ohne Betragsangaben) und Vermerk: "Mittelpunkt der Lebensinteressen in AT lt. Pfl.").
Der Gatte der Bf verfügt seit 1978 über einen meldebehördlichen Hauptwohnsitz in Österreich. Seit April 1995 befindet sich dieser Hauptwohnsitz an der Adresse des gemeinsamen Wohnhauses in (Wohnort-Ö)/Niederösterreich.
Beim FA war der Gatte der Bf ab 1999 mit der Adresse in (Wohnort-Ö) erfasst und, wie FA-Erledigungen an diese Adresse aus 2012 - 2014 dokumentieren, dort auch postalisch erreichbar. Erst ab April 2014 adressierte das FA Erledigungen an die Nürnberger Adresse des Gatten.
Im Febr. 2013 und April 2014 hatte der Gatte der Bf dem FA Ansässigkeitsbescheinigungen für 2012/2013 bzw. 2014/2015 vorgelegt, in welchen das Finanzamt Nürnberg-Süd für Zwecke der Steuerentlastung seiner drei deutschen Renten-/Versorgungsbezüge (idente bezugsauszahlende Stellen wie Bf) die Ansässigkeit des Gatten in der BRD im Sinne des DBA-Deutschland bescheinigte. Den Bescheinigungen lagen die Angaben des Gatten in den vorangegangenen Anträgen an das Finanzamt Nürnberg-Süd zugrunde (Wohnsitz/ ständige Wohnstätte in Nürnberg und in (Wohnort-Ö)/Österreich, Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland).
In der auf das Telefonat vom folgenden Besprechung mit dem FA hatte der Gatte der Bf Anfang August 2014 darauf verwiesen, dass beide Ehepartner in Österreich leben, er jedoch in Deutschland in die unbeschränkte Steuerpflicht optiert habe (Option nicht aufgrund des Wohnsitzes, sondern gem. § 1 (3) dEStG, weil "90% Einkünfte in Deutschland bzw. ausländ. Einkünfte unter 8.130,- €"). Im Zuge der aktuellen Erstellung der Abgabenerklärung 2013 beabsichtige auch die Bf eine Option in die deutsche Besteuerung. Die dazu für die deutsche Abgabenbehörde nötige "EU/EWR-Bescheinigung" solle sich auf die österreichischen Pensionsbezüge der Bf beschränken.
Am 5.Sept.2014 bestätigte das FA im Wege des vom Gatten beigebrachten Formulars und unter Anschluss der Lohnzettel zu den österreichischen Pensionsbezügen der Bf, dass diese mit Einkünften "lt. beiliegender Lohnzettel 2005-2013" im Ansässigkeitsstaat Österreich der Besteuerung unterliege.
Mit selben Datum wurden der Bf vom FA Abgabenerklärungen für 2009 - 2013 zugesendet, auf welche sie jedoch nicht reagierte (Formulare L1 u. L1i mit Vermerk "§ 303 (1) Wiederaufnahme des Verf."; "Frist bis ").
Erst fast zwei Jahre später, nach einem Ergänzungsvorhalt des FA vom zur Klärung der für eine Besteuerung maßgeblichen Umstände zu den deutschen Rentenbezügen 2009 - 2014 (Höhe, Besteuerung in Deutschland, Lebensmittelpunkt der Bf), übermittelte eine inzwischen auch in Österreich beauftragte steuerliche Vertretung der Bf dem FA am die ersten Unterlagen (teilweise geschwärzt bzw. wegkopiert) zu deren Einkünften aus Deutschland (Aufstellung der Rentenzuflüsse im Zeitraum 2009 - 2014 samt Mitteilungen der "Deutsche Rentenversicherung Bund" über die jährlichen Rentenanpassungen und "Lohnsteuerbescheinigungen" der XY Deutschland GmbH sowie den "derzeit nur für des Jahr 2014" existierenden ESt-Bescheid des Finanzamtes Nürnberg Süd vom , der beide Ehepartner mit einer gemeinsamen Adresse in Nürnberg als Bescheidadressaten ausweist).
Angeschlossen war auch das im AP-Bericht vom erwähnte Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom an die steuerliche Vertretung der Eheleute in Deutschland, dem zu ersehen ist, dass die Zusammenveranlagung für 2014 ausschließlich auf Basis der behördlichen Meldedaten in Deutschland erfolgte. Eine EU/EWR-Bescheinigung der österr. Abgabenbehörde lag dem deutschen Finanzamt dabei nicht vor (BFG-Akt OZ 19 und OZ 22).
Daraufhin leitete das FA die verfahrensgegenständliche AP zur ESt 2009-2014 der Bf ein (Prüfungsauftrag v. 8.Sept 2016/Prüfungsbeginn 14.Sept 2016).
Nach dem Ergebnis des finanzgerichtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgten in Deutschland ab 2010 Zusammenveranlagungen der Bf und ihres Ehemannes.
Für Zeiträume bis 2009 finden sich keine Anhaltspunkte für eine Besteuerung der Bf in Deutschland (weder Zusammenveranlagung noch Einzelbesteuerung).
Ausgangspunkt für die steuerliche Erfassung der Bf in Deutschland war demnach die Veranlagung 2013 gewesen.
Nachdem der Gatte der Bf im Mai 2014 zunächst eine ESt-Erklärung 2013 zur Einzelbesteuerung als unbeschränkt Steuerpflichtiger eingereicht hatte, teilten die Eheleute dem Finanzamt Nürnberg-Süd mit Schreiben vom mit, dass eine Zusammenveranlagung durchgeführt werden solle.
Wie bereits festgestellt, wandte sich der Gatte der Bf kurz danach auch in Österreich an das FA zur Klärung der Vorgangsweise betreffend Zusammenveranlagung in Deutschland. Die daraufhin im Sept. 2014 an die Bf versendeten Abgabenerklärungen 2009-2013 für Abgabepflichtige mit Auslandseinkünften blieben unbeachtet (Einreichfrist ).
Kurz vor Ende der Frist zur Rücksendung der Abgabenerklärungen an das FA in Österreich, hatte sich das Finanzamt Nürnberg-Süd mit dem im AP-Bericht erwähnten Antwortschreiben vom zur Eingabe vom geäußert und - auf Basis einer durchgeführten Meldedatenabfrage für Deutschland - eine Zusammenveranlagung der Ehepartner für 2013 in Aussicht gestellt.
Entsprechend dieser Auskunft reichten die Eheleute im Dez. 2014 im Wege ihrer steuerlichen Vertretung in Deutschland beim Finanzamt Nürnberg-Süd eine ESt-Erklärung 2013 ein, die für beide Abgabepflichtigen (ausschließlich) eine gemeinsame deutsche Wohnadresse in Nürnberg auswies.
Zur Bf enthielt die Abgabenerklärung - unter Anschluss der EU/EWR-Bescheinigung des FA vom 5.Sept 2014 - einen Antrag auf "Anwendung personen- und familienbezogener Steuervergünstigungen", samt Angabe der österreichischen SV-Rente als nicht der Besteuerung in Deutschland unterliegend.
Die Angaben zu den deutschen Einkünften der Bf beschränkten sich auf die Bezüge der Deutsche Rentenversicherung Bund. Angaben zu ihren Einkünften aus der XY Betriebsrente und der Rente des XY Pensionsfonds fehlten in den Erklärungen.
Gegen den im Jänner 2015 ergangenen ESt-Bescheid 2013 erhoben die Eheleute Einspruch, der vorerst unbearbeitet blieb.
Kurz nach Ergehen des österreichischen ESt-Bescheides 2014 an die Bf reichten die Eheleute Ende Jänner 2016 beim Finanzamt Nürnberg-Süd auch zum Jahr 2014 eine ESt-Erklärung auf Basis einer beantragten Zusammenveranlagung ein. Nunmehr enthielten die Angaben zu den Einkünften der Bf auch Daten zu deren betrieblichen Versorgungsbezügen aus Deutschland.
Am erhob die steuerliche Vertretung gegen den erklärungsgemäß ergangenen ESt-Bescheid 2014 Einspruch beim Finanzamt Nürnberg-Süd.
Am selben Tag erging vom FA in Österreich die bereits erwähnte Aufforderung an die Bf zur Klärung der Voraussetzungen für eine Besteuerung ihrer deutschen Einkünfte 2009-2014 in Österreich, deren Beantwortung vom zur Einleitung des verfahrensgegenständlichen AP-Verfahren im Sept. 2016 führte.
Nach den Vorlageunterlagen des FA beschränkten sich die Sachverhaltserhebungen im AP-Verfahren, abgesehen von einer Grundbuchsabfrage, auf ein Telefonat mit dem Finanzamt Nürnberg-Süd im Jänner 2017, bevor das Prüfungsverfahren im März 2017 beendet wurde und die im anhängigen Verfahren zu beurteilenden Bescheide ergingen.
Das Finanzamt Nürnberg-Süd nahm das Prüfungsergebnis aus Österreich zum Anlass für zwei Schriftsätze an die steuerliche Vertretung der Ehepartner in Deutschland vom 3.Juli bzw. , in welchen es die Erfolgsaussichten der beiden Einsprüche gegen die ESt-Bescheide 2013 und 2014 negativ beurteilte und eine Zurücknahme der Rechtsmittel nahelegte (für 2013 unter Hinweis auf eine drohende Verböserung).
Dieser Anregung kamen die Bf und ihr Gatte nicht nach.
Zur Besteuerung der deutschen Renten- bzw. Versorgungsbezüge der Bf vertrat das Finanzamt Nürnberg-Süd in den Schriftsätzen, unter Verweis auf die Niederschrift vom aus dem AP-Verfahren in Österreich, den gleichen Rechtsstandpunkt wie die österreichische Abgabenbehörde (aufgrund von Wohnsitzen der Bf in Deutschland und Österreich unbeschränkte Steuerpflicht in beiden Staaten, jedoch Besteuerung der deutschen XY-Betriebsrente in Österreich unter Anwendung eines Progressionsvorbehalts in Deutschland auf Basis von Art 18 (1) und Art 23 (1) lit a DBA Deutschland/Ö bzw. § 32b Abs. 1 Nr 3 dEStG).
Zugleich verwies das Finanzamt Nürnberg-Süd jedoch unter Hinweis auf § 50d Abs. 8 dEStG darauf, dass die Freistellung der deutschen Einkünfte der Bf (Beschränkung auf den Progressionsvorbehalt) nur gewährt werde, soweit die Bf entweder deren Entrichtung in Österreich oder einen Verzicht Österreichs auf deren Besteuerung nachweise. Da den vorgelegten österreichischen Steuerbescheiden solches jedoch nicht zu entnehmen sei, werde die Versteuerung in Deutschland bis zu einem entsprechenden Nachweis auch die deutschen Einkünfte der Bf umfassen. Eine allfällige Änderung sei auf Basis des § 50d Abs.8 Satz 2 dEstG möglich.
Sofern die durch § 26b dEStG vorgegebene Beeinflussung der Einkommensverhältnisse beider Ehepartner im Rahmen der Zusammenveranlagung nicht gewünscht sei, stehe es den Steuerpflichtigen frei, eine Einzelveranlagung zu wählen.
Der in den beiden Schriftsätzen nicht erwähnte Rentenbezug des XY Pensionsfonds war in den nachfolgenden Bescheiderledigungen des Finanzamtes Nürnberg-Süd miterfasst.
Zugleich mit dem Schriftsatz zu den Rechtsmitteln 2013/2014 erließ das Finanzamt Nürnberg-Süd am auch entsprechende ESt-Bescheide für 2010 - 2012, von welchen, nach den aus Deutschland übermittelten Unterlagen, lediglich der Bescheid zum Jahr 2010 angefochten wurde. Die Erledigung dieses Einspruchs vom entsprach den Ergebnissen zur ESt 2011-2014 (BFG-Akt, OZ 63ff u. OZ 96).
Bereits im Dez 2016 war ein ESt-Bescheid 2015 des Finanzamtes Nürnberg-Süd ergangen (Zusammenveranlagung), mit dem zwar die drei deutschen Einkunftsquellen der Bf zur Gänze besteuert wurden, deren österreichischer Pensionsbezug jedoch gänzlich unberücksichtigt blieb (kein Progressionsvorbehalt). Eine Anmerkung der steuerlichen Vertretung lässt darauf schließen, dass kein Einspruch erhoben wurde.
In Österreich brachte die Bf dagegen auch gegen die im Sinne der AP-Bescheide zu den Vorjahren ergangenen ESt-Bescheide 2015 - 2020 Beschwerden ein.
Das FA setzte die Rechtsmittelverfahren gem. § 271 BAO aus. Eine nach § 265 (6) BAO vorgesehene Verständigung des BFG und Nachreichung ergänzender Unterlagen aus diesen Verfahren unterblieb. Das BFG erlangte dadurch vom Schriftsatz des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom erst nach gesonderter Anforderung bei der Bf im Zuge ergänzender finanzgerichtlicher Ermittlungen Kenntnis.
Weitere verfahrensrelevante Angaben bzw. Unterlagen blieb die Bf jedoch, trotz Anforderung im finanzgerichtlichen Verfahren, bis zum Ende des Ermittlungsverfahrens schuldig. Dies betrifft, neben Angaben/Unterlagen zu ihrem Wohnsitz bzw. ihren Lebensverhältnissen in Nürnberg, insbesondere Teile der Rechtsgrundlage für die Betriebsrente der XY Deutschland GmbH (Regelungen zur Ansparphase sowie zur Auszahlung durch die XY UK GmbH) und die Rechtsgrundlagen zu ihrem Rentenanspruch gegen den XY Pensionsfonds (Vereinbarungen der XY Deutschland GmbH mit dem Konzernbetriebsrat bzw. der XY Deutschland Pensionsfonds AG).
Vorgelegt wurden im finanzgerichtlichen Ermittlungsverfahren als Rechtsgrundlage zur deutschen Betriebspension der Bf lediglich eine (unvollständige) Betriebsvereinbarung (BV) zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat der XY Deutschland GmbH über das "Versorgungswerk" des Unternehmens vom Dez 1992 sowie die bereits erwähnten Mitteilungen des Dienstgebers an die Bf anlässlich des Beginns der Rentenauszahlungen im August 1998 bzw. anlässlich des "Durchführungsformwechsels" zum XY Pensionsfonds im Dez. 2010 (BFG-Akt OZ 53ff).
Gemäß der Betriebsvereinbarung vom Dez 1992 haben Mitarbeiter der XY Deutschland GmbH, je nach der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit, Anspruch auf verschiedene Formen von Versorgungsbezügen (Alters-, Erwerbsunfähigkeits-, Witwen- und Waisenrenten) sowie Absicherungen für den vorzeitigen Todesfall bzw. die Hinterbliebenen ("Versorgungssumme", "Rentnersterbegeld").
Auf 40% der Rentenleistungen besteht ein Rechtsanspruch gegenüber dem ehemaligen Dienstgeber, 60% der Rentenleistungen zahlt die "XY Unterstützungskasse" als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch aus. Für die "Versorgungssumme" und das "Rentnersterbegeld" schließt der Dienstgeber Direktversicherungen mit unmittelbarem Rechtsanspruch der versicherten Dienstnehmer ab. Die Prämien inclusive darauf entfallender Pauschalsteuer übernimmt der Dienstgeber. Der 40:60 Aufteilung liegt eine Rentenhöchstbegrenzung für die Steuerfreiheit einer Unterstützungskasse nach §§ 2f dKöSt-DV zugrunde (restl. Teil der Seite 14 wegkopiert).
Eine Übertragung der Verpflichtung auf oder Auszahlung im Wege einer XY UK GmbH ist in der vorgelegten Betriebsvereinbarung nicht erwähnt.
Auch Regelungen zur Aufbringung der Mittel für die Rentenansprüche auf die Betriebsrente bzw. zur Ansparung in der Unterstützungskasse enthält der von der Bf übermittelte Auszug aus der Betriebsvereinbarung vom Dez. 1992 nicht. Eine insofern ergänzende Aufforderung des BFG blieb neuerlich unbeantwortet.
Die laufenden Rentenauszahlungen erfolgen gemäß der Betriebsvereinbarung monatlich, je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, zu Monatsbeginn oder -ende. Darüberhinausgehende Sonderzahlungen sind in der Betriebsvereinbarung nicht angeführt.
Im Zusammenhang mit Rentenzahlungen anfallende gesetzliche Abgaben ("z.B. Steuern und Krankenkassenbeiträge") haben die Rentner zu tragen (§ 2 Abs. 1, 2, 7-11 u. § 19 BV Dez.1992).
Im Dez 2010 wurde die XY Deutschland Pensionsfonds AG zur "Auslagerung der Versorgungszusagen" gegründet. Die XY Deutschland GmbH schloss mit dem Zentralbetriebsrat des Konzerns eine entsprechende Vereinbarung, die unterschiedliche Versorgungspläne mit Versorgungsleistungsgarantien umfasste.
In Bezug auf bereits laufende Rentenauszahlungen wurden die bisher "mittelbar über die XY Unterstützungskasse durchgeführten Versorgungszusagen" samt dem Vermögen zur Gänze und mit Zweckbindung für die Rentenzahlungen auf die Pensionsfonds AG übertragen. Ein Rückfall an den Dienstgeber ist ausgeschlossen. Im Gegenzug ist den Rentenbeziehern ein Rechtsanspruch auf die in den Versorgungsplänen zugesagten Renten eingeräumt. Die Kapitalanwartschaften und der mit Rechtsanspruch gegenüber der XY Deutschland GmbH ausgestattete Teil der Rentenanwartschaften verblieben bei der Unterstützungskasse. Das Vermögen des Pensionsfonds und der Unterstützungskasse ist über eine Treuhandkonstruktion verbunden. Für den ehemaligen Dienstgeber besteht eine gesetzliche Haftung. Der Pensionsfonds unterliegt der staatlichen Finanzaufsicht (BaFin).
Während bis 2010 bei den monatlichen Rentenauszahlungen Abgaben und Versicherungsbeiträge, sofern solche anfielen, vom ehemaligen Dienstgeber einbehalten wurden, haben die Rentenbezieher die Versteuerung der vom XY Pensionsfonds ausbezahlten Rententeile selbst vorzunehmen. Die Auszahlung des auf den XY Pensionsfonds übertragenen Rententeiles erfolgt als Bruttorente ohne Abzug von Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und ggfs Kirchensteuer, wenn auch weiterhin gemeinsam mit dem beim Dienstgeber verbliebenen Rententeil im Wege des Lohnverrechnungsservice der XY Deutschland GmbH. Sofern bis 2010 eine Abfuhr von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner erfolgte, wird diese auch für den auf den XY Pensionsfonds übertragenen Rententeil fortgeführt (Mitteilung der XY Deutschland GmbH an die Bf v. ).
Da den Leistungen des XY Pensionsfonds Versorgungszusagen in Form einer Direktzusage bzw. aus einer Unterstützungskasse zugrunde liegen und die Ansprüche steuerfrei nach § 3 Nr 66 dEStG auf den Fonds übertragen wurden, unterliegen die Rentenleistungen des Fonds als steuerpflichtige Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag iSd § 82 dEStG im vollen Umfang der Steuerpflicht nach § 22 Nr 5 Satz 7 iVm § 52 Abs 34c dEStG. Das Finanzamt gewährt jedoch einkünfteübergreifend einen Pauschbetrag für Werbungskosten nach § 9a Satz 1 Nr 1 dEStG und den Versorgungsfreibetrag samt Zuschlag nach § 19 (2) dEStG (vgl. Jahresmitteilungen des XY Pensionsfonds ab 2011).
Die XY Deutschland Pensionsfonds AG betreibt lt. dHRB das Geschäft eines Pensionsfonds im Sinne der Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (§§ 112 ff. dVAG) und gehört aktuell zu den fünf größten Pensionsfonds in Deutschland (vgl. wikipädia.org/ Bundesverband der Rechtsberater für betriebliche Altersversorgung und Zeitwertkonten e.V.).
Gemäß den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung vom Dez 1992 erhielt die Bf ab Aug 1998 jeweils im Voraus eine monatliche Altersrente von 1.083,- € brutto, die zu 40% (d.i. im Umfang der Direktzusage mit Rechtsanspruch) von der XY Deutschland GmbH stammt und bis incl. 2010 zu 60% als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch von der XY UK GmbH ausbezahlt wurde. Seit 2011 enthalten die monatlichen Rentenüberweisungen des Personalverrechnungsservice der XY Deutschland GmbH anstelle der Leistungen der XY UK GmbH die Bezugsteile des XY Pensionsfonds als Bruttorente.
Wie festgestellt, wurde im Verfahrenszeitraum für 2009 - 2014 von den privaten Rentenbezügen der Bf weder Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag oder Kirchensteuer, bis 2012 auch keine Kranken- oder Pflegeversicherungsbeiträge in Abzug gebracht. Bei den ESt-Zusammenveranlagungen 2010 - 2014 in Deutschland kamen jeweils ein Werbungskostenpauschbetrag zu Versorgungsbezügen (102,- €) sowie ein Versorgungsfreibetrag samt Zuschlag nach § 9a Satz 1 Nr 1 dEStG und § 19 Abs.2 dEStG in Ansatz. Ein in den Lohnsteuerbescheinigungen 2013/2014 der XY Deutschland GmbH ausgewiesenes "Mindestversorgungspauschale" für Beiträge zur privaten Kranken- oder Pflege-Pflichtversicherung wurde in die dt. ESt-Bescheide nicht übernommen.
II. Rechtslage:
"Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs 1 lit b BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013)."
"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO)."
Zur Rechtslage und zur rechtlichen Würdigung im Verfahren betreffend das Rechtsmittel gegen die nach der verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahme ergangenen ESt-Bescheide 2009 - 2014 vom wird auf Punkt II. und III. des am heutigen Tag ergangenen BFG-Erkenntnisses RV/7100034/2018 verwiesen.
III. rechtliche Würdigung zur Beschwerde gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO:
1. Für die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme wegen des Hervorkommens neuer Tatsachen kommt es entscheidend darauf an, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt war, dass sie schon in diesem bei richtiger rechtlicher Würdigung zu der im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Es schadet nicht, dass das Finanzamt bei gehöriger Aufmerksamkeit mit Hilfe der ihm bereits vorliegenden Urkunden, allenfalls unter Heranziehung der Mitwirkung des Abgabepflichtigen, die maßgeblichen Tatsachen bereits hätte feststellen können.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist bei einer Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid nach § 303 BAO die Sache, über welche das BFG zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen. Entscheidend sind jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilte.
Unter "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides bildet. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde.
Die Technik des Verweises auf Feststellungen in bestimmten Textziffern eines AP-Berichts zur Begründung einer Wiederaufnahmemaßnahme wird vom VwGH als zulässig angesehen. Die in den angeführten Tz festgestellten Umstände begrenzen den Tatsachenkomplex, der in Bezug auf den Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens "die Sache" für die Beurteilung der Wiederaufnahmebefugnis iSd § 303 (1) lit b BAO durch das BFG bildet.
Sofern die Bescheidausführungen des wiederaufnehmenden Finanzamtes mangelhaft sind, hat das BFG den vom Finanzamt genannten Wiederaufnahmegrund zu prüfen und zu würdigen und gegebenenfalls erforderliche Ergänzungen vorzunehmen.
Die Ergänzung einer mangelhaften Begründung der aufgrund der Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Wiederaufnahmebescheide in Richtung der tatsächlich vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundlagen stellt kein unzulässiges Auswechseln von Wiederaufnahmegründen dar.
Zu den Aufgaben des BFG im Beschwerdeverfahren gegen Wiederaufnahmebescheide gehört es, Feststellungen über den Wissenstand der abgabenfestsetzenden Stelle im Zeitpunkt der Erlassung der wiederaufzunehmenden Bescheide zu treffen. Dies umfasst auch die Auseinandersetzung mit der Frage der zeitlichen Abfolge des Bekanntwerdens der für die Wiederaufnahme maßgeblichen Tatsache.
Das Vorliegen bisher nicht erklärter Einkünfte stellt nach der VwGH-Judikatur zweifelsfrei eine neue Tatsache im Sinne des § 303 (1) lit b BAO dar.
(vgl. ; ; ; ; ; ; ; ; ; ; u.a.)
2. Die angefochtenen Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Einkommensteuerbescheide 2009 - 2014 der Bf tragen im Spruch den Hinweis auf eine Wiederaufnahme nach § 303 (1) BAO und die Bezeichnung des jeweils betroffenen Bescheides samt Bescheiddatum. Die Begründung lautet wie folgt:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."
Das einheitliche Dokument über die Niederschrift zur Schlussbesprechung gem. § 149 (1) BAO und den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gem. § 150 BAO zur ESt 2009 - 2014 vom verweist als Begründung zur Wiederaufnahme auf die Feststellungen in Tz 1 und Tz 2 des Berichts und wiederholt ergänzend im Wesentlichen die zuvor wiedergegebene Bescheidbegründung.
Die genannten Textziffern lauten:
"Tz 1Sachverhaltsdarstellung
Dem Finanzamt wurde bekannt, dass Fr. Bf mehrere Renten aus Deutschland erhält; eine SV-Rente, eine XY Betriebsrente und eine XY Pensionskassen-Rente. Im Zuge der durchgeführten Außenprüfung wurde der gesetzlichen Mitwirkungspflicht nur bedingt nachgekommen. Die Ansässigkeit (Mittelpunkt der Lebensinteressen) in Österreich ist aufgrund des tatsächlichen dauernden Aufenthaltes in Österreich unstrittig, wenngleich der Ehegatte in Deutschland als ansässig deklariert wurde.
Tz. 2 Rechtliche Würdigung
Das Doppelbesteuerungsabkommen Österreich - Deutschland (DBA) sieht bei diesem Sachverhalt folgende Vorgehensweise vor:
SV-Rente: Art. 18 Abs. 2 DBA => Versteuerung in Deutschland, Ansatz in Österreich für den Progressionsvorbehalt (KZ 453)
XY Betriebsrente: Art. 18 Abs. 1 DBA => Versteuerung in Österreich (KZ 359), Freistellung in Deutschland
XY Pensionskasse: Art. 18 Abs. 1 DBA => Versteuerung in Österreich (KZ 359) - je nach Finanzierung zu nur 25 % oder 100 % in Österreich (vgl. z.B. ), Freistellung in Deutschland
Auch in Deutschland ist aktenkundig, dass Frau Bf in Österreich ansässig ist. Dies ergibt sich aus einem ha. aufliegenden Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom , in dem es (wörtlich) heißt: "Eigentlich ist bei Eheleuten mit einer Person außerhalb Deutschlands in der EU (z.B. Österreich) eine Bescheinigung EU/EWR nötig". Warum dann trotzdem alle deutschen Renten der Besteuerung unterzogen wurden, kann ha. nicht verifiziert werden. Herr und Frau Bf hatten dagegen aber wohl keine Einwendungen. Im Rahmen des "Ehegattensplittings" wurden zumindest 2014 (nur der deutsche Einkommensteuerbescheid 2014 liegt ha. auf) sämtliche deutsche Renten der Abgabepflichtigen in Deutschland (voll) versteuert. Eine telefonische Rücksprache beim deutschen Finanzamt brachte hervor, dass das deutsche Finanzamt von der österreichischen Pension nichts weiß. Diese sei nach dem deutschen EStG jedenfalls für den Progressionsvorbehalt heranzuziehen gewesen (unabhängig von der Ansässigkeit).
Aufgrund der tatsächlichen Versteuerung in Deutschland aller deutschen Renten verwehrt sich die Abgabepflichtige gegen jedweden Ansatz der deutschen Renten in Österreich. Die in Deutschland zum Teil wohl rechtswidrig vorgenommene Versteuerung blieb seitens der Abgabepflichtigen unwidersprochen.
Wenn, wie oben ausgeführt, sowohl Deutschland als auch Österreich vom gleichen Sachverhalt ausgehen, liegt jedenfalls kein Qualifikationskonflikt im Sinne des zwischenstaatlichen Steuerrechts (DBA) vor, der einem Verständigungsverfahren zugänglich wäre. Auch ein (im Zuge des Prüfungsverfahrens) ins Treffen geführter Antrag nach § 48 Bundesabgabenordnung wird nicht zulässig bzw. erfolgversprechend sein, solange nicht nachgewiesen ist, dass eine Berichtigung oder Erstattung beim deutschen Finanzamt nicht möglich ist. Eine solche wäre ohnedies notwendig, weil die Pension aus Österreich dem deutschen Finanzamt offensichtlich nicht bekannt ist!
Die Besteuerung wird rechtskonform, wie folgt vorgenommen:
Die SV-Rente wird mit Progressionsvorbehalt zum Ansatz gebracht. Die XY Betriebsrente wird voll besteuert. Von der XY Pensionskasse werden total nur 25 % zum Ansatz gebracht (auf Erhebungen hinsichtlich der Finanzierung - vgl. BFG 10.12.22015, RV/3100043/2011 - wird zu Gunsten der Abgabepflichtigen verzichtet).
Jahr BMGL (KZ 453) BMGL (KZ 359)
2009 4.077,90 7.666,44
2010 4.126,44 7.822,44
2011 4.146,90 4.389,96
2012 4.212,90 4.389,96
2013 4.218,50 4.520,98
2014 4.304,70 4.638,00" (Zitatende AP-Bericht)
3. Die Bf verwies im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren auf eine Verpflichtung des FA zur Darstellung der Wiederaufnahmegründe und der für die Ermessensübung maßgeblichen Überlegungen in jedem angefochtenen Bescheid, die sie als nicht erfüllt ansah. Im Übrigen geht das Vorbringen der Bf davon aus, dass die in den angefochtenen Bescheiden dargelegte Begründung für die Wiederaufnahme keiner Ergänzung im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren zugänglich ist.
In der Beschwerdeverhandlung vor dem BFG unterstrich der Vertreter v.a. die aus seiner Sicht mangelhafte Ermessensbegründung des FA in den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden.
Dem BFG sind die eingewendeten Vorgaben der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht bekannt. Die unter Punkt II. dieser Entscheidung angeführte (durchwegs aktuellere) VwGH-Judikatur widerlegt das Vorbringen der Bf zweifelsfrei. Auch der zur Untermauerung des Beschwerdestandpunkts angeführten VwGH-Judikatur sind Aussagen nicht zu entnehmen, welche die eingewendete Position zu tragen vermögen.
Tatsächlich verwies der VwGH im Erkenntnis vom , 84/13/0054 darauf, dass im Beschwerdefall "das Finanzamt für die von ihm verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens (….) überhaupt keine Begründung gegeben" und auch die Entscheidung der damaligen Rechtsmittelbehörde keine aussagekräftige Begründung enthalten hatte.
Unter Verweis auf die Umstände des Beschwerdefalles führte der VwGH aus: "Bei dieser Sachlage wäre es aber zur Klarstellung, ob die Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens für 1981 dem Gesetz gemäß verfügt worden ist, Aufgabe der belangten Behörde gewesen, die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens für die Einkommensteuer 1981 der Beschwerdeführerin maßgebender Tatsachen oder Beweismittel zu erheben und in der Begründung des angefochtenen Bescheides darzustellen. Da die belangte Behörde keine Feststellungen über den Wissensstand des Finanzamtes bei Erlassung seines Nichtveranlagungsbescheides für 1981 getroffen hat, ist dem Verwaltungsgerichtshof die Kontrolle nicht ermöglicht, ob und inwieweit erst in der Zeit danach neue Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden."
Der VwGH verwies damit auf die Verpflichtung der Rechtsmittelbehörde zur Ergänzung einer unzureichend begründeten Wiederaufnahmebefugnis, wie sie seither in vielen einschlägigen Erkenntnissen wiederholt wurde (s. Beispiele unter Punkt II) und durch welche auch der im Vorlageantrag ergänzten VwGH-Judikatur eine entscheidende Bedeutung für das anhängige Verfahren genommen wird (; , 88/13/0052; , 92/15/0095).
Im Erkenntnis vom , 96/13/0185 beanstandete der VwGH die Ermessensbegründung der Abgabenbehörde insofern, als der Vorrang des Aspekts der Zweckmäßigkeit gegenüber der Billigkeit mit dem Hinweis auf immer wieder unzureichende Angaben der Beschwerdeführerin begründet worden war, obwohl diese den für die Wiederaufnahme letztlich maßgeblichen Sachverhalt bereits in einem vorangegangenen Veranlagungsverfahren offengelegt hatte.
Eine derartige Situation liegt den verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahmeverfügungen jedoch nicht zugrunde.
4. Wie festgestellt, hatte die Bf dem FA bis zur Beantwortung des FA-Ergänzungsvorhalts im Juni 2016 keinerlei Mitteilung über ihre deutschen Rentenbezüge gemacht. In den Abgabenerklärungen hatte sie jeglichen Bezug zu Deutschland vermieden. Auch der Gatte der Bf hatte bei seinen Kontakten mit dem FA zunächst nur seine persönliche steuerliche Situation erörtert.
Die erste Erwähnung von ausländischen Rentenbezügen der Bf findet sich im Aktenvermerk zum Telefonat des Gatten der Bf mit dem FA vom . Zu dieser Zeit waren an die Bf bereits ESt-Bescheide für 2009 - 2013 ohne Erfassung ihrer Rentenbezüge aus Deutschland ergangen.
In Hinblick darauf steht für das BFG das Hervorkommen neuer Tatsachen iSd § 303 (1) lit b BAO in Bezug auf die Wiederaufnahmen bezüglich der Verfahren zur ESt 2009 - 2013 außer Frage.
Bemessungsgrundlagen zur Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen - und damit die Grundlagen zur Beurteilung des Ausmaßes der steuerlichen Auswirkungen der bis dahin verheimlichten Auslandseinkünfte der Bf - wurden dem FA erst mit der Eingabe der steuerlichen Vertretung vom bekannt.
Zugleich wurde das in Tz 2 des AP-Berichts angeführte Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom vorgelegt, auf welches die Abgabenbehörde die Wiederaufnahmebefugnis in der BVE maßgeblich stützte.
Der in Tz 1 und Tz 2 des AP-Berichts dargelegte Tatsachenkomplex geht allerdings weit über die aus dem Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom abzuleitenden Umstände hinaus.
Der "Sachverhaltsfeststellung" in Tz 1 ist zu ersehen, dass vom FA (primär/auch) die bekanntgewordenen Auslandsrenten der Bf zur Begründung der Wiederaufnahme herangezogen wurden.
Zwar trifft es zu, dass der Zeitpunkt der erstmaligen Kenntnis des FA in Bezug auf diese Renten im AP-Bericht nicht angeführt ist, doch zeigt das Ergebnis des finanzgerichtlichen Ermittlungsverfahrens, dass dieser Zeitpunkt vor Ergehen der Erstveranlagungsbescheide zur ESt 2009 - 2013 lag (erster Hinweis ).
Der solcherart ergänzte Sachverhalt heilt den Mangel der unzureichenden Begründung in den bekämpften Wiederaufnahmebescheiden im Sinne der unter Punkt II. angeführten VwGH-Judikatur.
Dem Schreiben des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom kommt unter den gegebenen Umständen für sich keine entscheidende Bedeutung als "neue Tatsache" iSd § 303 (1) lit b BAO bei der Beurteilung der Wiederaufnahmebefugnis zu. Tatsächlich wurde der Schriftsatz vom in den angefochtenen Bescheiden nicht als einziger bzw. entscheidender Umstand für die Wiederaufnahme herangezogen.
5. Fraglich ist, ob auch für die Wiederaufnahme zur ESt 2014 in diesem Sinn neu hervorgekommene Tatsachen vorlagen.
Der Erstbescheid zur ESt 2014 erging am .
Zu diesem Zeitpunkt war das FA über das Vorliegen von Auslandseinkünften der Bf bereits dem Grunde nach informiert (lt. AV "öffentliche Pension und Firmenpension neben der inländischen Pension").
Unbekannt waren jedoch die Höhe der ausländischen Rentenbezüge und die näheren Umstände der "Firmenpension".
Der abgabenbehördliche Kenntnisstand zum Lebensmittelpunkt der Bf beschränkte sich auf deren österreichische Wohnsituation bzw. Zustelladresse bzw. den Hinweis des Gatten im Zuge der Besprechung mit dem FA im August 2014 (beide Eheleute leben in Österreich).
Anderseits hatte das FA im Sept. 2014 eine EU/EWR-Bescheinigung für das Finanzamt Nürnberg-Süd zum Zeitraum 2009 - 2014 ausgestellt, aufgrund welcher eine Zusammenveranlagung der Bf mit ihrem Gatten in Deutschland unter Einbeziehung ihrer deutschen Rentenbezüge erfolgen sollte.
Die der Verifizierung der vollständigen Besteuerungsgrundlagen zur ESt-Veranlagung in Österreich dienenden Abgabenerklärungen für 2009 - 2013 fehlten zu diesem Zeitpunkt.
Aufgrund der Informationen aus den vorangegangenen Kontakten des FA mit dem Gatten bedurfte es sowohl einer weitergehenden Klärung der Lebensumstände der Bf als auch bezüglich einer Besteuerung ihrer Auslandsrenten (Höhe, bezugsauszahlende Stellen, Voraussetzungen für und ggfs. Art einer Besteuerung in Deutschland oder Österreich).
Die dazu nötigen Informationen kamen dem FA erst nach Ergehen des Veranlagungsbescheides zur ESt 2014 zur Kenntnis (ab Sommer 2016).
Die dazu in Tz 2 des AP-Berichts angeführten, weiterführenden Umstände bzw. Daten stellen somit nova reperta im Sinne des § 303 (1) lit a BAO dar. Da sie zudem zu einer Änderung des Spruches des bis dahin im Rechtsbestand befindlichen ESt-Bescheides 2014 führten, lagen auch zum Jahr 2014 die zwingend erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Wiederaufnahme des ESt-Bescheides vor.
6. Bleibt zu klären, ob der Zulässigkeit einer Wiederaufnahme Hindernisse aus dem Blickwinkel des § 20 BAO entgegenstanden. Dabei hat das BFG das Ermessen eigenverantwortlich auszuüben ().
Nach der VwGH-Judikatur zu § 20 BAO ist dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen. Eine derartige Interessensabwägung verbietet bei Geringfügigkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen in der Regel den Gebrauch der Wiederaufnahmemöglichkeit. Die Geringfügigkeit ist dabei an Hand der steuerlichen Auswirkungen der konkreten Wiederaufnahmegründe zu beurteilen (z.B. ).
Das FA ging in seiner Ermessensentscheidung vom Vorrang der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtsbeständigkeit aus und begründete seine Ermessensübung mit den nicht bloß geringfügigen steuerlichen Auswirkungen der nachträglich hervorgekommenen Tatsachen.
Das BFG stimmt dem FA zu, dass dem Aspekt der Rechtsrichtigkeit im hier zu beurteilenden Fall der Vorrang gegenüber der Rechtbeständigkeit einzuräumen ist.
Dies berücksichtigt zunächst den Umstand, dass die aktuelle Besteuerung der Rentenbezüge der Bf in Deutschland und Österreich nicht zwingende Rechtsfolge der Anwendung einer unterschiedlichen Rechtslage in beiden Ländern ist, sondern Folge der Ausübung eines Wahlrechts der Bf zur Zusammenveranlagung mit dem Ehepartner in der BRD.
Die deutschen und österreichischen Abgabenbehörden gehen übereinstimmend für die Bezüge aus der XY Betriebsrente und dem XY Rentenfonds von einem Besteuerungsrecht Österreichs aus. Auch die Einbeziehung der SV-Renten des jeweils anderen Staates im Wege des Progressionsvorbehalts ist zwischen den Abgabenbehörden unstrittig und wird von beiden Seiten gemäß den Bestimmungen des gemeinsamen DBA angewendet.
Wie festgestellt, teilte das Finanzamt Nürnberg-Süd seinen Rechtsstandpunkt in diesem Sinn der steuerlichen Vertretung der Eheleute in Deutschland in Schriftsätzen vom Juli und Nov. 2017 mit und verwies zugleich darauf, dass unerwünschte Rechtsfolgen durch die Zurücknahme des Antrages auf Zusammenveranlagung vermieden werden könnten. Die nachfolgenden ESt-Bescheide bzw. Rechtsmittelerledigungen in Deutschland für 2010 - 2014 enthielten neuerlich entsprechende Begründungen.
Die Rechtsmittelerledigung zum ESt-Bescheid 2013 des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom weist zudem auf die Änderungsmöglichkeit nach § 50d (8) Satz 2 dEStG hin, sofern der Nachweis erbracht werde, dass die auf den Versorgungsbezug der Bf von der "Fa XY" entfallende Einkommensteuer entrichtet worden sei oder Österreich auf das Besteuerungsrecht verzichtet habe.
Tatsächlich ergibt sich der "zwingende Wechsel in das österreichische Pensionsbesteuerungssystem" aus dem (langjährigen) österreichischen Lebensmittelpunkt der Bf. Die daraus resultierende Verteilung der Besteuerungsrechte nach Art. 18 DBA-Deutschland steht für die Abgabenbehörden nicht zu Disposition.
Die aktuelle Doppelbesteuerung der Einkünfte in Österreich und Deutschland ist das (vorläufige) Ergebnis einer freien Entscheidung der Bf zur Zusammenveranlagung mit ihrem Ehepartner in Deutschland, bei erkennbarer Beratungsresistenz der Eheleute gegenüber den Hinweisen der zuständigen Abgabenbehörden beider Länder.
Die im ESt-Bescheid 2013 des Finanzamtes Nürnberg-Süd vom angeführte Rechtsgrundlage bietet allerdings die Möglichkeit für eine Beseitigung der Folgen einer Doppelbesteuerung.
Vor diesem Hintergrund käme im anhängigen Verfahren der Einräumung eines Vorrangs der Rechtsbeständigkeit im Rahmen einer Ermessensentscheidung aus Sicht des BFG geradezu einem Ermessensmissbrauch gleich.
7. Auch in der Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen der zur Wiederaufnahme führenden Umstände entsprach die Abgabenbehörde den Vorgaben der VwGH-Judikatur.
Aus den wiederaufgenommenen ESt-Bescheiden 2009-2014 resultierte nach der Beschwerdeentscheidung eine ESt-Nachforderung von insgesamt rd. 23.000,- €, die zur Gänze auf die Besteuerung der Auslandseinkünfte der Bf zurückgeht. Eine derartige Höhe ist unter Berücksichtigung der langjährigen VwGH-Judikatur keinesfalls als geringfügig zu beurteilen (vgl. zuletzt : eine saldierte Nachforderung von 746,- € ist nicht (absolut) geringfügig).
8. Hinreichende Billigkeitsgründe, die geeignet sind, das Gewicht der für die Durchführung einer Wiederaufnahme sprechenden Umstände aufzuwiegen, wurden von der Bf aus Sicht des BFG nicht vorgebracht.
Das Alter der Bf im Verfahrenszeitraum (71 - 76 Jahre) und altersbedingt zunehmende gesundheitliche Beeinträchtigungen erscheinen keine entsprechende Rechtfertigung. Weder das österreichische Steuerrecht noch das DBA-Deutschland kennen eine Altersgrenze bzw. einen Altersbonus bei der Besteuerung von Auslandsrenten.
Zudem geht das BFG davon aus, dass die Mühen der Abgabenverfahren vorwiegend die steuerlichen Vertretungen der Bf in beiden Ländern trafen.
Dem Einwand fehlender Unterlagen aufgrund des lange zurückliegenden Zeitraumes sei entgegnet, dass Unterlagen betreffend Pensionsansprüche im Allgemeinen aus außersteuerlichen Gründen über Jahrzehnte aufbewahrt werden. In den vorliegenden ESt-Bescheiden des Finanzamtes Nürnberg-Süd findet sich zudem der ausdrückliche Hinweis, dass Unterlagen bis zum Abschluss eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens aufzubewahren sind. Es darf angenommen werden, dass die Bf von ihrer steuerlichen Vertretung auf die im österreichischen Abgabenverfahren bestehende Parallelverpflichtung hingewiesen wurde.
Nicht zuletzt ist daran zu erinnern, dass die Bf bereits seit Mitte 1998 Einkünfte aus ihren Auslandsrenten bezieht. Bei pflichtgemäß vollständiger Offenlegung ihrer Auslandseinkünfte in den Abgabenerklärungen wären die Fragen zur Besteuerung der Auslandsrenten um nahezu 25 Jahre früher zu klären gewesen - mit entsprechend günstigeren Begleitumständen betreffend Alter /Gesundheitszustand der Bf und Aufbewahrung/Beschaffung von Unterlagen zu den Rechtgrundlagen ihrer Renten aus Deutschland.
Schließlich ist bei der Ermessenübung zu bedenken, dass die Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 BAO) durch die Bf sowohl in Österreich als auch in Deutschland den verjährungsbedingten Entfall der steuerlichen Erfassung ihrer Rentenbezüge aus der Tätigkeit für die XY Deutschland GmbH über ein ganzes Jahrzehnt zur Folge haben.
Im Ergebnis sind die mit den angefochtenen Bescheiden durchgeführten Wiederaufnahmen der Verfahren zur ESt 2009 - 2014 somit nicht zu beanstanden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im anhängigen Verfahren lagen die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Maßgeblich für die Entscheidung waren vor allem Sachverhaltsfragen. Soweit Rechtsfragen Relevanz zukam, folgt die Entscheidung dem Wortlaut der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und der angeführten VwGH-Judikatur.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100103.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at