Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2023, RV/7102950/2022

Anwendung der COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung und § 295a BAO

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102950/2022-RS1
Bedenkt man, dass auch der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gilt, ist analog davon auszugehen, dass bei einer überhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den im Folgejahr tatsächlich angefallenen Verlust erforderlich sein wird.
RV/7102950/2022-RS2
Es kann dem Gesetzesgeber nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Die Kürzung dahingehend, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst, ist auch in Hinblick auf die betragsmäßige Höhe korrekt, da somit einerseits die in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits ein Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage vermieden wird (vgl. dazu die Erläuterungen RV 87 BlgNR XXVII. GP, S 8).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schmitt & Schmitt Wirtschaftstreuhand- gesellschaft m.b.H., Strohgasse 25, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer 2019 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

In der vom Beschwerdeführer eingereichten Einkommensteuererklärung 2019, im Finanzamt am eingelangt, wurde eine COVID-19-Rücklage iHv 42.338,33 Euro geltend gemacht. Die entsprach 60% des positiven Gesamtbetrags der erklärten Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb iHv 70.563,89 Euro.

Am führte das Finanzamt eine erklärungsgemäße Veranlagung durch, die zu einer Einkommensteuervorschreibung von insgesamt 11.723,- Euro führte.

Nachdem am die Einkommensteuererklärung 2020 eingebracht wurde, welche mit einem Verlust von 23.082,08 Euro deutlich geringer war als die für 2019 eingestellte COVID-19-Rücklage, führte das Finanzamt am eine Bescheidänderung des Einkommensteuerbescheides 2019 gemäß § 295a BAO durch. Die Änderung bestand in einer Kürzung der COVID-19-Rücklage auf die Höhe des tatsächlichen Jahresverlustes 2020, sohin 23.082,08 Euro. Dies hatte eine Abgabennachforderung iHv 8.278,- Euro zur Folge. Als Begründung führte die Behörde an, die COVID-19-Rücklage sei zu hoch gebildet worden.

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde vom gegen diese Vorgangsweise mit der Begründung, die angefochtene Änderung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom sei ohne Rechtsgrundlage und damit rechtswidrig erfolgt. Die Höhe der durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Rücklage wäre entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durch sorgfältige Schätzung ermittelt worden, wobei eine Schätzung naturgemäß Unsicherheiten aufweise; die spätere Änderung gemäß § 295a BAO sei deshalb zu Unrecht erfolgt.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Hinzurechnung der ursprünglich erklärten Rücklage in Höhe von 42.338,33 Euro einen positiven Gesamtbetrag bei den Einkünften ergeben würde, womit sich die Rücklage nachträglich als zu hoch herausgestellt habe. Im Falle einer zu hohen Rücklagenbildung sei eine Korrektur mittels § 295a BAO für das Jahr 2019 vorzunehmen; des Weiteren verwies es auf die ESt-Richtlinien RZ 3920 ff.

Im Vorlageantrag vom vertrat die steuerliche Vertretung weiterhin die bereits in der Beschwerde geäußerte Rechtsauffassung, wonach die Ermittlung der COVID-19-Rücklage im Jahr 2019 rechtsrichtig erfolgt sei und aufgrund der Einbeziehung der vorläufigen Saldenlisten sogar einen höheren Verlässlichkeitsgrad aufweise als vom Gesetzgeber gefordert.

Des Weiteren habe die Behörde zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, der voraussichtliche Verlust sei nicht entsprechend der COVlD-19-Verlustberücksichtigungsverordnung glaubhaft gemacht worden. Zu der Abweichung bei der Schätzungshöhe gegenüber dem nachträglich ermittelten tatsächlichen Verlust 2020 verwies der Beschwerdeführer auf die zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen gemäß § 184 Abs. 3 BAO, idF BGBl 194/1961, ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0049, in der ausführt wird, ein gewisser Grad der Unsicherheit über die betragliche Höhe läge geradezu im Wesen einer Schätzung. Der Beschwerdeführer wendet sich zudem unter Verweis auf , wonach es sich bei den Richtlinien um keine Akte, die normativen Gehalt aufweisen handle, gegen das Zitat von Randziffern der Einkommensteuerrichtlinien in der Beschwerdevorentscheidung.

Die Beschwerdevorlage fasste den zuvor zitierten Verfahrensgang nochmals zusammen, das Finanzamt beantragte allerdings außerdem erstmals, die COVID-19-Rücklage auf 30% zu kürzen, da keine Glaubhaftmachung der Höhe des Verlustes durch den Beschwerdeführer erfolgt sei. Hinsichtlich der ESt-Richtlinien wurde entgegnet, dass diese zwar keine gesetzliche Grundlage, allerdings Weisungen an die Verwaltungsbehörden darstellten.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Einkommensteuererklärung 2019 des Beschwerdeführers langte laut Akt am elektronisch beim Finanzamt ein. Der Beschwerdeführer beantragte darin für das Jahr 2019 eine COVID-19-Rücklage iHv 42.338,66 Euro gemäß COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020.

Diese wurde ihm im ursprünglichen (ersten) Einkommensteuerbescheid vom im beantragten Ausmaß gewährt. Der iHv 42.338,33 Euro geltend gemachte Rücklagen-Betrag beträgt 60% der erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 2019 iHv 70.563,89 Euro.

Die Geltendmachung folgte dem im Antragsformular beinhalteten Hinweis unter Pkt. 2 des Antrages zur Berechnung der Rücklage, der wörtlich wie folgt lautet:

"2. Die COVID-19-Rücklage kann bis zur Höhe des voraussichtlichen negativen Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte der Veranlagung 2020, höchstens jedoch bis 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte der Veranlagung 2019 gebildet werden. In diesem Fall ist der voraussichtliche negative Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte der Veranlagung 2020 glaubhaft zu machen (sorgfältig zu schätzen). Auf Verlangen des Finanzamtes ist diese Schätzung vorzulegen".

Die Einkommensteuererklärung 2020 langte am elektronisch beim Finanzamt ein, der Verlust laut Erklärung beträgt 23.082,08 Euro.

Mit dem beschwerdegegenständlichen (neuen) ESt-Bescheid gemäß § 295a BAO wurde die C0VID-19-Rücklage des Jahres 2019 auf den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte des Kalenderjahres 2020 iHv 23.082,08 Euro gekürzt.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den vorgelegten Aktenteilen; die zu beurteilenden Vorgänge und Beträge sind in den Vorbringen beider Parteien deckungsgleich. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Vorangestellt wird, dass die von beiden Parteien mehrfach angeführte Glaubhaftmachung der COVID-19-Rücklage für den Beschwerdefall nicht von Bedeutung ist, weil sich der bekämpfte Bescheid gar nicht darauf bezogen hat: Der streitgegenständliche Bescheid vom stützte sich vielmehr auf § 295a BAO, welcher Abänderungen aufgrund eines nachträglichen Ereignisses regelt. Eine fehlende Glaubhaftmachung wäre als solche bereits im Rahmen des Erstbescheids vom zu beurteilen gewesen und kann somit einer Änderung gemäß § 295a BAO nicht zugrunde gelegt werden.

§ 295a BAO sieht vor, dass ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt (vgl. ; , 2006/15/0219). § 295a BAO kann nur im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein ().

Ein nachträgliches Ereignis iSd § 295a BAO würde daher selbst dann zu einer Bescheidänderung führen, wenn zum Zeitpunkt des Erstbescheids die Glaubhaftmachung eines voraussichtlichen negativen Gesamtbetrags von 60% durchgeführt worden wäre. Es ist einem nachträglichen Ereignis immanent, dass es zum Zeitpunkt als der ursprüngliche Bescheid erging, noch nicht vorgelegen sein kann, sondern erst nach Bescheiderlassung hinzutritt.

Das durch die Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte nachträgliche Ereignis iSd § 295a BAO ist im vorliegenden Fall die Ermittlung und steuerliche Erklärung des Betriebsergebnisses des Jahres 2020, welches mit einem Verlust von 23.082,08 Euro unstrittig wesentlich geringer war als die im Jahr 2019 gebildete COVID-19-Rücklage iHv 42.338,33 Euro.

Die weitere Rechtslage stellt sich in diesem Zusammenhang wie folgt dar:

§ 124b Z 355 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. I Nr. 99/2020, der eine Verordnungsermächtigung enthält, in welcher die Anwendung des § 295a BAO im Zusammenhang mit dem obigen Verlustrücktrag vorgesehen ist, lautet wie folgt:

"a) Verluste aus Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Rahmen der Veranlagung 2020 nicht ausgeglichen werden, können im Rahmen der Veranlagung 2019 bis zu einem Betrag von 5 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte vor Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen abgezogen werden (Verlustrücktrag). Soweit ein Abzug im Rahmen der Veranlagung 2019 nicht möglich ist, kann dieser unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Veranlagung 2018 erfolgen. Dabei gilt:

  1. Die Verluste müssen durch ordnungsmäßige Buchführung oder bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 ermitteln, durch ordnungsgemäße Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, ermittelt worden sein.

  2. Der Verlustrücktrag erfolgt auf Antrag. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.

Soweit Verluste aus der Veranlagung 2020 nicht rückgetragen werden, können sie nach Maßgabe des § 18 Abs. 6 in Folgejahren abgezogen werden (Verlustabzug).

Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, im Wege einer Verordnung festzulegen, dass eine Verlustberücksichtigung bereits vor Durchführung der Veranlagung 2020 erfolgen kann, um bei den Steuerpflichtigen früher positive Liquiditätseffekte herbeizuführen. Dabei sind auch die Voraussetzungen für die Verlustberücksichtigung im Rahmen der Veranlagung 2018 näher festzulegen.

Endet im Kalenderjahr 2020 ein abweichendes Wirtschaftsjahr, besteht das Wahlrecht, den Verlust aus der Veranlagung 2020 oder aus der Veranlagung 2021 rückzutragen. Wird der Verlust aus der Veranlagung 2021 rückgetragen, beziehen sich die Regelungen der lit. a auf die Kalenderjahre 2021, 2020 und 2019."

Die auf dieser Grundlage erlassene Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Verlustberücksichtigung 2019 und 2018 (COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung),BGBl. II Nr. 405/2020, lautet auszugsweise wie folgt:

"1. Abschnitt

COVID-19-Rücklage

§ 1. (1) Zur Schaffung von positiven Liquiditätseffekten vor Durchführung der Veranlagung 2020 können voraussichtliche betriebliche Verluste 2020 bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte durch einen besonderen Abzugsposten (COVID-19-Rücklage) berücksichtigt werden. Dabei gilt:

1. Die Bildung der COVID-19-Rücklage setzt voraus, dass der Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte im Jahr 2019 positiv und im Jahr 2020 voraussichtlich negativ ist. Als Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte gilt der Saldo der nach dem Tarif zu versteuernden Gewinne und Verluste (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988) aus Wirtschaftsjahren, die im jeweiligen Kalenderjahr enden.

2. Die COVID-19-Rücklage kürzt den Gesamtbetrag der Einkünfte 2019. Sie lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.

3. Für die Ermittlung der Höhe der COVID-19-Rücklage gilt:

a) Sie beträgt ohne weiteren Nachweis bis zu 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, wenn die Vorauszahlungen Null betragen oder nur in Höhe der Mindeststeuer gemäß § 24a KStG 1988 festgesetzt wurden.

b) Sie beträgt bis zu 60% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019, insoweit ein voraussichtlicher negativer Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 glaubhaft gemacht wird.

c) Sie darf fünf Millionen Euro nicht übersteigen.

(2) - (3) (…)

§ 2. Die bei der Veranlagung 2019 berücksichtigte COVID-19-Rücklage ist im Rahmen der Veranlagung 2020 als Hinzurechnungsposten bei Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte anzusetzen. Dieser lässt die Höhe der betrieblichen Einkünfte unberührt.

§ 3. Endet im Kalenderjahr 2020 ein abweichendes Wirtschaftsjahr, besteht das Wahlrecht, die COVID-19-Rücklage nach dem voraussichtlichen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2020 oder vom voraussichtlichen negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2021 zu bemessen. Wird der voraussichtliche negative Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte 2021 herangezogen, sind sämtliche Bestimmungen der § 1 und § 2, die sich auf die Jahre 2020 und 2019 beziehen, auf die Jahre 2021 und 2020 zu beziehen. Bei Unternehmensgruppen ist auf das abweichende Wirtschaftsjahr des Gruppenträgers abzustellen.

§ 4. Die Bildung einer COVID-19-Rücklage erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann ab unter Verwendung des dafür vorgesehenen amtlichen Formulars gestellt werden. Wurde das betreffende Jahr bereits rechtskräftig veranlagt, gilt der Antrag als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO.

(…) "

Zu klären ist daher, ob es sich bei dem Umstand, dass der tatsächliche Verlust im Jahr 2020 geringer war als durch den Beschwerdeführer bei der Schätzung im Jahr 2019 angenommen um ein nachträgliches Ereignis iSd § 295a BAO handelt und ob aus diesem Grund die COVID-19-Rücklage für das Jahr 2019 (bzw. die Einkommensteuer 2019) betraglich auf den tatsächlichen Verlust zu kürzen war.

Bedenkt man, dass auch der Antrag auf einen Verlustrücktrag bei bereits erfolgter Veranlagung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO gilt, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes analog davon auszugehen, dass bei einer überhöhten COVID-19-Rücklage eine Korrektur auf den im Folgejahr tatsächlich angefallenen Verlust erforderlich sein wird. Es kann dem Gesetzesgeber nämlich nicht unterstellt werden, er habe einen finanziellen und steuerlichen Anreiz für die Geltendmachung einer überhöhten COVID-19-Rücklage schaffen wollen. Würde man positive Einkünfte bei Anrechnung einer zu hohen COVID-19-Rücklage im Jahr 2020 zulassen, hätte dies zur Folge, dass die erste Progressionsstufe mit einem Nullsteuersatz bis zum Ausmaß von 11.000 nochmals ausgenutzt werden könnte und der darin Deckung findende Betrag keine Besteuerung erfahren würde. Die Kürzung dahingehend, dass sie nur den negativen Gesamtbetrag der betrieblichen Einkünfte umfasst, ist auch in Hinblick auf die betragsmäßige Höhe korrekt, da somit einerseits die in § 124b Z 355 EStG 1988 ausdrücklich beabsichtigten Liquiditätseffekte gewahrt bleiben und andererseits ein Anreiz für die Angabe einer zu hohen COVID-19-Rücklage vermieden wird (vgl. dazu die Erläuterungen RV 87 BlgNR 27. GP, S 8).

In der Stellungnahme der belangten Behörde im Vorlagebericht wurde auf eine fehlende Glaubhaftmachung der Höhe der Verluste durch den Beschwerdeführer verwiesen und beantragt, lediglich 30% des positiven Gesamtbetrages der betrieblichen Einkünfte 2019 als COVID-Rücklage anzuerkennen. Wie zuvor erläutert ist der angefochtene Bescheid gemäß § 295a BAO nicht in Folge fehlender Glaubhaftmachung im Zuge der Antragstellung ergangen, sondern aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses; die tatsächlichen Verluste im Jahr 2020 waren wesentlich niedriger als ursprünglich durch den Beschwerdeführer geschätzt. Vor diesem Hintergrund kann dem Begehren der belangten Behörde nicht gefolgt werden.

Dem Vorlagevorbringen des Beschwerdeführers ist in Hinblick auf die durch das Finanzamt zitierten ESt-Richtlinien abschließend dahingehend zuzustimmen, dass die Einkommensteuer-Richtlinien keinen normativen Inhalt aufweisen, sondern lediglich einen Auslegungsbehelf sowie die Rechtsmeinung der Verwaltung enthalten (vgl. ). Es handelt sich hierbei aber nur um einen Begründungsmangel, der - anders als Spruchbestandteile - nicht rechtsmittelfähig ist (vgl. schon ).

Der Spruch des bekämpften Bescheides als solches war jedoch, wie oben festgestellt inhaltlich richtig und die Beschwerde aus den genannten Gründen abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu der Frage, ob ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vorliegt, wenn der tatsächlich angefallene Verlust des Jahres 2020 geringer ist als eine im Jahr 2019 auf Basis von § 124b Z 355 EStG 1988 eingestellte COVID-19-Rücklage, existiert - soweit ersichtlich - noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die Revision zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 124b Z 355 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
COVID-19-Verlustberücksichtigungsverordnung, BGBl. II Nr. 405/2020
Verweise



Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102950.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at