Aufrechnung von Abgabenguthaben im Abschöpfungsverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter X in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückzahlungsantrag vom , ***Steuernummer*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am wurde vom Bezirksgericht L. für den Beschwerdeführer (Bf.) ein Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners mit Wirksamkeit am eröffnet. Der angebotene Zahlungsplan mit einer Quote von 1% wurde nicht angenommen. Daraufhin wurde am das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und das Schuldenregulierungsverfahren am aufgehoben. Der AKV Europa wurde zum Treuhänder bestellt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2020 vom wurde die Einkommensteuer mit einer Gutschrift von 6.659 € festgesetzt. Im Antrag vom begehrte der Bf. die Auszahlung des Abgabenguthabens aus der Veranlagung der Einkommensteuer auf ein näher bezeichnetes Bankkonto.
Im angefochtenen Bescheid wurde der Antrag vom auf Rückzahlung eines Guthabens abgewiesen und in seiner Begründung ausgeführt, das Guthaben sei mit Konkursforderungen aus Haftungsschuldigkeiten zu ***Steuernummer*** auf Grund eines eingeleiteten Abschöpfungsverfahrens gegen zu verrechnen.
Mit elektronischer Eingabe vom führte der Bf. aus, das Finanzamt habe mit der Übertragung des Saldos auf ein anderes Konto den Tatbestand der Gläubigerbevorzugung begangen. Da er sich in einem Abschöpfungsverfahren befinde, wäre der Rückzahlungsbetrag zumindest an den Treuhänder zu bezahlen gewesen. Weiters habe das nach den Richtlinien der Exekutionstabelle zu erfolgen und er habe den Treuhänder und das Gericht von diesem Vorstoß in Kenntnis gesetzt.
Mit Schreiben des Finanzamtes vom an den Treuhänder wurden die Insolvenzforderungen um den verrechneten Betrag aus der Einkommensteuergutschrift entsprechend eingeschränkt.
Mit Schriftsatz vom erhob der Bf. gegen den Abweisungsbescheid über die Rückzahlung eines Abgabenguthabens Beschwerde und wandte sich gegen die Verrechnung des Guthabens mit Konkursforderungen, weil nur Guthaben, die aus dem Zeitraum vor entstanden seien, gegenverrechnet werden könnten. Das Guthaben beziehe sich auf eine Arbeitnehmerveranlagung 1.1.- und sei nach den Richtlinien des Abschöpfungsverfahrens abzuwickeln, was bedeute, dass das Guthaben nach der Existenzminimum-Tabelle 2020 zu bewerten sei.
Die belangte Behörde wies die vorhin erwähnte Beschwerde vom mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab und führte neben den anzuwendenden Gesetzesstellen Folgendes aus:
" …
Der Abgabenanspruch hat seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt.
Bei dem in Rede stehenden Rückforderungsanspruch des Beschwerdeführers handelt es sich um nichts anderes, als um einen negativen Abgabenanspruch. Auch ein solcher Anspruch entsteht kraft Gesetzes. Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setzt zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit voraus, seine Rechtsgrundlage findet sich aber im öffentlichen Recht.
Bei der entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger.
Bei den Verrechnungsvorschriften des § 215 BAO handelt es sich um zwingendes Recht, weshalb die Verwendung von Guthaben gem. § 215 Abs. 1 und 2 BAO nicht dem Ermessen der Behörde überlassen ist.
Bevor ein ausgewiesenes Guthaben zurückgezahlt werden kann, muss gem. § 215 Abs. 1 und 2 BAO geprüft werden, ob dieses Guthaben für andere Abgabenschulden des Abgabenpflichtigen bei derselben oder bei einer anderen Abgabenbehörde zu verwenden ist. Eine Verrechnung nach § 215 Abs. 1 und 2 BAO setzt lediglich voraus, dass die zu tilgenden Abgabenschuldigkeiten fällig sein müssen.
Der eine Gutschrift ausweisende Einkommensteuerbescheid 2020 ist nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ergangen. Das bedeutet, dass die vom Finanzamt vorgenommene Verrechnung des Guthabens nicht dem Aufrechnungsverbot des § 20 Abs. 1 erster Satz Insolvenzordnung unterlag. Vielmehr ist nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Beginn des Abschöpfungsverfahrens eine auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung einer Konkursforderung sowohl mit vor als auch mit nach Aufhebung entstandenen Steuergutschriften zulässig.
…"
In seinem rechtzeitig überreichten Vorlageantrag führte der Bf. aus, die Bestimmung des § 215 Abs. 1 BAO sei in Folge Vorranges der Bestimmungen des § 20 Abs. 1 IO und § 199 IO nicht anzuwenden.
Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Beschwerde vom Finanzamt unter Hinweis auf den bisherigen Akteninhalt vorgelegt. Ergänzend wurde weiters ausgeführt, im gegenständlichen Fall sei die Aufrechnungsbeschränkung des § 206 Abs. 3 IO in der geltenden Fassung (noch) nicht anwendbar, weil § 206 in der geltenden Fassung (sohin in der Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes) (erst) auf Abschöpfungsverfahren anzuwenden sei, wenn der Antrag auf die Einleitung nach dem bei Gericht eingelangt ist (s. dazu § 283 Abs. 6 IO). Das heißt, das in Abs. 3 leg. cit. normierte Aufrechnungsverbot von nach Insolvenzeröffnung entstandenen Gutschriften mit Insolvenzforderungen gelte (erst) für jene Abschöpfungsverfahren, deren Einleitung ab (bei Gericht einlangend) beantragt wurden. Im gegenständlichen Fall wurde das Abschöpfungsverfahren vor dem beantragt und daher ist bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung die auf § 215 Abs. 1 und 2 BAO gestützte Verrechnung einer später entstandenen Gutschrift zulässig (vgl. dazu ; ), d.h. Gutschriften bzw. Guthaben können ohne Einschränkung mit Insolvenzforderungen verrechnet werden.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Über das Vermögen des Bf. wurde mit Wirkung ab ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, das am infolge rechtskräftiger Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens (), aufgehoben wurde.
Durch die Veranlagung des Jahres 2020 kam es zu einer Gutschrift an Einkommensteuer in Höhe von 6.659 €, die gegen Abgabenverbindlichkeiten aus einem Haftungsverfahren nach § 9 BAO aufgerechnet wurde. Damit wies das Abgabenkonto des Bf. kein rückzahlungsfähiges Guthaben mehr auf.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen erschließen sich aus der Aktenlage und sind in tatsächlicher Hinsicht als unstrittig anzusehen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
3.1.1. Rechtsquellen
Bundesabgabenordnung
(1) Ein sich aus der Gebarung (§ 213) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
(2) Verbleibt nach der in Abs. 1 vorgesehenen Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes ein Guthaben, ist dieses zunächst zur Tilgung dieser Behörde bekannter und fälliger Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes zu verwenden, soweit deren Einhebung nicht ausgesetzt ist. In weiterer Folge ist ein solches Guthaben zur Tilgung dieser Behörde bekannter fälliger Geldstrafen, Wertersätze sowie im Finanzstrafverfahren angefallener sonstiger Geldansprüche bei einer Finanzstrafbehörde zu verwenden. Die für Zwecke dieser Tilgung erforderliche Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wie insbesondere der automationsunterstützte Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden, ist zulässig.
(3) Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so ist ein nach Anwendung der Abs. 1 und 2 noch verbleibendes Guthaben unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten derjenigen zu verwenden, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im eigenen Namen über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
(4) Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
§ 216
Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.
(1) Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) kann auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.
(2) Die Abgabenbehörde kann den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die Höhe jener Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.
§ 20 IO
(1) Die Aufrechnung ist unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner der Insolvenzmasse die Gegenforderung zwar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hat, jedoch zur Zeit des Erwerbes von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, über dessen Vermögen in der Folge das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, Kenntnis hatte oder Kenntnis haben musste.(1) Der Schuldner kann im Lauf des Konkursverfahrens, spätestens mit dem Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans, die Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung beantragen.
(2) Der Schuldner hat dem Antrag die Erklärung beizufügen, daß er den pfändbaren Teil seiner Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion für die Zeit von sieben Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, an einen vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtritt. Hat der Schuldner diese Forderungen bereits vorher an einen Dritten abgetreten oder verpfändet, so ist in der Erklärung darauf hinzuweisen.
§ 206 IO Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger
(Inkrafttretensdatum: ; Außerkrafttretensdatum: )
(1) Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind während des Abschöpfungsverfahrens nicht zulässig.
(2) Eine Vereinbarung des Schuldners oder anderer Personen mit einem Insolvenzgläubiger, wodurch diesem besondere Vorteile eingeräumt werden, ist ungültig. Was auf Grund einer ungültigen Vereinbarung oder auf Grund eines zur Verdeckung einer solchen Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungsverhältnisses geleistet worden ist, kann, unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche, binnen drei Jahren nach Beendigung oder Einstellung des Abschöpfungsverfahrens zurückgefordert werden.
(3) Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfaßt werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
(6) §§ 199, 201, 202, 203, 204 Abs. 1 dritter Satz, §§ 206, 207, 210, 210a, 213 und 216 in der Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes sind auf Abschöpfungsverfahren anzuwenden, wenn der Antrag auf die Einleitung nach dem bei Gericht einlangt.
Vergleich: Hier nicht anzuwendende neue Fassung (BGBl. I Nr. 147/2021)
Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger
§ 206 IO
(1) Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners sind während des Abschöpfungsverfahrens nicht zulässig.
(2) Eine Vereinbarung des Schuldners oder anderer Personen mit einem Insolvenzgläubiger, wodurch diesem besondere Vorteile eingeräumt werden, ist ungültig. Was auf Grund einer ungültigen Vereinbarung oder auf Grund eines zur Verdeckung einer solchen Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungsverhältnisses geleistet worden ist, kann, unbeschadet weitergehender Ersatzansprüche, binnen drei Jahren nach Beendigung oder Einstellung des Abschöpfungsverfahrens zurückgefordert werden.
(3) Gegen eine Forderung des Schuldners, insbesondere auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfaßt werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
3.1.2. Rechtliche Beurteilung
Materiell-rechtlich liegt dem gegenständlichen Rückzahlungsverfahren in Wahrheit eine Meinungsverschiedenheit über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung und ob eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines Tilgungstatbestandes erloschen ist, vor. Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der angefochtene Rückzahlungsbescheid seinem materiellen Inhalt nach als Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO gedeutet werden (). In ständiger Rechtsprechung vertritt der Verwaltungsgerichtshof () die Ansicht, dass den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechts grundsätzlich der Vorrang vor den Verrechnungsvorschriften der Bundesabgabenordnung (BAO) zukommt.
Eine Aufrechnung ist daher gemäß § 20 Abs. 1 IO nicht zulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger (hier: Abgabenbehörde) erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden ist.
Gegenständlich befindet sich der Bf. allerdings nicht mehr in einem offenen Insolvenzverfahren, sondern in einem Abschöpfungsverfahren, in dem die vorgenannten Aufrechnungsregeln nicht unbesehen angewandt werden dürfen, zumal sich der frühere Gemeinschuldner nicht mehr auf diese insolvenzrechtliche Aufrechnungsbeschränkung berufen kann (; Fischerlehner, SWK 2002, S 840, mit Hinweis auf Schubert in: Konecy/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, §§ 19, 20 KO, Rz. 14).
Für Insolvenzverfahren, die (vgl. § 283 Abs. 6 IO) vor dem bei Gericht eingelangt sind, gilt § 206 Abs. 3 IO (idF. BGBl. I Nr. 147/2021) noch nicht, sodass die Vorgängerregelung des § 206 Abs. 3 IO anzuwenden ist.
Diese Bestimmung behandelt sohin die Aufrechnung gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden. Dies sind gemäß § 199 IO die Forderung aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. Der Drittschuldner kann mit einer Forderung gegen den Schuldner nur dann aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Konkurses nach §§ 19, 20 KO zur Aufrechnung berechtigt wäre. Angesichts des klaren Wortlautes dieser Bestimmung kann eine Ausdehnung eines Aufrechnungsverbotes zu Lasten aller Konkursgläubiger im Wege der Interpretation nicht vorgenommen werden. Ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Konkursgläubiger während des Abschöpfungsverfahrens kann der IO nicht entnommen werden.
Während die Exekutionssperre des § 206 Abs. 1 IO das gesamte Vermögen des Schuldners betrifft, trifft § 206 Abs. 3 IO eine Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden. Diese Differenzierung verbietet es, die umfassende Exekutionssperre einem generell geltenden Aufrechnungsverbot gleichzusetzen. Die vorgenommene Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis ist, wie sich auch aus § 12a KO ergibt, vom Gesetzgeber gewollt. Das Schuldenregulierungsverfahren setzt voraus, dass den Gläubigern das pfändbare Einkommen des Schuldners als Befriedigungsfonds zur Verfügung steht, weil dieses meist dessen einziges Vermögen darstellt (vgl. Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 12a KO, Tz. 1). Der Zweck, diese Mittel allen Gläubigern uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen, wird durch § 12a und § 206 Abs. 3 KO erreicht.
Der Einkommensteuer ist das Einkommen zu Grunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte (aus den im § 2 Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten) nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105 (§ 2 Abs. 1 und 2 EStG 1988). Die Einkommensteuer setzt daher zwar das Vorliegen von Einkünften, hier aus nichtselbständiger Arbeit, voraus. Der Abgabenanspruch selbst hat seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei dem in Rede stehenden Rückforderungsanspruch des Bf. handelt es sich um nichts anderes als um einen negativen Abgabenanspruch, der kraft Gesetzes entsteht (Ritz, BAO7, § 4 Tz. 2).
Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich - wie bereits vorhin ausgeführt - nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz (vgl. Heller/Berger/Stix, Kommentar zur EO, III/2005). Dem Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 KO unterliegen nicht nur Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis, sondern auch solche auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. Bei der Auslegung des Begriffes wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion kann § 290a Abs. 1 Z. 2 bis 12 EO als Grundlage dienen (vgl. Deixler-Hübner, in Konecny/Schubert, a. a.O., § 12a KO, Tz. 4).
In ähnlicher Weise vertritt der deutsche Bundesgerichtshof (BGH), dass es sich bei den Steuererstattungsansprüchen nicht um an den Treuhänder abgetretene Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge handle und die Aufrechnung nach § 294 Abs. 3 (d)InsO daher nicht ausgeschlossen sei. Zwar werde jedoch teilweise vertreten, dass auch der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen von der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 (d)InsO erfasst werde, weil der Begriff der Bezüge weit auszulegen sei und es genüge, wenn es sich um eine einmalige Zahlung handle, die mit einer Arbeitstätigkeit des Schuldners im Zusammenhang stehe (AG Gifhorn ZInsO 2001, 630; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 287 Rn. 9; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 287 Rn. 31). Diese Auffassung treffe jedoch nicht zu, da der Anspruch auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer zwar seinen materiellen Ursprung insofern in dem Arbeitsverhältnis habe, als zum Arbeitslohn auch die Lohnsteuer gehört, die der Arbeitgeber gemäß § 38 EStG einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wandle sich die Rechtsnatur des als Lohnsteuer einbehaltenen Teils der Bezüge jedoch aufgrund des entstehenden Lohnsteueranspruchs des Staates. Im Fall einer Rückerstattung wird aus dem Steueranspruch des Staates der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen (§ 37 Abs. 2 AO), ohne dabei seinen öffentlich-rechtlichen Charakter zu verlieren. Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund einer Arbeits- oder Dienstleistung zusteht (BFH/NV 1996, 10, 12; 281, 282; 1999, 738, 739). Steuererstattungsansprüche unterfallen deshalb grundsätzlich nicht der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO (BGH, Urteil vom - IX ZR 115/04).
Ob sich die oa. rechtliche Beurteilung auch nach dem hier noch nicht anzuwendenen § 206 Abs. 3 IO idF (BGBl. I Nr. 147/2021) aufrechterhalten lässt, braucht hier nicht entschieden werden und bleibt der künftigen Judikatur vorbehalten.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die in den rechtlichen Erwägungen angeführte Judikatur des VwGH verwiesen.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 215 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 206 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 283 Abs. 6 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100715.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at