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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.04.2014, RV/7200042/2010

Abweisung eines Erstattungsantrages gemäß Art. 239 ZK und § 83 ZollR-DG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesfinanzgericht hat durch

den Richter
Herbert Schober BA

in der Beschwerdesache Bf, als Masseverwalter im Konkurs der NN., Adresse1, vertreten durch B., gegen den Bescheid des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt vom , Zl. zzz, betreffend Erlass der Eingangsabgaben nach Art. 239 Zollkodex zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem an den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf.), Herrn Bf. als Masseverwalter im Konkurs der NN. (im Folgenden kurz: NN) gerichteten Bescheid vom , GZ. zZz, setzte das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt eine Eingangsabgabenschuld fest.

Für die NN sei gemäß Art. 204 Abs.1 Buchstabe a und b und Abs. 3 Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG und iVm § 71a ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld in der Höhe von € 2.786.628,19 (Einfuhrumsatzsteuer) entstanden.

Gleichzeitig setzte das Zollamt mit diesem Sammelbescheid im Grunde des § 108 Abs. 1 ZollR-DG eine Abgabenerhöhung von € 281.502,83 fest.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Berufung.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom , Zl. ZZZ, als unbegründet ab.

Der damalige Unabhängige Finanzsenat entschied über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde vom mit Berufungsentscheidung vom 11. MM 2013, GZ. ZRV/0130-Z1W/09. Der Unabhängige Finanzsenat änderte mit dieser Entscheidung den Tatbestand hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer ab und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab. Diese Berufungsentscheidung ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Das Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt wies mit Bescheid vom , Zl. zzz, den Antrag des Bf. vom auf Erlass der mit o.a. Bescheid vom vorgeschriebenen Eingangsabgabenschuld gemäß Art. 239 Zollkodex (ZK) ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Schriftsatz vom den Rechtsbehelf der Berufung.

Diese Berufung wies das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom , Zl. ZzZ, als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung vom zu Zl. ZRV/0127-Z1W/09, zog der Bf. u.a. auch den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung im gegenständlichen Rechtsbehelfsverfahren zurück.

Das Rechtsmittel ist nunmehr gemäß § 323 Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Art. 239 ZK:

(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben können in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle

- werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt;

- ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

(2) Die Erstattung oder der Erlass der Abgaben aus den in Absatz 1 genannten Gründen erfolgt auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Jedoch können

- in begründeten Ausnahmefällen die Zollbehörden diese Frist verlängern,

- in bestimmten Fällen kürzere Fristen im Ausschussverfahren festgelegt werden.

Art. 899 ZK-DVO:

(1) Stellt die Entscheidungszollbehörde, bei der eine Erstattung oder ein Erlass nach Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex beantragt worden ist, fest,

- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in den Artikeln 900 bis 903 beschriebenen Tatbestände erfüllen und keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so erstattet oder erlässt sie die betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben;

(2) In allen anderen Fällen, ausgenommen bei einer Befassung der Kommission gemäß Artikel 905, entscheidet die Entscheidungsbehörde von sich aus, die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. ...

Art. 905 Abs. 1 ZK-DVO:

Lässt die Begründung des Antrags auf Erstattung oder Erlass gemäß Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex auf einen besonderen Fall schließen, der sich aus Umständen ergibt, bei denen weder eine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so übermittelt der entscheidungsbefugte Mitgliedstaat den Fall der Kommission zur Entscheidung im Verfahren gemäß den Artikeln 906 bis 909,

- wenn diese Behörde der Auffassung ist, dass sich der besondere Fall aus Pflichtverletzungen der Kommission ergibt oder

- wenn der betreffende Fall im Zusammenhang steht mit Ergebnissen gemeinschaftlicher Ermittlungen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 515/97 oder anderer gemeinschaftlicher Rechtsakte oder Abkommen, die die Gemeinschaft mit anderen Ländern oder Ländergruppen geschlossen hat und in denen die Möglichkeit der Durchführung derartiger gemeinschaftlicher Ermittlungen vorgesehen ist, oder

- wenn die Abgaben, die bei einem Beteiligten infolge desselben besonderen Umstandes, gegebenenfalls auch für mehrere Einfuhr- oder Ausfuhrvorgänge, nicht erhoben wurden, 500.000 Euro oder mehr betragen.

Der Begriff "Beteiligter" ist in gleicher Weise wie in Artikel 899 auszulegen.

§ 83 ZollR-DG:

Artikel 239 ZK in Verbindung mit Artikel 905 ZK-DVO gilt für die Erstattung und den Erlass von sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben mit der Maßgabe, dass die Vorlage an die Kommission unterbleibt und die Artikel 906 bis 909 ZK-DVO nicht anzuwenden sind. Ein besonderer Fall ist in diesem Zusammenhang dann gegeben, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernstlich gefährdet ist. Liegt ein besonderer Fall auf Grund der ernstlichen Gefährdung der Existenz des Abgabenschuldners vor, ist die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten kein Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht.

Dem vorliegenden Verfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Mit den verfahrensgegenständlichen 944 Zollanmeldungen (siehe Anlage 1 der o.a. Berufungsvorentscheidung vom ) meldete die NN in den Jahren 2005 bis 2007 verschiedenste aus diversen Ländern (hauptsächlich aus China) stammende Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung (Code 4200) an.

Die Überführung der angemeldeten Waren in den zollrechtlich freien Verkehr erfolgte jeweils antragsgemäß und die Einfuhrumsatzsteuer wurde anlässlich der Einfuhr zunächst nicht erhoben (Art. 6 Abs. 3UStG 1994 Binnenmarktregelung - BMR).

In der nach erfolgter Überprüfung der Zollabfertigungen verfassten Niederschrift vom kamen die Prüforgane des Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt u.a. zum Schluss, dass in allen 944 Fällen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nicht vorlagen.

Nach den Feststellungen in der o.a. Berufungsentscheidung vom 11. MM 2013 ist erwiesen, dass eine Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in allen verfahrensgegenständlichen 944 Einfuhren mangels Erfüllung der Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 nicht in Betracht kommt, wobei zwischen zwei verschiedenen Fallgruppen zu unterscheiden ist:

In 517 Fällen steht fest, dass die in Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 geforderte Unmittelbarkeit nicht vorliegt und schon deshalb die Befreiung zu verwehren war. Dazu kommt, dass bis heute nicht feststeht, an wen die Waren tatsächlich geliefert worden sind, bzw. ob eine Besteuerung im Bestimmungsland stattgefunden hat.

In den übrigen 427 Fällen ist die NN ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, die vom Zollamt geforderten Nachweise zum Beweis dafür vorzulegen, dass sie oder die jeweiligen Abnehmer die Waren in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet haben.

Artikel 905 ZK-DVO, der die Regelung des Artikels 239 des Zollkodex präzisiert und näher ausführt, stellt eine allgemeine Billigkeitsklausel für außergewöhnliche Fälle dar, die als solche unter keinen der in den Artikeln 900 bis 904 der Durchführungsverordnung beschriebenen Tatbestände fallen ().

Aus Artikel 905 ZK-DVO ergibt sich, dass die Erstattung von Eingangsabgaben von der Erfüllung zweier kumulativer Voraussetzungen abhängt, nämlich erstens vom Vorliegen eines besonderen Falles und zweitens vom Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit und betrügerischer Absicht des Beteiligten (). Die Erstattung der Abgaben ist daher bereits dann zu versagen, wenn eine der beiden Voraussetzungen fehlt ().

Auf "einen besonderen Fall ..., der sich aus Umständen ergibt, bei denen weder eine betrügerische Absicht noch eine offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt", im Sinne der zitierten Norm, kann geschlossen werden, wenn im Lichte des an der Billigkeit ausgerichteten Regelungszwecks des Artikels 239 ZK Umstände festgestellt werden, aufgrund deren sich der Antragsteller in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, außergewöhnlich ist, und die Voraussetzungen des Artikels 900 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 2454/93 für einen Erlaß von Zöllen zugunsten des Antragstellers nicht erfüllt sind ().

Dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren liegt der Erstattungsantrag vom zugrunde. Dieser Antrag enthält ausschließlich Ausführungen im Zusammenhang mit dem Zollwert. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen an den Bf. gerichteten Abgabenvorschreibungen ist aber Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Festsetzung einer Einfuhrzollschuld auf Grund falsch erklärter Zollwerte, sondern die oben dargestellten Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung innergemeinschaftlicher Lieferungen. Das Zollamt hat daher im angefochtenen Bescheid vom die Nichtgewährung der begehrten Abgabenerstattung u.a. damit begründet, dass die Konstruktion eines besonderen Falles auf behauptete Vereinbarungen über den Zollwert der eingeführten Waren nicht gelingen kann.

Zu prüfen bleibt, ob sich die NN aus sonstigen Gründen in einer außergewöhnlichen Lage iSd zitierten Rechtsprechung befand.

Zum Vorbringen des Bf. in der Berufungsschrift vom , der Abgabenerlass nach Art. 239 ZK sei allein deshalb gerechtfertigt, weil die NN die Zollanmeldungen im guten Glauben abgegeben habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung auch die gutgläubige Vorlage von Dokumenten, die sich später als gefälscht erweisen, als solche keinen besonderen Umstand darstellt, der einen Erlass der Einfuhrabgaben rechtfertigt ().

Selbst wenn also die im rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren festgestellten Umstände, dass nicht feststeht, an wen die verfahrensgegenständlichen Waren geliefert worden sind und ob eine Besteuerung im Bestimmungsland stattgefunden hat, auf betrügerische Handlungen (wie etwa Fälschungen der bezughabenden Fakturen) der Kunden der NN zurückzuführen sind, ist für den Bf. nichts gewonnen. Denn der betrügerische Charakter der einem Zollspediteur übergebenen Rechnung stellt keinen besonderen Umstand im Sinne der zitierten Norm dar, zumal dies zu den Berufsrisiken gehört, denen sich ein Zollspediteur aussetzt, der dem Wesen seiner Tätigkeit entsprechend für die Ordnungsmäßigkeit der Dokumente haftet, die er den Zollbehörden vorlegt. Für die abträglichen Folgen des Fehlverhaltens seiner Kunden kann daher nicht die Gemeinschaft einstehen (EuG , T-290/97, Randnrn. 82 und 83).

Auch beim Einwand, im Streitfall sei der Zolldeklarant (richtig: der Zollspediteur) in Anspruch genommen worden und nicht der primäre Zollschuldner (also der Warenempfänger), handelt es sich nicht um einen Gesichtspunkt, aufgrund dessen sich die NN in einer Lage befinden kann, die gegenüber derjenigen anderer Wirtschaftsteilnehmer außergewöhnlich ist, da diese Umstände eine unbestimmte Zahl von Wirtschaftsteilnehmern betreffen, und zwar alle Zollspediteure, die als indirekte Vertreter die Zollanmeldung abgeben ().

Die Erhebung der entstandenen Abgaben in dem Fall, dass sich nachträglich herausstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die zunächst gewährte Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen doch nicht vorliegt, stellt ebenfalls ein mit der Abgabe von Zollanmeldungen verbundenes normales Risiko des Zollanmelders dar, mit dem er rechnen muss, wenn er als indirekter Vertreter für seine Kunden auftritt. Es liegt daher auch insofern kein besonderer Umstand vor. Dies insbesondere auch deshalb nicht, weil der NN nach der Aktenlage eine Missachtung der Anforderungen für die Abgaben von Zollanmeldungen im Verfahren "42xx" vorzuwerfen ist. Denn die NN hat in den o.a. 517 Fällen gegen die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 betreffend die Unmittelbarkeit einer innergemeinschaftlichen Lieferung verstoßen und in den o.a. 427 Fällen kein Bestätigungsverfahren gemäß Art. 28 Abs. 2 UStG 1994 in Anspruch genommen.

Eine nähere Auseinandersetzung mit den in der Berufungsschrift neuerlich vorgebrachten Ausführungen zum Zollwert erübrigt sich, zumal - wie bereits oben festgestellt - die gegenständliche Abgabenvorschreibung mit der Zollwertproblematik in keinerlei Zusammenhang steht.

Da es sich bei den verfahrensgegenständlichen Abgaben nicht um Einfuhrabgaben handelt, ist auch das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Abgabenerlass nach § 83 ZollR-DG zu prüfen:

Die genannte Norm definiert für den Bereich der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben (darunter die Einfuhrumsatzsteuer) den Begriff des "besonderen Falles" und erweitert den Anwendungsbereich des Billigkeitsregimes über die oben dargestellte vom EuGH entwickelte Rechtsprechung hinaus. Ein besonderer Fall liegt demnach dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist.

Eine sachlich bedingte Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen überproportionalen Vermögenseingriff kommt (vgl. zB ; ).

Im vorliegenden Fall stellt sich aber die Entstehung des Abgabenanspruchs als Auswirkung genereller Normen dar, dem ein außergewöhnlicher Geschehensablauf iSd zitierten Rechtsprechung weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen zugrunde liegt. Der geltend gemachten Umstand, im Streitfall sei der Spediteur und nicht die (vom Bf. nicht näher bezeichneten) Drahtzieher zur Verantwortung gezogen worden, ist als Ausfluss des allgemeinen (alle Speditionsunternehmen gleich treffenden) Unternehmerwagnisses zu sehen und kann daher ebenfalls nicht die Grundlage für die vom Bf. begehrte Billigkeitsmaßnahme bilden ().

Zum Vorbringen, es läge eine existenzielle Bedrohung vor, änderte der Bf. seine Argumentation insofern, als er diese zunächst mit der Behauptung begründete, nur die schon im MM 2007 vorhandenen Zollschulden hätten dazu geführt, dass über das Vermögen der NN der Konkurs zu eröffnen gewesen sei. In der Berufungsverhandlung vor dem damaligen Unabhängigen Finanzsenat vom (betreffend einen anderen Fall des Gesamtkomplexes rund um die NN) nahm er dieses Vorbringen zurück und wandte ein, nicht die erwähnten Zollschuldigkeiten, sondern der Entzug der zollrechtlichen Bewilligungen habe zur Konkurseröffnung geführt.

Die Beschwerde behauptet dazu, die NN sei durch den gegenständlichen Bescheid, noch mehr aber durch die gesamten Maßnahmen, die seit dem Jahr 2007 von der Zollbehörde durchgeführt worden seien, existenziell gefährdet worden, was schließlich zur Konkurseröffnung geführt habe.

Dies deckt sich auch mit den Aussagen des zeugenschaftlich einvernommenen ehemaligen Geschäftsführers der NN, der auf Befragen des Vertreters des Bf. im Rahmen der o.a. Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt hat, dem genannten Unternehmen sei ab März 2007 das "Arbeiten als Spedition" nicht mehr möglich gewesen (siehe Seite der 3 der Niederschrift über die Zeugenvernehmung).

Damit steht fest, dass - entsprechend den Ausführungen in der Beschwerdeschrift - die Existenzbedrohung dadurch eingetreten ist, dass die Spedition keine Verzollungen mehr durchführen konnte. Es kann somit keine Rede davon sein, dass die dem vorliegenden Erlassverfahren zugrunde liegende Abgabenschuldentstehung kausal für die Existenzbedrohung war.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der die Nachsichtsmaßnahme rechtfertigenden Abgabenbelastung nicht um irgendeine beliebige handeln darf. Es ist vielmehr gefordert, dass jene konkrete Abgabenvorschreibung ursächlich für die Gefahr der Existenzgefährdung ist, die den Gegenstand des Nachsichtsverfahrens bildet. Dass die Festsetzung der streitgegenständlichen Steuerschuld geeignet war, den Bestand des Unternehmens zu gefährden, hat der Bf. aber nie behauptet.

Unbestritten ist, dass über das Vermögen der NN bereits im MM 2007 das Konkursverfahren eröffnet worden ist und der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Zollschuldbescheid erst im März 2008 ergangen ist. Die dadurch gemäß § 10 Insolvenzordnung bewirkte Exekutionssperre betrifft auch die verfahrensgegenständliche Abgabenforderung. Eine Gefährdung der Existenz der Abgabenschuldnerin NN durch diese Abgabenbelastung liegt daher auch aus diesem Grund nicht vor.

Eine Unbilligkeit ist nach ständiger Rechtsprechung dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().

Laut Bf. war die NN mit Zollschuldfestsetzungen von über € 90.000.000,00 konfrontiert. Alleine die in Rechtskraft erwachsene Berufungsentscheidung GZ. ZRV/0129-Z1W/09 vom des damaligen Unabhängigen Finanzsenates betrifft eine aufrechte Abgabenforderung in der Höhe von ca. € 40.000.000,00. Angesichts dieser Umstände ist auszuschließen, dass die Gewährung des begehrten Erlasses Einfluss auf die Existenzgefährdung der NN haben könnte.

Der Bf. stützt den Erlassantrag auch auf die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld. Dass die Abgaben tatsächlich nicht einbringlich sind, steht nicht zuletzt auf Grund der vorstehenden Ausführungen außer Zweifel. Damit ist aber im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung gegeben, sodass auch aus dieser Sicht die begehrte Nachsicht zu verwehren war ().

Bei Gesamtbetrachtung der vorstehenden Ausführungen zeigt sich, dass dem Begehren auf Erlass der Abgaben im Grunde des § 83 ZollR-DG schon alleine deshalb nicht entsprochen werden konnte, weil kein "besonderer Fall" vorliegt. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, die NN habe nicht betrügerisch gehandelt, ist daher entbehrlich.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die NN entgegen der vom Bf. vertretenen Ansicht hinsichtlich der festgesetzten Einfuhrumsatzsteuer nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, da die Wirtschaftsgüter nicht für das Unternehmen der NN eingeführt worden sind und auch die sonstigen in § 12 UStG normierten Voraussetzungen nicht erfüllt wurden.

Die Entscheidung, keine Revision zuzulassen, wird wie folgt begründet:

Bei der Lösung der vom Bf. im Mittelpunkt seiner Einwendungen gestellten Rechtsfragen konnte sich das Bundesfinanzgericht auf die in diesem Erkenntnis zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes stützen. Ob die NN zum Vorsteuerabzug berechtigt war und ob die Voraussetzungen des § 83 ZollR-DG vorlagen, war jeweils als Tatfrage zu beurteilen. Da auch sonst keine Umstände festgestellt werden konnten, die auf das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG hindeuten, war die Revision als unzulässig zu erklären.

Es war sohin wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 83 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Schlagworte
besonderer Fall
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2014:RV.7200042.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at