Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet, zu entnehmen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der aus Polen stammende Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 Werbungskosten aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung (2.520,00 €) und von Familienheimfahrten (3.672,00 €) geltend.
2. Mit Ergänzungsersuchen vom wurde er vom Finanzamt zu Anschrift und Entfernung des Familienwohnsitzes, zum Nachweis der Fahrtkosten und Aufwendungen für den Wohnsitz am Beschäftigungsort, zur Größe der Wohnung, zum Grund, warum der Familienwohnsitz nicht in die Nähe der Arbeitsstätte verlegt werden könne, und zu den Einkünften einer allfälligen Partnerin befragt.
In seiner Antwort vom wies der Bf darauf hin, dass sich sein Lebensmittelpunkt in Polen befinde, wo er ein Haus besitze, für welches er Grundsteuer entrichte und ein Meldezettel existiere. Daher müsse er jede Woche nach Hause fahren. Er verwies auf die beiliegenden Unterlagen. Beigefügt waren ein Antrag auf Abfindung lt. § 10 BUAG betreffend eine andere in Polen, ***Ort3Polen*** wohnhafte Person, ein Verdienstausweis sowie Gehaltsabrechnungen zweier Leasingfirmen für den Bf (Adresse: ***Gemeinde***, ***AdresseÖ***), außerdem verschiedene österreichische und polnische Tankrechnungen aus dem Jahr 2019.
3. Mit Ergänzungsersuchen vom wurden der aktuelle Beschluss über die Unterhaltsfestsetzung sowie Zahlungsnachweise über 2019 geleistete Alimentationszahlungen angefordert.
Dem Antwortschreiben vom beigelegt war die beglaubigte Übersetzung des Urteils eines polnischen Bezirksgerichtes wegen Erhöhung der Alimente des Bf's für seine im März 1997 geborene Tochter ***To*** ab September 2015. Diese Verpflichtung trat an die Stelle eines Urteils aus dem Jahr 2012. Weiters waren Überweisungsbelege an ***To*** ***Nachname*** in ***Ort2Polen*** aus dem Jahr 2019 angeschlossen.
4. Im Einkommensteuerbescheid 2019 vom wurden die vom Bf beantragten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten anerkannt; dies mit der Begründung, dass eine Wohnsitzverlegung zugemutet hätte werden können. Bei verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen gebe es eine zeitliche Begrenzung von zwei Jahren für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung. Unterhaltsabsetzbetrag und Familienbonus Plus wurden in der für Polen indexierten Höhe anerkannt.
5. Dagegen erhob der Bf mit Eingabe vom Beschwerde und führte begründend Folgendes aus: Seine Erwerbstätigkeit in Österreich begründe die Beibehaltung des Hausstandes am Familienwohnort. Seine Wurzeln seien in Polen. Der Hauptwohnsitz befinde sich im Heimatstaat, wo auch die Tochter lebe. Bei ständig wechselnden Arbeitsstätten seien die Aufwendungen für mehr als zwei Jahre zulässig. Letzter Dienstgeber sei eine Leasingfirma gewesen, also eine Beschäftigung auf Zeit. Er sei dort entlassen worden und könne seine Zukunft nicht mit Österreich verbinden.
6. Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf vom Finanzamt abermals zu den Fahrtkosten (Fahrgemeinschaft, Aufstellung der Fahrten), zu den Kosten in Österreich (Mietvertrag) sowie den in Polen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen befragt.
In seiner Antwort vom verwies der Bf auf seine per Online übermittelten Unterlagen. Die Fahrten habe er mit seinem eigenen PKW durchgeführt.
7. Mit Ergänzungsersuchen vom wurde er vom Finanzamt im Zuge des Beschwerdeverfahrens beim Finanzamt abermals zur Nachreichung von Aufzeichnungen über seine Fahrten nach Polen im Jahr 2019 sowie zur Vorlage von Haushaltsbestätigungen über im gemeinsamen Haushalt in Polen lebende Personen, einer Einkommensbestätigung der Ehefrau bzw. Lebensgefährtin in Polen (Formular E 9) sowie des Mietervertrages samt Zahlungsbestätigungen in Österreich in deutscher Übersetzung aufgefordert.
In seiner Antwort vom hielt der Bf fest, dass er alleine lebe. In Polen habe er ein Einfamilienhaus als Eigentum. Dort sei 2019 sein Lebensmittelpunkt gewesen. Er sei über eine Leasingfirma zeitlich beschränkt beschäftigt und eine Verlegung des Familienwohnsitzes daher nicht zumutbar gewesen.
Der Antwort beigelegt waren eine Bescheinigung aus dem Einwohnerregister vom , wonach er in ***Ort1Polen***, ***AdressePolen*** mit Hauptwohnsitz gemeldet sei, ein Meldezettel, wonach der Hauptwohnsitz dort seit bestehe, sowie eine Bescheinigung der Stadtbehörde in ***Ort1Polen*** vom über die Gebührenentrichtung für das Objekt in ***AdressePolen***. Außerdem waren zwei ZMR-Auszüge angeschlossen, wonach der Bf seit in Österreich, ***Gemeinde***, ***AdresseÖ*** mit Hauptwohnsitz und ab dort mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen sei. Laut Bestätigung der Vermieterin hatte der Bf in ihrem Mietobjekt in ***AdresseÖ*** gewohnt und im Jahr 2019 insgesamt 2.520,00 € an Miete bezahlt. Beigelegt waren außerdem die letzte Lohn-Gehaltsabrechnung einer Leasingfirma von März 2019 sowie ein Dokument über die fristlose Entlassung per . Schließlich legte der Bf auch die Kopie einer auf ihn lautenden Zulassungsberechtigung betreffend einen VW Golf und eine Aufstellung von Familienheimfahrten 2019 vor. Danach hatte der Bf zumindest einmal monatlich die Strecke ***AdresseÖ1*** - ***Ort1Polen*** (625 km) hin und retour zurückgelegt. Weiters war die Kopie eines Belegs über die Entrichtung der Autobahnmaut am Grenzübergang ***Ort*** (9,40 €) vom angeschlossen.
8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen, da es für einen alleinstehenden Arbeitnehmer, der keine gewichtigen Gründe gegen eine Wohnsitzverlegung aufzuzeigen vermöge, durchaus zumutbar sei, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zB sechs Monaten eine Wohnung am Beschäftigungsort zu nehmen und dort seinen einzigen Haushalt zu führen. Erfolge eine Wohnsitzverlegung innerhalb dieses angemessenen Zeitraumes von sechs Monaten nicht, so sei die Beibehaltung von zwei Wohnsitzen von privaten Motiven getragen und lägen keine Werbungskosten vor. Der Bf sei laut Melderegister seit mindestens mit Hauptwohnsitz an gleicher Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet und seit in Österreich in Beschäftigung. Vom 01.01. bis habe er in Österreich Arbeitslosengeld bezogen. Laut seinen Angaben sei er im Jänner, Februar und März je einmal für drei Tage nach Polen gefahren, ansonsten habe er sich in Österreich aufgehalten. Die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten hätten daher nicht berücksichtigt werden können.
9. Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Vorlage seiner Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Begründend führte er aus, dass die Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht privat veranlasst seien. Er sei polnischer Staatsbürger, sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Polen. 2019 sei er bei einer Leasingfirma zeitlich begrenzt beschäftigt gewesen.Er könne seinen Wohnsitz nicht nach Österreich verlegen, da er in Polen ein Eigentumshaus besitze.
10. Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vorgelegt.
11. Mit Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom wurden dem Bf zwecks Klärung des Sachverhaltes weitere Fragen gestellt, die er mit Eingabe beim Finanzamt Österreich am beantwortete. Die Antwort wurde nach Erinnerung des Bf's am an das Bundesfinanzgericht übermittelt.
Aus der Antwort des Bf's ergab sich Folgendes:
Zur Frage nach dem Aufenthaltsort der Tochter von 2012 bis 2019 und danach, ob sie 2019 noch in Ausbildung gewesen sei: Die noch in Ausbildung befindliche Tochter habe bei ihrer Mutter Polen (***PLZOrt2Polen*** ***Ort2Polen***, ***AdrPolen***) gelebt.
Zur Frage, wann die Ehe geschieden worden sei, und wo die geschiedene Ehefrau 2012 bis 2019 gelebt habe: Die Scheidung sei 2015 erfolgt; die Ehefrau habe in Polen (***PLZOrt2Polen*** ***Ort2Polen***, ***AdrPolen***) gelebt.
Zur Frage nach den Miteigentümerinnen der Liegenschaft ***AdressePolen*** in Polen: Es habe sich bei diesen um seine beiden Schwestern gehandelt.
Zur Frage, von wem die Liegenschaft von 2012 bis 2019 bewohnt worden sei: Nur von ihm.
Zur Frage, wo er von 2012 bis 2019 gewohnt habe: Dies sei immer in ***PLZOrt2Polen*** ***Ort1Polen***, ***AdressePolen*** in Polen gewesen. Eine vom Finanzamt angenommene Zustelladresse in Polen, ***Ort3Polen*** sei von ihm nie angegeben worden.
Zur Frage nach der Befristung seines Dienstvertrages mit der ***YGmbH*** in Österreich, wo er von November 2012 bis August 2017 durchgängig beschäftigt gewesen sei:
Dieser Vertrag sei unbefristet gewesen.
Zur Frage, ob er in diesem Zeitraum oder danach (insb. 2019) in Polen mit einer Lebensgefährtin oder Ehegattin im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, gab er Namen und Geburtsdatum von ***NameLG*** an.
Zur Frage, wann dies genau gewesen sei, nach einer Haushaltsbestätigung und einem Einkommensnachweis der Partnerin für 2019: Sie habe einen abweichenden Wohnsitz bei der Mutter gehabt. Er habe es leider nicht geschafft, einen Einkommensnachweis zu besorgen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf ist gebürtiger Pole. Zusammen mit seinen beiden Schwestern ist er dort Miteigentümer eines Hauses in ***Ort1Polen***, ***AdressePolen***, wo sich jedenfalls seit 2012 auch sein Wohnsitz. Das Haus wird von ihm alleine bewohnt.
Der Bf war bis 2015 in Polen verheiratet. Die Ehe wurde 2015 geschieden. Die im März 1997 geborene gemeinsame Tochter der geschiedenen Eheleute ***To*** wohnte seither bei ihrer Mutter in ***Ort2Polen***, Polen. Im Jahr 2019 befand sie sich noch in Ausbildung und leistete der Bf für sie in diesem Jahr den gesetzlichen Unterhalt. Die Kindesmutter bezog im Jahr 2019 Familienbeihilfe/Differenzzahlung.
Bereits seit war er in Österreich beschäftigt, wobei er vom bis beim selben Dienstgeber (***YGmbH***) in einem unbefristeten Dienstverhältnis arbeitete. Vom bis bezog er großteils Arbeitslosengeld. Danach arbeitete er vorwiegend für eine Personalleasingfirma (***XGmbH***) und bezog in den Monaten September bis November 2018 zeitweise und ab 13.12. bis durchgehend Arbeitslosengeld. Im Jahr 2019 arbeitete er nach dem Bezug von Arbeitslosengeld vom 23.04. bis wiederum durchgehend für dieselbe Personalleasingfirma. Nach Entlassung, Bezug von Kranken- und anschließend Arbeitslosengeld war er ab 21.09. bis bei einer anderen Leasingfirma in Österreich tätig.
Der österreichische Wohnsitz des Bf's befand sich seit in ***Gemeinde***, ***AdresseÖ1*** 54, wo ihm laut Bestätigung seiner Vermieterin im Jahr 2019 2.520,00 € an Mietkosten anfielen. An diesem Wohnsitz war er ab 2013 als Hauptwohnsitz, ab als Nebenwohnsitz gemeldet.
Laut Fahrtenbuch suchte der Bf im Jahr 2019 seinen 625 km entfernten, polnischen Wohnsitz in ***AdressePolen*** monatlich einmal für meist drei Tage an einem Wochenende auf. Je nach Feiertags- bzw. Urlaubssituation waren dies ausnahmsweise mehr Tage (April/Ostern 4 Tage, Juni 9 Tage, August 8 Tage, November/Allerheiligen 5 Tage, Dezember/Weihnachten 6 Tage).
Der Bf machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 die Mietkosten als Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung geltend; ebenso beantragte er die Aufwendungen für Familienheimfahrten (3.672,00 €) als Werbungskosten. Begründend wies er auf seinen Hauptwohnsitz in seinem Einfamilienhaus in Polen und seine Beschäftigung bei Leasingfirmen im Jahr 2019. Auch seine Tochter lebe in Polen und habe er dort seine Wurzeln. Bei ständig wechselnden Arbeitsstätten wäre für einen Wohnsitzwechsel eine Frist von zwei Jahren zulässig.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergab sich zunächst aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, darunter vor allem auch die vom Bf im Zuge des Ermittlungsverfahrens beim Finanzamt vorgelegten Unterlagen (siehe die unter dem Punkt "Verfahrensgang" dargestellten Ergänzungsersuchen samt Antworten und Beilagen).
Die Feststellungen zum österreichischen Wohnsitz basieren auf den sich aus dem österreichischen Zentralen Melderegister ergebenden Daten.
Arbeitgeber und Beschäftigungszeiträume des Bf's in Österreich waren aus den Beilagen zu den aktenkundigen Einkommensteuerbescheiden für 2019 und für die Vorjahre, die dem Abgabeninformationssystem des Bundes zu entnehmen sind, ersichtlich; dies gilt ebenso für die Zeiträume des Bezugs von Arbeitslosengeld. Dass er bei seinem Arbeitgeber ***YGmbH*** von November 2012 bis August 2017 durchgehend in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte, bestätigte der Bf in seiner Antwort auf das Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom .
Die Feststellungen zum polnischen Wohnsitz und zu den Familienverhältnissen ergaben sich aus den Eingaben des Bf's. Dass er in seinem Haus in ***Ort1Polen***, ***AdressePolen***, das zusammen mit seinen beiden Schwestern in seinem Eigentum steht, jedenfalls ab 2012 alleine lebte, bestätigte er in seiner Antwort vom gegenüber dem Bundesfinanzgericht. Daraus geht hervor, dass seine Tochter seit der Scheidung im Jahr 2015 nicht ihm, sondern bei ihrer Mutter in Polen lebte. Ebenso bestand auch mit seiner Lebensgefährtin kein gemeinsamer Haushalt; diese lebte vielmehr bei ihrer Mutter.
Laut Antwort des Bf's vom war seine in Polen lebende Tochter - laut Aktenlage geboren im März 1997 - im Jahr 2019 noch in Ausbildung. Dies wurde auch vom Finanzamt nicht angezweifelt, da im angefochtenen Erstbescheid sowohl Familienbonus Plus als auch Unterhaltsabsetzbetrag gewährt wurden. Die von ihm geleisteten gesetzlichen Unterhaltszahlungen für seine Tochter hatte der Bf bereits über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom nachgewiesen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur doppelten Haushaltsführung/Familienheimfahrten:
3.1.1. Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften unter anderem nicht abgezogen werden
1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge;
2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.
Anmerkung: Dieser Betrag belief sich im beschwerdegegenständlichen Jahr auf 3.672 € (= bei einfacher Fahrtstrecke von über 60 km).
3.1.2. Erwägungen:
Die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung, die einem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nicht täglich zum Familienwohnsitz zurückkehren kann, ergibt sich aus den oben zitierten allgemeinen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes.
Zufolge dieser Normen ist daher im konkreten Fall jeweils zu prüfen, ob Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 vorliegen, dies allerdings unter Berücksichtigung der im vorliegenden Zusammenhang zu beachtenden Abzugsverbote des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit. a und e EStG 1988 ().
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, ist aus der Sicht des Streitjahres nach den Umständen Einzelfalles zu beurteilen ().
Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Hausstand können "für eine gewisse Übergangszeit" Fahrkosten und Aufwendungen für ein möbliertes Zimmer am Beschäftigungsort als Werbungskosten anerkannt werden (), weil diesem zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich, in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen ().
Nach dieser Übergangszeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Laut Verwaltungspraxis erscheint bei einem alleinstehenden Steuerpflichtigen, der weder mit einer Partnerin/einem Partner oder einem minderjährigen Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, die Bemessung dieses zumutbaren Übergangszeitraumes für die Wohnsitzverlegung an den neuen Beschäftigungsort mit cirka einem halben Jahr als angemessen. Bei einem verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebenden Steuerpflichtigen erhöht sich dieser zumutbare Zeitraum auf zwei Jahre.
Fahrtkosten eines alleinstehenden Arbeitnehmers zum Besuch seiner Eltern sind grundsätzlich keine Werbungskosten, sondern der privaten Lebensführung zuzurechnen (). Ebenso ist die Verlegung des Familienwohnsitzes schon deshalb nicht unzumutbar, weil der Steuerpflichtige am Familienwohnsitz ein Eigenheim errichtet hat, die Kinder dort zur Schule gehen und dergleichen mehr ().
Eine Wohnsitzverlegung ist dann nicht zumutbar, wenn ein Arbeitnehmer jederzeit konkret und ernsthaft mit der Abberufung und Versetzung an einen anderen Arbeitsort rechnen muss oder aus anderen Gründen konkret davon auszugehen ist, dass die Tätigkeit am Beschäftigungsort nur eine vorübergehende sein wird (; Zl. 86/14/0165). Die bloß abstrakte Möglichkeit hingegen, vom derzeitigen Arbeitsort abberufen zu werden, stellt keine ausreichende Begründung für Annahme der Unzumutbarkeit dar ().
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen (Familien)Wohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung dieses Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen(vgl. zB ; ).
Ist davon auszugehen, dass die Verlegung des Wohnsitzes an den Beschäftigungsort bereits erfolgt ist, können die Kosten der Haushaltsführung und der Fahrten zur Wohnung schon aus diesem Grund nicht zu Werbungskosten führen können (; ).
Legt man die obigen sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebenden Ausführungen auf den gegenständlichen Fall um, so musste das entscheidende Gericht zu folgendem Ergebnis kommen:
Der Bf brachte zunächst vor, dass er seinen Familienwohnsitz deswegen nicht nach Österreich verlegen habe können, weil er in Polen über ein in seinem Eigentum befindliches Haus verfüge und sich auch seine Tochter in Polen befinde, weshalb er dort seine stärksten persönlichen Beziehungen habe.
Als Familienwohnsitz gilt jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein lediger Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner oder ein allein stehender Steuerpflichtiger mit einem minderjährigen Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 einen gemeinsamen Haushalt unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm. 25; ).
Auch ein Alleinstehender ohne Kind kann dort, wo er seine engsten persönlichen Beziehungen hat, einen "Familienwohnsitz" haben. Allerdings sind die anerkennenswerten Gründe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes gegenüber Steuerpflichtigen mit (Ehe)Partnern und/oder Kindern eingeschränkt (). Wie oben bereits angeführt, ist nach der Verwaltungspraxis bei einem allein im Haushalt lebenden Steuerpflichtigen die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung bereits innerhalb eines halben Jahres ab Beschäftigungsaufnahme anzunehmen, während bei einem Steuerpflichtigen, der im gemeinsamen Haushalt mit Partner/in und/oder Kind lebt, ein wesentlich längerer Zeitraum von zwei Jahren als angemessen erachtet werden kann. Diese Verwaltungspraxis steht durchaus im Einklang mit der Verkehrsauffassung und der allgemeinen Lebenserfahrung, die sich aus der Sichtweise eines objektiv denkenden Menschen ergibt. So ist davon auszugehen, dass die Verlegung eines Haushaltes durch eine einzelne Person viel schneller und reibungsloser erfolgen kann als bei einem Steuerpflichtigen, der auf die Interessen, Bedürfnisse und Lebenssituation weiterer Haushaltsangehöriger Rücksicht nehmen muss.
Wie die Ermittlungen im gegenständlichen Verfahren ergeben haben und vom Bf auch ehrlich eingestanden wurde, bewohnte er sein Haus in Polen, ***Ort1Polen***, ***AdressePolen*** von 2012 (= Beschäftigungsbeginn in Österreich) bis 2019 (= beschwerdegegenständlicher Zeitraum) allein. Seine im Jahr 2019 bereits 22-jährige Tochter lebte bei ihrer Mutter, der geschiedenen Ehegattin des Bf's, in ***Ort2Polen***, Polen. Auch die von ihm angeführte Lebensgefährtin hatte, wie der Bf selbst angegeben hat, ihren Wohnsitz bei ihrer Mutter.
Es steht somit fest, dass der Bf an seinem polnischen Wohnsitz in ***AdressePolen*** weder in einem gemeinsamen Haushalt mit einer Partnerin noch mit einem Kind lebte.
Als zumutbare Frist für eine Wohnsitzverlegung an den Beschäftigungsort war daher nach dem oben Gesagten der Zeitraum von cirka einem halben Jahr ab Beschäftigungsbeginn anzunehmen. Tatsächlich waren beim Bf im Jahr 2019 bereits fast sieben Jahre seit Aufnahme der Beschäftigung in Österreich im Jahr 2012 und fast vier Jahre seit der Scheidung im Jahr 2015 vergangen, sodass diese Frist von einem halben Jahr schon längst abgelaufen war. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass im Jahr 2019 aber ohnehin bereits auch der für Steuerpflichtige, die am Familienwohnsitz mit einer Partnerin oder einem minderjährigen Kind zusammenleben, als zumutbar angenommene längere Zeitraum von zwei Jahren eindeutig überschritten gewesen wäre.
Der Bf brachte vor, dass seine Tochter in Polen lebe, weshalb auch dort sein Hauptwohnsitz anzunehmen sei. Hierzu ist festzustellen, dass die Tochter im Jahr 2019 bereits das 22. Lebensjahr vollendete und zudem nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebte. Entsprechend der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch der Besuch naher Angehöriger, die nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Steuerpflichtigen leben (siehe zB , zum Besuch der Eltern), der privaten Lebensführung zuzurechnen. Dies gilt auch für den Besuch der als vom Bf als Lebensgefährtin bezeichneten Partnerin, da sie nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihm wohnte.
Ebenso konnte der Einwand, dass er in Polen über ein in seinem Eigentum stehendes Haus verfüge, dem Begehren des Bf's nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar ist es richtig, dass er in ***Ort1Polen*** über einen Miteigentumsanteil an einem Haus verfügt, das zusammen mit seinen beiden Schwestern in seinem Eigentum steht und in dem er alleine wohnte. Aber auch in diesem Zusammenhang sich der Verwaltungsgerichtshof schon klar zur Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung geäußert. Nach der oben zitierten Rechtsprechung ist die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht schon allein deshalb unzumutbar, weil der Steuerpflichtige am Familienwohnsitz über ein Eigenheim verfügt ().
Schließlich brachte der Bf vor, dass er zuletzt bei einer Leasingfirma gearbeitet, sohin eine Beschäftigung auf Zeit vorgelegen habe und er nach der Entlassung seine Zukunft nicht mehr mit Österreich verbinden könne.
Er spricht mit dieser Aussage zweifellos die Rechtsprechung an, wonach bei befristeten Dienstverhältnissen eine Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nicht vorläge. Der Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt darin, dass nach der Verkehrsauffassung bzw. zufolge allgemeiner Lebenserfahrung eine Wohnsitzverlegung an den Beschäftigungsort dann nicht zumutbar erscheint, wenn davon ausgegangen werden muss, dass die Verweildauer am Beschäftigungsort nur vorübergehend sein werde und eine Verlegung des Familienwohnsitzes dorthin nicht sinnvoll wäre. Wie bereits oben dargelegt, reicht aber eine bloß abstrakte Möglichkeit, vom Tätigkeitsort abberufen werden zu können, noch nicht für die Annahme der Unzumutbarkeit. Allein die höhere Wahrscheinlichkeit, bei Beschäftigung in einer Leasingfirma schneller gekündigt zu werden, stellt lediglich eine solche bloß abstrakte Möglichkeit dar. Hinzu müssen aber im Einzelfall noch konkrete Umstände kommen, die darauf hinweisen, dass der Wohnsitz am Beschäftigungsort tatsächlich mit dem Ende der Beschäftigung bei diesem Arbeitgeber aufgegeben werde.
Gerade im gegenständlichen Fall hat der bisherige Geschehensablauf jedoch gezeigt, dass die Beibehaltung des Wohnsitzes in ***Gemeinde*** nicht an den aktuellen Dienstgeber gebunden war. Vielmehr ließen die festgestellten Umstände darauf schließen, dass selbst eine Beendigung des Dienstverhältnisses bei der Leasingfirma keine Aufgabe des österreichischen Wohnsitzes bewirkt hätte: Aus der Aktenlage ergibt sich eindeutig, dass sich der Bf bereits seit März 2012 in Österreich aufhielt und er hier arbeitete. Von November 2012 bis August 2017 war er durchgehend in einem - wie auch von ihm bestätigt - unbefristeten Dienstverhältnis beim selben Arbeitgeber tätig. Nach anschließendem Bezug von Arbeitslosengeld kehrte er nicht nach Polen zurück, sondern arbeitete ab April 2018 mit Unterbrechungen und zeitweiligem Bezug von Arbeitslosengeld für eine Personalleasingfirma in Österreich. Auch im Jahr 2019 war er ab 23.04. wiederum durchgehend für diese Firma tätig. Nach seiner Entlassung im März 2020 blieb er in Österreich und nahm nach dem Bezug von Arbeitslosen- und Krankengeld ab September 2020 für eine andere Leasingfirma in Österreich auf. Während all seiner Tätigkeiten hatte er ab durchgängig einen Wohnsitz in ***AdresseÖ1***, bis als Hauptwohnsitz, ab als Nebenwohnsitz.
Wie der dargestellte Geschehensablauf zeigt, behielt der Bf trotz Beendigung seines unbefristeten Dienstverhältnisses mit seinen bereits ab Juni 2013 bestehenden bisherigen Wohnsitz am Beschäftigungsort bei. Dies tat er auch während der folgenden Jahre und trotz verschiedener Arbeitgeber (Leasingfirmen). Auch jetzt ist er noch immer dort wohnhaft. Als Indiz dafür, dass er seine Wohnung in ***Gemeinde***, ***AdresseÖ*** als Wohnsitz beibehalten wollte, ist zudem die für 2019 vorliegende Meldung als Hauptwohnsitz im Melderegister zu werten. Außerdem ergibt sich aus dem von ihm vorgelegten Fahrtenbuch, dass er sich im Jahr 2019 außer den monatlichen Aufenthalten an einem Wochenende und zu den Feiertagen nur während zweier Urlaubswochen an seinem Wohnsitz in Polen aufgehalten hat.
Aus den angeführten Erwägungen konnten die vom Bf angeführten Gründe nicht als ausreichend für die Annahme einer Unzumutbarkeit der Verlegung seines Wohnsitzes von Polen an den Beschäftigungsort in Österreich im Jahr 2019 erachtet werden.
Darüber hinaus war aus objektiver Sicht aber ohnehin davon auszugehen, dass der Wohnsitz vom Bf bereits lange vor dem beschwerdegegenständlichen Zeitraum 2019 nach Österreich verlegt worden war.
Diese Annahme wird in gravierender Weise durch die sich aus der Aktenlage ergebenden, oben geschilderten Umstände gestützt. Wie erwähnt, war der Bf bereits von 2012 bis 2017 fast fünf Jahre hindurch durchgängig in einem unbefristeten Dienstverhältnis in Österreich tätig und bereits ab Juni 2013 ständig in ***AdresseÖ***/***Gemeinde*** mit Hauptwohnsitz gemeldet. Auch nach Auflösung des unbefristeten Dienstverhältnisses per änderte sich nichts. Er behielt er seinen bisherigen Wohnsitz in Österreich bei, dies auch während der Suche nach weiterer Beschäftigung und der Anstellung bei den von ihm angesprochenen Leasingfirmen in den folgenden Jahren. Er wurde zwischenzeitig im Jahr 2015 geschieden und es steht fest, dass er an seinem polnischen Wohnsitz in ***AdressePolen*** nicht im gemeinsamen Haushalt mit einer Partnerin oder einem minderjährigen Kind gelebt hat. Allein der regelmäßige Besuch seiner Angehörigen (die nicht im gemeinsamen Haushalt mit ihm wohnten!) oder der Umstand, dass er über ein in seinem (Mit)Eigentum in Polen bestehendes Haus verfügte, sprechen nicht dagegen, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes durch den allein lebenden Bf schon längst - lange vor 2019 - vollzogen wurde. Dies war frühestens nach Ablauf eines angemessenen Zeitraumes nach Tätigkeitsaufnahme in Österreich im Jahr 2012, spätestens aber nach der Scheidung im Jahr 2015.
Unter diesen Umständen konnten aber, wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner oben zitierten Rechtsprechung (; ) festgehalten hat, die Kosten der Haushaltsführung und der Fahrten zur Wohnung schon allein aus diesem Grund nicht zu Werbungskosten führen.
Im Ergebnis war den beantragten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten einerseits deswegen die Anerkennung als Werbungskosten zu versagen, weil der Bf für das Streitjahr 2019 keine ausreichenden Gründe für eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung vorgebracht hatte; andererseits war aber bereits von einer Wohnsitzverlegung vor 2019 auszugehen, die eine Anerkennung von entsprechenden Aufwendungen nach dem Gesagten von Vornherein nicht möglich machte.
Dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren konnte daher nicht Rechnung getragen werden.
3.2. Zur Höhe des Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus:
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war unstrittig, dass dem Bf für das Jahr 2019 sowohl der Unterhaltsabsetzbetrag als auch der Familienbonus Plus für seine im März 1997 geborene, bei der Kindesmutter in Polen lebende Tochter ***To***, die noch in Ausbildung stand, zustand. Diese Absetzbeträge wurden dem Bf vom Finanzamt im angefochtenen Bescheid auch grundsätzlich gewährt, dies allerdings nur in der nach der damaligen Gesetzeslage indexierten Höhe.
Zwischenzeitig wurden aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes C-328/20, wonach der Anpassungsmechanismus bei der Bemessung von Familienleistungen bzw. familienbezogenen Steuerbegünstigungen (ua des Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag) nach der unterschiedlichen Kaufkraft in den einzelnen Mitgliedsstaaten (= Indexierung) als unionsrechtswidrig qualifiziert worden war, unter anderem die Bestimmungen des § 33 Abs. 3a und Abs. 4 EStG 1988 betreffend Familienbonus Plus und Unterhaltsabsetzbetrag geändert:
Zufolge Art. 2 Z 4 des "Bundesgesetzes, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden", BGBl I 135/2022, entfallen § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 (betrifft Indexierung/Familienbonus Plus) und § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 (betrifft Indexierung/Unterhaltsabsetzbetrag). Diese Änderungen sind gemäß § 124b Z 410 lit. a EStG 1988 auch für Kinder, die sich ständig in Polen aufhalten, bei Veranlagung der Einkommensteuer erstmalig für das Kalenderjahr 2019 anzuwenden (Art. 2 Z 11 leg.cit.).
Das bedeutet, dass auch im gegenständlichen Fall die Bestimmungen des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 und § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 betreffend die Indexierung des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages für Kinder, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat der EU - hier Polen - aufhalten, nicht mehr anzuwenden sind.
Das führte zu folgendem Ergebnis:
Der Familienbonus Plus ist mit dem Betrag laut § 33 Abs. 3a Z 1 lit. b EStG 1988 von 41,68 Euro für das Kind über 18 Jahren (Tochter ***To***, geboren 1997), das sind für das gesamte Jahr 2019 500,16 Euro zu bemessen.
Der Unterhaltsabsetzbetrag für die Tochter ***To*** ist gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 in der nunmehr geltenden Fassung ist mit 29,20 Euro monatlich bzw. 350,40 Euro für das gesamte Jahr 2019 zu berücksichtigen.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2019 war insofern abzuändern.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
4. Zum Abspruch über die Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Ob die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zumutbar ist, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () jeweils im Einzelfall bezogen auf die konkret vorliegenden tatsächlichen Umstände zu beurteilen. Das gegenständliche Erkenntnis war somit in diesem Punkt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig.
Die Frage der Indexierung von Familienleistungen bzw. bestimmter familienbezogener Steuerbegünstigungen wurde durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geklärt und ergab sich die diesbezügliche rechtliche Beurteilung aus den zufolge des geänderten gesetzlichen Bestimmungen (Art. II BGBl I 135/2022). Das Erkenntnis war somit auch in diesem Punkt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2019)
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100159.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at